Archiv der Kategorie: Predigten

wie Kinder werden ??? Predigt über Mt 18,1-5 am Tag der Verabschiedung von Frau Dick als Kindergartenleiterin

Predigt am 24.7.16 von Andreas Hansen über Mt 18,1-5

In jener Zeit kamen die Jünger zu Jesus und fragten: »Wer ist eigentlich der Größte im Himmelreich?« Jesus rief ein Kind, stellte es in ihre Mitte und sagte: »Ich versichere euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen. Darum: Wer sich selbst erniedrigt und wie dieses Kind wird, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer solch ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.«

Ein Kind steht in der Mitte, genau übersetzt ein Kleinkind.
So gefällt es Jesus. Er bleibt nicht stehen und schaut auf das Kind herunter, er geht in Hocke, wie eine Erzieherin das macht. Er wendet sich dem Kind zu und nimmt die Perspektive des Kindes ein. Jesus redet und spielt mit dem kleinen Kind. Er macht ein Fingerspiel, er singt und fragt. Das Kind redet und spielt und lacht mit Jesus.
Um Jesus herum stehen seine Jünger. Ungeduldig schauen sie zu. Was soll das denn? Sie haben eine Frage gestellt und Jesus hat nicht geantwortet. Wer ist der Größte im Himmelreich? Aber Jesus lässt sie stehen. Er geht in den Hof zu den spielenden Kindern. Das Kleinste spricht er an, das mit dem er jetzt bei ihnen spielt.
Kinder werden damals gering geachtet. Sie können nichts bewirken. Sie sind bedeutungslos, unfertig wie ein Werkstück, das man erst noch schleifen und formen muss. Den Jüngern gehen die Kinder wohl auf die Nerven.
Jesus nimmt das Kind auf den Schoß und sieht seine Jünger an. „Ihr fragt mich, wer der Größte für Gott ist. Hier! Jemand, wie dieses Kind ist der Größte. Wie Kinder sollt ihr werden! Hört auf zu streiten! Hört auf damit, größer sein zu wollen als die anderen!“
  Verlegen tappt Petrus von einem Fuß auf den anderen. Jakobus wird rot und schaut zu Boden. Ja, sie haben gestritten. Johannes aber ist immer noch verärgert: „Wir sind nun mal keine Kinder mehr. Wir wissen, wie hart es in der Welt zugeht. Wir kennen das Leben. Darum hoffen wir ja, dass Gott alles anders macht. Und dann wollen wir bestimmen und für Gerechtigkeit sorgen.“
  Jesus antwortet: „Johannes, merkst du nicht, wie hart du selbst bist? Du hast deine Vorstellung, was gerecht und richtig ist, und das willst du um jeden Preis durchsetzen. Wie ein kleines Kind sollst du sein, so neugierig, begierig zu lernen, so ganz auf Gott angewiesen wie ein Kind, das seine Eltern braucht. Wie ein Kind sollst du offen sein und bereit zu vertrauen.“

Sollen wir wirklich wie Kinder sein oder werden? Sollen wir wie Kinder sein in einer Welt, in der Macht und Geld und Erfolg zählen? Sollen wir wie Kinder sein in unserer Zeit, in der uns täglich Nachrichten von Terror und Unrecht erschrecken?
In unserem Kindergarten und in den meisten Kindergärten in unserem Land gibt es Kinder, die Krieg und Flucht erlebt haben. Es gibt auch Kinder, die andere schlimme Sachen kennen.
  Aber die Kinder sind stark, obwohl sie so verletzlich sind. Sie sind stark, weil sie lernen wollen, weil sie neugierig und offen sind. Sie sind stark, weil sie das Lustige und das Schöne sehen und sich darüber freuen. Und besonders sind Kinder stark, weil sie vertrauen. Sie vertrauen ihren Eltern und sie vertrauen, dass das Leben gut ist.
Uns Erwachsenen ist viel von der kindlichen Kraft verloren gegangen. Wir haben verlernt zu staunen und offen zu sein. Wir weigern uns oft, etwas Neues zu lernen. Man bekommt nichts geschenkt, sagen wir – welch ein Irrtum! Alles, was wirklich zählt, können wir uns nur schenken lassen. Und wir Erwachsenen können nur so schlecht vertrauen. Wir sind misstrauisch. Wir lassen uns von Ängsten leiten und verleiten.

„Werdet wie die Kinder!“ Jesus will, dass wir wie Kinder werden, stark und frei und voll Vertrauen, gerade weil die Welt so hart ist.
Wir können dem, was uns Angst macht, dem Terror und der Ungewissheit, am besten mit Vertrauen und innerer Freiheit und Offenheit begegnen.
Denn wir sind und bleiben Gottes Kinder. Wir sind und bleiben in allem, was kommt, geliebt von unserem Vater, gehalten und geborgen.

Ein Kind steht in der Mitte. So gefällt es Jesus und er sagt: „wer solch ein Kind aufnimmt, der nimmt mich auf.“ Jesus weiß schon, wie verletzlich und bedürftig Kinder sind. Er kennt das Leid der verachteten, herumgeschubsten Kinder. Ganz im Gegensatz zur damaligen Gesellschaft nimmt Jesus Kinder ernst und wichtig.
Noch immer und trotz aller Veränderung nimmt unsere Gesellschaft Kinder nicht ernst genug. Zum Glück haben wir erkannt, wie wichtig die Förderung der Kinder ist, und geben inzwischen mehr aus für Kindergärten – der Nachholbedarf war groß. Aber noch immer hat gerade die frühkindliche Bildung keine angemessene Priorität.
Erzieherinnen und Erzieher verdienen hohe Achtung. Sie nehmen Kinder auf und geben ihnen Zuwendung, Aufmerksamkeit, Geduld und Liebe.
Unschätzbar wertvoll ist das, was Kinder durch die Förderung im Kindergarten lernen. Erzieherinnen nehmen die kindliche Neugier und Offenheit auf, gehen auf Fragen und Bedürfnisse ein, geben Geborgenheit, stärken Kinder in ihrer Entwicklung und fördern ihr Verhalten in der Gruppe.
Unschätzbar wertvoll ist der Kindergarten, damit aus kleinen Kindern lernfähige, selbstbewusste und soziale große Kinder und Erwachsene werden, Menschen, denen das Kindsein nicht ausgetrieben wurde, Menschen die offen und empfindsam sind und die vertrauen können. Amen

Ihr seid Licht im Herrn, Predigt über Eph 5,8-14

Predigt am 17.7.16 von Andreas Hansen über Eph 5,8-14

Epheser 5,8-14:

Einst wart ihr Finsternis, nun seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts  – die Frucht des Lichts ist nichts als Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – , indem ihr prüft, was dem Herrn gefällt, und beteiligt euch nicht an den fruchtlosen Werken der Finsternis, sondern deckt sie auf! Denn was durch sie im Verborgenen geschieht, auch nur auszusprechen, ist schon eine Schande; alles aber, was aufgedeckt wird, wird vom Licht durchleuchtet, ja, alles, was durchleuchtet wird, ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird Christus dein Licht sein.

„Ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige nicht mehr!“ hat Jesus gesagt. Sie läuft wie benommen durch die Stadt, sieht nicht rechts noch links, läuft in die Gärten, an den Fluss. Was geschehen ist, geht ihr nach. Sie sieht wieder die wütenden Gesichter vor sich, Fäuste, Steine, die ihr drohen. Sie saß da wie erstarrt, beschämt und schockiert. Jetzt erlebt sie wieder die Angst. Sie fängt an zu zittern. Sie weint und weint, bis sie einschläft. Ein Schlaf, wie betäubt. Als sie erwacht, steht die Sonne schon tief. Ihr Licht glitzert auf dem Fluss. „Geh, und sündige nicht mehr!“ Sie denkt an seine Frau, die vor Verzweif-lung schrie. So viel Unheil haben sie angerichtet. Was soll sie jetzt tun? „Was soll ich tun, Jesus?“

„Ich bin gekommen um die Verlorenen zu suchen und zu retten.“ Ja, denkt Zachäus, verloren war ich, verloren an meine Habgier, berauscht von der Macht über Leute. Jesus hat mich gefunden, in meinem Versteck auf dem Baum, in meinem falschen verlorenen Leben.
Bis spät am Abend haben sie zusammen gesessen, erzählt, gefeiert. Zachäus wusste gar nicht, wie schön das sein kann. Es ist ein schöner heller Morgen. Die Gäste sind fort. Zachäus geht durch sein Haus. Er denkt an die Begegnung mit Jesus. „Wie fange ich das an, was ich mir vorge-nommen habe? Wie geht es weiter, Jesus?“

Was macht die Ehebrecherin und was macht Zachäus am nächsten Tag? Durch die Begegnung mit Jesus sieht ihr Leben anders aus. Eine Grundentscheidung ist gefallen. Jesus schenkt ihnen Vertrauen. Er traut ihnen, wenn er sagt: „Sündige nicht mehr!“ „Einst wart ihr Finsternis, nun seid ihr Licht im Herrn.“ Die Welt ist keine andere geworden. Die Leute meinen noch immer: „Man nimmt, was man kriegen kann. Nimm dir den Mann oder die Frau, die du willst! Hol den maxi-malen Profit aus den Leuten raus! Sei doch nicht blöd! Jeder ist sich selbst der Nächste. So machen es doch alle.“
Die Welt ist keine andere, aber die beiden haben das Licht Jesu Christi gesehen. Sie haben erfahren, wie heilsam und befreiend es ist.
Sie stehen in seinem Licht.
Sie gehören zu seinem Licht.
Sie sind Licht.

wir singen: Christus, dein Licht

Wir kommen in den Gottesdienst. Was in der vergangenen Woche war, was unseren Alltag ausmacht, bringen wir mit. Wir haben gearbeitet und es uns gut gehen lassen. Wir haben gestritten und gelitten. Wir haben Gutes getan, aber wohl auch manches versäumt.
Wir sind anderen nicht gerecht geworden oder haben schlecht, böse gedacht, geredet und gehandelt. Wir sind Teil der Welt, in der man sich nimmt, was man kriegen kann und so manches Unrecht lieber nicht sehen will. Wir sind verstrickt in die Welt, in der wir immer auch auf Kosten anderer leben.
Wir kommen in den Gottesdienst, wir feiern im Namen Gottes. Wir hören die Zusage der Heiligen Schrift: „Die Gott lieben werden sein wie die Sonne“ (Ri 5,31) und „Ihr seid Licht im Herrn“.   Wir bekommen Brot und Wein, Vergebung durch Jesus, Gemeinschaft mit ihm. Jesus schenkt uns Vertrauen. Er zeigt uns, wie sehr wir Gott am Herzen liegen. Sein Ja zu uns steht fest.
Das erste Wort Jesu im Evangelium ist: „Kehrt um! Gott ist nah.“  Wir bleiben in dieser Welt. Tief in uns steckt der Widerspruch gegen Gott, unser Mangel an Liebe und Vertrauen. Wir wollen unser Leben meistern, ohne Gott.  Jesus sagt: „Kehrt um!“ Martin Luther meint, die Umkehr, die Buße haben wir täglich und ein Leben lang nötig.
„Was soll ich tun, Jesus? Wie soll es weitergehen?“
Lebt als Kinder des Lichts! Prüft, was dem Herrn gefällt!

wir singen: Christus, dein Licht

„Christus, dein Licht verklärt unsre Schatten…“
Christus ist bei den Menschen im Dunkel. Er heilt Kranke. Er richtet Gedemütigte auf. Er holt Verachtete in seine Gemeinschaft. Er sucht die Verlorenen und hilft ihnen umzukehren.
„Lebt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts ist Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.“
Zuerst erfahren wir selbst Güte: Menschen sind uns liebevoll zugewandt, wir genießen vielfältige Gaben, wir erleben Freude und Glück. So stellt uns Gott in sein Licht. Gelingt es uns, gütig zu sein, dann geben wir weiter, was wir selbst empfangen haben.
Zuerst erfahren wir selbst Gerechtigkeit: Verlässliche Gemeinschaft. Wir finden unseren Platz und unser Auskommen. Wir müssen keine Angst haben. So stellt uns Gott in sein Licht. Gelingt es uns, gerecht zu sein, dann geben wir weiter, was wir selbst empfangen haben.
Zuerst erfahren wir selbst Wahrhaftigkeit und Treue: Menschen, die uns und sich selbst nichts vormachen wollen. Freunde, auf die wir uns verlassen. So stellt uns Gott in sein Licht. Gelingt es uns, wahrhaftig und treu zu sein, dann geben wir weiter, was wir selbst empfangen haben.

Lebt als Kinder des Lichts! Deckt die Werke der Finsternis auf! Alles, alles wird in das Licht Christi gestellt: Die Not der Menschen im Süd-Sudan nach Jahrzehnten im Bürgerkrieg, die ausweglose Situation der Flüchtlinge in Syrien, auch das Dunkel der Menschen in seelischer Not bei uns, die Finsternis unserer ungelösten Konflikte, unsere Unversöhnlichkeit im Streit, unsere Gleichgültigkeit gegenüber anderen, unsere Selbstsucht, alles stellt Gott in sein Licht, in sein gütiges Licht.

Am Schluss nimmt Paulus ein altes Tauflied auf, einen Weckruf: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird Christus dein Licht sein.“
Aufwachen, wach sein heißt: Die Welt sehen, wie sie vor Gott, in seinem Licht, ist, uns selbst sehen, wie wir sind, im Widerspruch gegen Gott und doch geliebt.
Wach sein heißt: Auf Jesus sehen, in seinem Licht leben, umkehren jeden Tag.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Königskinder, Predigt über Römer 6,3-8

Predigt am 10.7.16 von Andreas Hansen über Röm 6,3-8

Vor der Predigt wird ein Kind getauft mit dem Taufspruch 1.Samuel 10,7: Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir, und das Lied EG 591 Kind, du bist uns anvertraut, wird gesungen

„kannst der Macht der Liebe trauen. Taufen dich in Jesu Namen. Er ist unsre Hoffnung. Amen.“ Wir haben auch gesungen: „Kampf und Krieg zerreißt die Welt.“ Bei dieser Zeile zucken wir zusammen, nicht wahr? Unsere Welt ist zerrissen, aber wollen wir daran denken, wenn ein Kind getauft wird? Hoffentlich bleibt unserem Täufling, hoffentlich bleibt allen unseren Kindern und Enkeln Kampf und Krieg erspart. Und doch: sie werden erfahren, was uns alle betrifft.

Unsere Kinder werden wie wir erleben, wie bedroht das Leben ist, wie leicht Leben zerbrechen kann. Menschen, die wir lieb haben, werden krank, und wir müssen zusehen, wie sie leiden und sterben, unfassbar. Unsere Kinder werden wie wir Böses und Schuld erleben und dass wir selbst auch Böses tun und in Schuld verstrickt sind. „Wie viele Sklaven halten Sie?“ fragt die Wirtschaftswisssenschaftlerin Evi Hartmann. Der weltweiten Verflechtung können wir uns kaum entziehen. Unsere Kinder werden wie wir oder schlimmer die Konflikte unserer Welt erleben. Und sie werden wie wir fragen: Gibt es überhaupt einen sinnvollen und guten Weg?

Wir sehen Abgründe von Leid und Schuld und ungelöste Fragen. Wie werden unsere Kinder und Enkel damit leben?

„ kannst der Macht der Liebe trauen. Taufen dich in Jesu Namen. Er ist unsre Hoffnung. Amen.“ Wir taufen unsere Kinder, weil wir der Liebe Gottes vertrauen. Wir setzen unsere Hoffnung auf Jesus. Der Apostel Paulus schreibt von der Taufe, wenn er beschreibt, wie zerrissen die Welt ist und in was für einer Spannung wir leben. Hören wir einige Verse aus seinem Brief an die Gemeinde in Rom.

Römer 6,3-8

Wisst ihr nicht, was es heißt, auf Jesus Christus getauft zu sein? Wisst ihr nicht, dass wir alle durch diese Taufe mit einbezogen worden sind in seinen Tod? Durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und sind daher auch mit ihm begraben worden. Weil nun aber Christus durch die unvergleichlich herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, führen wir unser Leben im Anbruch der neuen Schöpfung. Denn wenn sein Tod gewissermaßen unser Tod geworden ist und wir auf diese Weise mit ihm eins geworden sind, dann werden wir auch im Hinblick auf seine Auferstehung mit ihm eins sein. Wenn wir mit Christus mitsterben, wird unser altes Ich mit ans Kreuz geschlagen. Es ist nichts mehr wert und muss verschwinden. Wir waren ein einziger Filz von Sünde, aber dieser Filz ist aufgelöst, und wir sind der Herrschaft der Sünde nicht mehr unterworfen. Weil wir in der Taufe gestorben sind, gilt auch für uns: wir sind von der Herrschaft der Sünde befreit. Und da wir mit Christus gestorben sind, vertrauen wir darauf, dass wir auch mit ihm leben werden.

Erinnern Sie sich an Auris Taufspruch, „Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ und an die Geschichte hinter diesem Spruch: Saul wird zum König gesalbt. Er spürt Gottes Geist, eine Kraft, die ihn neu macht. Aus dem Sohn eines Bauern wird ein König. Er wird sich bewegen wie ein König. Er wird reden wie ein König. Er wird selbstbewusst und frei wie ein König anderen gegenüber treten, entscheiden und handeln. „Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ Saul wird in die Rolle des Königs annehmen.

Auch wir sind Königskinder. Wir heißen Christen nach Jesus, dem Christus, wörtlich dem Gesalbten, also dem König. Wir haben Anteil an seiner Königs-würde. Selbstbewusst und frei sollen wir unsere Rolle als Christen annehmen.

Wenn ein Schauspieler sich eine Rolle aneignet, wenn er den König darstellen will, wird er sich bewegen, reden, er wird sogar fühlen und denken wie ein König. Es muss ganz seine Rolle werden. Er muss darin aufgehen.

Wir sind Christen. Wir sind eins mit Jesus Christus. Paulus denkt bei der Taufe damals eher an die Taufe Erwachsener, und die werden ganz im Wasser untergetaucht und dann aus dem Wasser gehoben. „Wir sind in seinen Tod getauft“ schreibt Paulus. Wir sind mit Christus gestorben und mit ihm begraben.“ Dafür ist das Untergehen im Wasser ein Bild.
Und dann wird es ganz schwer zu übersetzen. Paulus schreibt nicht einfach weiter in der gleichen Form. Wir sind ja noch nicht mit Christus auferstanden. Aber weil Christus auferstanden ist, leben wir schon jetzt auf das neue Leben hin. Wir führen unser Leben im Anbruch der neuen Schöpfung. Wir sind ganz eins mit Jesus Christus, „zusammen-gewachsen“ sagt Paulus wörtlich, und doch haben wir das neue Leben noch nicht.

Der Terror in Bagdad, die Schüsse in Dallas, die Ertrunkenen im Mittelmeer – das alles erschreckt uns und zeigt uns die zerrissene Welt. Gar nicht königlich erhaben sind wir oft, sondern ratlos und traurig. Die Not der Welt bedrängt uns, und auch das, was wir selbst an Leid erfahren. Wir kennen die dunkle Seite. Unser König ist mitten in dieser zerrissenen Welt. Er hängt am Kreuz und trägt  eine Dornenkrone.
Aber wir sind auch mit dem lebendigen Christus verbunden. Wir feiern trotz allem das Leben. Wir leben von Ostern her. Wir leben im Anbruch der neuen Schöpfung, in der Hoffnung, dass Gott alle Tränen abwischen wird. Darum feiern wir in der Taufe das neue Leben.

Und noch so eine Spannung: „Wir waren ein einziger Filz von Sünde“ – Paulus schreibt wörtlich vom „Leib der Sünde“.
Leib sagt Paulus nicht abwertend. Leib sind wir mit allen Beziehungen: zu unseren Mitmenschen, zu Gottes Schöpfung. Die Sünde, der Widerspruch gegen Gott geschieht in der Art, wie wir uns zu andern verhalten, in unseren Beziehungen. Wir leben ganz oft auf Kosten anderer. Ein kleiner Teil der Menschen ist reich und viele im Elend. Wir leben auf Kosten der Schöpfung und verbrauchen vieles, was wir gar nicht nötig haben. Auch ganz persönlich: Wir verdrängen, verletzen, verachten andere. Oft haben wir nur unseren Vorteil im Sinn. Das Leid und das Unrecht nehmen wir nicht wahr. Ein „Filz“:  Wir sind oft Opfer und Täter in einem. Wir werden in böse Beziehungen hineingezerrt und machen doch auch von uns aus mit. Die Frage, wer angefangen hat, führt nicht weiter. Paulus schreibt nicht von Sünde, um uns schlecht zu machen. Er sieht, wie die Sünde Leben zerstört und uns trennt von Gott. Er schreibt von ihrer unheimlichen Macht: Ich will ja das Gute und mache doch das Böse (vgl 7,18-20). Ohne Christus müsste er verzweifeln. „aber dieser Filz ist aufgelöst, und wir sind der Herrschaft der Sünde nicht mehr unterworfen.“

Die Spannung ist groß: Wir sind von der Herrschaft der Sünde befreit und spüren doch die Macht des Bösen in der Welt und in uns selbst. Wir sind eins mit Christus und widersprechen ihm doch.
Uns bleibt nur, dass wir, wie Luther sagte, täglich in die Taufe kriechen. Wir halten uns täglich, immer, an die Zusage: Dass Christus Ja zu uns sagt, dass wir Gottes Kinder sind, Königskinder, dass nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, dass wir leben werden mit Christus.

„Tu, was dir vor die Hände kommt, denn Gott ist mit dir!“ In dieser königlichen Freiheit lasst uns leben und handeln, spielen und singen und feiern. Amen

Das Wort vom Kreuz – Predigt über 1.Kor 1,18-25

Predigt am 25.6.16 von Andreas Hansen über 1.Kor 1,18-25

1.Korinther 1,18-25:

Mit der Botschaft vom Kreuz ist es nämlich so: In den Augen derer, die verloren gehen, ist sie etwas völlig Unsinniges; für uns aber, die wir gerettet werden, ist sie der Inbegriff von Gottes Kraft. Nicht umsonst heißt es in der Schrift: »Die Klugen werde ich an ihrer Klugheit scheitern lassen; die Weisheit derer, die als weise gelten, werde ich zunichte machen.« Wie steht es denn mit ihnen, den Klugen, den Gebildeten, den Vordenkern unserer Welt? Hat Gott die Klugheit dieser Welt nicht als Torheit entlarvt? Denn obwohl sich seine Weisheit in der ganzen Schöpfung zeigt, hat ihn die Welt mit ihrer Weisheit nicht erkannt. Deshalb hat er beschlossen, eine scheinbar unsinnige Botschaft verkünden zu lassen, um die zu retten, die daran glauben.
Die Juden wollen Wunder sehen, die Griechen fordern kluge Argumente. Wir jedoch verkünden Christus, den gekreuzigten Messias. Für die Juden ist diese Botschaft eine Gotteslästerung und für die anderen Völker völliger Unsinn. Für die hingegen, die Gott berufen hat, Juden wie Nichtjuden, erweist sich Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn hinter dem scheinbar so widersinnigen Handeln Gottes steht eine Weisheit, die alle menschliche Weisheit übertrifft; Gottes vermeintliche Ohnmacht stellt alle menschliche Stärke in den Schatten.

So spricht Gott sein Ja, so stirbt unser Nein.
Gott sagt Ja zu uns in Jesus Christus. Petrus erfährt: „Jesus sagt Ja zu mir. Ich soll sein Freund sein. Dabei pass ich doch gar nicht zu ihm. Ich bin ein sündiger Mensch.“ Als Jesus verhaftet und verhört wird, sagt Petrus: „Ich kenne den nicht.“ Und doch gibt Jesus ihm den Auftrag, Pastor, Hirte für die Gemeinde zu sein.

Gott sagt Ja zu uns. Er erträgt und überwindet unser Nein. Wie spricht Gott sein Ja? Im Tod Jesu am Kreuz. Wir widersprechen Gott, in unseren Worten, in unserem Denken und Handeln. Wir sagen Nein, indem wir rücksichtslos über andere hinweg gehen. Wir sagen Nein zu Gott, wenn wir einander verletzen. Gott stellt sich auf die Seite derer, die Unrecht und Gewalt leiden. Gott erträgt das Nein, unser Nein.
Gott leidet. Unvorstellbar ist Gottes Sohn am Kreuz. Gott ist doch groß, mächtig, heilig – wie kann er leiden? am Kreuz, ohnmächtig, gescheitert, entwürdigt, lächerlich gemacht und zur Schau gestellt? Das Kreuz ist ein unerträglicher Gegensatz zu Gottes Macht und Herrlichkeit.

So spricht Gott sein Ja: im Kreuz Jesu und in der Botschaft vom Kreuz. Paulus schreibt: Das Wort vom Kreuz ist für uns der Inbegriff von Gottes Kraft. Das Wort vom Kreuz tröstet und trägt und stärkt uns. Jesus Christus ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Darauf können wir bauen.
Dieses Ja trägt uns durch alles hindurch.
Gott hat sich für uns entschieden. Keine Macht der Welt kann sein Ja widerrufen.

Aber das Kreuz ist für viele unsinnig, anstößig. Jesus am Kreuz wurde verspottet. Schon in den Evangelien hören wir vom Spott über Jesus am Kreuz. „Wenn du Gottes Sohn bist, dann steig doch herab.“ In Rom fand man ein Bild aus dem dritten Jahrhundert: Ein Gekreuzigter mit einem Eselskopf und darunter der Satz: „Alexamenos betet zu seinem Gott“. Dann wurde das Kreuz zu unserem wichtigsten Symbol. Jesus erniedrigte sich bis zum Tod am Kreuz und Gott hat ihn erhöht und ihm den Namen gegeben, der höher ist als alle Namen. Alle werden Jesus Christus anbeten. Gott selbst verzichtet auf seine Macht. Gott ist da und leidet in Jesus am Kreuz. Er trägt unser Nein.
Ab der Romanik, hat die christliche Kunst Jesus am Kreuz dargestellt. Wer unsere Kirche betritt, sieht sofort das Kreuz. Als wir Evangelischen die Kirche übernommen haben, und der Altarraum als Spitalkapelle durch die Mauer abgetrennt wurde, hat die Großherzogin Luise der Gemeinde die Figur des Gekreuzigten geschenkt, die etwa aus der Reformationszeit stammt.
Das Kreuz hängt ganz zentral in diesem Raum. Ein geschundener, sterbender oder schon toter Mensch. Das Leid ist überstanden. Er sieht friedlich aus, nicht wie einer, der schreit und kämpft. Glänzende Strahlen gehen von seinem Haupt aus und zeigen, wer hier hängt.
Aber soll man das Leiden und Sterben so herausstellen?
In der Waldshuter Kirche, wo ich früher war, hängt ein Gekreuzigter, über den sich viele Leute ärgern. Der afrikanische Künstler El Loko hat Jesus aus Abfallholz zusammengebaut, eine seltsame verrenkte, schwarz, braun und rot bemalte Gestalt. Der Gekreuzigte kann gar nicht schön sein. Gott lässt sich auf die hässliche, schreckliche Seite der Welt ein.
Gott selbst trägt das Leid der Welt. Gott wird verworfen, erniedrigt, abgelehnt in Jesus am Kreuz. So spricht er sein Ja und erträgt und besiegt unser Nein. Jesus ist auf der Seite derer, die Unrecht und Gewalt leiden. Jesus ist bei uns in Scheitern, in Schmerzen, im Leid und bis in den Tod. Jesus ist für uns, obwohl wir einander nicht gerecht werden. Er sagt Ja zu uns, obwohl wir seiner Liebe nicht entsprechen. Das Bild des Gekreuzigten ist nicht schön, aber voll Trost und Hoffnung.
Ein anderes Bild steht uns vielleicht näher: Christus als Herr der Welt, als Pantokrator, wie auf orthodoxen Ikonen. Er thront neben Gott, der Auferstandene, der Herr aller Mächte und Gewalten. „Jesus Christus herrscht als König“, jubelt das Kirchenlied. Jesus ist beides: der Auferstandene, der Sieger, und der Gekreuzigte, gescheitert und verachtet. Jesus ist der Schmerzensmann am Kreuz, der unser Leid kennt, der unsere Last trägt, der uns in unserem Dunkel nahe ist. Jesus ist auch der Auferstandene, die Hoffnung. Leid und Unrecht werden ein Ende haben. Gewalt und Tod behalten nicht das letzte Wort. Wir sehen im Kreuz Gottes Liebe. Aber wir sehen auch alles, was ihn ans Kreuz bringt, unser Nein. Das ist schwer zu ertragen. Wir möchten so gerne nur unsere gute Seite sehen. Wir wollen auf der Seite der Gewinner stehen. Wir wollen stark sein und noch stärker als die anderen. Wir wollen gut sein und noch besser als die anderen.

Deshalb schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Da gab es Christen und „Superchristen“. Jede der Gruppen in der Gemeinde wollte die wahren und eigentlichen Christen sein. Sie wollten einander überbieten und gerieten darum in Streit: Wer hat die tiefere Erkenntnis? Wer beruft sich auf die größere Autorität? Wer kann seine geistlichen Erfahrungen besser beweisen? Paulus fährt dazwischen.  Der Streit in Korinth ist für ihn unerträglich. Selbstgefällig und rechthaberisch haben sich die vermeintlich besseren Christen von Jesus Christus abgewandt. Ihre eigene Weisheit und Kraft haben sie zum Maßstab gemacht. Wir verstehen uns von unseren Erfolgen her. Wir verdrängen die eigenen Schattenseiten, unseren Egoismus, unser Versagen, unser Misstrauen, alles, was uns entzweit und was Gott widerspricht, unsere Sünde, unser Nein.
Das Wort vom Kreuz ist der Inbegriff von Gottes Kraft. Gott ist den Leidenden nah. Gott ist anders als wir uns gerne vorstellen. Das Kreuz stellt auch uns ständig in Frage. Es fordert uns heraus. Wenn wir das Kreuz ernst nehmen, müssen wir bereit sein uns selbst kritisch zu sehen.

Unsere Welt verändert sich. Europa muss neue Wege finden nach dem Brexitvotum, nach Finanz- und Flüchtlingskrise. Die einfachen Lösungen haben Konjunktur, Lösungen, die Stärke und Klarheit versprechen, die Vereinfacher, die Fundamentalisten. Das kann es nicht sein.
Wir folgen einem Herrn, der schwach wird. Wir stellen sein Scheitern in die Mitte. Wir verherrlichen nicht die Macht und den Erfolg. Wir lassen uns in Frage stellen. Wir glauben, dass Gott sich auf das Leid der Welt einlässt und die Leidenden befreien wird.
So spricht Gott sein Ja, so stirbt unser Nein.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 

Hören wir auf, einander zu verurteilen! Predigt über Römer 14,10-13

Predigt am 19.6.16 von Andreas Hansen über Römer 14,10-13

Römer 14,10-13 (Neue Genfer Übersetzung): Woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen? Und du – woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Wir alle werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen. Denn es heißt in der Schrift: »So wahr ich lebe, sagt der Herr: Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jeder Mund wird Gott die Ehre geben.« So wird also jeder von uns  über sein eigenes Leben vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.Hören wir darum auf, einander zu verurteilen! Statt den Bruder oder die Schwester zu richten, prüft euer eigenes Verhalten, und achtet darauf, alles zu vermeiden, was ihnen ein Hindernis in den Weg legen und sie zu Fall bringen könnte.

„Nehmt sie und richtet über sie. Sie sollen den Preis, welchen auch immer, bezahlen.“ So spricht Präsident Erdogan über die Abgeordneten, deren Immunität er aufheben lässt. Seine Anhänger jubeln, aber uns läuft es kalt den Rücken runter. Wo führt das hin, wenn einer seine Gegner einfach   zu Terroristen stempelt? Wo führt es hin, wenn ein ganzer Teil der Gesellschaft ausgegrenzt wird, und wenn Kritik nur als Beleidigung verstanden wird?

Nicht nur in der Türkei gibt es diesen aggressiven Nationalstolz. Nicht nur dort schreien Massen von Menschen ihren Hass in die Welt und fühlen sich im Recht dabei. „Nehmt sie und richtet über sie.“ Dass die Hetze so viel Erfolg hat, finde ich beängstigend. Viele fühlen sich gut und stark,  wenn sie andere verurteilen und ausgrenzen. In vielen Ländern werden reaktionäre politische Bewegungen und Parteien stark, die sich vor allem durch eine Gegnerschaft beschreiben, dadurch, dass sie andere verurteilen. „Nehmt sie und richtet über sie!“ Der Nährboden  für solche Aufforderungen, für ihre oft begeisterte Aufnahme und ein kompromissloses Denken und Handeln ist groß. Er findet sich in vielen Bereichen unseres Lebens und Zusammenlebens. Die sogenannten sozialen Medien laden dazu ein, über andere zu richten. Da nimmt das gegenseitige Abqualifizieren beängstigend zu. Man verfolgt Andersdenkende, Menschen, deren Fehler man in der medialen Öffentlichkeit anprangern kann und die sich nicht wehren können. Wir können darauf nur wirkungsvoll antworten, indem wir auch den verbohrten und hasserfüllten Menschen wertschätzend begegnen, indem wir die, die andere engherzig verurteilen, nicht ebenso verurteilen und ausgrenzen, indem wir nicht nachlassen und uns um Verständigung bemühen.

„Hören wir auf, einander zu verurteilen!“ sagt Paulus. „Richtet nicht!“ warnt Jesus. Aber auch unter Christen gab und gibt es die Sucht, andere schlecht zu machen, sich über sie  zu stellen, ihnen sogar den Glauben abzusprechen. Natürlich bilden wir uns Urteile über andere. Wir schätzen ein, was wir von einem Kollegen erwarten können, wie wir auf einen Schüler eingehen müssen, was wir von einem Menschen halten. Wir können nicht anders. Jesus warnt uns, weil wir einander so oft nicht ansehen. Wir sehen nur etwas von einem Menschen, sein Äußeres z.B., etwas, was er getan oder gesagt hat, und schon sagen wir: „So einer ist das.“ Keiner von uns ist frei von Vorurteilen. Wir bilden uns eine Meinung über andere und leider oft eine falsche.

„Hören wir auf, einander zu verurteilen!“ Aber wo ist die Grenze? Wo müssen wir urteilen und auch ver-urteilen? Wenn es um Wahrheit, Gerechtigkeit oder Leben geht? Manche müssen von Berufs wegen andere beurteilen, als Richter, als Prüfer oder Gutachter. Sie tragen dabei viel Verantwortung. Paulus urteilt extrem hart, als er überzeugt ist, seine Gegner in Galatien oder auch in Philippi verführen Glaubende und verdrehen den Glauben.    Hier in Rom geht es freilich um etwas anderes, weniger Bedeutendes: Darf man Fleisch essen, wenn es vielleicht mit heidnischen Praktiken geschlachtet wurde? Darf man Alkohol trinken? Muss man bestimmte Tage heilig halten? Die einen achten peinlich genau auf bestimmte Vorschriften. Andere meinen: da stehen wir doch drüber. Hier sagt Paulus: Verurteilt nicht!

Hier und in vielen, vielen anderen Fällen ist die Barmherzigkeit weit wichtiger als das Rechthaben. Hört auf mit dem Richten und der Rechthaberei! Wir alle sind darauf angewiesen, dass uns Barmherzigkeit geschieht. Wir alle haben es nötig, dass Gott uns gnädig ansieht.

Johannes erzählt davon in seinem    Evangelium:  Im Vorhof des Tempels hat sich das Volk um Jesus versammelt. Da schleppen sie eine Frau herbei. „Da, schaut euch die an! Ehebruch!  Auf frischer Tat ertappt!“ Sie stellen die Frau in die Mitte. Da ist sie, bloßgestellt, von allen angegafft,   zitternd vor Angst und Scham, schlecht, schuldig, keine Frage, verachtet und verurteilt. „So eine ist die also! Sag uns Jesus: Was sollen wir mit so einer machen? Schuldig ist sie! Nun sag schon, Jesus! Du kennst doch das Gesetz. Steinigen soll man so eine, sagt Mose. Was sagst Du?“ Alle schauen jetzt auf Jesus. Wie wird er antworten? Er hockt auf dem Boden und kritzelt mit dem Finger im Sand. Hat er nicht zugehört? Sie fragen wieder. Er schreibt weiter. Lauter fragen sie, empört, herausfordernd, höhnisch. „Fällt Dir dazu nichts ein? Gib Antwort, Jesus!“ Jetzt richtet Jesus sich auf. Er sagt: „Wer unter euch ohne Sünde ist,werfe als Erster einen Stein auf sie!“ Und bückt sich wieder und schreibt auf die Erde. Still ist es. Keiner sagt ein Wort. Sie senken den Blick. Einer dreht sich um und geht. Der nächste, und immer mehr, alle, bis am Ende die Frau allein da steht. Jetzt richtet Jesus sich auf, sieht sie an, sagt: “Frau, wo sind sie? Hat dich keiner verurteilt?“ „Keiner, Herr.“ „Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige nicht mehr!“

„Woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verurteilen? Und du – woher nimmst du dir das Recht, deinen Bruder  oder deine Schwester zu verachten? Wir alle werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen.“

Jesus nennt nicht gut, was sie getan hat. Sie hat schlecht gehandelt, Schaden und Leid zugefügt und damit auch gegen Gott gehandelt: Sünde. Das sagt Jesus ihr, aber zuerst sieht er die Frau an. Und er ist in dieser Geschichte wohl der Einzige, der sie wirklich ansieht. „Ich verurteile dich nicht. Du bist jemand für mich, nicht nur „so eine“. Du hast auch jetzt eine Würde von Gott, ein Ansehen von Gott.“ So gut möchte ich angesehen werden. So wollen wir alle angesehen werden. Barmherzig, wertschätzend, liebevoll.

Wir leben „vor Christus“ – er sieht uns an. Er sieht auch, was bei uns zu verurteilen ist. Aber er sieht uns an, Christus.     Das Bild von Gott oder Christus auf dem Richterstuhl ist verfälscht und vergiftet worden. Wir können es fast nicht mehr verstehen.

Denn immer wieder wurde es als Drohung missbraucht: „Wehe, du gehorchst nicht, dann wird dich Gott bestrafen.“ Ein Gott, vor dem man sich hüten musste, den man loswerden wollte, so wie  es Tilman Moser im Buch „Die Gottesvergiftung“ beschrieb.

Aber das Gericht hat auch eine gute, friedliche, klärende Bedeutung. Alles kommt ans Licht.
Gott bringt seine Welt zurecht.
Kein Unrecht wird vergessen.

„Wir alle werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen. Denn es heißt in der Schrift: »So wahr ich lebe, sagt der Herr: Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jeder Mund wird Gott die Ehre geben.«“ Da werden wir alle Gott erkennen. Da werden wir uns wundern, wer neben uns steht, und uns wohl über manches Urteil schämen.
Da werden wir auch uns selbst klar sehen und vielleicht am meisten darüber staunen, dass wir da sein dürfen vor Gott.
Paulus beschreibt seine Hoffnung mit Worten aus dem Propheten Jesaja: „jeder Mund wird Gott die Ehre geben“ und weiter: „… Gott die Ehre geben und sagen: Im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ In Gott haben wir Gerechtigkeit.
Gott will uns bei sich. Christus sieht uns an.
„Hören wir darum auf, einander zu verurteilen!“

Amen

“der mich stark macht” Predigt über 1.Tim 1,12-17

Predigt am 12.6.16 von Andreas Hansen über 1.Tim 1,12-17

im Gottesdienst wird der Küster Volker Pixberg aus seinem Amt verabschiedet; die Kantorei singt; vor der Predigt singen wir das Lied In dir ist Freude

„In dir, Jesus, ist Freude. …Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod.“

Liebe Gemeinde, das ist wie ein guter Raum in Jesus. Ein Schutz-Raum, ein Kraft-Raum. Wir haben Jesus. Wir sind in Ihm. Wir werden gestärkt. Wir wappnen uns. Natürlich gibt es das Böse, das teuflisch Böse, Menschen, die gemein und grausam sind, die Gewalt und Unrecht üben. Gewiss ist die Welt voll Leid. „Unter jedem Dach wohnt ein Ach.“ Inzwischen, nach gut vier Jahren kenne ich viele Häuser in Kenzingen und weiß von manchem Leid. Sicher kennen wir die Macht Sünde: Egoismus, Unglaube, Widerspruch gegen Gott. Und der Tod ist überall. Er kommt uns manchmal sehr nahe und eines Tages werden wir sterben. Warum singen wir: „Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod.“? Wir sind all dem ausgesetzt und bringen selbst auch Böses und Leid in die Welt.                                Und doch haben wir Jesus. Oder besser: Jesus hat uns, wie der gute Hirte sein verlorenes und gefundenes Schaf.     Paulus schreibt: „Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.“  Jesus gibt uns einen Raum, in dem wir trotz allem Vertrauen bekommen und bestehen. Jesus setzt Vertrauen in uns. Jesus gibt uns Kraft.

Hören wir den Predigttext im 1.Timotheusbrief.

Da schreibt jemand im Namen von Paulus und so, als wäre er selbst Paulus. Das war damals ganz üblich, den Namen eines verehrten Lehrers zu benutzen. 1.Tim 1,12-17:

 Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat, Jesus Christus, unserem Herrn; denn er hat mich als vertrauenswürdig angesehen und in seinen Dienst genommen –  ausgerechnet mich, der ich ihn früher verhöhnt und seine Gemeinde mit äußerster Härte verfolgt hatte. Aber er hat sich über mich erbarmt, weil ich in meinem Unglauben nicht wusste, was ich tat. Geradezu überwältigend war die Gnade, die unser Herr mir erwiesen hat, und sie hat in mir einen Glauben und eine Liebe entstehen lassen, wie sie nur durch Jesus Christus möglich sind.   Ja, Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um Sünder zu retten. Auf dieses Wort ist Verlass; es ist eine Botschaft, die vollstes Vertrauen verdient. Und einen größeren Sünder als mich gibt es nicht! Doch gerade deshalb hat sich Jesus Christus über mich erbarmt: An mir als dem größten aller Sünder wollte er zeigen, wie unbegreiflich groß seine Geduld ist; ich sollte ein ermutigendes Beispiel für alle      sein, die sich ihm künftig im Glauben zuwenden,   um das ewige Leben zu erhalten. Dem König, der in alle Ewigkeit regiert, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, gebühren Ehre und Ruhm für immer und ewig.    Amen.

In so einen hat Jesus Vertrauen gesetzt. So einen wie Paulus hat er in seinen Dienst genommen. Er hat Jesus Christus verhöhnt und seine Gemeinde mit äußerster Härte verfolgt, und ausgerechnet ihm erweist der Herr Gnade. Paulus selbst berichtet schonungslos über seine schlimme Vergangenheit. Sein Schüler betont noch stärker: einen größeren Sünder gibt es nicht. Er war fanatisch und verbohrt, von Hass und Schadenfreude erfüllt, gewaltbereit und menschen-verachtend. Aber das hat Jesus nicht abgeschreckt. Paulus kann nur staunen und jubeln darüber, was Gott aus uns macht. Er weiß, was in ihm steckt und wozu er fähig ist. Er kennt die finstere Seite in sich und in uns. Aber Jesus  hat ihm Kraft gegeben. Jesus hat Vertrauen in ihn gesetzt. Jesus hat Gutes mit ihm vor.

Der erste Satz hat es mir angetan, liebe Gemeinde: Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat, Jesus Christus: to endynamosanti me – als Radfahrer denke ich natürlich an den Dynamo und an den    E-Motor. Das ist, als würde man mit starkem Rückenwind fahren, als würde einen jemand anschieben. Man kommt den Berg hinauf, den  man aus eigener Kraft nie schaffen würde.                                                         Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat, Jesus Christus. Vertrauen ist diese Kraft, die über viele Berge hilft.  Er setzt Vertrauen in mich, in mich, und er weckt Vertrauen in mir. Liebe Gemeinde, der „Vertrauensdynamo“ ist so unendlich wichtig! Wir bleiben auf der Strecke ohne ihn.

Die Zeitungen der vergangenen Woche schrieben viel über Bundespräsident Gauck: Warum war und ist seine Präsidentschaft so geglückt? Viele Menschen schenken ihm Vertrauen und er weiß sich vom Vertrauen der Menschen getragen. Er trifft oft den richtigen Ton. Er spricht mutig an, was schwierig ist. Vor allem weckt der Bundespräsident das Vertrauen, das er selbst in die Demokratie und in die Freiheit setzt.

Das Gegenteil davon sind Politiker, die vor allem Misstrauen säen und sich nur dadurch profilieren, dass sie gegen andere sind. Viele Menschen sind verunsichert. „Stimmt das auch, was die sagen oder was wir in der Zeitung lesen? Geht es denen allen nicht nur um Macht für ihre Partei und Geld in der eigenen Tasche?“ Ein kritischer Blick und die Kontrolle der Mächtigen gehören natürlich zu unserer Demokratie – längst nicht alles ist gut. Aber die meisten Politiker und Institutionen unseres Landes verdienen mehr Vertrauen und Achtung, als ihnen entgegengebracht wird.

Ein Team hat nur Erfolg, wenn wir einander vertrauen und das auch zeigen, wenn wir miteinander auf ein Ziel zugehen und uns auch  den Erfolg zutrauen. Ob das in einer Mannschaft ist, unter Kollegen,     in einer Gemeinde, in einer Partnerschaft: ohne Vertrauen kommen wir nicht weit.               Zum Misstrauen bekommen wir ganz oft Grund: Über einen Kollegen entsteht ein Gerücht. Etwas geht schief und wir tun uns so schwer zu kritisieren und Kritik zu ertragen. Einer ist eitel und will immer selbst das Tor schießen, obwohl ein anderer doch viel besser steht. Oder wir haben Angst davor, was die anderen über uns denken und sagen.  Tausend Fallen und Sollbruchstellen bedrohen unser Miteinander. Es ist alles andere als leicht, einander zu vertrauen. Es ist ein Geschenk, es ist beglückend, wenn ein Paar einander über Jahrzehnte vertraut, wenn eine Mannschaft wirklich ein starkes Team wird, wenn Kollegen einander stärken und aufhelfen und miteinander Erfolg haben.

„Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat, Jesus Christus, unserem Herrn; denn er hat mich als vertrauenswürdig angesehen und in seinen Dienst genommen.“ Da ist eine Kraft, die weit größer ist als wir und uns über viele Berge hilft. Da ist ein Herr, der uns Vertrauen schenkt, obwohl wir ihm oft widersprechen. Er spricht uns gerecht. Er befähigt uns für sein Team. Er will uns. Er nimmt uns in seinen Dienst und hat Gutes mit uns vor. Wir sehen und erleben „Teufel, Welt, Sünd oder Tod“. Wir wissen, dass Böses und Leid auch durch uns geschehen, das wir Sünder sind. Und doch schenkt Jesus uns Vertrauen und gibt uns Kraft, dass wir bestehen.

Gott sei Lob und Dank!

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Ist das echt? Predigt über Römer 5,1-5

Predigt am 5.6.16 von Andreas Hansen über Römer 5,1-5

Konfirmationsjubiläum

Römer 5,1-5 (Neue Genfer Übersetzung)

Nachdem wir nun aufgrund des Glaubens für gerecht erklärt worden sind, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch ihn haben wir freien Zugang zu der Gnade bekommen, die jetzt die Grundlage unseres Lebens ist, und im Glauben nehmen wir das auch in Anspruch. Darüber hinaus haben wir eine Hoffnung, die uns mit Freude und Stolz erfüllt: Wir werden einmal an Gottes Herrlichkeit teilhaben. Doch nicht nur darüber freuen wir uns; wir freuen uns auch über die Nöte, die wir jetzt durchmachen. Denn wir wissen, dass Not uns lehrt durchzuhalten, und wer gelernt hat durchzuhalten, ist bewährt, und bewährt zu sein festigt   die Hoffnung. Und in unserer Hoffnung werden wir nicht enttäuscht. Denn Gott hat uns den Heiligen Geist gegeben und hat unser Herz durch ihn mit der Gewissheit erfüllt, dass er uns liebt.

Römer 5,1-5 (Luther)

Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herren Jesus Christus.

Am Anfang seiner Briefe wünscht Paulus seinen Gemeinden Gnade und Frieden. Und so lautet unser Kanzelgruß. Im heutigen Predigtabschnitt sagt Paulus mehr als einen Wunsch, eine Zusage: Wir haben Frieden. Wir stehen in der Gnade.

Und dann folgen noch weitere große Worte in den wenigen Versen: Glaube, Hoffnung, Herrlichkeit, Liebe – es kann einem ganz schwindlig werden. Aber stimmt das? Haben die großen Worte eine Bedeutung oder sind sie nur so daher gesagt, leer, Fassade? Ist es wirklich? Ist es echt?

Ist das echt? „echt“ war ein Modewort, als ich Konfirmand und Jugendlicher war. Alles war nicht nur gut, sondern echt gut, echt schön oder echt übel, usw. Unseren Eltern und Lehrern ging das damals echt auf die Nerven. Aber vielleicht war es mehr als eine Mode. Vielleicht haben wir uns auch gewehrt gegen das, was nicht echt war. Gerade Jugendliche wünschen so sehr, dass ihr Leben und alles echt ist. An der Echtheit der Erwachsenen zweifeln sie grundsätzlich.

Pfarrer Ziegler hat Sie damals in den 60er Jahren wohl so begeistert, weil Sie ihm abnehmen konnten, was er über den Glauben sagte – er war echt, authentisch, glaubhaft.

Echt – Paulus nennt es bewährt, Bewährung. Man kann sein Wort auch mit „Echtheit“ wiedergeben. Das ist wie ein Gütesiegel. Dieser Glaube ist geprüft und hält Stand. Er ist echt.

Vieles in der Welt ist nicht echt, sondern falsch und verlogen. Josef Blatter und die Herren von der Fifa sprachen vom edlen Wettstreit und Völkerverständigung durch das Spiel mit dem Ball. In Wahrheit ging es ihnen um Macht und Geld. Wie ein Kartenhaus stürzen die Lügen ein.

Was ist echt? Wem kann man glauben?

Seit Augustus rühmte man die Pax Romana, den römischen Frieden. Kultur und Wirtschaft blühten. Rom wandelte sich von einer Stadt aus Ziegeln zu einer Stadt aus Marmor. Viele freuten sich über Sicherheit und Wohlstand – da nahm man sogar in Kauf, dass Augustus sich zum Kaiser machte, ein Vorbild für manchen, der heute gerne Sultan oder Zar wäre. Aber der Friede war nicht echt. In den Provinzen litten die ausgebeuteten Völker. An den Grenzen herrschte Krieg. Für die vielen Sklaven und für manche Minderheiten war Friede nichts als eine große Lüge. Wenn sie das Wort hörten, dachten sie an Staatspropaganda.

Eine winzige, verfolgte und verspottete Minderheit sind damals die Christen. Gemeinsam mit den Juden hatte Kaiser Claudius sie aus Rom verjagt. Nach seinem Tod kehren sie zurück. Sie wissen, was Paulus mit Bedrängnis meint. Er hat wie sie Gewalt und Not und Verfolgung erlitten. Zwei Jahre nach Claudius´ Tod, im Jahr 56 schreibt Paulus an die Christen in Rom. Er kennt sie nicht persönlich.  Aber Paulus will nach Rom kommen. Sein Brief soll den Besuch vorbereiten. Die Gemeinde in Rom soll wissen, woran sie mit ihm sind.

„Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.“ – Frieden? Ist das echt? Das muss ein anderer Friede sein.

Wir erinnern heute an Ihre Konfirmation. Sie hören Ihre Konfirmandensprüche und werden gesegnet. Wir alle bleiben in gewissem Sinne Konfirmanden, Menschen, die Bestätigung, Festigung, Stärkung brauchen. Firm ist stark. Wir schauen auf unseren Lebensweg und fragen uns, ob wir uns bewähren, ob wir echt sind oder uns selbst und anderen etwas vormachen. Wir bleiben Konfirmanden, Menschen, die noch  auf dem Weg sind, unfertig, im Werden.

Ob wir Stand halten, wenn es darauf ankommt, wenn unser Glaube sich bewähren muss, wissen wir nicht. Wir brauchen immer wieder andere, die uns segnen, die uns Gutes von Gott zusagen. Wunderbar ist das, was Paulus den Christen von Rom und uns zusagt: Wir sind gerecht geworden durch den Glauben an Jesus Christus. Wir haben Frieden mit Gott. Wir stehen in der Gnade.

Vor unserer Konfirmation wurden wir getauft.     Gott hat Ja zu uns gesagt. Du bist mir recht. Du bist mein Kind. Du gehörst zu mir. Niemals lasse ich dich los. Da sind wir gerecht geworden. Bevor wir irgendetwas getan haben, hat Gott uns seine Gemeinschaft geschenkt. Er hat uns zur Gemeinschaft mit ihm befähigt – in dieser Weise sind wir gerecht Darauf ist Verlass. Das ist so unantastbar und echt wie die Würde eines jeden Menschen. Darum haben wir Frieden. Darum stehen wir in der Gnade wie in einem Raum, der uns umgibt.

Wir rühmen uns, übersetzt Luther, wir sind stolz und froh, schreibt die Neue Genfer Übersetzung.

Wir sind stolz darauf, Christen zu sein.

Keineswegs müssen wir uns mit unserem Glauben verstecken, auch wenn wir Konfirmanden sind, unfertig, auf dem Weg.

In einer friedlosen Welt haben wir Frieden.

Obwohl wir Sünder sind, Menschen, die Gott widersprechen, spricht er uns gerecht durch Jesus Christus.

In einer erbarmungslos harten Welt stehen wir in der Gnade.

Viele meinen, wir Christen machen uns etwas vor. Wir sind genauso friedlos und erbarmungslos wie alle anderen. Vielleicht ist der Friede überhaupt nur eine Illusion. Wir aber zeigen auf die Friedensbringer, auf die Barmherzigen und vor allem auf den einen, unseren Herrn. Viele meinen, wir flüchten in einen inneren Frieden, eine geistige Wirklichkeit, die letztlich niemandem hilft. Wir aber zeigen auf Jesus Christus, der wirklich und echt gelitten hat und gestorben ist und der auferstanden ist. Wir rühmen uns, wir sind stolz auf die Hoffnung durch Jesus Christus. Wir sind schon jetzt Menschen der Hoffnung.

Paulus schreibt mit Blick auf die bedrängten und verfolgten Christen. Wir haben Frieden mit Gott. Wir stehen in der Gnade. So kann er schreiben.

Wir hoffen gemeinsam mit Menschen, die trotz Krankheit, Schwäche und Leid getrost sind. Wir hoffen gemeinsam mit Menschen, die Niederlagen und Brüche erlebt, Unrecht erfahren haben und selbst schuldig wurden, und die neu anfangen. Wir hoffen mit den armenischen Christen, mit Christen im Irak und in Syrien. Wir hoffen gemeinsam mit Christen und Menschen aller Religionen, die sich um Frieden und Verständigung und Gerechtigkeit bemühen.

Wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, denn uns wächst Kraft zu – Geduld ist diese Kraft, unter der Last zu bleiben, sich dagegen zu stemmen. So erfahren wir die Echtheit des Glaubens. So wächst die Gewissheit, dass wir Gottes geliebte Kinder sind, was auch geschieht. Amen

Gott geht nach Sodom, Predigt über 1.Mose 18,16-33

Predigt am 29.5.2016 von Andreas Hansen über 1. Mose 18,16-33

Gottesdienst in der katholischen Kirche in Bombach

Weit unten im Tal, das muss Sodom sein. Abraham sieht in der Ferne den Rauch über der Stadt. Er weiß, was dort geschieht. Wüste bleibt, wo einst die Stadt war, nahe bei dem See, der so salzig ist, dass sie ihn das Tote Meer nennen. Kaum etwas  wird erinnern an die Menschen, die hier lebten. Lot wird gerettet, aber so viele kommen um. Abraham weint. Und auch Gott weint.

Darf man so menschlich über Gott reden? Ja,  so sehr nimmt Gott Anteil am Leid der Menschen, dass die Hebräische Bibel, das AT ihn so nah und menschlich zeigen kann. Gott ist nicht ein Prinzip. Gott ist nicht eine kalte Macht, die über uns hinweg regiert. Gott ist voll Leidenschaft für uns, seine Schöpfung, seine Menschen. Darum darf man wohl sagen: Gott weint.

Gott ist entsetzt über die Gewalt, über Drohnen, Fassbomben, Sprengstoffgürtel, dass Menschen einfach andere töten oder auch ihr eigenes Leben wegwerfen. Gott ist traurig über das Leid, auch über das Leid durch Krankheit und Katastrophen. Gott ist bei den  Opfern von Krieg und Not, bei den Flüchtlingen und in den Kliniken. Er will ihr Leben, so unbedingt wie sie selbst. Und Gott weint auch um die Täter, die von fanatischem Hass Verblendeten, die Gierigen, die Abgestumpften,   die Bösartigen – um sie alle weint Gott.  Wir sind und bleiben Gottes Geschöpfe, die ihm am Herzen liegen.

„Das musste ja so kommen. Das war doch klar, dass Sodom untergeht.“ – Nein! Nein, Gott hatte Sodom noch nicht abgeschrieben. Es war nicht schon entschieden. Abraham kämpft um die Stadt. Gott schaut nicht kalt zu, wie einfach abläuft, was längst entschieden ist.

„Ist denn irgendetwas unmöglich für den Herrn?“ Gott hat Sarah und Abraham ein Kind angekündigt. Sarah lacht. „in unserem Alter? niemals!“ „Du wirst es sehen. Ist denn irgendetwas unmöglich für den Herrn?“ Und dann, gleich danach wenden sich die Boten, wendet sich Gott nach Sodom. Er will dort hingehen, wo das Böse geschieht und wo Menschen leiden.    Die Klage lässt ihm keine Ruhe.

Wie einen Freund zieht Gott Abraham ins Vertrauen. „Ich kann ihm nicht verheimlichen, was ich vorhabe. Er ist doch mein Auserwählter.“ Jetzt machen die Boten sich auf den Weg, aber Abraham bleibt vor Gott stehen. Oder ist es umgekehrt?: Gott bleibt vor Abraham stehen – so steht es ursprünglich geschrieben – Gott wartet geradezu auf den Einspruch seines Freundes. Abraham tritt noch näher, als würde er Gott am Arm packen: „Das kannst du nicht machen, die ganze Stadt! Das kannst du nicht machen, Gott!  Du bist doch gerecht, der Richter aller Welt!“

Ist das nicht unerhört, wie Israel über Gott und den Menschen redet? Man traut seinen Ohren nicht. Es scheint, als habe Abraham mehr Sinn für Recht und Gerechtigkeit als Gott. Er weist ihn zurecht. Doch genau so will Gott seinen Abraham: Mit ganzem Herzen setzt er sich ein für Sodom, für die Bedrängten, aber auch für die ganze böse Stadt. Gott ist auf der Suche nach einem Menschen mit einem Gewissen, nach einem Vater seines Volkes. Gott will, dass Abraham mit ihm feilscht. „Vielleicht sind 50 Gerechte in der Stadt?“ „ Dann soll Sodom leben.“ „Vielleicht sind es aber nur 45, 40, 30, 20, 10?“ „Ja, auch dann bleibt die Stadt.“ Immer wieder traut sich Abraham weiter vor. Beide wollen nur zu gerne, dass Sodom noch eine Chance bekommt.

Die Barmherzigkeit von wenigen kann die Härte von vielen brechen. Die Gerechten, die Treuen, die Barmherzigen sind nur wenige in unserer Welt – es ist immer so. Aber sie sind eine Kraft. Viel können sie bewirken, Segen für eine ganze Stadt. Die Barmherzigkeit von wenigen kann die Härte von vielen brechen.

Gott hört auf Abraham. Natürlich weiß Abraham, vor wem er steht, welcher Platz ihm gebührt, und dennoch lässt er nicht locker und bedrängt Gott geradezu: „Sieh, ich habe es gewagt zu meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf.    Du bist doch kein Pfennigfuchser, Gott, du bist doch barmherzig.“ Darauf setzt Abraham, dass  Gott barmherzig ist. Darum wagt er so mit Gott zu sprechen. Abraham vertraut auf Gott. Darum bittet er wieder und wieder für die Stadt. Abraham ist kein Mensch ohne Fehler. Aber er ist ein Gerechter, weil er Gott so beharrlich vertraut und auf ein gutes Ende hofft für Sodom. Gott wartet auf die Gerechten. Gott wartet auf die wenigen Barmherzigen, die die Härte der vielen brechen. Er will, dass wir nicht locker lassen und ihm vertrauen. Gott wartet auf unser Gebet.

Eine ganz andere Geschichte will ich nun erzählen: Die Hölle war überfüllt. Dennoch warteten viele vor der Tür. Einen letzten Platz hatte der Teufel zu vergeben. Er ging raus um die Leute zu befragen. Den Schlimmsten wollte er sich aussuchen, aber kein Vergehen schien ihm böse genug. Schließlich fragte er einen, der etwas abseits stand: „Und Sie?“ „Ich bin ein guter Mensch. Ich bin nur aus Versehen hier. Ich dachte, die Leute stehen hier Schlange um Zigaretten zu holen.“ „Jeder Mensch hat was auf dem Kerbholz.“ brummte der Teufel. „Aber nein,  ich nicht! Ich habe immer nur zugesehen. Ich hab mich nie eingemischt, wenn sie einander erschlagen oder beraubt haben. Ich hab nie den Mund aufgemacht, wenn sie Flüchtlinge in ihr Land zurückgeschickt haben oder Kinder verhungert sind. Ich habe mit dem Bösen nichts zu tun. Ich hab nie was getan!“ „Sind Sie sicher, dass Sie nichts getan haben?“ „Nicht einmal, wenn es direkt vor meiner Haustür geschah. Ich hab immer nur zugesehen.“ „Aha! Sie sind mein Mann. Der Platz gehört Ihnen.“ Diesen `guten Menschen´ holte der Teufel, und als er ihn in die Hölle einließ, drückte er sich zur Seite, damit er ihn nur ja nicht berührte.

Sodom und Gomorra wurden sprichwörtlich für Abgründe menschlicher Bosheit. Schon in der Bibel werden die beiden Städte immer wieder genannt. Ihr Name lässt an sexuelle Perversion denken, aber kritisiert werden vor allem die Verachtung für die Armen, die Missachtung des Gastrechts, Geiz, Gewalttätigkeit, Fremdenfeindlichkeit. Sodom ist ein Inbegriff von Egoismus und Rücksichtslosigkeit.

Aber ist das denn so ungewöhnlich? Funktioniert die Welt nicht genau so, dass jeder das Beste für sich herausholt? Nein, wenn alle so leben, wie in Sodom, geht die Welt zugrunde. Wenn alle Amerikaner wie der Milliardär Trump schreien „America first“, wenn alle Russen wie Putin meinen „wir sind die Größten“, wenn alle Türken vor Erdogan kuschen und die Franzosen Marine Le Pen auf den Leim gehen, wenn wir Deutschen wieder in dumpfen Nationalismus  fallen, dann sind wir bald in Sodom. Wenn alle Autobauer bei den Abgaswerten schummeln, wenn Kernkraftwerke Sicherheitskontrollen nur vortäuschen, wenn Großkonzerne Kleinbauern in Afrika ihr Land wegnehmen, wenn überall nur Wachstum und Profit zählen, dann sind wir bald in Sodom.

Der Teufel mag sich ekeln vor denen, die meinen „Ich bin ein guter Mensch. Mit dem Bösen habe ich nichts zu tun.“ Die dabei rücksichtslos auf Kosten anderer leben, die ungerührt an Unrecht und Leid vorbeigehen.

Gott aber geht nach Sodom. Er will wissen, was den Armen geschieht. Und sogar die Unterdrücker tun ihm Leid. Gott wartet auf die Gerechten, die Barmherzigen.

Bitten wir ihn für unsere Welt und für uns selbst. Amen

Kirche? – Predigt über 1.Kor 12,4-11 zu Pfingsten

Luise und Judith leiten eine Jungschar. Luise kann schön erzählen, Judith fallen tolle Spiele ein. Ihre Gruppe liebt die beiden. Sie sind begabt und haben auch schon die Jugendleiterkarte, die Juleika.

Karin besucht Menschen im Altenheim. Sie hat ein Gespür für die alten Leute, Geduld zuzuhören und eine liebevolle Art.

Wenn Michael nicht im Gottesdienst ist, fragen die Leute, ob er krank ist. Manche sitzen besonders gern in seiner Nähe, denn er singt so, dass sie mitsingen können.

Herta betet. Sie ist pflegebedürftig und kann nicht viel tun, aber sie betet für die Konfirmanden ihrer Gemeinde, für die Menschen auf der Flucht, für die Kranken. Sie hat das Charisma des Gebets.

Heiner und Edith kennen die Flüchtlinge. Sie sprechen sie an und inzwischen kommen sie mit ihren Fragen zu ihnen. Sie kennen die Probleme, die Formulare, die Behörden und sogar ein paar Worte Arabisch.

Seit Arnold seine Krankheit hat, hat sich sein Leben verändert. Er geht jetzt viel behutsamer mit sich und anderen um. Er braucht Pausen und freut sich an Dingen, die er früher übersehen hat. Manchmal sagen ihm andere, wie gut es tut, mit ihm zu reden.

Kurt kann organisieren. Er hat alles und alle im Blick. Er weiß, wen man fragen muss und wen man nicht vergessen darf. Er findet eine Lösung, wenn es Probleme gibt. Auf ihn hören die anderen. Er hat die Gabe zu leiten.

So wunderbar und so vielfältig sind die Gaben. Vielleicht haben Sie sich wiedererkannt in Judith, Karin, Heiner, Kurt oder Edith. Bestimmt haben Sie diese und noch ganz andere Begabungen und Fähigkeiten. Gottes Geist wirkt in uns und durch uns.

Aber Luise und Judith waren seit ihrer Konfirmation nur wenige Male im Gottesdienst. Sie fühlen sich dort nicht zuhause. Karin will ihren Glauben praktisch leben. Darum geht sie ins Altenheim, nicht in die Kirche. Michael fragt sich, was wohl aus der Kirche wird.  Vieles hat sich verändert und ist ihm fremd. Herta ist in Gedanken oft bei der Gemeinde aber sie fühlt sich allein gelassen. Heiner und Edith hätten gern, dass sich ihre Gemeinde viel mehr für die Flüchtlinge engagiert. Arnold genießt die schöne Kirchenmusik, aber er kann es nicht ab, wenn er von der Kanzel herab belehrt wird. Kurt war mal im Kirchengemeinderat, aber dann  hat er sich über den Pfarrer geärgert. Jetzt hilft er noch manchmal bei Gemeindefesten.

So wunderbar und so vielfältig sind die Gaben.    So unterschiedlich sind die Weisen zu glauben. Was ist das, was wir vorhin im Glaubensbekenntnis die heilige christliche Kirche nannten? Sehr heilig sind wir nicht. Viele wissen nicht, ob sie sich selbst zur Kirche dazu rechnen sollen. Manche sprechen den anderen ab, Christen zu sein. Andere halten jeden Wahrheitsanspruch für übergriffig: Jeder muss schließlich für sich selbst herausfinden, was er glaubt.

Paulus schreibt an die Christen in Korinth:

Es gibt viele verschiedene Gaben, aber es ist ein und derselbe Geist, der sie uns zuteilt. Es gibt viele verschiedene Dienste, aber es ist ein und derselbe Herr, der uns damit beauftragt.  Es gibt viele verschiedene Kräfte, aber es ist ein und derselbe Gott, durch den sie alle in uns allen wirksam werden. Bei jedem zeigt sich das Wirken des Geistes auf eine andere Weise, aber immer geht es um den Nutzen der ganzen Gemeinde. Dem einen wird durch den Geist die Fähigkeit geschenkt, Einsichten in Gottes Weisheit weiterzugeben. Der andere erkennt und sagt mit Hilfe desselben Geistes, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Einem dritten wird – ebenfalls durch denselben Geist – ein besonderes Maß an Glauben gegeben, und wieder ein anderer bekommt durch diesen einen Geist die Gabe, Kranke zu heilen. Einer wird dazu befähigt, Wunder zu tun, ein anderer, prophetische Aussagen zu machen, wieder ein anderer, zu beurteilen, ob etwas vom Geist Gottes gewirkt ist oder nicht.  Einer wird befähigt, in Sprachen zu reden, die     von Gott eingegeben sind, und ein anderer, das Gesagte in verständlichen Worten wiederzugeben. Das alles ist das Werk ein und desselben Geistes, und es ist seine freie Entscheidung, welche Gabe er jedem Einzelnen zuteilt.

Die Christen von Korinth streiten. Sie wollen einander übertreffen. Sie geben an mit ihren Geistesgaben. Für sie ist der Beweis des Geistes dann erbracht, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht, etwas, das an Wunder grenzt. Die einen schwören auf ekstatische Erfahrung. Ergriffen von religiösem Gefühl jubeln und beten sie wie in einem Rausch. Glaube ist ein Erlebnis voll Kraft, Gefühl, Begeisterung. Andere betonen die Erkenntnis des Glaubens.    Sie setzen sich auseinander mit den geistigen Strömungen ihrer Zeit und sind stolz auf ihre Erleuchtung. Wieder andere wollen sich in Heilungen und praktischen Erfolgen ihren Glauben beweisen. Jeder von ihnen hält sich und seine Gruppe für    die allerbesten Christen.

Paulus lehnt diesen religiösen Leistungssport ab.   Glaube bleibt nie ohne Erfahrung. Er findet immer eine Form, einen Ausdruck, eine Sprache. Gottes Geist wirkt in uns und durch uns, in jedem Glaubenden. Aber der Heilige Geist ist nicht eine Art Doping, das uns hilft, die anderen zu überholen.  Es ist der Geist Jesu Christi, der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Der Geist Gottes wirkt in allen, die an Jesus glauben.

Paulus betont die Vielfalt und die Gemeinschaft.

Der Geist wirkt so bunt und unterschiedlich, wie   wir Menschen sind. Er wirkt auch so unfertig und manchmal sogar widersprüchlich, wie wir. Paulus schreibt: es ist seine freie Entscheidung, welche Gabe der Geist jedem Einzelnen zuteilt. Es ist derselbe Geist Gottes, der Judith die Gabe gibt, eine Jungschar zu leiten und Herta die Gabe, für andere zu beten. Vom Geist gewirkt, eine Erfahrung, ein Ausdruck unseres Glaubens kann auch sehr alltäglich sein. Es kann geistlich sein, wenn wir zu unseren Kollegen im Betrieb fair sind, wenn wir mit unserem Kind Hausaufgaben machen, auch wenn wir Geschirr spülen.

Gott mischt sich in unser Leben ein, Gott, der Heilige Geist. Er schafft und schenkt Leben, Vertrauen, Liebe und Hoffnung mitten in unserem Leben. Wir sind es nicht. Wir schaffen es nicht. Darum haben wir keinen Grund einander zu übertrumpfen. Aber Gott ist in uns. Jede und jeder kann und soll Glauben auf ihre und seine Weise erfahren und gestalten. Keiner ist näher bei Gott als andere.   Alle sind wir „geistlich“. Darum ist unser Glaube und ist die Kirche so vielfältig und bunt.

Aber wie kommen wir zusammen? Das ist heute die große Herausforderung. Viele Gemeinden fragen sich: Wie bekommen wir ein Wir-Gefühl? Wie nehmen wir einander besser wahr? Wie wächst die Gemeinschaft? In Visitationen, im Gemeindebeirat oder beim Kompass-Prozess – immer wieder beschäftigt uns die Frage.

Paulus betont die Vielfalt und die Gemeinschaft. Der Geist schafft die Kirche. Er bringt uns zusammen. Wir leben alle aus derselben Quelle. Wir leben, weil Gott uns will, weil er uns liebt und weil keine Macht der Welt uns von seiner Liebe trennen kann.

Es ist derselbe Geist, der verschiedene Gaben schenkt. Es ist derselbe Herr, Jesus Christus, der uns mit verschiedenen Diensten beauftragt. Es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt.

Karin, Michael, Arnold und wir alle sind so unterschiedlich in unseren Gaben und Erfahrungen. Aber keiner von uns glaubt für sich allein. Jeder von uns braucht andere, die mit uns glauben. Wir brauchen die Erfahrung derer, die vor uns glaubten. Wir brauchen Menschen, die uns Vorbild und Begleiter sind, unsere Paten, Eltern, Großeltern, Freunde, Lehrer. Wir brauchen Mitglaubende, die uns trösten, segnen und Gottes Wort zusagen. Wir brauchen andere, die mit uns beten und singen, hören, reden und feiern. Das alles schenkt uns Gottes Geist. Wir sind schon reich beschenkt und nehmen das so oft nicht wahr.

Gott gebe uns offene Augen und Herzen für die Menschen, die mit uns glauben, für seine Kirche, so vielfältig und bunt, so fragwürdig und schwach oft, und doch so reich beschenkt. Gott bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus, unserem Herrn. Amen

Tief verwurzelt, fest gegründet, Predigt über Epheser 3,14-21 zur Konfirmation 2016

Predigt am 8.5.16 von Andreas Hansen über Eph 3,14-21

Konfirmation

Epheser 3,14-21

Darum beuge ich meine Knie vor dem Vater, der alle Geschlechter im Himmel  und auf Erden ins Leben rief, und bitte ihn,    dass er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit durch seinen Geist kräftig werden lässt am inneren Menschen, das heißt, dass Christus in euren Herzen wohnt und ihr in der Liebe tief verwurzelt und fest gegründet seid, dass ihr zusammen mit allen Heiligen begreifen könnt, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, das heißt, dass ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übersteigt, dass ihr immer mehr erfüllt werdet von der ganzen Fülle Gottes.    Ihm aber, der weit mehr zu tun vermag, als was wir erbitten oder verstehen, ihm sei die Ehre in der Kirche und in Christus Jesus durch alle Generationen dieser Weltzeit hindurch bis in alle Ewigkeit. Amen.

Rot, knallrot ist das Tuch am Altar und hier an der Kanzel. Rot ist die Farbe für Pfingsten und für die Konfirmation. Rot wie Feuer, Kraft, Begeisterung. Rot ist die Farbe für den Heiligen Geist.

An Pfingsten haben die Jünger keine Angst mehr. Sie erzählen von ihrem Glauben. Sie staunen,    wie sie andere begeistern können. So beginnt die Kirche. An Pfingsten feiert sie ihren Geburtstag.

Rot ist die Farbe auch heute. Wir sind die Kirche. Ihr seid die Kirche, liebe Konfirmanden – wie schön, dass Ihr dazu gehört!

Wir sind die Kirche?

Aber unser Glaube ist doch gar nicht so stark, so feurig. Wir haben oft mehr Fragen als Antworten. Unser Glaube ist nicht fertig – das gilt für uns alle. Wir sind auch gar nicht so gut und liebevoll, wie wir sein sollen und wollen. Wir können sehr hart und egoistisch sein. Trotzdem macht Gott seine Kirche mit Leuten wie uns. Gott traut uns allen zusammen zu, dass wir glauben, lieben und hoffen. Wir sind seine Kirche. Unser Glaube soll wärmen, unsere Liebe leuchten, unsere Hoffnung begeistern.       Rot ist die Farbe für seine Kirche.

Schaut euch bitte den Predigttext an: Paulus kniet nieder und betet. Hier vorne steht die Bank, auf der ihr nachher knien werdet. In unserer Evangelischen Kirche machen wir das ganz selten.     Aber wir spüren, was die Geste bedeutet.  Wir sind vor Gott. Darum knien wir.

Im Alten Testament wird von Mose erzählt:    Er sieht einen Dornbusch brennen, ein seltsames Feuer. Er geht dorthin und hört eine Stimme.    Da weiß Mose: Gott ist hier. Und er kniet nieder.   Er bekommt einen Auftrag und auch die Kraft ihn zu erfüllen.

Paulus betet für seine Gemeinde und für uns.   Er nimmt uns hinein in sein Gebet. Es ist, als ob wir neben ihm knien. Wir knien mit ihm vor Gott. Wir bitten Gott und wissen zugleich: Gott kann viel mehr tun, als wir bitten und verstehen. Der große Gott kommt uns nah. Er gibt uns einen Auftrag und die Kraft dazu. Klingt das jetzt übertrieben?

Dann lasst es mich so sagen: Wenn ihr nachher niederkniet und gesegnet werdet, dann sind eure Eltern und Paten und wir alle in Gedanken und Gebeten bei euch. Und wir glauben für euch:     Gott hat Gutes mit euch vor. Er gibt eurem Leben ein Ziel. Segnen heißt: Gutes zusagen im Namen Gottes und im Vertrauen auf Gott.

„Nie ist der Mensch größer, als wenn er kniet.“     So sagte ein weiser Mensch, ein Papst. Wenn wir unseren Platz vor Gott finden und uns ganz auf ihn verlassen, dann kommen wir zu unserer wahren Größe und  an das Ziel unseres Lebens.

Wer für andere betet, will etwas für sie von Gott.   Er fragt: „Was brauchen diese Menschen?“ Und: „Was hast du, Gott, mit ihnen vor?“ Ich lese  noch einmal vor, was Paulus für uns bittet: „dass Gott euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit durch seinen Geist kräftig werden lässt am inneren Menschen, das heißt, dass Christus in euren Herzen wohnt und ihr in der Liebe tief verwurzelt und fest gegründet seid, dass ihr zusammen mit allen Heiligen begreifen könnt, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, das heißt, dass ihr die Liebe Christi erkennt, die alle Erkenntnis übersteigt, dass ihr immer mehr erfüllt werdet von der ganzen Fülle Gottes.“

Paulus brennt vor Begeisterung. „Es ist super ein Christ zu sein! Es ist toll zur Gemeinschaft der Heiligen zu gehören!“ Er gerät ins Schwärmen, während er betet.     Seine Bitten werden immer größer: Wir sollen innerlich gestärkt werden. Wir sollen zusammen  mit allen Heiligen alle Dimensionen und mehr noch begreifen. Wir sollen immer mehr erfüllt werden    von der ganzen Fülle Gottes.

„Halt, Paulus! Wie soll das gehen? Was meinst du überhaupt? Wir sind eher das Gegenteil von dem, was du sagst. Unser Glaube ist schwach. Unsere Kirche interessiert nur wenige. Mit vielen Fragen und Problemen kommen wir nicht voran. Paulus, woher nimmst du nur deine Begeisterung?“

Paulus lacht: „Meint ihr denn, meinen Gemeinden und mir geht es besser? Wir sind eine kleine Minderheit am Rand des Römischen Imperiums. Wir werden nicht ernst genommen und manchmal verfolgt. Streit und Fehltritte gibt es bei uns wie überall. Viele haben die Gemeinden wieder verlassen. Man will mich mundtot machen.   Ich sitze im Gefängnis. Und doch hab ich mich nie so frei gefühlt. Und doch sind wir die Kirche Jesu Christi. Gott wird etwas aus uns machen. Und aus euch. Darum bete ich. Darauf vertraue ich. Wie eine tiefe Wurzel, wie ein gutes Fundament,  so ist die Liebe Christi in euch. Die Wurzel und das Fundament sind verborgen. Man sieht sie kaum. Aber in euch wird wachsen und aufgebaut werden, was aus der Liebe Christi kommt. Ihr werdet wachsen, immer mehr erkennen, Grenzen hinter euch lassen, lieben und Gott nahe sein.“

So sieht Paulus uns in seinem Gebet. Das erhofft und erbittet er für die Kirche und für jede und jeden von uns. Und das bitten wir für euch.

Die Kirche wird oft angegriffen. Es gab und gibt Gründe, sie zu kritisieren. Vielleicht wird die Gestalt der Kirche sich ändern. Aber ihre Mitte bleibt. In der Mitte ist Jesus Christus, die Liebe, die Gott uns durch ihn schenkt. Es bleibt diese Gemeinschaft, die in der Liebe Christi tief verwurzelt und fest gegründet ist.

Darum kann die Kirche so wunderbar Gutes tun: Menschen helfen, sie trösten und begleiten, für Gerechtigkeit einstehen, trotz Krieg und Streit auf Frieden hoffen, mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, den lebendigen Christus feiern.    Die Kirche ist fragwürdig und doch von ihrer Mitte her so stark.

Ebenso jede und jeder von uns, jeder einzelne Christ: wir passen überhaupt nicht zu Jesus Christus, und doch ist er zu uns gekommen.  Er wohnt in unseren Herzen, wie Paulus sagt.     Wir sind in seiner Liebe verwurzelt. Darum zeigt Christus auch durch uns seine Liebe und Güte. Gott gibt uns seinen Heiligen Geist, seine Kraft, seine Begeisterung, seine Liebe. Er verwandelt unsere engen Grenzen und unsere kurze Sicht.

„Ihm aber, der weit mehr zu tun vermag, als was wir erbitten oder verstehen, ihm sei die Ehre“. Wir beugen unsere Knie vor ihm, unserem Gott. Amen

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