Abstieg – Predigt zu Phil 2,5-11

Predigt am 20.3.16 von Andreas Hansen über Philipper 2,5-11

Palmsonntag

Der SC Freiburg spielt in der zweiten Liga und und steht auf dem zweiten Platz. Zeitweise waren sie sogar die Besten. Freiburg will in die erste Bundesliga, und die ersten zwei Plätze sind die Aufstiegsplätze. Ich bin gewiss kein Fussballversteher und schaue doch, wie “unser SC” gespielt hat. Es ist ja nur ein Spiel. Aber es weckt Gefühle, und sogar ich werde davon angesteckt. Wir spielen gern. Und wir sind gern bei den Gewinnern, bei den Aufsteigern.

Aber Aufstieg und Abstieg sind oft bitterer Ernst. Mein Großvater war Bürgermeister eines kleinen Dorfes in Ostpreußen. Er hatte einen Hof. Er war er in seinem Kreis angesehen. Später war er ein Flüchtling, einer, der für seine Familie um einen Platz betteln musste. Was für ein Abstieg! Viele der Flüchtlinge, die damals im Westen ankamen, erlebten Ablehnung und Hass. “Was will dies Gesindel hier?” So äußert sich die Angst um den eigenen Platz, die Angst etwas abgeben zu müssen. Man will auf keinen Fall so sein wie die Anderen, die Fremden, die Verlierer. Uns aber wird gesagt: “Liebe deinen Nächsten – er ist wie du.” Nächstenliebe identifiziert sich mit dem anderen und seiner Bedürftigkeit.

In den neunziger Jahren kamen hunderttausen-de Spätausssiedler in unser Land – mühsam ringen sie um einen Platz in unserer Gesellschaft und um Respekt.

So ist es heute wieder. Viele von den elenden Menschen in den Flüchtlingslagern waren einmal Arzt, Ingenieurin, Lehrer; sie hatten Häuser und Geschäfte. “Viehzeug” und “Dreckspack” soll der Pegida-Chef Lutz Bachmann die Flüchtlinge genannt haben. Es ist furchtbar, dass fremden-feindliche Parteien bei der Wahl solchen Erfolg hatten. Sie spielen mit der Angst: Angst vor dem Abstieg, Angst, dass wir unsere Identität verlieren könnten.

Um keinen Preis wollen wir Verlierer sein. Im Gegenteil: wir träumen von einem Platz ganz oben auf dem Treppchen.

Hören wir nun unseren Predigttext. Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi, die erste, die er auf europäischem Boden gegründet hat. Paulus schreibt aus dem Gefängnis. Er rechnet sogar damit, zum Tod verurteilt zu werden. Dennoch ist in seinem Brief oft von Freude die Rede. Unser Abschnitt ist ein Lobgesang über Jesus:

Phil 2,5-11: Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Jesus ist ganz unten. Er ist bei denen, die verurteilt und verachtet werden, bei den Abgeschobenen, beim „Dreckspack“ – tiefer absteigen geht nicht. Gekreuzigt haben die Römer solche, die für sie Viehzeug waren, eine viehische Qual für die letzten Verbrecher. Aber der zu Unrecht Verurteilte ist Gott selbst.

Den Abstieg Jesu zeichnen wir nach in unserem Glaubensbekenntnis: „Gottes Sohn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinab-gestiegen in das Reich des Todes“ – von Gott hinab bis in die tiefste Tiefe. Zuerst: „Er war in allem Gott gleich.“ Er steht höher als jeder Star, unvergleichbar höher, denn er kommt von Gott, ist eins mit Gott. Alle Vergleiche und Bilder in unserer begrenzten Vorstellung sind unzureichend.

Aber Gottes Weg führt zu uns. Er wird ein Mensch. Er will uns nah sein. Das Kindchen von Bethlehem ist ebenso menschlich, nah und verletzlich wie der Mann von Golgatha. Jesus verzichtet auf alle göttliche Macht, „er hält nicht gierig daran fest“. Er wird ein Machtloser, wie ein Sklave. Zwar spüren die Menschen in seiner Nähe und in seinen Worten Gottes Kraft. Menschen werden durch ihn frei von Schuld und Krankheit. Er richtet Menschen auf, gibt ihnen Hoffnung und Mut zu leben. Aber Jesus nutzt seine Fähigkeit nicht für sich aus. Er beherrscht niemanden. Er erzwingt nichts. Er befreit sich selbst nicht aus der Willkür der römischen Staatsmacht. Er lässt sich erniedrigen, zu Unrecht anklagen, verurteilen und grausam umbringen. Warum? „Jesus Christ Superstar, who are you, what have you sacrificed?“ – kennen Sie noch die alte Rockoper? Wer bist du, Jesus? Warum hast du dich geopfert, Superstar Jesus? „er ward gehorsam bis zum Tode“ – Wem ist Jesus gehorsam? Nicht einem blutrünstigen grausamen Götzen, der ein Opfer verlangt. Jesus gehorcht Gott, der seine Welt liebt. Jesus gehorcht der Liebe, die sein ganzes Handeln und Reden bestimmt. Das Kreuz ist das Zeichen einer Liebe, die alles zu geben bereit ist. Gott selbst erniedrigt sich und leidet in Jesus. Gott selbst ist in Jesus bei den Machtlosen. Gott liefert sich dem Unrecht, der Gewalt und dem Leid aus, um sie zu überwinden. Nun ist keiner mehr allein, und sei er noch so tief unten. Nicht einmal im Tod lässt er uns los. Nun ist niemand mehr ohne Hoffnung, und sei er noch so machtlos. Jesus ist gehorsam. Gehorsam klingt nicht gut in unseren Ohren. Für alles, was man uns vorschreiben will, verlangen wir eine gute Begründung. Gehorsam kommt von „Hören“. Alles kommt darauf an, auf wen ich höre. Jesus hört ganz auf Gott, wenn er auf die Macht verzichtet. Sein Gehorsam ist eine Freiheit. Jesus ist frei. Er ist frei davon, etwas aus sich zu machen. Er will nicht groß heraus kommen. Er braucht keine Show und keinen Starkult. Er muss sich nicht behaupten und mit Gewalt durchsetzen. Er gibt sich ganz in Gottes Hand.

„Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen gegeben, der ihn hoch über alle stellt.“ Das Lied singt vom Sieg des Machtlosen. Gott sagt ja zu dem Mann am Kreuz: ja, das ist mein Sohn, den ich lieb habe, ja, hier seht ihr, wie nah ich euch bin, ja, ich halte zu euch in allem Leid und selbst im Tod. „Jesus Christus ist der Herr.“

„Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht.“ So gesinnt wie Jesus: frei von der Angst um unseren Platz, frei von der Furcht zu kurz zu kommen, frei vom Bedürfnis besser zu sein und von der Lust andere zu erniedrigen, frei von Hass, frei uns einzusetzen. Zu solcher Freiheit gebe uns Gott seinen Geist.

Der Friede Gottes, der höher ist als unser Denken und Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen