Archiv der Kategorie: Predigten

Predigt über Jesaja 55,6-13, 31.1.16

Predigt am 31.1.16 von Andreas Hansen über Jes 55,6-13

Gottesdienst am Abend mit besonderer Einladung an Menschen, die neu zugezogen sind oder Neues beginnen

Jesaja 55,6-13 Der Prophet spricht:

Sucht den HERRN, da er sich finden lässt,
ruft ihn, da er nahe ist!
Der Gottlose verlasse seinen Weg
und der Mann des Unheils seine Gedanken,
und zum HERRN kehre er zurück,
dann wird dieser sich seiner erbarmen,
zu unserem Gott, denn er ist reich an Vergebung.

Gott spricht:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege, Spruch des HERRN, denn so hoch der Himmel über der Erde ist,
so viel höher sind meine Wege als eure Wege
und meine Gedanken als eure Gedanken.

Gott spricht:

Denn wie der Regen und der Schnee herabkommen vom Himmel und nicht dorthin zurückkehren,
sondern die Erde tränken und sie fruchtbar machen
und sie zum Sprießen bringen und Samen geben dem,
der sät, und Brot dem, der isst,
so ist mein Wort, das aus meinem Mund hervorgeht:
Nicht ohne Erfolg kehrt es zu mir zurück,
sondern es vollbringt, was mir gefällt,
und lässt gelingen, wozu ich es gesandt habe.

Der Prophet spricht:

Denn mit Freude werdet ihr ausziehen,
und in Frieden werdet ihr geleitet.
Vor euch werden die Berge und die Hügel in Jubel ausbrechen, und alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen.
Wacholder wird sprießen statt der Dornen,
Myrte wird sprießen statt der Nessel.
Und dem HERRN zum Ruhm wird es geschehen,
als ewiges Zeichen; nie wird es getilgt.

Der Prophet spricht.
Er lädt ein, er ermutigt, er drängt.
Jetzt ist Gott nah. Ruft ihn!
Jetzt lässt Gott sich finden. Sucht ihn!
Hört doch, wie gut Gott zu euch ist!
Lasst diese Chance nicht ungenutzt!
Zuletzt schwärmt der Prophet von einem wunderbaren Neubeginn. „mit Freude werdet ihr ausziehen, und in Frieden werdet ihr geleitet“
Er überschlägt sich fast in wunderschönen Bildern.
Selbst Berge und Hügel brechen in Jubel aus, Bäume klatschen in die Hände, in der dürren Steppe wachsen Wachholder und Myrte.
Am Ende wird alles heil und gut – so könnte man seinen Jubel zusammenfassen.

Ob sein Volk ihn hören kann?
Seit Jahrzehnten leben sie fern von Israel in Babylon. Eine ganze Generation hat den Tempel in Jerusalem nie gesehen und nie einen Gottesdienst erlebt. Ihr Glaube ist ihnen fremd geworden. Sie haben ihre Wurzeln verloren. Manche sind darüber verzweifelt und verbittert. „Gott hat uns vergessen.“ klagen sie, „wir verlieren uns in dieser Fremde, in Unfreiheit und Unterdrückung.“ Die Meisten aber haben sich längst in Babylon eingerichtet. Hier sind sie nun zuhause. Etwas anderes können und wollen sie sich nicht vorstellen. Sie vermissen nichts. Auch den Gott Israels vermissen sie nicht.
Der Prophet spricht. Erreicht er die einen in ihrer Hoffnungslosigkeit, in ihren Zweifeln? Hören ihm die Gleichgültigen überhaupt zu?

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1.Korinther 9,24-27

Predigt am 24.1.16 von Andreas Hansen über 1.Kor 9,24-27


1.Kor 9,24-27:
Ihr wisst doch, wie es ist, wenn in einem Stadion ein Wettlauf stattfindet: Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis. Macht es wie der siegreiche Athlet: Lauft so, dass ihr den Preis bekommt!
Jeder, der an einem Wettkampf teilnehmen will, unterwirft sich einer strengen Disziplin. Die Athleten tun es für einen Siegeskranz, der bald wieder verwelkt. Unser Siegeskranz hingegen ist unvergänglich.
Für mich gibt es daher nur eins: Ich laufe wie ein Läufer, der das Ziel nicht aus den Augen verliert, und kämpfe wie ein Boxer, dessen Schläge nicht ins Leere gehen.
Ich führe einen harten Kampf gegen mich selbst, als wäre mein Körper ein Sklave, dem ich meinen Willen aufzwinge. Denn ich möchte nicht anderen predigen und dann als einer dastehen, der sich selbst nicht an das hält, was er sagt.

Mit ganzem Einsatz verfolgt er sein Ziel. Ein Jahr lang hat er sich konzentriert. Er hat jeden Tag trainiert und alles diesem einen Ziel untergeordnet. Nicht nur den Alkohol hat er weggelassen, sondern alles, was seine Leistung schmälern könnte.
Ein Jahr der Entbehrungen. Nur dieses eine Ziel vor Augen. Alles andere war unwichtig. Jetzt steht er hier im Stadion. Gleich wird es losgehen. Den Startblock unter den Füßen. Das Ziel im Blick. Auf die Plätze, fertig, los!

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Predigt von Pfarrer i.R. Hanns-Heinrich Schneider am 10.1.16 über Römer 12,1-8

Brüder und Schwestern, weil Gott so viel Erbarmen mit euch gehabt hat, bitte und ermahne ich euch: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung! Bringt euch Gott als lebendiges Opfer dar, ein Opfer völliger Hingabe, an dem er Freude hat. Das ist für euch der »vernunftgemäße« Gottesdienst. Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an. Lasst euch vielmehr von Gott umwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird. Dann könnt ihr euch ein sicheres Urteil bilden, welches Verhalten dem Willen Gottes entspricht, und wisst in jedem einzelnen Fall, was gut und gottgefällig und vollkommen ist. In der Vollmacht, die Gott mir als Apostel gegeben hat, wende ich mich an jeden Einzelnen von euch. Niemand soll sich über andere erheben und höher von sich denken, als es angemessen ist. Bleibt bescheiden und sucht das rechte Maß! Durch den Glauben hat jeder von euch seinen besonderen Anteil an den Gnadengaben bekommen. Daran hat jeder den Maßstab, nach dem er sich einschätzen soll. Denkt an den menschlichen Leib: Er bildet ein lebendiges Ganzes und hat doch viele Teile, und jeder Teil hat seine besondere Funktion.
So ist es auch mit uns: Als Menschen, die zu Christus gehören, bilden wir alle ein unteilbares Ganzes; aber als Einzelne stehen wir zueinander wie Teile mit ihrer besonderen Funktion. Wir haben ganz verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade zugeteilt hat. Einige sind befähigt, Weisungen für die Gemeinde von Gott zu empfangen; was sie sagen, muss dem gemeinsamen Bekenntnis entsprechen. Andere sind befähigt, praktische Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen; sie sollen sich treu diesen Aufgaben widmen. Wer die Gabe hat, als Lehrer die Gemeinde zu unterweisen, gebrauche sie. Wer die Gabe hat, andere zu ermahnen und zu ermutigen, nutze sie. Wer Bedürftige unterstützt, soll sich dabei nicht in Szene setzen. Wer in der Gemeinde eine Verantwortung übernimmt, soll mit Hingabe bei der Sache sein. Wer sich um Notleidende kümmert, soll es nicht mit saurer Miene tun.

Liebe Gemeinde!

Seit rund zweitausend Jahren hören wir diese gewaltigen Worte des Paulus: „Bringt euch Gott als lebendiges Opfer dar … passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an … Durch den Glauben hat jeder von Euch seinen besonderen Anteil an den Gnadengaben bekommen, … daran hat jeder den Maßstab … Denkt an den menschlichen Leib: Er bildet ein lebendiges Ganzes und hat … seine besondere Funktion…“ Und nun zählt Paulus auf, wozu wir alle – als Christen – befähigt sind, wenn und weil wir unseren Glauben an Christus leben. Doch schauen wir uns einmal um, wo finden wir sie, diese Christen? Schauen wir einmal in unsere Gesellschaft hinein, die sich ja so gern – gerade auch angesichts der derzeitigen Flüchtlingsströme – auf die Werte beruft, die sich im „christlichen Abendland“ gründen. Wo finden wir sie?

Ist es denn nicht umgekehrt gerade so, wie es J.P. Sartre beschreibt: Sartre hatte sich vorgenommen, sein Leben lang zu lernen, als Atheist zu leben. In seinem düsteren Drama „Bei verschlossenen Türen“ schreibt er:

Da wären wir also! Drei Menschen, zwei Frauen und ein Mann treffen in einem Raum zusammen. Sie kennen sich nicht, man versucht ein Ge-spräch, aber jeder von ihnen hat andere Fragen und Bedürfnisse. Man fällt sich zur Last. Sie sind gestorben. Sie haben alle Hoffnungen begraben und warten. Und bald schon stellen sie fest: Wir sind in der Hölle. Irrtümer sind ausgeschlossen, umsonst wird keiner verdammt. Körperliche Folter gibt es keine und doch: Wir sind in der Hölle. Es kommt auch niemand – niemand. Wir allein bleiben zusammen bis ans Ende. Allerdings einer fehlt: Der Henker. Alle beobachten, wie es im Leben, das sie zurückgelassen haben, weitergeht, ohne dass sie noch einmal eingreifen könnten. Man bringt sich durch seine Andersartigkeit an den Rand, man will raus aus dem Raum und weg von den anderen, – aber die Tür ist verschlossen.

Und plötzlich ist die Tür auf! Bei dem Versuch, das Zimmer zu verlassen, scheitern sie jedoch. Der Weg ist frei, aber sie sind unzertrennlich. Sie begreifen endgültig, dass sie in der Hölle sind: Kein Schwefel, Scheiter-haufen, Bratrost ist erforderlich, denn: Die Hölle, das sind immer die anderen. Und das für immer! Das sind doch die Erfahrungen der von Männern umzingelten, bedrängten und sexuell genötigten Frauen in Köln gewesen oder Erfahrungen aller Menschen, die Unmenschlichkeit am eigenen Leib erfahren. Und so sind wir gefragt:

Wo finden wir die Gegenwart Gottes in der Welt durch einen gelebten Glauben – den Himmel auf Erden – oder umgekehrt: Wann beginnt die Hölle und wo hört sie auf? Paulus fragt seine Gemeinde nicht: Wo bilden wir ein Ganzes, wenn wir zu Christus gehören, auch wenn wir ver-schiedene Gaben mitbekommen haben. Er zögert nicht einfach festzu-stellen: So ist es und Ihr seid es, wenn und vor allem weil Ihr zu Christus gehört. Unsere Welterfahrung am Beispiel Sartres „Die Hölle, das sind immer die anderen. Und das für immer!“ und die Feststellung des Paulus stehen hart im Raum: Unversöhnlich prallen die Sichtweisen aufein-ander.

Müssten wir das Drama Sartres in unsere Gegenwart übersetzen, so bräuchten wir ja nur einige Bootsflüchtlinge an den Außengrenzen Euro-pas zu fragen oder Flüchtlinge, die aus Österreich über bayrische Grenzen – oder woher auch immer kommen – wie sie uns sehen, uns als „Christen“ in Europa leben sehen?

Wir bräuchten ja nur einmal Asylbewerber, die es nach Deutschland geschafft haben, zu fragen, wie sie Beamte in Ausländerbehörden erfah-ren, die durch den unendlichen Zustrom immer neuer Flüchtlinge über-lastet sind? Wir bräuchten ja nur einmal einige Freunde von Pegida und AfD fragen, wie sie sich auf dem Boden des Deutschen Grundgesetzes eine Willkommenskultur mit menschlichem Gesicht vorstellen, wo es doch im Grundgesetz kurz, bündig und verbindlich heißt: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Wir bräuchten ja nur einmal betroffene Polizisten zu fragen oder tausende von freiwilligen Helfern, ohne die wir das Problem gar nicht mehr lösen könnten, wie sie das alles erfahren? Ihnen allen würde es vermutlich schwerfallen, uns in den Hausforderungen des Alltags mehrheitlich als die Christen zu erleben, die an einem menschlichem Gesicht der Welt mitarbeiten.

Nun aber genug! Wir spüren hautnah, wie sehr die Beschreibung eines Christen durch Paulus von den unzähligen Fragen und Problemen allein unseres persönlichen Lebens entfernt sind, ganz zu schweigen von all den politischen Herausforderungen, vor die wir uns gestellt sehen und die nach menschlichen Antworten geradezu schreien.

Aus dem Wissen um die Welt überschreibt Karl Barth unser Römer-briefkapitel mit den Worten „Die große Störung!“ Was bedeutet der Glaube an Gott für unser Tun oder Nicht-Tun, welche Konsequenzen hat er für unser ethisches Handeln? Paulus stellt fest – und das können wir ja nur allzu gut nachvollziehen – dass ein jeder Mensch seine ganz eigenen Fähigkeiten und Begabungen hat. Er hat sie für sein Leben mit-bekommen, ohne etwas dafür zu können.
Was Eltern, Kindergarten, Schule, Lehre oder Universität tun können, ist diese Anlagen weiter auszubilden, zu vertiefen, zu Möglichkeiten werden zu lassen, die Welt nun eigenverantwortlich mit zu gestalten.

Und was ein jeder für sein eigenes, ganz persönliches Leben mit bekommen hat, das darf er nun als Christ und als Mit-Christ in seine Gemeinde einbringen und mit seiner Gemeinde in die Gesellschaft, die ihm vorgegeben ist. Gaben sind für Paulus kein Privatbesitz, sondern durch den Glauben an Gott die Aufgabe, sie für andere einzusetzen. Und das beschreibt er nun mit den unterschiedlichsten Diensten in der Gemeinde. Da geht es darum, dass einige Menschen Weisungen für die Gemeinde empfangen haben, die allerdings dem Bekenntnis ent-sprechen müssen. Niemand darf also vorgeben, etwas zu sagen zu haben, wenn es dem Glauben entgegensteht.

Es geht weiter darum, dass Menschen ganz praktische Aufgaben übernehmen sollen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Andere sollen als Lehrer ihren Dienst versehen und wieder andere sollen darauf achten, das die Mitchristen ermahnt und ermutigt werden, wo dies notwendig ist. Und jeder, der in einer Gemeinde Verantwortung übernimmt, soll es mit Hingabe tun. Und alle, die sich um Bedürftige und Notleidende beküm-mern sollen sich weder damit in Szene setzen, noch mit Trauermine helfen wollen. Wir könnten die Aufzählung der Dienste, Aufgaben und Ämter des Paulus aus seiner Zeit nun unendlich durch all das verlängern, was es heute – nach 2000 Jahren Christentum und geprägter Kirche – in unserer Zeit und Gesellschaft zu tun gibt.

Eine Gemeinde ist so vielfältig zusammengesetzt, dass es für einen jeden, für jede in ihr seine und ihre ganz persönliche Aufgabe gibt. So haben wir uns nicht einfach den Maßstäben unserer Welt anzupassen, sondern sie durch unseren Glauben zu gestalten, weil wir zu Gott, zu Jesus Christus gehören. Erst so leben wir nicht allein unseren Willen, sondern leben das, was uns an Menschlichkeit geboten ist, einer Menschlichkeit, die sich am Liebesgebot Gottes orientiert. Da es in unserem Text ja um das Handeln des Christen geht, geht es um die Ethik. „Im Gegensatz zum Tier, das sich verhält und zu den Pflanzen, die sich entwickeln, handelt der Mensch. Er ist der Autor seiner Handlungen, mithin ist er für seine Taten auch verantwortlich.“

Wir spüren gerade hier, wie sehr der Mensch die Verantwortung dafür trägt, wie sich das Leben und Zusammenleben auf dieser einen Erde gestaltet. Kein einziger von uns kann sich dieser Mitverantwortung entziehen. Und von daher ist es so bedeutsam, aus was für einem Geist heraus wir uns einsetzen, ja Probleme wahrnehmen und sie angehen. Umweltschutz ist so kein Alleinstellungsmerkmal der Grünen. Eine am „christlichen“ Glauben orientierte Politik, keine der CDU. Wo es um die Freiheit des Menschen geht, ist nicht nur die FDP gefragt und wo soziale Fragen im Raum stehen, sind diese nicht allein der SPD zu überlassen. Das heißt, dass jeder Christ auch die politische Verantwortung dafür trägt, wie das Gesicht der Welt, seiner kleineren Umwelt, aussieht, ganz und gar unabhängig davon, welche der demokratisch-legitimierten Parteien er dann wählt.

Lange meinte man, dass Christen sich um den Glauben und Politiker sich um die Welt zu bekümmern hätten, bis man merkte, wie unsinnig das war. Schließlich sind wir als Christen mitverantwortlich für die Welt und unsere Politiker sind oft genug Christen. Unsere Welt lässt sich nicht aufteilen: Hier sind wir Kirche, als Glaubende gefragt und alles andere geht uns nichts an und dort sind wir politisch Handelnde und lassen unseren Glauben vor der Rathaustür.

Der Glaube muss uns etwas kosten, das ist die große „Störung“ Gottes! Er darf nicht – zur Privatsache erklärt – einfach und billig sein und eben das wird ja in unserem Engagement für die Welt deutlich. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass wir uns von Gott in Anspruch genom-men wissen, ein jeder von uns! Erst so leben wir dann als „Christen“ in der Welt, die sich für sie mitverantwortlich fühlen. Als „Glaubende“ handeln bedeutet dann, hinsehen, hinhören und nicht weglaufen, wo wir gefordert sind: Genau das ist das „Opfer“ von dem Paulus redet, das Opfer, mit dem wir Gott und der Welt dienen. „Die Hölle, das sind immer die anderen. Und das für immer!“, ob das stimmt, für uns, für unsere Mitmenschen hier in Kenzingen, für Flüchtlinge oder unterschiedlichste Minderheiten in Deutschland, das liegt auch an uns. Und es liegt daran, ob wir unseren Glauben an den menschenfreundlichen Gott, der Mensch wurde in Jesus Christus, nun auch wirklich menschlich leben.

In diesem Geist gehören Christen zueinander. Wir erleben unseren Glauben – recht verstanden – so, wie es Paulus mit dem Bild der Glieder eines Leibes ausdrückt: Keines wirkt da für sich allein, losgelöst von allen anderen und jedes Glied hat seine bestimmte Aufgabe und Funkti-on. Lassen wir uns genauso von Gott in den Dienst nehmen, um dem Mitmenschen eben nicht zur Hölle zu werden – so fern oder nah er uns zu sein scheint – sondern ganz und gar umgekehrt, ein wenig Himmel schon heute auf unsere Erde und in unsere Gegenwart zu bringen. Amen.

Predigt am 3.1.16, 2. Sonntag nach dem Christfest, über 1.Joh 5,11-13

Predigt am 3.1.16 von Andreas Hansen über 1.Joh 5,11-13

Im Gottesdienst werden mehrere Stellen aus dem ersten Johannesbrief vorgetragen: 1,1+2 in der Begrüßung, 3,1 als Eingangsspruch, 4,7-16 als Lesung, u.s.w.

Darin besteht das Zeugnis, dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht. Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt, ewiges Leben habt.

Sie werden nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass Pfarrer zur Vorbereitung ihrer Predigt gelegentlich im Internet stöbern und schauen, was Kollegen zu diesem Text veröffentlicht haben. Manchmal finde ich eine gute Idee oder eine treffende Formulierung. Oft bringt die Suche nichts. Etwas einfach übernehmen ist unmöglich. Nicht einmal meine eigenen alten Predigten kann ich nochmal halten. Ich kann nur predigen, was für heute, hier und für uns gesagt ist, so gut ich es eben heute, hier und für uns kann.

Aber heute will ich mit etwas beginnen, was eine Kollegin geschrieben hat und was sie wohl gerade selbst predigt. Sie wird ihre Worte allerdings zusätzlich in Gebärdensprache vortragen, denn sie predigt für gehörlose Menschen:

Der erste Johannesbrief will seine Leserinnen und Leser – Menschen, die an Jesus Christus glauben – sicher machen: „Gott hat uns das ewige Leben gegeben.“ Ich frage: wie merken wir das? Was meint Johannes mit „ewigem“ Leben?

In der Gebärdensprache haben wir drei verschiedene Gebärden für das Wort Ewigkeit.

Die erste Gebärde: ich strecke den Zeigefinger der rechten Hand nach oben und zeichne damit eine gerade Linie von links nach rechts in die Luft. Wie auf der Intensivstation das EKG-Gerät: wenn das Herz nicht mehr schlägt, wenn die Zeit für diesen Menschen da im Bett zuende ist, dann schreibt das EKG eine gerade Linie, die Nulllinie. Wir Menschen begegnen der Ewigkeit am Ende unserer Lebenszeit, mit dem Ende des Herzschlages. Aber was ist dann mit uns? Wo sind wir dann? Gibt es uns dann noch? Und wenn, wie? Unsere Fragen bleiben offen.

Die zweite Gebärde geht anders. Sie kennen das berühmte „Däumchen drehen“. Die Gebärde ist so ähnlich: wir nehmen die Hände auseinander und drehen nicht die Daumen, sondern die Zeigefinger umeinander. Die Gebärde zeigt „immer dasselbe“! Einer redet lang und unverständlich – für die Zuschauer und Zuhörer fühlt sich die Zeit dann wie eine Ewigkeit an – es klingt wie bla bla bla! Viele Menschen, nicht nur in Indien, glauben: das Leben wiederholt sich immer und immer wieder. Sie glauben, nach dem Tod wird die Seele in einem neuen Körper wiedergeboren und muss wieder sterben und so weiter und so weiter. Sie sehnen sich nach Erlösung aus diesem Kreislauf. So schaut diese zweite Gebärde für „Ewigkeit“ auf das Leben in dieser Welt, gestern, heute und morgen. Aber „ewiges Leben“ muss doch noch anders sein, irgendwie grenzenlos?! So bleiben unsere Fragen wieder offen: Wie sollen wir uns „ewiges Leben“ vorstellen?

Deshalb haben wir noch eine dritte Gebärde: die linke Hand waagerecht vor dem Bauch zeigt den Boden, die rechte Hand fährt darunter und dann nach vorn hinauf bis über den Kopf – so beschreiben wir den Weg, den Jesus gegangen ist: er ist geboren von Maria, ein Mensch, wie wir, gestorben am Kreuz, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel zu Gott. Ewiges Leben heißt: mit Jesus gehen, an seiner Hand. Und er geht mit uns.

Bis hier habe ich fast wörtlich wiedergegeben, was Pastorin Neukirch heute in Hannover für gehörlose Menschen predigt. Johannes beginnt seinen Brief, als wollte er ebenfalls für gehörlose Menschen schreiben: Das Wort des Lebens ist erschienen: hier, auf der Erde, wirklich und wahrhaftig. Wir haben es gesehen, berührt. Das Wort von Gott? Jesus. Ein Mensch. Wir konnten ihn sehen, hören, anfassen. Er hat Menschen berührt und an die Hand genommen. Er hat blinde Augen und taube Ohren berührt. Er hat Menschen aufgerichtet, ihnen Freiheit und Würde geschenkt.

Die dritte Gebärde für ewiges Leben zeichnet seinen Lebensweg nach, sein menschliches Leben und Sterben. Er ist das Leben für uns. Er teilt unser Leben und nimmt uns an die Hand. Himmel und Erde berühren sich, denn der Mensch Jesus kommt von Gott und sitzt zur Rechten Gottes.

Johannes ist Zeuge, einer, der sagt, was er gesehen und gehört hat. Er bezeugt Jesus. „Darin besteht das Zeugnis, dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“ In der Gemeinde des Johannes macht sich eine falsche Meinung über Jesus breit. Sie sagen: „Der Mensch Jesus ist nicht Gottes Sohn. Gott hat doch nichts mit dieser sündigen Welt gemeinsam. Gott ist doch weit erhaben über alles, was stirbt und vergeht.“ Das ist ein direkter Widerspruch zu unserem Glaubensbekenntnis! Da Gott bleibt fern, in einer anderen Welt, unberührbar. Der ferne Gott kann auch nicht lieben, denn Liebe ohne Schmerz und Leidenschaft gibt es nicht. Und schließlich ist es dem fernen Gott gleichgültig, ob wir auf der Erde Gutes tun oder einander die Köpfe einschlagen.

Liebe Gemeinde, das ist nicht nur eine seltsame alte Irrlehre, sondern auch heute weit verbreitet. In der Vorstellung vieler Menschen ist Gott weit weg und hat mit uns eigentlich nichts zu tun.

Aber Gott ist Liebe. Gott ist leidenschaftlich gern bei uns. Er will uns nicht loslassen, obwohl wir ihm so tief widersprechen. Gott ist Liebe und bereit, für unser Leben durch Leid und Tod zu gehen. Gott ist Liebe und will, dass wir liebevoll mit unseren Mitmenschen und mit all seinen Geschöpfen umgehen. Wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht. Wer nicht glaubt, dass Gott hier bei uns ist, verfehlt das Leben. „den Sohn haben, an den Sohn Gottes glauben“ – das wirkt in unser Leben hinein. Vorhin hörten wir: „Niemand hat Gott je geschaut. Wenn wir aber einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist unter uns zur Vollendung gekommen.“ Das ist das Ziel, dass wir selbst liebevoll leben, dass wir antworten auf Gott, der die Liebe ist.

In Jesus, dem Sohn Gottes, ist das Leben, wahres, erfülltes, ewiges Leben. So zeigt es die Geste in der Gebärdensprache: Er teilt unser Leben und sogar unseren Tod und er führt uns zum Vater, zu Gott. Wer sich an den Sohn hält, hat Anteil am Leben. Pastorin Neukirch erinnert an das Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“ und sagt: „Ewiges Leben heißt: jetzt mit Jesus gehen – an seiner lieben Hand.“ Er wird uns nicht loslassen, denn er ist ja Gottes Sohn. Auch in diesem Jahr 2016 wird Jesus auf allen Wegen mit uns ein und ausgehen und uns zur Seite sein. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Predigt zum 31.12.15, Römer 8,31-39

Predigt am 31.12.15 von Andreas Hansen über Römer 8,31b-39

Hilf mir, Herr, die Verworrenheit der Dinge durch die Klarheit des Glaubens zu lichten, und was schwer auf mir lastet durch die Kraft des Vertrauens zu verwandeln. Dass ich von dir geliebt bin, ist Antwort auf jede Frage. Gib, dass mich diese Antwort sicher macht, wenn das Weitergehen schwerfällt. (Romano Guardini)

Das letzte Blatt am Kalender, die letzten Stunden des alten Jahres. Wir sehen zurück und denken an die schönen Erlebnisse: eine Reise, ein Fest, gelungene Schritte, erfüllte Zeit, Menschen, die wir lieben, Freunde, kleine und große Anlässe zu danken. Wir sind in diesem Jahr auch an Grenzen gestoßen, waren herausgefordert, mussten Streit, Schmerz und Leid ertragen. Manches davon bleibt: ungelöste Fragen, belastende Trauer, Konflikte, die wir lang schon mit uns schleppen. Kann ich zufrieden sein mit meinem Jahr? Bin ich meinen Mitmenschen gerecht geworden? Habe ich getan, was recht ist? Wir stehen an der Schwelle zum neuen Jahr und wissen nicht, was auf uns zukommt. Werden wir gesund sein? Werden wir Arbeit und Auskommen haben? Werden wir in Frieden leben? Es war ein stürmisches, schweres Jahr für viele Menschen in der Welt. Krisen und Konflikte, Terrorakte, Kriege, Katastrophen – wir haben die Nachrichten oft sehr gespannt gehört und durch die Flüchtlinge ein wenig von den Auswirkungen erlebt. Vieles ist ungewiss und die Probleme werden noch viel Kraft brauchen.

Heute hören wir einen Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Christen in Rom. In der riesigen Stadt, dem Zentrum der Macht, sind sie eine winzige Gruppe am Rand, verspottet, bedroht, verfolgt. Paulus schreibt von dem, was uns bedrängt, aber auch von den Abgründen in uns Menschen, dass wir nur uns selbst sehen, dass wir Böses tun, dass wir Gott widersprechen. Aber Gott überlässt uns nicht uns selbst. Gott antwortet auf das Leid, das Böse, die Schuld der Welt. Er setzt sich für uns ein in Jesus Christus. Paulus schreibt von dem, was uns gewiss macht:

Römer 8,31b-39 Wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein? Er, der seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will gegen die Erwählten Gottes Anklage erheben? Gott ist es, der Recht spricht. Wer will da verurteilen? Christus Jesus ist es, der gestorben, ja mehr noch, der auferweckt worden ist; er sitzt zur Rechten Gottes, er tritt für uns ein. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis, Not oder Verfolgung? Hunger oder Blöße? Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um deinetwillen sind wir dem Tod ausgesetzt den ganzen Tag, zu den Schafen gerechnet, die man zur Schlachtbank führt. (Ps 44,23) Doch in all dem feiern wir den Sieg dank dem, der uns seine Liebe erwiesen hat. Denn ich bin mir gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendein anderes Geschöpf vermag uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn.

Gott ist für uns. Christus tritt für uns ein. Gott hat uns seine Liebe erwiesen. Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen. „Dass ich von dir geliebt bin, ist Antwort auf jede Frage.“ In zwei Richtungen schaut und fragt Paulus. Er blickt zurück: Wie stehen wir da? Er schaut nach vorn: Was wird aus uns?

Zuerst sieht Paulus Gegner, die uns anklagen und verurteilen, wie eine Gerichtsszene. Ich kann schlecht damit umgehen, wenn jemand gegen mich ist und mir Vorwürfe macht. Das kann mir den Schlaf rauben. Der Drang uns zu rechtfertigen steckt tief in uns. Wir habe das Bedürfnis den anderen zu zeigen: „Ich bin gut. Ich verdiene Achtung.“ Wir verwenden viel Energie darauf, dass uns keiner angreift, dass wir gut dastehen, beliebt, anerkannt, mit einer weißen Weste. Aber das schafft ja keiner. Jeder macht Fehler. Jeder hat dunkle Seiten, die er lieber keinem zeigt. Jeder kann wohl gemein sein, verletzend, boshaft. Wir werden unfrei und unehrlich, wenn wir uns dauernd rechtfertigen und gut dastehen wollen. Meist zeigen wir zugleich unbarmherzig auf die Schwächen und Fehler der anderen. Noch schlechter werde ich fertig mit den Vorwürfen, die ich mir selbst mache. Ich finde das gut beschrieben in einem Abendlied aus Norwegen:

„Spät am Abend, da es still wird,/ spür ich Unrast in mir wachsen,/ und ich kann sie nicht vertreiben./ Unterm Glück, das ich noch fühle,/ weil der Tag so viel gebracht hat,/ strömt´s wie Schmerz und gibt nicht Ruhe.

Meine Niederlagen kommen./ Ganz hab ich den Tag empfangen / und er fiel mir aus den Händen./ Wem soll ich in letzter Stunde / lauter Scherben übergeben / und ein Herz, das nur noch anklagt?“

Was ist, wenn ein Tag, ein Jahr, ein Leben wie ein Scherbenhaufen ist, wenn wir vor den anderen oder vor uns selbst nicht bestehen? Die dritte und vierte Strophe heißen:

„Einer sieht mich, und er wartet./ Gott, der größer als mein Herz ist,/ bleibt trotz allem mir zur Seite./ Er nimmt Zwiespalt an und Schwäche, / wie ich bin, so darf ich kommen./ Die Gedanken werden stille,

sammeln sich um Christi Worte,/ die ich als Geschenk ergreife:/ Deine Sünden sind vergeben./ Das Vertane, das Zerbrochne / dieses Tags wird aufgehoben./ Ganze Liebe lässt es gut sein“

(Text Svein Ellingsen, übersetzt von Jürgen Henkys, in: Ders., Frühlicht erzählt von dir., München, 1990)

Wir können zurückschauen ohne uns zu rechtfertigen. Was zerbrochen ist, muss nicht verschwiegen werden. Es ist aufgehoben bei Jesus. Ganze Liebe lässt es gut sein.

Dann sieht Paulus in die Zukunft. Er zählt Gefahren auf. Vieles davon hat er selbst erlebt. Wie Schafe, die man zur Schlachtbank führt, so fühlen sich die Christen im Irak und in Syrien. Sie gehören zu den ältesten Christen. Nun werden ihre Kirchen zerstört. Viele Gemeinden gibt es nicht mehr. Unvorstellbar ist für uns ihre Bedrängnis und Not. Wie werden sie heute Paulus lesen: „in all dem feiern wir den Sieg dank dem, der uns seine Liebe erwiesen hat.“?

Paulus jubelt über den Sieg – ist das nicht zu voreilig? Wir wissen nicht, ob wir mit dem fertig werden, was auf uns zukommt. Auf vieles haben wir keinen Einfluss, nicht einmal wenn wir alles Wissen und alles Geld der Welt hätten. Wir können Leben verändern, aber nicht schaffen. Wir können den Tod manchmal herauszögern, aber nicht überwinden. Wir haben die Zukunft nicht in der Hand.

An der Schwelle zum neuen Jahr wird uns besonders bewusst, wie stark die Mächte sein können, wie vorläufig unsere Pläne sind. Sollen wir darum die Hände in den Schoß legen und alles Planen aufgeben? Keineswegs! Wir sollen gestalten, vertrauen, hoffen, trotz aller Mächte, obwohl wir so begrenzt sind. Gottes Liebe ist stärker als alle Macht.

Paulus jubelt über den Sieg. Er sieht ihn schon in Jesus Christus. Keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod kann uns scheiden von Gottes Liebe. In unserem Glück und in unserem Leid, in Erfolg, in Schuld und Scheitern, an unserem Ende und im Tod: Gott hört nie auf uns zu lieben.

Hilf mir, Herr, die Verworrenheit der Dinge durch die Klarheit des Glaubens zu lichten, und was schwer auf mir lastet durch die Kraft des Vertrauens zu verwandeln. Dass ich von dir geliebt bin, ist Antwort auf jede Frage. Gib, dass mich diese Antwort sicher macht, wenn das Weitergehen schwerfällt.

Amen

Christfest 2015, Predigt über Jesaja 11,1-9

Predigt am 25.12. in der KIrche und 26.12. im Kreisseniorenzentrum von Andreas Hansen über Jesaja 11,1-9

Vor der Predigt singen wir EG30: Es ist ein Ros entsprungen

Jesaja 11,1-9 (Zürcher Übersetzung)

Und aus dem Baumstumpf Isais wird ein Schössling hervorgehen, und ein Spross aus seinen Wurzeln wird Frucht tragen.
Und auf ihm wird der Geist des HERRN ruhen, der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Kraft,
der Geist des Wissens und der Furcht des HERRN.
Und er wird die Furcht des HERRN atmen, und er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, und nicht entscheiden nach dem, was seine Ohren hören: Den Machtlosen wird er Recht verschaffen in Gerechtigkeit, und für die Elenden im Land wird er einstehen in Geradheit.
Und mit dem Knüppel seines Mundes wird er das Land schlagen und mit dem Hauch seiner Lippen den Frevler töten.
Und Gerechtigkeit wird der Schurz an seinen Hüften sein und Treue der Gurt um seine Lenden.
Und der Wolf wird beim Lamm weilen, und die Raubkatze wird beim Zicklein liegen. Und Kalb, junger Löwe und Mastvieh sind beieinander, und ein junger Knabe leitet sie.
Und Kuh und Bärin werden weiden, und ihre Jungen werden beieinander liegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.
Und der Säugling wird sich vergnügen an der Höhle der Viper, und zur Höhle der Otter streckt ein Kleinkind die Hand aus.
Nirgendwo wird man Böses oder Zerstörerisches tun auf meinem heiligen Berg, denn das Land ist voll von Erkenntnis des HERRN, wie von Wasser, das das Becken des Meeres füllt.

Hier geht´s nicht weiter. Am Nachmittag des 14. Mai, Christi Himmelfahrt, will ich oberhalb von Hecklingen durch den Wald nach Bombach fahren. Aber der Weg ist gesperrt. Ein Sturm hat am Abend zuvor gewütet, kurz, aber heftig. Und hier oben hat er eine Schneise in den Wald geschlagen.
Das Bild der Verwüstung sehe ich am Tag darauf in der Zeitung. Riesige Buchen, die sogar den Lothar gut überstanden haben, liegen kreuz und quer. Der Wind hat die alten, starken Bäume von einer ungewöhnlichen Seite erwischt und umgeworfen. Chaos und Zerstörung. Der Weg bleibt monatelang gesperrt.

Das Bild ist zu sehen unter: http://www.badische-zeitung.de/kenzingen/rotierende-zelle-ringt-alte-buchen-nieder–104822509.html

Mächtig drängen die Assyrer damals von Norden heran. Ganze Völker haben sie ausgelöscht, geschluckt, einfach von der Landkarte ausradiert. Das kleine Israel ist seinem großen Nachbarn ausgeliefert. Der Nordteil ist schon erobert. Der Süden, Jerusalem und Juda, muss hohe Tribute zahlen. Jesaja beschreibt, wie die Assyrer Ort für Ort einnehmen und immer näher kommen. Eine ausweglose Situation.
Wie kann es weitergehen?

Christfest 2015, Predigt über Jesaja 11,1-9 weiterlesen

Christvesper 2015, Predigt über Titus 2,11+12a

Predigt am 24.12. von Andreas Hansen über Titus 2,11+12a

Vor der Predigt hören wir das Weihnachtsevangelium und die Kantorei singt: wie soll ich dich empfangen? J.S.Bach, Weihnachtsoratorium

„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.“ „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“
„Und sie kamen und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.“
Gleich dreimal erwähnt Lukas die Krippe.
In einer Notunterkunft, einem Stall kommt Jesus zur Welt. Sein erstes Bett ist eine Futterkrippe. Armselig und niedrig. Maria und Josef müssen dem Befehl des Kaisers folgen. Die Besatzungsmacht zwingt sie, nach Bethlehem zu gehen.
Was für eine Schinderei und Demütigung!
Schon als Kind ist Jesus der Macht ausgeliefert.

Die Krippe ist sein Zeichen wie später das Kreuz.
Kreuz und Krippe sind aus dem gleichen Holz.
Darum lässt Bach „Wie soll ich dich empfangen?“ nach der Melodie der Passion „O Haupt voll Blut und Wunden“ singen.
Jeder kennt damals die Geburtsgeschichte des Kaisers in Rom, die ihn als Kind der Götter feiert.
Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Das Kind in der Krippe ist Gottes Sohn und doch so niedrig.
Die Hirten finden den Ort und erzählen, was über dieses Kind gesagt wurde. Aber dort im Stall ist kein himmlischer Glanz und kein Engelsgesang, nur ein Kind armer Leute in einer Futterkrippe.
So kommt Gott zu uns.

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3.Advent, Predigt über 1.Kor 4,1-5

Predigt am 13.12.15 von Andreas Hansen über 1.Kor 4,1-5

Der Predigttext wird erst im Lauf der Predigt vorgelesen

Rita arbeitet noch nicht lange im Betrieb.
Von Anfang an spürt sie, dass ihr Sara, eine langjährige Mitarbeiterin eher ablehnend begegnet. Rita sagt sich: „Ich bleibe einfach freundlich und mache meine Arbeit. Dann wird es schon gehen.“
Sie versucht es. Bald ist sie bei vielen im Betrieb als zuverlässige und gute Mitarbeiterin angesehen. Sie hat Erfolg. Sie wird gelobt und sogar befördert.
Aber dann ziehen einige sich von ihr zurück.
„Bilde ich mir das ein oder grüßen die mich auf einmal nicht mehr? Irgendetwas stimmt nicht.“
Ihr unterläuft ein Fehler. Sara beschimpft sie,
völlig übertrieben, aber niemand widerspricht.
Sie wird unsicher. „Hat die Kollegin mir absichtlich nötige Infos vorenthalten?“
Sie versucht mit dem Chef zu reden.
Der speist sie mit ein paar Worten ab.
Rita geht nur noch mit Bauchweh zur Arbeit.
Das Klima im Betrieb wird immer unerträglicher.
Immer wieder bemerkt sie: „Sie reden über mich.“ Manche begegnen ihr unfreundlich, ja feindselig.
Manche antworten ihr einfach nicht.
Sie arbeitet unkonzentriert und macht Fehler.
Sie wird depressiv und krank.
Vielleicht hätte Rita gekündigt. Vielleicht wäre sie tabletten- oder alkoholsüchtig geworden.
Gott sei Dank bemerkt eine ältere Mitarbeiterin, dass Rita kurz vor dem Zusammenklappen ist und setzt sich für sie ein.
Sie erinnert sie an das, was sie kann, und hilft ihr, dass sie sich selbst wieder etwas zutraut. Sie setzt im Betrieb durch, dass man über Mobbing spricht, über das, was mit Rita geschehen ist. Es wird wieder besser. Wie ein Engel kommt sie Rita vor.

Wie schnell fällen wir manchmal ein Urteil
über einen Menschen! Wie leicht ist das Ansehen eines Kollegen, einer Mitschülerin oder eines Nachbarn beschädigt oder zerstört! Und wie schnell wird heute ein vernichtendes Urteil per whatsapp oder facebook überall herumgereicht!
Dieses verdammte Schlechtmachen,
das Gerede über andere, die Überheblichkeit, andere zu verurteilen, und die Feigheit,
dass wir nicht widersprechen, wenn gegen
andere Stimmung gemacht wird!
Jugendliche und Eltern von Jugendlichen erzählen, dass Mobbing in vielen Klassen ein Problem ist. Jeder hat Angst, er könnte selbst zum Opfer werden.
Es ist schwer zu ertragen, wenn die anderen gegen mich sind, wenn ich mich gegen ihr Urteil nicht wehren, nicht rechtfertigen kann.
Rettende Engel sind selten.

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1.Advent – der Lobgesang des Zacharias Lk 1,68-79

Predigt am 29.11.15 von Andreas Hansen über Lk 1,68-79

Kantatengottesdienst- LK 1,68-79 wurde mit dem Gesangbuch, EG 778 gemeinsam gelesen, dann folgte die Uraufführung eines Stücks von Otfried Büsing, Die Weissagung des Zacharias, anschließend die Predigt - LIed nach der Predigt EG 16, die Nacht ist vorgedrungen

Was ist los mit Zacharias?
Der Priester kommt aus dem Heiligtum.
Er hebt die Arme zum Segen,
öffnet den Mund – aber er sagt kein Wort.
Er kann nicht sprechen.
Er lässt die Arme wieder sinken,
verwirrt, beschämt, erschüttert.
Zacharias ist stumm.
Was mit ihm los ist? – Er kann nicht glauben.
Er kann nicht glauben, was er im Tempel gehört hat, was der Bote Gottes zu ihm sagte.
Seine Frau und er sind doch zu alt für ein Kind.
Lang haben sie vergeblich gewartet und gehofft.
Jetzt ist es zu spät.
Er ist zu alt für ein neues Leben.
Er glaubt dem Boten nicht. Darum ist er nun stumm. Er glaubt Gott nicht.
Ihm hat sein Unglaube die Sprache verschlagen.

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Mt 25,1-13 Ewigkeitssonntag, Gedenken an die Verstorbenen

Predigt am 22.11. von Andreas Hansen über Mt25,1-13

Lied vor der Predigt, EG 147: Wachet auf, ruft uns die Stimme

„Wacht auf!“ ruft die Stimme. „Das Fest beginnt! Kommt mit in den Freudensaal!“ Frohe Erwartung haben wir besungen. Bei uns steht das Lied am Ende des Kirchenjahres. Im katholischen Gesang-buch ist das ein Adventslied. Jesus kommt zu uns – Hoffnung für die Welt. Draußen ist es jetzt nach vielen Sonnentagen doch novembergrau und nass. Stürmischer Wind reißt die letzten Blätter von den Bäumen. Im trüben Licht kreisen unsere Gedanken um Sterben und Tod. Totensonntag: Wir denken an unsere Toten, an die, die uns persönlich nahe und lieb waren, auch an die Toten und die Trauernden in Paris. Ewigkeitssonntag: Wir fragen über den Tod hinaus. Was trägt uns wirklich? „Wacht auf!“ Jesus erzählt von einer Hochzeit. Ein großes Fest ist die Gemeinschaft mit ihm, der Himmel ein Festsaal. Mit allen will Jesus feiern. Keiner soll fehlen. Jesus erzählt von der schrecklichen Möglichkeit, dass wir sein Fest verpassen könnten und vor verschlossener Türe stehen. Eindringlich warnt er uns, wachsam zu sein, bereit für sein Fest.

Mt 25,1-13 »Wenn der Menschensohn kommt, wird es mit dem Himmelreich wie mit zehn Brautjungfern sein, die ihre Fackeln nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die Törichten nahmen zwar ihre Fackeln mit, aber keinen Ölvorrat. Die Klugen dagegen hatten außer ihren Fackeln auch Gefäße mit Öl dabei. Als sich nun die Ankunft des Bräutigams verzögerte, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht ertönte plötzlich der Ruf: ›Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!‹ Die Brautjungfern wachten alle auf und machten sich daran, ihre Fackeln in Ordnung zu bringen. Die Törichten sagten zu den Klugen: ›Gebt uns etwas von eurem Öl; unsere Fackeln gehen aus.‹ Aber die Klugen erwiderten: ›Das können wir nicht, es reicht sonst weder für uns noch für euch. Geht doch zu einem Kaufmann und holt euch selbst, was ihr braucht!‹ Während die Törichten weg waren, um Öl zu kaufen, kam der Bräutigam. Die fünf, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal. Dann wurde die Tür geschlossen. Später kamen auch die anderen Brautjungfern und riefen: ›Herr, Herr, mach uns auf!‹ Doch der Bräutigam antwortete: ›Ich kann euch nur das eine sagen: Ich kenne euch nicht!‹« »Seid also wachsam!«, schloss Jesus. »Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde im Voraus.«

„Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.“ Der Satz von Franz Kafka steht manchmal über Todesanzeigen. Oft ist es so: Wir wissen um den nahen Tod, und doch überrascht er uns. Undenkbar ist der Verlust des geliebten Menschen, erschreckend die Leere, groß der Schmerz. In unseren Herzen sind unsere Toten noch bei uns. Und doch sind sie uns genommen. Umso schrecklicher, wenn der Tod aus heiterem Himmel kommt: eine unerkannte Krankheit, ein Unglück, Unfall, gar Verbrechen. Wir trauern heute auch mit den Angehörigen der Opfer in Paris und der Opfer in Syrien, im Irak, an vielen Orten der Erde.

„Seid wachsam!“ ruft Jesus. Eindringlich, erschreckend. Wir sollen nicht so tun, als wären wir unverletzbar. Gewalt und Unrecht gehen uns an. Unglück kann auch uns treffen. Keiner entgeht dem Tod.

Natürlich stehen wir gern auf der Seite der klugen Jungfrauen. Wir sehen unser Leben gerne im Licht. Wir betonen unsere guten Absichten. Ach ja. Aber Jesus erzählt aus der Sicht der anderen. Sie haben nicht genug vorzuweisen. Sie kommen zu spät und stehen vor verschlossener Tür. Sie sind draußen. Oft genügen wir nicht. Wir sollen leuchten, aber es will nicht gelingen. Wir wollen auf einen anderen zugehen, aber uns fehlt der Mut. Wir wissen das Gute, und tun es doch nicht – selbstsüchtig oder gleichgültig, rechthaberisch, habgierig. Wer von uns mag sagen: „Ich habe genug Licht“? Alle sind sie eingeschlafen. Keine bleibt wach. Alle überrascht mitten in der Nacht der Ruf. Es geht uns, wie Meister Eckhart schreibt: „Gott ist allezeit bereit, wir aber sind sehr unbereit; Gott ist uns nahe, wie aber sind ihm fern; Gott ist drinnen, wir aber sind draußen.“

„Seid wachsam!“ Jesus will uns aufrütteln. „Macht euch nichts vor über euch selbst! Kehrt um!“ Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Was ist unser Halt im Leben und im Sterben? Was hilft uns, diese Zerbrechlichkeit zu ertragen? Jesus ruft uns, aber er kennt ja unser Dunkel, unser Versagen. Er erleidet es selbst am Kreuz und er geht uns voraus ins Leben. „Hilf uns, wachsam zu sein, Jesus! Gib uns von deinem Licht!“

Ich las den Bericht einer jungen Frau, die das Attentat beim Konzert in Paris überlebt hat. Sie blieb eine Stunde am Boden liegen und stellte sich tot. Sie schreibt: „Als ich da im Blut fremder Leute lag und auf die Kugel wartete, die meinen 22 Jahren ein Ende setzen sollte, sah ich vor meinen Augen jedes Gesicht, das ich je geliebt habe und dem ich zugeflüstert habe: Ich liebe dich. Ich dachte über die Höhepunkte meines bisherigen Lebens nach. Ich wünschte mir, dass die, die ich liebe, das auch wissen, wünschte mir, dass sie, unabhängig davon, was mit mir geschehen würde, weiter an das Gute in den Menschen glauben, dass sie diese Leute nicht gewinnen lassen.“

Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Aber mitten im Tod wissen wir uns vom Leben umfangen. Gott hat uns das Leben geschenkt. Jesus hat ja zu uns gesagt. Keine Macht der Welt wird uns von ihm trennen. Er lässt den Hass und die Gewalt nicht gewinnen. Er erleidet sie selbst und stirbt am Kreuz, und lebt. Die Liebe bleibt. Seine Liebe umfängt unsere Verstorbenen und uns.

Mag kommen, was will: Gott wird bei uns sein. Sein Ja gilt. Seine Liebe bleibt. Aber dennoch: „Seid wachsam! Ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Der Friede Gottes, höher als all unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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