Predigt am 25.3.16 von Andreas Hansen über 2.Kor 5,14-20
Karfreitag
Wir erschrecken über das Böse und das Leid. Wie kann es sein, dass Terroristen Menschen in den Tod reißen? Unfassbar sind die vielen Opfer in Kriegen, auf der Flucht, in Katastrophen. Die Welt ist zerrissen und geplagt. Auch jenseits dessen, was wir in den Nachrichten hören, erleben wir Leid, das uns tief erschreckt: in der Nachbarschaft oder der eigenen Familie, Unfall, Krankheit, Konflikte und Unglück. Manche müssen so unvorstellbar viel ertragen. Das Leben ist so zerbrechlich. So viel Böses, Leidvolles trifft Menschen. Wir fragen: Warum? Wir sind bestürzt und traurig. Und wir sind auch wütend, auf das Unrecht, auf die, die andere ins Leid stürzen, wütend auch auf Gott.
Eine Krankenhauspfarrerin erzählt: Als Markus drei Jahre alt ist, liegt er mit Leukämie in der Klinik. Die Eltern kommen täglich. Aber er ist auch oft allein, und ich spiele mit ihm. Ich zeige ihm ein Bilderbuch „Jesus ist geboren“. Später hat Markus einen schweren Rückfall und kommt wieder in die Klinik. Einmal fragt er: „Hast du auch ein Buch, wie Jesus am Kreuz ist?“ Er lässt nicht locker und will so ein Buch sehen. Als ich wieder zu ihm komme, hat er ein Bild von Jesus gemalt, mit Wundmalen an Händen und Füßen. „Jesus hat Aua. Markus hat auch Aua.“ Als er stirbt, ist er vier Jahre alt.
Hören wir, was Paulus im Brief an die Korinther schreibt: 2.Kor 5,14-20
Die Liebe Christi treibt uns an. Wir sind überzeugt: Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind alle gestorben. Und für alle ist er gestorben, damit die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist. Darum beurteilen wir von jetzt an niemanden mehr nach rein menschlichen Maßstäben. Selbst Christus – sollten wir ihn auf diese Weise gekannt haben – kennen wir jetzt nicht mehr so. Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Alles aber kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt hat und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Denn ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. So sind wir nun Botschafter Christi, denn durch uns lässt Gott seine Einladung ergehen. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
Gott stellt sich an die Seite der Opfer. Er nimmt für sie Partei. In Jesus wird er selbst ein Opfer von Unrecht, Ablehnung und Gewalt. Mit den Worten des kleinen Markus: Jesus hat Aua. Jesus leidet und stirbt am Kreuz. Aber Gott erweckt ihn zum Leben. Er widerspricht dem Unrecht, das Jesus geschieht, dem Leid der Unschuldigen. Er setzt den Gekreuzigten ins Recht. Er besiegt den Tod. Ein größerer Gegensatz, eine tiefere Veränderung ist nicht vorstellbar. Die Welt ist nicht mehr, wie sie war. Das Alte ist vergangen. Neues ist geworden. Paulus spricht von Versöhnung.
Gott versöhnt die Welt mit sich. Wir klagen Gott das Leid der Unschuldigen. Wir möchten schreien, dass das Böse solche Macht hat. Die Not ist zum Verzweifeln. „Wo bist du, Gott? Wie lange soll das Unrecht herrschen? Warum lässt du das zu?“ Gott antwortet: „Da, am Kreuz, das bin ich. Ich ertrage das Unrecht und erleide das Böse. Ich überwinde die tiefste Verzweiflung und den Tod. Lasst euch versöhnen!“
Hören wir richtig? Christus bittet uns: „Lasst euch versöhnen mit Gott! Nehmt Gottes Versöhnung an! Ihr müsst nichts tun. Nehmt nur an, was Gott für euch getan hat!“
Das Neue, die große Veränderung, beginnt „in“ Christus. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur.“ Dieses In-Christus-Sein ist geheimnisvoll und wunderbar. Als wäre Christus ein Raum, den wir betreten, eine Wirklichkeit, die uns umgibt, ein Gewand, das wir anziehen. Unser Leben ist verbunden mit dem Gekreuzigten. Unser Leben ist entschieden an Ostern.
Paulus kann auch umgekehrt sagen: Christus ist in uns. Oder: „Christus ist mein Leben.“ Wir leben nicht mehr uns selbst, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist.Paulus sagt auch: „Gott war in Christus“. Gott verknüpft sich in Christus mit uns. Tief in uns, in unserem Kern, in unserer Seele, wirkt Gott zum Leben hin.
Zugleich wirkt nach außen, dass wir in Christus sind. Wir sind Botschafter an Christi Statt. Paulus spricht von sich, aber auch von uns. Wir sind Botschafterinnen und Botschafter. Wir sind das Diplomatische Corps Christi. Wir haben einen Auftrag: den Dienst der Versöhnung. Wir haben eine Botschaft auszurichten: Das Wort von der Versöhnung. Botschafter, Gesandte, das sind diese würdigen, Leute, die vornehm, klug und selbstbewusst ihr Land in der Fremde vertreten. Bereits die Art und Weise, wie sie auftreten, hinterlässt Eindruck.
Liebe Gemeinde, wir dürfen stolz sein. Wir vertreten Christus. Wir sind seine Botschafterinnen und Botschafter. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu ist alles neu geworden. Versöhnung für die unversöhnte Welt. Das feiern wir in unseren Gottesdiensten. Das ist das Wort von der Versöhnung, das Gott aufgerichtet hat. „Mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, feiern wir, was uns verheißen ist durch den lebendigen Christus.“
Versöhnung – die Grundbedeutung des Wortes ist anders machen, verändern. So viele Konflikte sind festgefahren – nichts geht voran zwischen Israelis und Palästinensern. Verbohrt und unbeweglich sind Russen und Ukrainer. Keinen Schritt kommen wir weiter in vielen Konflikten im Großen wie im Kleinen, in Familien, unter Eheleuten, unter Kollegen. Verletzungen, Schuld, Rechthaberei lähmen uns. Ist da überhaupt Versöhnung denkbar? Wir haben in manchen Konflikten schon längst resigniert. Wir finden uns achselzuckend mit Unrecht ab: „Da kann man nichts machen“. Wir haben Menschen abgeschrieben, mit denen wir nicht auskommen. Jeder hat eine große Schublade für die, mit denen er fertig ist.
Aber Gott ist nicht fertig mit uns. Gott findet sich nicht ab mit den festgefahrenen Konflikten. Gott wendet sich nicht gleichgültig ab, wenn so vielen Menschen Unrecht geschieht, wenn so viele leiden. Er findet sich nicht ab mit unserer Unversöhnlichkeit und Härte. Gott ist auf der Seite der Opfer. Gott ist in Christus, der hilflos am Kreuz stirbt.Aber Gott lässt das Leid und das Böse nicht ohne Antwort.Gott ist auch im auferstandenen Christus, der sagt: Ich mache alles neu.
„Ich bin gewiss: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat. So sind wir nun Botschafter Christi, denn durch uns lässt Gott seine Einladung ergehen. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“
Amen