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Tief verwurzelt, fest gegründet, Predigt über Epheser 3,14-21 zur Konfirmation 2016

Predigt am 8.5.16 von Andreas Hansen über Eph 3,14-21

Konfirmation

Epheser 3,14-21

Darum beuge ich meine Knie vor dem Vater, der alle Geschlechter im Himmel  und auf Erden ins Leben rief, und bitte ihn,    dass er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit durch seinen Geist kräftig werden lässt am inneren Menschen, das heißt, dass Christus in euren Herzen wohnt und ihr in der Liebe tief verwurzelt und fest gegründet seid, dass ihr zusammen mit allen Heiligen begreifen könnt, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, das heißt, dass ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übersteigt, dass ihr immer mehr erfüllt werdet von der ganzen Fülle Gottes.    Ihm aber, der weit mehr zu tun vermag, als was wir erbitten oder verstehen, ihm sei die Ehre in der Kirche und in Christus Jesus durch alle Generationen dieser Weltzeit hindurch bis in alle Ewigkeit. Amen.

Rot, knallrot ist das Tuch am Altar und hier an der Kanzel. Rot ist die Farbe für Pfingsten und für die Konfirmation. Rot wie Feuer, Kraft, Begeisterung. Rot ist die Farbe für den Heiligen Geist.

An Pfingsten haben die Jünger keine Angst mehr. Sie erzählen von ihrem Glauben. Sie staunen,    wie sie andere begeistern können. So beginnt die Kirche. An Pfingsten feiert sie ihren Geburtstag.

Rot ist die Farbe auch heute. Wir sind die Kirche. Ihr seid die Kirche, liebe Konfirmanden – wie schön, dass Ihr dazu gehört!

Wir sind die Kirche?

Aber unser Glaube ist doch gar nicht so stark, so feurig. Wir haben oft mehr Fragen als Antworten. Unser Glaube ist nicht fertig – das gilt für uns alle. Wir sind auch gar nicht so gut und liebevoll, wie wir sein sollen und wollen. Wir können sehr hart und egoistisch sein. Trotzdem macht Gott seine Kirche mit Leuten wie uns. Gott traut uns allen zusammen zu, dass wir glauben, lieben und hoffen. Wir sind seine Kirche. Unser Glaube soll wärmen, unsere Liebe leuchten, unsere Hoffnung begeistern.       Rot ist die Farbe für seine Kirche.

Schaut euch bitte den Predigttext an: Paulus kniet nieder und betet. Hier vorne steht die Bank, auf der ihr nachher knien werdet. In unserer Evangelischen Kirche machen wir das ganz selten.     Aber wir spüren, was die Geste bedeutet.  Wir sind vor Gott. Darum knien wir.

Im Alten Testament wird von Mose erzählt:    Er sieht einen Dornbusch brennen, ein seltsames Feuer. Er geht dorthin und hört eine Stimme.    Da weiß Mose: Gott ist hier. Und er kniet nieder.   Er bekommt einen Auftrag und auch die Kraft ihn zu erfüllen.

Paulus betet für seine Gemeinde und für uns.   Er nimmt uns hinein in sein Gebet. Es ist, als ob wir neben ihm knien. Wir knien mit ihm vor Gott. Wir bitten Gott und wissen zugleich: Gott kann viel mehr tun, als wir bitten und verstehen. Der große Gott kommt uns nah. Er gibt uns einen Auftrag und die Kraft dazu. Klingt das jetzt übertrieben?

Dann lasst es mich so sagen: Wenn ihr nachher niederkniet und gesegnet werdet, dann sind eure Eltern und Paten und wir alle in Gedanken und Gebeten bei euch. Und wir glauben für euch:     Gott hat Gutes mit euch vor. Er gibt eurem Leben ein Ziel. Segnen heißt: Gutes zusagen im Namen Gottes und im Vertrauen auf Gott.

„Nie ist der Mensch größer, als wenn er kniet.“     So sagte ein weiser Mensch, ein Papst. Wenn wir unseren Platz vor Gott finden und uns ganz auf ihn verlassen, dann kommen wir zu unserer wahren Größe und  an das Ziel unseres Lebens.

Wer für andere betet, will etwas für sie von Gott.   Er fragt: „Was brauchen diese Menschen?“ Und: „Was hast du, Gott, mit ihnen vor?“ Ich lese  noch einmal vor, was Paulus für uns bittet: „dass Gott euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit durch seinen Geist kräftig werden lässt am inneren Menschen, das heißt, dass Christus in euren Herzen wohnt und ihr in der Liebe tief verwurzelt und fest gegründet seid, dass ihr zusammen mit allen Heiligen begreifen könnt, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, das heißt, dass ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übersteigt, dass ihr immer mehr erfüllt werdet von der ganzen Fülle Gottes.“

Paulus brennt vor Begeisterung. „Es ist super ein Christ zu sein! Es ist toll zur Gemeinschaft der Heiligen zu gehören!“ Er gerät ins Schwärmen, während er betet.     Seine Bitten werden immer größer: Wir sollen innerlich gestärkt werden. Wir sollen zusammen  mit allen Heiligen alle Dimensionen und mehr noch begreifen. Wir sollen immer mehr erfüllt werden    von der ganzen Fülle Gottes.

„Halt, Paulus! Wie soll das gehen? Was meinst du überhaupt? Wir sind eher das Gegenteil von dem, was du sagst. Unser Glaube ist schwach. Unsere Kirche interessiert nur wenige. Mit vielen Fragen und Problemen kommen wir nicht voran. Paulus, woher nimmst du nur deine Begeisterung?“

Paulus lacht: „Meint ihr denn, meinen Gemeinden und mir geht es besser? Wir sind eine kleine Minderheit am Rand des Römischen Imperiums. Wir werden nicht ernst genommen und manchmal verfolgt. Streit und Fehltritte gibt es bei uns wie überall. Viele haben die Gemeinden wieder verlassen. Man will mich mundtot machen.   Ich sitze im Gefängnis. Und doch hab ich mich nie so frei gefühlt. Und doch sind wir die Kirche Jesu Christi. Gott wird etwas aus uns machen. Und aus euch. Darum bete ich. Darauf vertraue ich. Wie eine tiefe Wurzel, wie ein gutes Fundament,  so ist die Liebe Christi in euch. Die Wurzel und das Fundament sind verborgen. Man sieht sie kaum. Aber in euch wird wachsen und aufgebaut werden, was aus der Liebe Christi kommt. Ihr werdet wachsen, immer mehr erkennen, Grenzen hinter euch lassen, lieben und Gott nahe sein.“

So sieht Paulus uns in seinem Gebet. Das erhofft und erbittet er für die Kirche und für jede und jeden von uns. Und das bitten wir für euch.

Die Kirche wird oft angegriffen. Es gab und gibt Gründe, sie zu kritisieren. Vielleicht wird die Gestalt der Kirche sich ändern. Aber ihre Mitte bleibt. In der Mitte ist Jesus Christus, die Liebe, die Gott uns durch ihn schenkt. Es bleibt diese Gemeinschaft, die in der Liebe Christi tief verwurzelt und fest gegründet ist.

Darum kann die Kirche so wunderbar Gutes tun: Menschen helfen, sie trösten und begleiten, für Gerechtigkeit einstehen, trotz Krieg und Streit auf Frieden hoffen, mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, den lebendigen Christus feiern.    Die Kirche ist fragwürdig und doch von ihrer Mitte her so stark.

Ebenso jede und jeder von uns, jeder einzelne Christ: wir passen überhaupt nicht zu Jesus Christus, und doch ist er zu uns gekommen.  Er wohnt in unseren Herzen, wie Paulus sagt.     Wir sind in seiner Liebe verwurzelt. Darum zeigt Christus auch durch uns seine Liebe und Güte. Gott gibt uns seinen Heiligen Geist, seine Kraft, seine Begeisterung, seine Liebe. Er verwandelt unsere engen Grenzen und unsere kurze Sicht.

„Ihm aber, der weit mehr zu tun vermag, als was wir erbitten oder verstehen, ihm sei die Ehre“. Wir beugen unsere Knie vor ihm, unserem Gott. Amen

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Auf dem Weg nach Emmaus, Erzählung zu Lk 24,13-35, Taufgottesdienst an Christi Himmelfahrt

Auf der staubigen Straße, die von Jerusalem kommt, wandern wir zu zweit. Heute noch wollen wir nach Emmaus kommen, zurück nach Hause, und vor allem weg aus der Stadt, weg von allem, was dort geschehen ist.  Wir sind traurig. Wir starren vor uns hin. Nur manchmal muss ich seufzen. „Hach!“

„Denk einfach nicht mehr dran.“, sagt Kleopas.

„Du denkst doch selbst an ihn. Ich kann nichts machen. Warum musste er so enden, am Kreuz, wie ein Schwerverbrecher?“

„Ja, warum nur. Er war doch unschuldig und musste so sehr leiden. O weh!“, seufzt jetzt auch Kleopas. Er wischt sich eine Träne aus dem Auge.

Auf einmal ist dieser Fremde da. Er geht neben uns her „Worüber redet ihr? Warum seid ihr so traurig?“                              Ich schaue ihn an und erkenne ihn nicht. Das ist er, aber wir sind beide wie blind, als würde uns jemand die Augen zuhalten.

„Worüber wir reden? Du kommst doch auch  aus Jerusalem. Bis du der Einzige, der nicht mitbekommen hat, dass Jesus gestorben ist, von Pilatus zum Tod am Kreuz verurteilt?” „Und wir haben so sehr auf ihn gehofft“ – Kleopas weint schon fast wieder. „Alles sollte besser werden, und jetzt? – was wird nun ohne ihn? Haben wir uns so getäuscht in Jesus?“   Ich sage: „Heute morgen hörten wir auch noch,   sein Grab ist leer – was soll das denn bedeuten? Ich versteh gar nichts mehr.“

Der ganze Jammer bricht aus uns heraus, unsere Enttäuschung und Verzweiflung. Er lässt uns reden, geduldig, dann erst beginnt er zu erzählen.

Ich schaue Kleopas an. Gebannt hört er dem Fremden zu, er staunt. Es geht mir genauso.    Alles ist klar und gut, was er über Gott sagt.          Er spricht von Gottes Weg mit uns und von der Bibel. Mein Herz wird froh, wenn er redet. Stundenlang könnt ich ihm zuhören. Ich schaue Kleopas an. Er lächelt.

Dann sind wir da, in Emmaus. Wir bleiben vor unserem Haus stehen. Er will weitergehen. „Bleib doch bei uns!“ sage ich. „Bleib doch hier bei uns. Es wird ja schon dunkel.“

Er geht mit uns hinein. Wir richten das Essen und setzen uns. Jesus nimmt das Brot. Er dankt Gott dafür. Er bricht das Brot in Stücke und reicht es uns. In dem Moment gehen uns die Augen auf.           Wir sehen ihn. Es ist Jesus! Wirklich Jesus!Im gleichen Augenblick, als wir ihn erkennen,    ist Jesus verschwunden.

„Jesus lebt! Es stimmt: er ist wirklich auferstanden.“ „Hast du das auch gespürt auf dem Weg? Mir war, als würde mein Herz brennen.“ „Komm schnell! Das müssen wir den andern erzählen.“

Wisst Ihr, ich denke oft an den Weg nach Emmaus. Wenn etwas Trauriges geschieht und ich bedrückt bin. So ist es uns ja gegangen. Alles war grau und leer. Gott war so weit weg, als ob es ihn gar nicht wirklich gibt.  Aber Jesus war da. Wir haben ihn nur nicht sehen können, bis uns die Augen aufgingen. Glaubt mir: Ich habe ihn gesehen. Er lebt.

Jesus ist bei Gott und Jesus ist auch bei uns. Darum feiern wir Christi Himmelfahrt, diesen Tag heute.

Jesus sagt uns: „Ich bin bei euch, wenn zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind.“

Und er sagt: „Ich bin bei euch in Brot und Wein, wenn ihr an mich denkt.“

Und er sagt auch: „Ich bin bei euch, wenn ihr einen Menschen aufnehmt und ihm helft – es ist, als ob ihr mich aufnehmt und mir helft. Ich bin bei euch in diesem Menschen neben euch.“

Manchmal denke ich: Vielleicht ist Emmaus gar nicht weit weg. Und ich bitte ihn: „Geh wieder mit uns nach Emmaus! Jesus du bist doch da. Herr, bleibe bei uns! Rühr unsere Herzen an! Sag uns Worte von Gott, die in uns brennen! Öffne uns die Augen!“ Amen

Aschenputtels richtiges Kleid – Predigt über Kol 3,12-17

Predigt am 24.4.16 von Andreas Hansen über Kolosser 3,12-17

Sonntag Kantate

Kolosser 3,12-17

So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.

Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Wer ist bloß das Mädchen in dem schönen Kleid? Den ganzen Abend tanzt der Königsohn nur mit ihr. Er findet nicht heraus, wer sie ist. Er begleitet sie nach Haus, aber sie entwischt ihm, entwischt ihm wieder. Beim dritten Mal verliert sie den Schuh. Jetzt kann er sie suchen. Aschenputtel, das Mädchen mit dem grauen Kittel im Staub hinterm Ofen? – das kann doch nicht sein! Die Stiefschwestern zwängen eine nach der anderen ihren Fuß in den goldenen Schuh, aber „Ruckediguh, Blut ist im Schuh“ – gurren die Täubchen und verraten die falsche Braut. Aschenputtel passt der Schuh wie angegossen.  Sie ist die Richtige. Natürlich muss das herauskommen. Das Märchen geht gut aus. Es ist der neidischen Stiefmutter nicht gelungen, Aschenputtel hässlich zu machen. Bei dem Bäumchen am Grab ihrer Mutter bekommt sie immer schönere Kleider. Aschenputtel wird geliebt und darum ist sie schön. Die Liebe macht aus ihr eine Schönheit.

Wir sind schön, liebe Gemeinde. Jede und jeder von uns und wir gemeinsam: wir sind schön. „So zieht nun an als die Auserwählten Gottes,     als die Heiligen und Geliebten …“ Hören Sie, wie schön wir sind?

Gott sieht uns an als etwas Besonderes. Wir sind seine Auserwählten, wie man eine Braut, einen Bräutigam auserwählt. Wir gehören zu seinem heiligen Volk, das ihm so sehr am Herzen liegt. Eltern sehen ihre Kinder oder Großeltern ihre Enkel liebevoll an. Manchmal schwärmen sie fast zu sehr von ihnen und erträumen und erhoffen für sie eine Zukunft. So und noch viel mehr sieht Gott uns liebevoll an. Gott sieht uns an und darum sind wir schön. Wir haben ein Ansehen. Wir sind die Auserwählten Gottes, die Heiligen und Geliebten.

Aschenputtels Schönheit wird geweckt, entdeckt, herbeigeliebt. So kommt sie zu sich selbst. Wir haben in der Taufe Jesus angezogen. Gott sieht uns in dem schönen Kleid.Sein Blick verändert uns. Wir werden, was wir im Blick seiner Liebe schon sind. „Wenn du mich ansiehst, werde ich schön.“

„So zieht nun an … herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“   Puh! Wer soll denn das schaffen? Da hören wir Erwartungen, die uns überfordern.

Das wird oft Brautpaaren vorgelesen. Aber in den Mühen des Alltags verlieren wir so oft die Geduld und die Freundlichkeit, sind leicht beleidigt, verletzend, nachtragend. Eigentlich schreibt der Apostel an die Gemeinde, aber Streit, Rechthaberei, Rücksichtslosigkeit gibt´s doch überall, auch in der Kirche. Bitte hören Sie nicht den hohen Anspruch, dem wir so oft nicht gerecht werden!   Bitte hören Sie vielmehr die Zusage, was Christus mit uns vorhat, wozu wir bestimmt sind!   Obwohl wir ihm so wenig entsprechen,   nimmt Christus uns an. Wir  sind dazu bestimmt und begabt, dass wir wertschätzend miteinander umgehen. Wenn mir jemand zutraut, dass ich meine Sache gut mache, und das auch zeigt, das hilft enorm. Und umgekehrt: wenn jemand nur darauf wartet, dass ich Fehler mache, bin ich wie blockiert. „herzliches Erbarmen“ heißt: keine und keiner muss perfekt sein; ich ertrage, dass der andere meinen Erwartungen nicht entspricht; ich sage, was mich stört, ohne den anderen klein zu machen. Gott sieht uns liebevoll an und erwartet Gutes. So lernen wir, uns selbst und andere anzusehen. Wir haben die Verheißung und das Ziel, dass wir zu seinem schönen Kleid passen werden. Wir werden Christus ähnlich!

Der Kolosserbrief denkt von Ostern her. Schon jetzt sind wir geprägt durch die Auferstehung Jesu Christi. Heute ist der 4. Sonntag nach Ostern: Kantate! Singt! Singt, denn der Tod ist besiegt! Wir singen vom Sieg Gottes über alle Todesmacht. In jedem Gottesdienst setzen wir den Osterjubel fort. Wunderbar groß ist die Liebe Gottes, so singen die Kinder im Kindergarten und in der Schule. Wir singen auch beim Tod eines Menschen von unserer Hoffnung: Jesus lebt, mit ihm auch ich. Kurz vor unserem Textabschnitt heißt es „euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.“ Es ist verborgen. Es ist nicht zu sehen, dass wir schon jetzt zu dem auferstandenen Christus gehören. Im Gottesdienst feiern wir das Leben. Vieles greift uns an, Krankheit und Unglück, die Not der Welt, die Menschen, die in Ostafrika hungern, und die Menschen, die in untauglichen Booten über das Mittelmeer fahren.  Das ganze Elend und die dunkle Seite unseres Lebens verdrängen wir nicht. Aber allem, was uns traurig und ratlos macht, dem, was uns bedrängt, halten wir das Leben Christi entgegen.

Drei Abende langt tanzt Aschenputtel mit dem Königsohn. Im Tanz lacht sie gelöst und fröhlich. Ihre düstere, staubige Ecke hinterm Ofen ist weit weg. Eigentlich ist im Tanz schon entschieden, dass keine andere seine Braut sein kann. So lasst uns singen, liebe Gemeinde, und meinetwegen auch tanzen: „mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“    Wer singt, betet doppelt. Wir singen schon mehr, als wir von uns aus sagen können. Wir leihen uns die Lieder derer, die vor uns glaubten, und wir singen mit denen, die mit uns glauben.  Wer für Gott singt, dankbar im Herzen, ist ganz ihm zugewandt, nah bei Gott und auch bei sich selbst.

Auch das können wir nicht selbst herbeiführen.    Es wird uns geschenkt wie Aschenputtel ihr Kleid. Aber es kann uns widerfahren. Gottes Geist öffnet uns Herz und Mund.

Dann wird leicht, was uns in den Staub drückt. Dann erahnen wir singend und hörend, jubelnd und tanzend die Schönheit,mit der Gott uns umgibt.

Der Friede Christi regiere in euren, in unseren Herzen. Amen

“und seine Gebote zu befolgen ist nicht schwer”? Predigt über 1. Joh 5,1-4

Predigt am 17.4.16 von Andreas Hansen über 1.Joh 5,1-4

3.Sonntag nach Ostern, Jublilate

1.Joh 5,1-4

Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist aus Gott geboren. Und ein Kind, das Gott, seinen Vater, liebt, liebt auch seine Geschwister, die anderen Kinder dieses Vaters.

Es gilt aber auch das Umgekehrte:  Die Echtheit unserer Liebe zu den Kindern Gottes erkennen wir daran, dass wir Gott lieben, und das wiederum bedeutet:  dass wir nach seinen Geboten leben.

Unsere Liebe zu Gott zeigt sich nämlich im Befolgen seiner Gebote. Und seine Gebote zu befolgen ist nicht schwer.

Denn jeder, der aus Gott geboren ist, siegt über die Welt. Diesen Sieg macht uns unser Glaube möglich: Er ist es, der über die Welt triumphiert hat.

„Gott ist die Liebe“ ist der Spitzensatz aus dem Johannesbrief. Ach, ja, das klingt so vielsagend nichtssagend, nicht wahr?

Jürg Federspiel schreibt:  „Täglich neunmal Gott gesucht und lustlos beim Fundbüro vorgesprochen. Liebe wurde nicht abgegeben. Bedaure.“

Merkwürdig kreist Johannes um Liebe und Glaube und landet bei Gottes Geboten. „Und seine Gebote zu befolgen ist nicht schwer“ – ist nicht schwer?

Hinter dem Bahnhof wurde einer überfallen und ausgeraubt. Verwundet und hilflos lag er da. Unsere Konfirmanden haben Leute getroffen, die  am Ort des Verbrechens vorbeigekommen sind.   Sie haben die Leute nach ihrer Reaktion befragt. Hier sind die überraschend ehrlichen Antworten, was die Passanten gedacht haben:

  • Es wird sich schon jemand anderes um ihn kümmern.
  • Ich hab es eilig.
  • Am Ende bekomm ich selbst Probleme.
  • Bei dem ist sowieso alles verloren. Hoffnungslos.
  • Ich tu so, als ob ich ihn nicht seh.
  • Er würde mir auch nicht helfen.
  • Der stirbt eh.
  • Ich hab keine Zeit, muss schnell vorbei.
  • Vielleicht ist das nur ein Täuschungsversuch?
  • Jeder wie er es verdient.
  • Ich hab keine Möglichkeit, ihm zu helfen.

Jesus berichtet von einem ähnlichen Fall, der sich zwischen Jericho und Jerusalem zugetragen haben soll. Zwei angesehene Leute gehen an dem Überfallenen vorbei. Sie schauen weg und lassen ihn liegen.  Schließlich hilft ein Ausländer dem armen Kerl. Jesus erzählt davon in einer Diskussion um Gottes Gebote. Er wird gefragt: wer ist der Nächste, den ich lieben soll? Jesus dreht die Frage herum: wer wird dem Überfallenen zum Nächsten?

„und seine Gebote zu befolgen ist nicht schwer“ – würden Sie diesem Satz zustimmen?

„Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wir dich selbst.“ – So fasst Jesus die Gebote zusammen. Das Gebot der Liebe kennt jede und jeder damals und heute. An Gott glauben, Gott lieben – das ist untrennbar verbunden mit der Liebe zu unserem Nächsten. Glauben ist eben nicht nur innerlich. Zwar beginnt der Glaube ganz tief in uns, sagen wir im Herz. Aber dann muss er raus, wie das Blut aus unserem Herzen fließt, raus bis in unsere Hände und Füße. Der Glaube fließt in unser Tun – das ist nicht zu trennen. „Unsere Liebe zu Gott zeigt sich im Befolgen seiner Gebote“ schreibt Johannes. Er wehrt sich gegen einen Glauben ohne Folgen, wie er sich gegen einen Christus ohne Fleisch wehrt – Jesus Christus ist keine Idee, sondern   ein wirklicher Mensch aus Fleisch und Blut.

Aber es fehlt uns oft der Mut oder die Bereitschaft das Nötige zu tun. Unsere Bequemlichkeit, unser Misstrauen, unsere Selbstsucht ist wie ein Berg, über den wir nicht hinwegkommen.

Wie werden wir dem Anderen zum Nächsten?     Wie werden wir zum Beispiel den Flüchtlingen in Kenzingen zum Nächsten? Rund 150 sollen es  sein. Man sieht sie ja fast gar nicht. Täusche ich mich? Oder habe ich mir angewöhnt wegzusehen? Wie die Leute auf dem zwischen Jericho und Jerusalem? Die Flüchtlinge hier in Kenzingen müssen nicht frieren und um ihr Leben fürchten    wie die in den Lagern vor der türkischen Grenze. Aber sie brauchen Menschen, die sie ansehen, Mitmenschen, Nächste.

Johannes schreibt vom Sieg des Glaubens über die Welt.              Die Welt, das sind nicht nur die bösen anderen, die Christenverfolger damals, die Ungläubigen heute. Die Welt ist in uns. Wir sind „Welt-Menschen“, alle. Wir sind ein Teil der Welt, die dem Glauben widerspricht und die Liebe für sinnlos erklärt. Die Antworten und Ausreden, die die Konfirmanden aufgeschrieben haben, kennen wir ganz gut. Wir leben in einer Welt, in der von Gott hin und wieder geredet wird, in der aber anderes wirklich „heilig“ ist: Geld und Erfolg, Spaß und Sicherheit. Wir sind verstrickt in diesen Widerspruch gegen Gott, in die Sünde, in die Welt. Vielleicht verschließen wir aus Angst die Augen vor manchem Leid. Aber oft genug gehen wir auch gleichgültig und lieblos an Menschen vorüber. Wir sind Welt-Menschen.

Aber Gott ist nicht gleichgültig. Er oder sie ist das Gegenteil von gleichgültig: so voller Liebe, dass Johannes schreiben kann: Gott ist die Liebe. Gott bleibt kein Zuschauer. Er liebt die Welt, die ihm doch widerspricht. Und er kommt in die Welt und trägt diesen Widerspruch, trägt ihn ans Kreuz und überwindet die Welt. Mit Jesus beginnt etwas Neues, Heiles.„von Gott geboren“ sind die Menschen, die an Jesus glauben und ihm folgen. Jesus kommt von Gott, er ist der Christus, er ist der Sohn Gottes.

Marie Luise Kaschnitz schreibt:

„Manchmal stehen wir auf

Stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten am Tage

Mit unserem lebendigen Haar

Mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.

Keine Fata Morgana von Palmen

Mit weidenden Löwen

Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken

Ihre Leuchtanzeiger löschen nicht aus.

Und dennoch leicht

Und dennoch unverwundbar

Geordnet in geheimnisvolle Ordnung

Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“

Wir dürfen einen Schritt tun ohne die Angst um uns selbst, liebevoll und vertrauend. Da ahnen wir etwas vom Sieg des Glaubens. Wir sind verstrickt in die Welt, Welt-Menschen, und dennoch stimmen wir ein in den Jubel    über den Sieg.

„Und dennoch leicht

und dennoch unverwundbar

geordnet in geheimnisvolle Ordnung

vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“

Amen

Hanns-Heinrich Schneider, Predigt über Psalm 31,1-9, 10.4.16, Gottesdienst zur Vernissage der Ausstellung “Räume” mit Bildern von Helga Marten

Plakat

Liebe Gemeinde!

„Religion ist zur Irritation geworden. Das hat zweifelsohne damit zu tun, dass wir nicht so recht wissen, ob sie im Kommen oder im Gehen ist. Was als längst überwunden galt, ist scheinbar wieder da. Diejenigen, die fest vom baldigen Ableben der Religion überzeugt waren, sei es froh-lockend oder in Trauer gehüllt, reiben sich die Augen. Aber was sie sehen, ist keineswegs eindeutig: Haben wir es mit einem hartnäckigen, aber sanften Nachleben zu tun oder doch mit einem Nachbeben, das weitere Erschütterungen ankündigt? …

Aber auch die andere Diagnose vermag zu irritieren – die Behauptung, Kunst sei zu einer Art Ersatzreligion geworden. Dies gälte dann für Menschen, die sich enttäuscht oder gekränkt von Religion abgewendet haben, und Lebenssinn in anderen Gefilden suchen, eben denen der Kunst. [Es] lässt sich nicht von der Hand weisen, dass zwischen beiden Lebensbereichen Überschneidungen und Ähnlichkeiten existieren. Reli-gion und Kunst sind prominente Anwärter auf das Amt des Sinn-Spenders. Sie haben, gewiss je aus eigener Perspektive, mit Verletz-ungen und Verheilungen zu tun …“1), so schreibt es Jean Pierre Wils in seinem Buch „Kunst. Religion, Versuch über ein prekäres Verhältnis“.

Kunst und Glaube verbindet, dass sie dem Menschen nicht einfach zugänglich sind, sie sprechen ihre je eigene Sprache. Der von ihnen angesprochene muss sich öffnen, sonst kann nur wenig gesehen, gehört oder in einem tieferen Sinne erkannt werden – in der Fülle der Bilder und Klänge, die uns umgeben, auf uns täglich einstürmen und denen wir uns kaum entziehen können. Die Kunst und der Glaube lassen uns so nie-mals fertig werden, sondern in einem ganz guten Sinne unterwegs sein, neugierig, auf der Suche in den uns vorgegebenen Lebensräumen.

Zehn Jahre Kunst und Kirche in Kenzingen! Zehn Jahre der Versuch, einmal im Jahr in einem besonderen Gottesdienst und einer entspre-chenden Bilderausstellung Kunst und Kirche ins Gespräch zu bringen, und unseren Glauben somit auch einmal auf eine ganz andere Weise zu bedenken. Wenn Religion und Kunst auf ihre je eigene Weise dazu beitragen, ein „Sinn-Spender“ zu sein oder immer wieder neu zu werden, so erfüllen sie jedenfalls für uns in unserer Kirchengemeinde und mit diesen besonderen Gottesdiensten eine ihrer Aufgaben. Die andere wäre dann für uns mit und durch ein ausgestelltes Kunstwerk Gott die Ehre zu geben und ihm für seine gute Schöpfung zu danken, die wir in immer neuen Farben und Klängen erleben können.

Einen ganz besonderen Klang bringt, wie wir es eben gehört und gesehen haben, die Uraufführung der Komposition „Space/Line“ von Otfried Büsing in unseren Gottesdienst hinein, wo es um das „Suchen des Weges im Raum“2) geht, nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar mit einem im Kirchenraum verteilten Chor.

Wir sehen heute hier ein Werk von Helga Marten, die gerade vor weni-gen Tagen bei der Verleihung des Reinhold-Schneider-Preises die Ehrengabe der Stadt Freiburg erhielt. „Räume“ ist der Titel der diesjäh-rigen Bilderausstellung unter dem wir im Gemeindehaus nur eine kleine Auswahl aus ihrem großen Gesamtwerk von unzähligen Zeichnungen, Radierungen, Bildern in Pastellfarben und über 1500 Ölbildern zeigen. Das hier ausgestellte Bild entstand fast in unserer Nachbarschaft. Wir befinden uns im Park von Badenweiler und sehen durch Baumkronen hindurch das Dachfenster eines bekannten Hotels. Immer wieder findet sich in ihrem Werk, wie in dem hier ausgestellten, Natur und Architektur kombiniert.

Die Journalistin Susanne Bader schrieb nach einem Besuch bei Helga Marten: „Im Gespräch mit der Malerin Helga Marten öffnet sich eine ganze Welt, ein Leben entfaltet sich in Bildern: Porträts, Selbstporträts, Landschaften, Stillleben… Die Malerin Helga Marten lebt durch die Kunst. Sie will anderen Menschen etwas geben. Das Malen ist ihr eigentliches Leben. `Wenn ich nicht male, bin ich auswärts´, sagt sie. Dem Vergehenden etwas entgegenzusetzen ist ihr großes Anliegen. Malen, das ist ihr Aufstand gegen das Nichts…“3)

Und Hans-Joachim Müller schreibt zu einer Ausstellung mit ihr: „Ein eigenes Bild auf die Welt zu finden, mit eigenen Mitteln, die niemand sonst hat, das sei es, was sie am Malen interessiere..“4)

„Räume“, ein vielleicht zunächst befremdlich klingendes Thema für eine Ausstellung, ja auch für einen Gottesdienst, aber es war die Sicht auf die unzähligen Bilder bei einem Besuch im Atelier von Frau Marten und einem ausführlichen Gespräch mit ihr, die uns sehr bald schon auf dieses Thema brachte. „Räume“? Wir kennen viele Räume, wie z.B. den Lebensraum, die Wirtschafts- oder sogar die Kirchenräume. Wir können aber auch an das Aufräumen oder an das Wegräumen denken.

Wir leben mit einem Innen und Außen, zentral und randständig, hoch und tief. Welche Räume bietet uns Gott an, den die Theologie, die Kunst auf ihre je eigene Weise andenken und bereit stellen? Kein Widerspruch in beidem. Denn: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“, so heißt es in Psalm 31.

Auch Räume sind Gottes Schöpfung, so dass wir einen festen Boden unter den Füßen haben, dass wir das, wovon wir leben, anbauen und heute weltweit produzieren können. Dabei benutzen die Redaktoren der Bibel den Begriff „Raum“ immer in konkreteren Zusammenhängen.

Da gibt es die Berge (Ps. 121,1+2) zu denen wir hinaufschauen, um Hilfe von Gott zu erwarten; die finsteren Täler (Ps. 23,4), in denen wir dennoch kein Unglück zu fürchten haben; die Wüste (Matth 3,1), in der Johannes predigt oder eine fette Weide (Hes. 34,14), die Nahrung verspricht, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Es werden un-zählige Räume genannt, in denen etwas geschieht, ganz abgesehen von Städten wie Jerusalem, Bethlehem oder Nazareth. So sind auch „Orte und Räume […] nie neutral, sie haben einen `Ruf´ je nach den Gescheh-nissen, die sich dort ereigneten… Sie sind Orte der Gottesbegegnung oder auch Orte der Dämonen, bedrückend oder auch beglückend…“Unser Psalmwort ist ein Dankgebet, mit dem wir mitten in unserem eigenen Leben und unserer Welterfahrung stehen.

So wird auch das Leid des Menschen in seinem Lebensraum nach-drücklich vor Gott gebracht: Die Schande und das Elend. Die Trauer und das Verlassen der Lebenskraft. Der Schrecken und das Gefühl noch lebendig, doch schon tot zu sein. Alles Erfahrungen, denen sich viele von uns in ihrem Leben und am eigenen Leib ausgesetzt fühlen. Ganz zu schweigen von Menschen, die heute in Syrien unter Krieg zu leiden haben, weltweit unter Diktaturen und Terror. Menschen hängen frierend und hungernd an den Zäunen vor Europa, wobei wir genau die Gesetze machen, die uns dienen, weniger aber jene, die ethisch von Europa zu erwarten wären, wenn wir die Maßstäbe anlegen würden, die wir selbst uns einmal gegeben haben. Wenn  G o t t  aber unsere „Füße auf weiten Raum stellt“, woher nehmen wir uns dann das Recht, den Lebensraum anderer Menschen immer wieder einmal zu begrenzen

In einem Kommentar zu Karl Schlögels Buch „Im Raume lesen wir die Zeit“, heißt es: „Geschichte sei nie ortlos. Ganz im Gegenteil. Sie um-fasst eine Vielzahl konkreter Räume, realer Landschaften, echte Schau-plätze und Tatorte. Ja, Räume werden von uns zu Tatorten, die es aufzusuchen lohnt…“6) Raum und Zeit stehen in einer Beziehung zuein-ander und unzählige Philosophen haben sich mit der Frage nach dem „Raum“ auseinandergesetzt, gerade auch in Verbindung mit der „Zeit“. Denn wir brauchen Räume für die Zeit unseres Lebens und Wirkens. Gott, der den Raum geschaffen hat, hat auch die Zeit geschaffen, ohne aber selbst an sie gebunden zu sein. Und so eröffnet uns die Bibel den Blick für Raum und Zeit.

Der Psalmbeter bittet dennoch, trotz all seiner dunklen, schattenhaften Erfahrungen darum, dass Gott seine „Füße auf weiten Raum“ stellen möge. Er vertraut sich seinem Gott an, bei dem er auch seine „Zeit“ aufgehoben weiß, wenn es später in diesem Psalm heißt: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen. (Ps. 31,15+16).

„Dem Vergehenden etwas entgegenzusetzen ist [Helga Martens] großes Anliegen“, schrieb Susanne Bader. „Malen, das ist ihr Aufstand gegen das Nichts…“ Ein Wort gegen die Resignation, gegen das Aufgeben der Hoffnung für die Zeit, die uns geschenkt ist und für die unendlich vielen Räume, in denen wir unser Leben verwirklichen dürfen. Unsere „Kirchen sind darum als Resonanzräume zu verstehen.8) Hier muss der Glaube mit der Wirklichkeit ins Gespräch geführt werden, gerade auch durch das Angebot von Kunst und Kirche in Kenzingen. Wir spüren es doch immer wieder – soweit wir diese Auseinandersetzung zulassen – wie sehr uns die Kunst, sei es durch Malerei, Literatur oder Musik immer in eine Auseinandersetzung hineinführen ja, auch in eine Auseinadersetzung mit dem Glauben.

Danken wir Gott für das Geschenk von Kultur, Kunst und Kirche, von gestalteter Farbe und komponierten Klängen. Mit ihnen werden wir – zumindest im Raum der Kirche und des Glaubens – an die gute Schöp-fung Gottes erinnert, die eben auch durch uns Menschen mit gestaltet wird. Darüber hinaus danke ich heute Helga Marten, dass sie sich bis in die Gegenwart hinein, täglich auf den Weg macht, um etwas zu schaffen, was ihren Mitmenschen Freude vermittelt – und Otfried Büsing und der Kantorei für die neuen Klänge, die wir heute hören durften.

Rainer Marten, mit seiner Frau in einem lebenslangen Gespräch über die jeweilige Arbeit des anderen verbunden, schreibt in dem Buch „Lebens-bilder“ über das Werk seiner Frau: „… Die tägliche einsame Arbeit ist für Helga Marten die tägliche Erfahrung und Gewissheit, auf dem Wege zu Anderen zu sein.“ 9)

So lassen Sie uns heute mit Helga Martens Bildern auf dem Weg sein – auf dem Weg sich an ihren Bildern zu erfreuen, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen und auf dem Weg zu bleiben zu den Anderen. Denn wo könnten wir besser ankommen, als beim Mitmenschen, in all den Lebensräumen, welche Gott uns und seiner Schöpfung täglich neu schenkt.

Ja, du, Gott, „stellst unsere Füße auf weiten Raum“! Amen.

 

 

 

 

Literatur

 

 

1) Wils, J.P., Kunst-Religion. Versuch über ein prekäres Verhältnis,

Tübingen, 2014, S.9

2) Büsing, O., Mail vom 09.11.2015 an H.-H. Schneider

3) Bader, S., Der Aufstand gegen das Nichts – Die Malerin Helga Marten, in:,

Wetzsteinbrief, Buchhandlung zum Wetzstein, Freiburg, Februar 2014

4) Müller, H.-J., Badische Zeitung, 21. März 2016, St. Märgen/Freiburg

5) Hinweis von: Konersmann, R., Wörterbuch der philosophischen Metaphern, Kiel,

2014, S. 274ff

6) Weisker, A., in: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-3267

7) Grünberg, W., Der Raum schaffende Gott, Magazin für Theologie und Ästhetik,

42/2006, in: http://www.theomag.de/42/wog2.htm

8) Grünberg, W., a.a.O.

9) Boehm, G und Armin, F., Hrsg., Veröffentlichungen des Morat-Instituts, Band III,

2001, S.10

 

 

Luther, M., Psalmenauslegung, Bd. II, Hrsg. Erwin Mühlhaupt, Göttingen1962, S. 30ff

Weiser, A., Die Psalmen, Göttingen, 19667, S. 184f

Marti, K., Die Psalmen, Stuttgart, 20102, S.,84f

 

Herzlich danken möchte ich Frau Helga Marten für die freundliche Aufnahme unseres Arbeitskreises in ihrem Atelier am 02. Juli 2014, die vielen Informationen und das anschließende Gespräch zusammen mit ihrem Gatten Prof. Dr. Rainer Marten in ihrem Haus, sowie Frau Ulrike Claeys, der Galeristin von Frau Marten, für Ihre geduldigen Antworten auf meine Fragen. Danken möchte ich auch Prof. O. Büsing für seine hilfreichen Informationen zu seiner Komposition „Space/Line“.

 

 

Weitere Predigten, auch zu Kunst und Kultur, finden Sie bei: Schneider, H.-H., Herausforderungen, Predigten zu den Festen des Kirchenjahres, Kunst und Kultur, Fromm-Verlag – und im Internet unter:

 

http://www.predigten.de/ (Powersearch anklicken, Text oder Name eingeben)

 

 

Hanns-Heinrich Schneider, Pfr.i.R., Kenzingen/Br.

… er ist wahrhaftig auferstanden Predigt über 1.Kor 15,1-10

Predigt am 27.3.16 von Andreas Hansen über 1.Kor 15,1-10

Ostern

Geschwister, ich möchte euch an das Evangelium erinnern, das ich euch verkündet habe. Ihr habt diese Botschaft angenommen, sie ist die Grundlage eures Lebens geworden, und durch sie werdet ihr gerettet – vorausgesetzt, ihr lasst euch in keinem Punkt von dem abbringen, was ich euch verkündet habe. Andernfalls wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen!

Zu dieser Botschaft, die ich so an euch weitergegeben habe, wie ich selbst sie empfing, gehören folgende entscheidenden Punkte: Christus ist – in Übereinstimmung mit den Aussagen der Schrift – für unsere Sünden gestorben. Er wurde begraben, und drei Tage danach hat Gott ihn von den Toten auferweckt – auch das in Übereinstimmung mit der Schrift.

Als der Auferstandene hat er sich zunächst Petrus gezeigt und dann dem ganzen Kreis der Zwölf. Später zeigte er sich mehr als fünfhundert von seinen Nachfolgern auf einmal; einige sind inzwischen gestorben, aber die meisten leben noch. Danach zeigte er sich Jakobus und dann allen Aposteln. Als Letztem von allen hat er sich auch mir gezeigt; ich war wie einer, für den es keine Hoffnung mehr gibt, so wenig wie für eine Fehlgeburt. Ja, ich bin der unwürdigste von allen Aposteln. Eigentlich verdiene ich es überhaupt nicht, ein Apostel  zu sein, denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. Dass ich trotzdem ein Apostel geworden bin, verdanke ich ausschließlich  der Gnade Gottes.

„Nicht ins Endlose wälzt sich der Strom der Weltgeschichte, dieser Strom von Blut und Tränen, von Morden und Gemordet-werden. Der Sieg der Liebe wird diesem schrecklichen Strom ein Ende bereiten – ein Ende, in dem Gott abwischen wird alle Tränen von allen Augen, ein Ende, in dem der Tod abgetan sein wird und Gottes Liebe sein wird alles in allem.“

Helmuth Gollwitzer hat das geschrieben. Aber wir sehen: Der Strom von Blut und Tränen ist so breit.  Wieder sind viele Menschen ermordet und verletzt worden. Wieder treiben Fanatiker   und skrupellose Machthaber die Gewalt weiter. Fast täglich hören wir die schlimmen Nachrichten. Die Welt ist voll von Gewalt und Schmerz und Leid. Der Tod ist nah, gerade auch dann, wenn uns liebe, nahe stehende Menschen oder wenn wir selbst von Unfall oder Krankheit getroffen sind. Und dennoch feiern wir Ostern: Der Tod wird abgetan sein. Das Ende des schrecklichen Stromes ist schon besiegelt. Noch sind unsere Augen feucht von Tränen, aber wir feiern die Auferstehung Jesu. Staunend, zögernd, fragend hören wir, was die Zeugen gesehen haben und nicht fassen konnten.

„Maria! Was ist los mit dir? Wo kommst du her?“ „Ich habe ihn gesehen!“  „Wen hast du gesehen?“ „Ihn! Den Herrn! Er lebt! Ich habe ihn gesehen!“ „Du weißt doch, dass er gestorben ist. Du warst da, als sie seinen Leichnam ins Grab…“ „Aber das Grab ist leer, leer! …  Ich musste so weinen. Dann stand er da und ich hab ihn nicht erkannt. Er rief meinen Namen: Maria – seine Stimme! Ich habe ihn gesehen!“ (Joh 20,11-18)

Petrus und sein Bruder laufen los. Sie rennen bis zum Grab. Sie müssen sehen, was geschehen ist. (Lk 24,12; Joh 20,1-9)

Andere Frauen kommen zum Versteck der Jünger. Völlig verstört sind sie. „Das Grab! Es war offen. Jesus ist fort. Da war einer, der sagte: Er ist auferweckt. Was bedeutet das?“ (Mk 16,1-8)

Zwei Jünger kommen mitten in der Nacht. „Wir haben ihn gesehen! Jesus. Er war den ganzen Weg über bei uns – wie blind sind wir neben ihm her gelaufen. Dann reichte er uns das Brot und auf einmal haben wir ihn erkannt. Er lebt! Es stimmt, er lebt!“ (Lk 24,13-35)

Plötzlich steht Jesus bei seinen Jüngern. Sie erschrecken: „Ist das ein Geist, den wir sehen?“ (Lk 24,37) Sie erzählen, wie sie Jesus sehen und zuerst nicht erkennen, wie er plötzlich da ist und ebenso plötzlich wieder fort, leibhaftig da und doch anders. Sie erkennen Jesus. Es ist der Mensch Jesus von Nazareth, den sie kennen.   Er erscheint. Sie sehen ihn.

Und doch schreibt Matthäus: „Einige aber zweifelten“ (Mt 28,17), und Markus:  „sie glaubten nicht“, was sie hörten (Mk 16,11+13). Johannes berichtet: Thomas will zuerst seinen Finger in die Wunden legen, bevor er glaubt (Joh 20,24-29).

Jesus kehrt nicht zurück in sein altes Leben. Es ist nicht so, als wäre sein Tod nur ein böser Traum und jetzt ist alles wie vorher. Auferstehung ist etwas ganz und gar Neues, ein neues Leben, eine neue Dimension. Gott schafft eine neue Wirklichkeit. Das Verstehen stößt an seine Grenze. Was geschehen ist, lässt sich nicht in bisherige Erfahrungen einsortieren. Ein neues Verstehen erschließt sich. Ein Erkenntnissprung.   Sie finden dafür nur schwer Worte: im Licht einer neuen Wirklichkeit sieht alles anders aus.

„Ich möchte euch an das Evangelium erinnern, das ich euch verkündet habe. Ihr habt diese Botschaft angenommen, sie ist die Grundlage eures Lebens geworden, und durch sie werdet ihr gerettet.“ Leid und Tod behalten nicht das letzte Wort. Das ist die Mitte unseres Glaubens. Jesus ist für uns gestorben. Er geht uns voraus. Er erschließt uns neues Leben. Paulus schreibt: Ohne Ostern ist unser Glaube vergeblich.   Aber auch er weiß, wie schwer wir uns tun, zu glauben, wie tief die Angst sitzt, wie sehr uns Leid und Tod und Terror erschrecken, wie unfassbar uns der Abschied von geliebten Menschen erscheint.

„Mein Glaube ist des Zweifels voll, weil ich nur dieses Leben sehe, und möchte doch dein Leben schauen, ich bitte, Herr, hilf mir vertrauen!“

Der Glaube muss erzählt werden. Unsere Eltern, Lehrer, andere Menschen haben uns erzählt. Wir sind Glieder in einer Kette, die einander die Botschaft vom Sieg des Lebens weitergeben. Der Heilige Geist wirkt durch uns. Er benutzt  unser Erzählen, dass er Glauben weckt. Darum betont Paulus die Übereinstimmung mit  der Schrift und die lange Reihe der Zeugen der Auferstehung. In dieser Reihe nennt Paulus zuletzt sich selbst: „ich war wie einer, für den es keine Hoffnung mehr gibt, so wenig wie für eine Fehlgeburt (oder eine Missgeburt). Ja, ich bin der unwürdigste von allen Aposteln. Eigentlich verdiene ich es überhaupt nicht, ein Apostel zu sein, denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt.“ Seine Selbstbeschimpfung ist durchaus ernst gemeint und gut begründet. Paulus hat die Christen und ihren Glauben bekämpft. „Dass ich trotzdem ein Apostel geworden bin, verdanke ich ausschließlich der Gnade Gottes.“

Allein der Gnade Gottes verdanken wir, dass der Glaube sich uns erschließt. Und dann ist es nicht so, dass wir für immer felsenfest darin stehen. Wir sind nicht jederzeit sicher, dass unser Leben gelingt und alles immer gut geht. Im Gegenteil: Wir wissen darum, wie zerbrechlich das Leben ist.                    Die Macht des Bösen, die viel zu vielen schlechten Nachrichten, zerstörerische Erlebnisse und immer wieder der Tod nagen beständig an unserer Hoffnung.  Wir sind erschüttert von dem, was in der Welt geschieht. So wie die Frauen und Männer um Jesus erschüttert waren von seinem Tod. Sein Leiden zerstörte ihren Glauben. Der Zweifel am Sinn des Lebens und an der Güte von Gottes Schöpfung grub sich tief in ihre Seelen.

Doch dann kam unerwartet, kam von außen,    kam gegen alle Wahrscheinlichkeit vom Himmel das Zeichen: Der Gekreuzigte blieb nicht im Tode. Gott hat zu ihm gehalten. Jesus ging nicht verloren. Er ist ein Teil von Gottes Leben geworden. Gottes Macht reicht weiter als die Macht des Todes. Gottes Licht ist stärker als die Finsternis. Gottes Kraft erneuert die Welt und überwindet das Böse.

Immer wieder müssen wir uns gegenseitig an die Botschaft erinnern, dass der Tod seine Macht verloren hat, dass das Leben siegt und die bösen Mächte zum Untergang verdammt sind.

„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Durch Gottes Gnade glauben wir an Christus. Wir hoffen über unsere engen Grenzen hinaus. Der Tod behält nicht das letzte Wort. Christus ist auferstanden. Er lebt und schenkt uns Leben.

Amen

 

Das diplomatische Corps Christi – Predigt über 2.Kor 5,14-20

Predigt am 25.3.16 von Andreas Hansen über 2.Kor 5,14-20

Karfreitag

Wir erschrecken über das Böse und das Leid.  Wie kann es sein, dass Terroristen Menschen in den Tod reißen? Unfassbar sind die vielen Opfer   in Kriegen, auf der Flucht, in Katastrophen. Die Welt ist zerrissen und geplagt.   Auch jenseits dessen, was wir in den Nachrichten hören, erleben wir Leid, das uns tief erschreckt:     in der Nachbarschaft oder der eigenen Familie,  Unfall, Krankheit, Konflikte und Unglück. Manche müssen so unvorstellbar viel ertragen.   Das Leben ist so zerbrechlich. So viel Böses, Leidvolles trifft Menschen. Wir fragen: Warum? Wir sind bestürzt und traurig. Und wir sind auch wütend, auf das Unrecht, auf die, die andere ins Leid stürzen, wütend auch auf Gott.

Eine Krankenhauspfarrerin erzählt: Als Markus drei Jahre alt ist, liegt er mit Leukämie in der Klinik. Die Eltern kommen täglich. Aber er ist auch oft allein, und ich spiele mit ihm. Ich zeige ihm ein Bilderbuch „Jesus ist geboren“. Später hat Markus einen schweren Rückfall und kommt wieder in die Klinik. Einmal fragt er: „Hast du auch ein Buch, wie Jesus am Kreuz ist?“ Er lässt nicht locker und will so ein Buch sehen. Als ich wieder zu ihm komme, hat er ein Bild von Jesus gemalt, mit Wundmalen an Händen und Füßen. „Jesus hat Aua. Markus hat auch Aua.“ Als er stirbt, ist er vier Jahre alt.

Hören wir, was Paulus im Brief an die Korinther schreibt: 2.Kor 5,14-20

Die Liebe Christi treibt uns an. Wir sind überzeugt: Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind  alle gestorben. Und für alle ist er gestorben, damit die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist. Darum beurteilen wir von jetzt an niemanden mehr nach rein menschlichen Maßstäben. Selbst Christus – sollten wir ihn auf diese Weise gekannt haben – kennen wir jetzt nicht mehr so. Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.  Alles aber kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt hat und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Denn ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. So sind wir nun Botschafter Christi, denn durch uns lässt Gott seine Einladung ergehen. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!

Gott stellt sich an die Seite der Opfer. Er nimmt für sie Partei. In Jesus wird er selbst ein Opfer von Unrecht, Ablehnung und Gewalt. Mit den Worten des kleinen Markus: Jesus hat Aua. Jesus leidet und stirbt am Kreuz.                              Aber Gott erweckt ihn zum Leben. Er widerspricht dem Unrecht, das Jesus geschieht, dem Leid der Unschuldigen. Er setzt den Gekreuzigten ins Recht.  Er besiegt den Tod. Ein größerer Gegensatz, eine tiefere Veränderung ist nicht vorstellbar. Die Welt ist nicht mehr, wie sie war. Das Alte ist vergangen. Neues ist geworden. Paulus spricht von Versöhnung.

Gott versöhnt die Welt mit sich. Wir klagen Gott das Leid der Unschuldigen. Wir möchten schreien, dass das Böse solche Macht hat. Die Not ist zum Verzweifeln.   „Wo bist du, Gott? Wie lange soll das Unrecht herrschen? Warum lässt du das zu?“ Gott antwortet: „Da, am Kreuz, das bin ich. Ich ertrage das Unrecht und erleide das Böse. Ich überwinde die tiefste Verzweiflung und den Tod. Lasst euch versöhnen!“

Hören wir richtig?  Christus bittet uns: „Lasst euch versöhnen mit Gott! Nehmt Gottes Versöhnung an! Ihr müsst nichts tun.  Nehmt nur an, was Gott für euch getan hat!“

Das Neue, die große Veränderung, beginnt „in“ Christus.  „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur.“ Dieses In-Christus-Sein ist geheimnisvoll und wunderbar. Als wäre Christus ein Raum, den wir betreten, eine Wirklichkeit, die uns umgibt, ein Gewand, das wir anziehen. Unser Leben ist verbunden mit dem Gekreuzigten. Unser Leben ist entschieden an Ostern.

Paulus kann auch umgekehrt sagen: Christus ist in uns. Oder: „Christus ist mein Leben.“ Wir leben nicht mehr uns selbst, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist.Paulus sagt auch: „Gott war in Christus“. Gott verknüpft sich in Christus mit uns. Tief in uns, in unserem Kern, in unserer Seele, wirkt Gott zum Leben hin.

Zugleich wirkt nach außen, dass wir in Christus sind. Wir sind Botschafter an Christi Statt. Paulus spricht von sich, aber auch von uns. Wir sind Botschafterinnen und Botschafter. Wir sind das Diplomatische Corps Christi.    Wir haben einen Auftrag: den Dienst der Versöhnung. Wir haben eine Botschaft auszurichten: Das Wort von der Versöhnung. Botschafter, Gesandte, das sind diese würdigen, Leute, die vornehm, klug und selbstbewusst ihr Land in der Fremde vertreten. Bereits die Art und Weise, wie sie auftreten, hinterlässt Eindruck.

Liebe Gemeinde, wir dürfen stolz sein. Wir vertreten Christus. Wir sind seine Botschafterinnen und Botschafter. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu ist alles neu geworden. Versöhnung für die unversöhnte Welt. Das feiern wir in unseren Gottesdiensten. Das ist das Wort von der Versöhnung, das Gott aufgerichtet hat. „Mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, feiern wir, was uns verheißen ist durch den lebendigen Christus.“

Versöhnung – die Grundbedeutung des Wortes ist anders machen, verändern.  So viele Konflikte sind festgefahren – nichts geht voran zwischen Israelis und Palästinensern. Verbohrt und unbeweglich sind Russen und Ukrainer. Keinen Schritt kommen wir weiter in     vielen Konflikten im Großen wie im Kleinen, in Familien, unter Eheleuten, unter Kollegen.  Verletzungen, Schuld, Rechthaberei lähmen uns. Ist da überhaupt Versöhnung denkbar?   Wir haben in manchen Konflikten schon längst resigniert. Wir finden uns achselzuckend mit Unrecht ab: „Da kann man nichts machen“. Wir haben Menschen abgeschrieben, mit denen wir nicht auskommen. Jeder hat eine große Schublade für die, mit denen er fertig ist.

Aber Gott ist nicht fertig mit uns. Gott findet sich nicht ab mit den festgefahrenen Konflikten. Gott wendet sich nicht gleichgültig ab, wenn so vielen Menschen Unrecht geschieht, wenn so viele leiden. Er findet sich nicht ab mit unserer Unversöhnlichkeit und Härte. Gott ist auf der Seite der Opfer. Gott ist in Christus, der hilflos am Kreuz stirbt.Aber Gott lässt das Leid und das Böse nicht ohne Antwort.Gott ist auch im auferstandenen Christus, der sagt: Ich mache alles neu.

„Ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. So sind wir nun Botschafter Christi, denn durch uns lässt Gott seine Einladung ergehen. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“

Amen

Abstieg – Predigt zu Phil 2,5-11

Predigt am 20.3.16 von Andreas Hansen über Philipper 2,5-11

Palmsonntag

Der SC Freiburg spielt in der zweiten Liga und und steht auf dem zweiten Platz. Zeitweise waren sie sogar die Besten. Freiburg will in die erste Bundesliga, und die ersten zwei Plätze sind die Aufstiegsplätze. Ich bin gewiss kein Fussballversteher und schaue doch, wie “unser SC” gespielt hat. Es ist ja nur ein Spiel. Aber es weckt Gefühle, und sogar ich werde davon angesteckt. Wir spielen gern. Und wir sind gern bei den Gewinnern, bei den Aufsteigern.

Aber Aufstieg und Abstieg sind oft bitterer Ernst. Mein Großvater war Bürgermeister eines kleinen Dorfes in Ostpreußen. Er hatte einen Hof. Er war er in seinem Kreis angesehen. Später war er ein Flüchtling, einer, der für seine Familie um einen Platz betteln musste. Was für ein Abstieg! Viele der Flüchtlinge, die damals im Westen ankamen, erlebten Ablehnung und Hass. “Was will dies Gesindel hier?” So äußert sich die Angst um den eigenen Platz, die Angst etwas abgeben zu müssen. Man will auf keinen Fall so sein wie die Anderen, die Fremden, die Verlierer. Uns aber wird gesagt: “Liebe deinen Nächsten – er ist wie du.” Nächstenliebe identifiziert sich mit dem anderen und seiner Bedürftigkeit.

In den neunziger Jahren kamen hunderttausen-de Spätausssiedler in unser Land – mühsam ringen sie um einen Platz in unserer Gesellschaft und um Respekt.

So ist es heute wieder. Viele von den elenden Menschen in den Flüchtlingslagern waren einmal Arzt, Ingenieurin, Lehrer; sie hatten Häuser und Geschäfte. “Viehzeug” und “Dreckspack” soll der Pegida-Chef Lutz Bachmann die Flüchtlinge genannt haben. Es ist furchtbar, dass fremden-feindliche Parteien bei der Wahl solchen Erfolg hatten. Sie spielen mit der Angst: Angst vor dem Abstieg, Angst, dass wir unsere Identität verlieren könnten.

Um keinen Preis wollen wir Verlierer sein. Im Gegenteil: wir träumen von einem Platz ganz oben auf dem Treppchen.

Hören wir nun unseren Predigttext. Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi, die erste, die er auf europäischem Boden gegründet hat. Paulus schreibt aus dem Gefängnis. Er rechnet sogar damit, zum Tod verurteilt zu werden. Dennoch ist in seinem Brief oft von Freude die Rede. Unser Abschnitt ist ein Lobgesang über Jesus:

Phil 2,5-11: Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Jesus ist ganz unten. Er ist bei denen, die verurteilt und verachtet werden, bei den Abgeschobenen, beim „Dreckspack“ – tiefer absteigen geht nicht. Gekreuzigt haben die Römer solche, die für sie Viehzeug waren, eine viehische Qual für die letzten Verbrecher. Aber der zu Unrecht Verurteilte ist Gott selbst.

Den Abstieg Jesu zeichnen wir nach in unserem Glaubensbekenntnis: „Gottes Sohn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinab-gestiegen in das Reich des Todes“ – von Gott hinab bis in die tiefste Tiefe. Zuerst: „Er war in allem Gott gleich.“ Er steht höher als jeder Star, unvergleichbar höher, denn er kommt von Gott, ist eins mit Gott. Alle Vergleiche und Bilder in unserer begrenzten Vorstellung sind unzureichend.

Aber Gottes Weg führt zu uns. Er wird ein Mensch. Er will uns nah sein. Das Kindchen von Bethlehem ist ebenso menschlich, nah und verletzlich wie der Mann von Golgatha. Jesus verzichtet auf alle göttliche Macht, „er hält nicht gierig daran fest“. Er wird ein Machtloser, wie ein Sklave. Zwar spüren die Menschen in seiner Nähe und in seinen Worten Gottes Kraft. Menschen werden durch ihn frei von Schuld und Krankheit. Er richtet Menschen auf, gibt ihnen Hoffnung und Mut zu leben. Aber Jesus nutzt seine Fähigkeit nicht für sich aus. Er beherrscht niemanden. Er erzwingt nichts. Er befreit sich selbst nicht aus der Willkür der römischen Staatsmacht. Er lässt sich erniedrigen, zu Unrecht anklagen, verurteilen und grausam umbringen. Warum? „Jesus Christ Superstar, who are you, what have you sacrificed?“ – kennen Sie noch die alte Rockoper? Wer bist du, Jesus? Warum hast du dich geopfert, Superstar Jesus? „er ward gehorsam bis zum Tode“ – Wem ist Jesus gehorsam? Nicht einem blutrünstigen grausamen Götzen, der ein Opfer verlangt. Jesus gehorcht Gott, der seine Welt liebt. Jesus gehorcht der Liebe, die sein ganzes Handeln und Reden bestimmt. Das Kreuz ist das Zeichen einer Liebe, die alles zu geben bereit ist. Gott selbst erniedrigt sich und leidet in Jesus. Gott selbst ist in Jesus bei den Machtlosen. Gott liefert sich dem Unrecht, der Gewalt und dem Leid aus, um sie zu überwinden. Nun ist keiner mehr allein, und sei er noch so tief unten. Nicht einmal im Tod lässt er uns los. Nun ist niemand mehr ohne Hoffnung, und sei er noch so machtlos. Jesus ist gehorsam. Gehorsam klingt nicht gut in unseren Ohren. Für alles, was man uns vorschreiben will, verlangen wir eine gute Begründung. Gehorsam kommt von „Hören“. Alles kommt darauf an, auf wen ich höre. Jesus hört ganz auf Gott, wenn er auf die Macht verzichtet. Sein Gehorsam ist eine Freiheit. Jesus ist frei. Er ist frei davon, etwas aus sich zu machen. Er will nicht groß heraus kommen. Er braucht keine Show und keinen Starkult. Er muss sich nicht behaupten und mit Gewalt durchsetzen. Er gibt sich ganz in Gottes Hand.

„Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen gegeben, der ihn hoch über alle stellt.“ Das Lied singt vom Sieg des Machtlosen. Gott sagt ja zu dem Mann am Kreuz: ja, das ist mein Sohn, den ich lieb habe, ja, hier seht ihr, wie nah ich euch bin, ja, ich halte zu euch in allem Leid und selbst im Tod. „Jesus Christus ist der Herr.“

„Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht.“ So gesinnt wie Jesus: frei von der Angst um unseren Platz, frei von der Furcht zu kurz zu kommen, frei vom Bedürfnis besser zu sein und von der Lust andere zu erniedrigen, frei von Hass, frei uns einzusetzen. Zu solcher Freiheit gebe uns Gott seinen Geist.

Der Friede Gottes, der höher ist als unser Denken und Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Gott hört – hört Gott? Predigt über Hebr 5,7-9

Predigt am 13.3.16 von Andreas Hansen über Hebr5,7-9

Hebräer 5,7-9

Jesus hat in den Tagen seines irdischen Lebens sein Bitten und Flehen mit lautem Schreien und unter Tränen vor den gebracht, der ihn vom Tod erretten konnte, und er ist erhört worden, weil er es aus Ehrfurcht vor Gott tat. Obwohl er Sohn war, lernte er an dem, was er litt, den Gehorsam. Dadurch wurde er zur Vollendung gebracht und ist zum Urheber ewigen Heils geworden für alle, die ihm gehorsam sind.

Gott hört. Gott hört die Klage seines Volkes in Leid und Unterdrückung in Ägypten. „der Herr hört mein Weinen“, spricht der Beter im Psalm (Ps 6,9). Gott hört das Seufzen der unerlösten Schöpfung. Gott hört uns, selbst, wenn wir nicht wissen, wie wir beten können. Gott hört.

Aber was so selbstverständlich klingt, ist oft zutiefst fraglich. Hört Gott? Wie viele Gebete in und an Krankenbetten bleiben ohne Antwort. Wie viel Leid und Verzweiflung in der Welt bleibt unbemerkt. Von Gott und der Welt verlassen müssen sich die Menschen an der Grenze nach Mazedonien fühlen. Wie kann das sein? Hört Gott? Immer wieder die Frage, ja, die Anklage: „Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien! Schweige nicht zu meinen Tränen!“ (Ps 39,13) „Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“ (Ps 22,3) „Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.“ (Ps 69,4)

Hört Gott? Manchmal ist kein Zeichen da, nicht die leiseste Antwort. Das Entsetzen ist groß, verlassen zu sein, vergessen, gleichgültig. Das Schlimmste wäre ein tauber Gott, kalt und beziehungslos. Es klingt in manchen der Psalmen, als wollten die Beter Gott verzweifelt wachrütteln und zu einer Antwort zwingen. Keineswegs sind wir immer gewiss, dass Gott uns hört. Menschen im Leid haben das Gefühl, dass Leere sie umgibt, Gleichgültigkeit, Nichts. Die Beter der Psalmen bedrängen Gott. Sie beten dennoch weiter. Sie schreien ihm noch ihr letztes verzweifeltes Warum ins Ohr. Sie sagen Gott, dass sie an ihm leiden, mit ihm nicht fertig werden, von ihm enttäuscht sind. Ihr Glaube ist zerrieben in schlimmen Erfahrungen. Aber sie warten trotz allem auf Antwort. Sie sind wie der Vater des kranken Kindes: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Oder wie Jakob, der mit Gott wie mit einer unheimlichen Macht kämpfen muss: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Unser Predigttext zeigt uns Jesus in einem solchen Ringen mit Gott. Jesus weint. Wir denken an sein Gebet am Abend vor seinem Tod. Da ist er nicht souverän und gelassen. Jesus hat Angst. Er sucht den Beistand seiner Freunde und steht allein da. Er fleht, er bittet, dass der Kelch des Leides an ihm vorübergehe. Immer wieder betet er und wird in diesem Fall nicht erhört.

Wir meinen, irgendwann müsste Gott doch tun, was wir uns wünschen. Er muss doch unser Leid wenden, wenn wir ihn so inständig anflehen. Gott ist doch gnädig – er muss doch! Nein. Jesu Bitte um Verschonung vor dem Leid bleibt unerhört.

Mancher meint: „Nun bin ich von Gott enttäuscht. Ich glaub nicht mehr an ihn. Er hat mir ja nicht geholfen, obwohl ich so sehr gebetet hab.“

Hören Sie eines der „Gebete an unerträglichen Tagen“, geschrieben von der Theologin und Therapeutin Antje Naegeli: „Voller Entsetzen ist mein Herz angesichts der endlosen Schrecken, die du zulässt im Leben des Menschen, den ich liebe. Völlig hilflos zu sein vor so viel auswegloser Not bringt mich der Verzweiflung mehr als nahe. Ich bin wie gelähmt. Wo bist du, Gott? Warum lieferst du ihn so unermesslichem Leid aus? Du bist ein Gott, vor dem ich mich fürchte. Und doch kann ich vor dir nur zu dir flüchten. Bettlerin möchte ich sein vor dir, rufen und schreien, schreien und rufen, bis du dich erbarmst.“

Jesus flüchtet vor Gott zu Gott. Er hört nicht auf zu rufen. Er schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gott ist fern. Jesus ist gottverlassen. Und doch ruft er zu Gott. Jesus kennt unsere Angst. Er kennt alle Tiefen des Leides. In allem, was uns bedrängt, können wir auf ihn sehen, wissen wir: er versteht. Auf unseren Leidenswegen geht er mit uns.

Dennoch hört Gott. Unser Predigttext spricht von Ostern, wenn er sagt: Gott hat Jesus erhört. Über unser Bitten und Verstehen hört Gott. Gott hört. Das sehen wir an Jesus. Das feiern wir an Ostern. Er beantwortet die Tränen, den Schrei, auch wenn Jesus den Kelch des Leids bis zum Ende trinken muss.

Jesus „lernte an dem, was er litt, den Gehorsam.“ Wir stellen uns Jesus oft als Lehrer vor. Er lernt auch. Er geht durch eine harte Schule des Leidens. Pädagogen sagen, wir lernen am besten in dem, was uns Freude macht. Aber wir wissen: Auch in Krisen und Leidenszeiten lernen wir. Das Leid zeichnet Spuren in unser Leben. Jesus lernt den Gehorsam. Er lernt hören, hören auf Gott, obwohl er Gottes Sohn ist. Er lernt auf seinem schweren Weg in der Kraft Gottes zu gehen. Er lernt: Gott gibt mir die Kraft, wenn es sein soll, was auch geschieht. Nie wendet Jesus sich ab und sucht eigene Wege. „Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Dein Wille, Gott, geschehe. Hilf mir doch, ihn zu sehen. Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ Jesus wehrt sich gegen das Leid und nimmt es doch an. Er weicht nicht aus. Er lässt sich ein auf das, was er noch nicht versteht.

Jesus lernt hören und Gott erhört ihn. Ein glückliches erlösendes gegenseitiges Hören. Gott hört auf Jesus. Jesus hört auf Gott. So kommt auch unsere Klage zu Gott. So sammelt Gott unsere Tränen in seinen Krug, wie es einmal wunderschön heißt.

Kein Wort verhallt ungehört. Kein Mensch wird überhört und übersehen. Kein Leid eines Menschen ist ein unbedeutender Kollateralschaden im großen Spiel. So gleichgültig geht die Welt am Leid einzelner Menschen vorbei. Fast unberührt hören wir die Zahlen der Opfer von Krieg, Gewalt und Unheil. Aber Gott bleibt nicht unberührt. Gott hört und Gott leidet mit jeder und jedem von ihnen.

Für alle, die auf Jesus hören, erschließt sich ewiges Heil, so heißt es dann. Gott hört uns, und nun sollen wir hören. „Ihr seid schwerhörig!“ beklagt sich der Briefschreiber zwei Verse später. Wir sind oft wie taub für den Ruf unserer Mitmenschen und damit für Gott. Wir wollen nicht hören, wir stellen uns taub. Wenn es heute, am Tag der Wahl, eine politische Botschaft aus dem Predigttext zu sagen gibt, dann wohl, dass wir uns nicht taub stellen können und dass wir keinem vertrauen dürfen, der gleichgültig über das Leid anderer hinweggeht oder gar zu Hass und Gewalt aufruft. Menschen in Not klopfen an unsere Tür und wir dürfen nicht unsere Ohren, Augen und Herzen zumachen, so als gingen sie uns nicht an. Wir wissen noch lange nicht, wie wir ihnen gerecht werden können, aber wir sollen es versuchen.

Gott sei Dank: Gott hört. Keine und keiner ist ihm gleichgültig. Lernen wir zu hören, aufmerksam für unsere Mitmenschen und für Gott.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

 

Hebr 4,14-16

Predigt am 14.2.16 von Andreas Hansen über Hebr 4,14-16

Die Predigt ist in den Gottesdienst eingebettet

Weil wir nun aber einen großen Hohenpriester haben, der den ganzen Himmel bis hin zum Thron Gottes durchschritten hat – Jesus, den Sohn Gottes – wollen wir entschlossen an unserem Bekenntnis zu ihm festhalten. Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb. Wir wollen also voll Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten, damit er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.

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Zwei Wegkreuze sehen Sie auf unserem Textblatt. Das eine steht, ganz frisch restauriert, bei der Zieboldslinde auf der Höhe zwischen Kenzingen und Hecklingen. Das andere nennt man das faiste Herrgöttle. Wenn man zu Fuß von den Dörfern oberhalb Waldshuts in die Stadt geht, kommt man hier an den höchsten Punkt des Weges. Hier kann man die Last absetzen und verschnaufen.

Die beiden Wegkreuze sagen in ihrer Sprache das Gleiche wie die drei Verse aus dem Hebräerbrief: Lasst uns entschlossen am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Er steht für uns bei Gott ein, ganz oben im Himmel. Zugleich ist er ganz unten, versteht uns in unserer Schwachheit. Er kennt das Leid und alles, was uns angreift. Mit Zuversicht wollen wir vor Gott treten und vertrauen, dass er uns hilft.

Wenn ich Abstand brauche, mich entspannen will oder in Ruhe nachdenken, radele ich ein Stück. Oft komme ich zur Zieboldslinde. Der Blick weit ins Land tut gut. Ich komme zu mir selbst, werde ruhig, manchmal wird mir etwas klar. An diesem Platz steht das hoch aufragende Kreuz – ein Bekenntnis zu Jesus. Ein Spruch auf dem Sockel mahnt den Wanderer die Sünde zu meiden. Nichts soll uns trennen von Gott. Dafür ist Jesus am Kreuz gestorben.

Am Waldshuter Kreuz kann man oben Sonne und Mond erkennen, unter dem Gekreuzigten die Jahreszahl 1699, noch darunter, leider nicht mehr auf dem Foto, drei Buchstaben A T M. Viele Menschen mussten den Weg über den Berg gehen, an diesem Kreuz vorbei, aus den Dörfern im Wald hinunter in die Stadt. Sie waren auf dem Weg zum Markt, schwer beladen. Oder auf dem Weg zum Vogt, zum Gericht oder zum Spital, belastet mit Sorgen und Leid. Sicher waren viele auch fröhlich auf dem Weg zu einem Fest, froh, den Alltag zu unterbrechen und in die Stadt zu kommen. A T M: man sagt, der Müller Adam Tröndle habe das Kreuz gestiftet zum Dank dafür, dass er hier oben einem Überfall entkam. Oder A T M heißt: ave tutor mundi, sei gegrüßt, Beschützer der Welt. Dazu passen Sonne und Mond. Tag und Nacht, immer ist er da.

Ave tutor mundi, beschütze uns, Jesus, bitte für uns, sei für uns da! Für die, denen die Arbeit über den Kopf wächst, die nachts aufwachen, weil sie an ungelöste Aufgaben denken müssen. Sei da für die, denen Unrecht geschieht, die streiten müssen, die mit Schuld nicht fertig werden. Ave tutor mundi, beschütze die Kinder, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, und die Eltern, die sich um sie sorgen und nicht weiter wissen. Beschütze auch die Menschen, die vor den Bomben auf Aleppo davonlaufen, die Opfer im Spiel der Mächtigen. Wenn wir weiterdenken, wird die Last von Schuld und Leid in unserer Welt unerträglich. Wir tragen unsere Lasten zu Jesus am Kreuz. Wir stehen da und wissen, zu oft haben wir am Leid anderer vorbeigesehen. Wir bringen ihm unsere Schuld, Hilflosigkeit und Schwäche, unseren Mangel an Glaube und Liebe. Wir sehen den leidenden Jesus. Wir sehen ihn auch wie das faiste Herrgöttle uns entgegenkommen, als würde er sagen: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Ich bin bei euch alle Tage, Tag und Nacht.“

Die Christen des Hebräerbriefes sind in einer schwierigen Lage. Sie sind damals nur eine kleine Minderheit und erleben Druck und Anfeindung. Sie sind müde und frustriert. Die erste Begeisterung der jungen Gemeinde ist verflogen. Viele kommen nicht mehr in die Gottesdienste. Die Gewissheit ist brüchig geworden, der Glaube schwach. Da bekommen sie gesagt: Schaut auf Jesus! Lasst uns am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Vertraut darauf, dass er uns hilft! Der Brief vergleicht Jesus mit dem Hohepriester. Einmal im Jahr geht der Hohepriester ins Innerste des Tempels. Da betet und opfert er für das Volk, damit alle Vergebung erfahren und neu anfangen. Jesus ist anders: er opfert er sich selbst. Er kommt nicht nur in das Innerste des Tempels, sondern bis in die Himmel, zu Gott. Er schafft ein für allemal Versöhnung. Nichts trennt uns von Gottes Liebe. Der Hohepriester ist weit weg von den Sorgen und Lasten der Menschen. Jesus ist anders: Er leidet mit uns. Er kennt unsere Versuchung, unsere Schwachheit. Jesus am Kreuz ist die Zusage, dass unser Leben vor Gott ist, versöhnt mit Gott, angenommen, geliebt.

Lasst uns am Bekenntnis zu Jesus festhalten. Vertraut darauf, dass er uns hilft! Vor vielen Jahren haben Christen Wegkreuze errichtet. Sie wollten für Bewahrung danken und ihren Glauben bekennen. Sie wollten Menschen einladen, Jesus zu vertrauen. Noch immer sind die Wegkreuze für viele wichtig. Andere finden die Darstellung des leidenden Jesus abschreckend. „Das mit dem Kreuz ist so negativ. In der Kirche wird immer nur von Schuld und Leid und Tod geredet.“ Das stimmt und genügt doch nicht. Am Kreuz ist Gott uns nah. In Jesus Christus ist er mitten in dieser Welt voll Leid und Schuld. Die Welt ist zerrissen von Gewalt und Hass. Das erträgt und erleidet er. Wir werden heute wohl keine Wegkreuze aufstellen. Aber unsere Welt braucht dringend Menschen die am Bekenntnis zu Jesus Christus festhalten und zeigen, dass sie auf Gott vertrauen. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

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