Archiv der Kategorie: Predigten

sie werden sicher wohnen – Predigt zum Christfest über Micha 5,1-4

Predigt am 25.12.16 von Andreas Hansen über Micha 5,1-4a

Micha 5,1-4a

Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein.

 Ein kleiner Satz verrät, wie es um Micha steht:   „Sie werden sicher wohnen.“ Danach sehnt er sich. Darauf hofft er so sehr. Er möchte Bäume pflanzen und wissen, dass seine Kinder von ihren Früchten essen. Er will auf sein Feld gehen ohne Angst überfallen zu werden. Er möchte wissen, dass seine Arbeit sinnvoll ist und sein Leben nicht der Willkür und Gewalt ausgeliefert. Micha hofft auf Frieden.
„Sicher wohnen“, in Frieden bleiben dürfen, Ruhe finden – das ist  bis heute Israels Sehnsucht. Micha lebte im 8.Jhdt vor der Zeitwende. Da war sein Volk bedroht durch die grausame Eroberungspolitik der Assyrer. Israel hatte in seiner Geschichte fast nie Frieden. Das kleine Land in der strategisch wichtigen Lage konnte nur dann kurz aufatmen, wenn die großen Nachbarmächte sich gegenseitig in Schach hielten. So ist es im Grunde bis heute.
Auch für uns ist es eine wunderbare Hoffnung:   „sie werden sicher wohnen“
Was für ein Schreck, wenn man feststellen muss: Einbrecher waren in meiner Wohnung. Ein Fenster aufgehebelt, die Schränke durchwühlt, persönliche Dinge angefasst, beschädigt, verschwunden. Schlimmer als der materielle Schaden ist die Angst, der Verlust an Vertrauen und Geborgenheit.
„sie werden sicher wohnen“ –  die Verunsicherung ist enorm, wenn durch Hackerangriffe Vertrauliches in die Öffentlichkeit gerät, wenn Hassmails Politiker zum Rücktritt bewegen oder die Verbreitung von Falschmeldungen den Ruf zerstört.
„sie werden sicher wohnen“ – sehr viel Sicherheit ist in diesem Jahr verloren gegangen. Häuser wurden durch Erdbeben zerstört, noch viel mehr zu Schutt zerbombt. Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil sie in ihrer Heimat bedrängt und bedroht sind. Politische Erschütterungen haben die Welt erschreckt und verunsichern uns.
Wo wir in diesen Tagen auch hinschauen, ist Ungewissheit.
Der Terroranschlag von Berlin erschüttert uns.
Die Gewaltverbrechen in unserer Nähe wecken große Ängste. Manche sagen, sie gehen nicht mehr allein spazieren.
Erschreckend ist, dass sich weltweit so viele auf Mauern verlassen wollen und sich abgrenzen von denen, die anders sind. Aber die Konflikte der Welt betreffen uns alle zusammen. Wir werden sie gemeinsam lösen oder gar nicht.
Die Stimmung bei vielen in unserem Land ist beängstigend. Hemmungslos geäußerter Hass, Gewalt gegen Wehrlose, Stimmungsmache gegen Politiker, Medien und alle Fremden.
„Sie werden sicher wohnen.“ Wohin treibt unser Land? Wohin treibt unsere Welt? So vieles, was sicher schien, ist ins Wanken geraten.

Mutig und deutlich kritisiert Micha die Mächtigen in Israel vor rund 2700 Jahren. Sie bereichern sich auf Kosten der Armen und legen das Recht aus, wie es ihnen passt. Sie fragen nicht nach Gottes Gebot. Die Nachkommen Davids führen das Land in die Katastrophe. Sie meinen noch immer: Wir sind von Gott erwählt – Gott ist auf unserer Seite.
Aber Micha sagt: Gott fängt neu an. Nicht aus dem Zentrum der Macht, aus dem kleinen, unbedeutenden Bethlehem kommt der, den Gott schon immer gemeint hat. Wie Wehen plagt uns die Not, aber wir sind voll Hoffnung. Er wird das Volk weiden wie ein guter Hirte, nicht ausbeuten und unterdrücken. Wir werden sicher wohnen. Alle Völker werden auf ihn sehen. Er wird der Friede sein.
Wir schauen auf das Kind von Bethlehem und hören auf Michas Worte. Gott macht sich klein. Er ist verletzbar wie ein Kind. Gott fängt neu an mit der Welt, die keinen Frieden hat und die er doch liebt. Gott wird Mensch.
Bethlehem heute ist kein friedvoller Ort. Eine acht Meter hohe Mauer und Checkpoints grenzen den palästinensischen Ort von Israel ab. Und doch steht Bethlehem auch für Menschen, die Frieden wagen. Gott lässt sich ein auf unsere Ungewissheit, auf die ungelösten Konflikte, auf unsere zerrissene Welt. Gott will bei uns sein.
Er ist mitten in dem Streit zwischen Wutbürgern und Gutmenschen. Gott ist dort, wo wir die Fassung verlieren, dort, wo uns die Angst plagt, da, wo die dünne Decke der Zivilisation reißt und der Mensch dem Menschen ein Wolf ist.
Mitten hinein kommt Gott.
Er setzt sich der Welt aus.
Er erträgt ihren Widerspruch.
Er überwindet den Hass.

Jesus ist der Friede.
Jesus ist Gottes Antwort auf die friedlose Welt.
Auf Jesus sollen wir gerade in einer Zeit hören, in der so vieles unsicher und fraglich wird.
Jesus Christus ist das Wort Gottes, Gottes Antwort auf die Welt. Ihn haben wir zu hören. Ihm sollen wir vertrauen und  gehorchen, was auch geschieht.
Jesus Christus ist der gute Hirte.
Jesus Christus ist der Friede.
Aber er setzt sich der Ungewissheit, dem Unrecht und den Konflikten aus.
Jesus hat kein festes Haus und kein ruhiges Plätzchen. Aber er hat einen Vater im Himmel. Und er verkündet, dass Gott regiert.

„sie werden sicher wohnen“. Wir sehnen uns nach Sicherheit und Geborgenheit, nach einer heilen Zukunft für uns, für unsere Kinder, für die Welt. Die Ungewissheit macht uns zu schaffen. Das Zerbrechen von Sicherheiten erschreckt uns. Aber nun ist Gott bei uns. Wir feiern an Weihnachten, dass Gott die Welt liebt, dass er uns niemals loslässt.
Lasst uns nicht nur feiern, sondern ihm folgen und uns zu ihm bekennen!
Er ist der Friede. Lasst uns dem Hass entgegentreten und um Frieden ringen! Lasst uns Frieden verkünden, wenn Menschen Hass und Verachtung und Gewalt säen!
Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, aber wir können und sollen sagen, was Jesus gesagt hat und in seinem Sinn handeln.
Wir wissen nicht, ob wir äußerlich sicher wohnen werden, so dass wir nichts an Wohlstand und Freiheit verlieren, aber wir wissen, wir bleiben in der Liebe Christi.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.  Amen

So sehr liebt Gott die Welt, diese Welt! – Predigt zur Christvesper 2016

Predigt am 24.12.16 von Andreas Hansen über Joh 3,16

vor der Predigt singen wir EG 37,4+8+9

Schmuck schenken die Leute in diesem Jahr besonders gern. So war vor zwei Wochen vom Handel zu hören. Ich schenke einem geliebten Menschen etwas Schönes, und er trägt es und denkt an mich. Wie wunderbar sind Geschenke, die beiden Freude bereiten, dem Schenkenden wie dem Beschenkten. „Zu wissen, es ist Platin“ hieß ein Werbeslogan für edles Geschmeide – aber das teuerste Geschenk kann ganz wertlos sein, ohne Bedeutung für den Beschenkten oder ohne Liebe beim Schenkenden. Es müssen nicht Perlen und Gold sein. Wertvoll ist, was uns verbindet.
Paul Gerhardt singt: „Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen, dass ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen.“ Wie einen kostbaren Schmuck will er Jesus an sich tragen, wie einen Schatz im Herzen haben und nie mehr loslassen.
Als Kinder haben wir die geliebten Puppen und Kuscheltiere immer bei uns gehabt. Wir haben uns an ihnen festgehalten. Jahrelang hat damals dieser Teddy mich getröstet. Er hat jetzt ein ehrwürdiges Alter und ist im Ruhestand.
Erwachsene lächeln über das Kinderspiel. Und doch ist es wie ein Lieben und Sich-geliebt-Wissen, ein Schenken und Beschenkt-Werden. Glücklich sind wir wie Kinder in diesem Spiel.

Gott macht ein Geschenk.
„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh 3,16)
Martin Luther schwärmt über diesen Vers: „Das ist eines der herrlichsten Evangelien im Neuen Testament. Wenn es sein könnte, wäre es billig, dass man es mit goldenen Buchstaben ins Herz schriebe, und jeder Christ sollte sich solche Worte geläufig machen und täglich wenigstens einmal sich im Herzen vorsprechen, so dass man sie auswendig könnte. Denn da hört man Worte, die aus einem Traurigen einen Fröhlichen, aus einem Toten einen Lebendigen machen, wenn man nur daran glaubt.“
Ein Wort, das man ins Herz schreiben und immer bei sich haben soll.
„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben.“
Wenn man nur daran glaubt, dass Gott die Welt liebt, wenn es stimmt, wenn etwas dran ist, dann ist mitten in unserer Welt, wie auch immer sie sonst aussieht, Hoffnung und Zuversicht – wenn nicht, dann ist Weihnachten eine große Täuschung. Wenn es stimmt und wir daran glauben können, berühren sich Himmel und Erde – wenn nicht, dann ist der Himmel verschlossen und die Erde ein trostloser Ort.
Das Kostbarste, was man sich vorstellen kann, schenkt Gott. Gott verbindet sich mit der Welt.
Himmel und Erde berühren sich.
Gott schenkt sich selbst in seinem Sohn. So ist er in, bei und an uns. So teilt und trägt er unser Leben.
Jesus verbindet uns mit Gott – keine Macht der Welt kann uns trennen von der Liebe Gottes.

Gott liebt die Welt. Liebe Gemeinde, das feiern wir heute. Gott liebt die Welt.
Die Welt sehen wir in der Zeitung und in den Nachrichten. Wir erschrecken, wie unsere Welt ist. Wir sind schockiert über die Grausamkeit und das Leid in Aleppo und über den Terror in Berlin. Diese Welt liebt Gott?
Und ich bin auch „Welt“. Jemand ärgert mich und ich fahre ihn unfreundlich und heftig an. Dann erschrecke ich über mich selbst. So will ich doch gar nicht sein und reagiere doch so unbedacht, verletzend und hart.
Gott liebt die Welt, die oft gar nicht liebenswert ist. Die Welt ist für das Johannesevangelium ein einziger Widerspruch gegen Gott. Die Welt erkennt Gott nicht. Sie will nichts von ihm wissen.
Schon bei seiner Geburt gibt es nur einen harten Futtertrog draußen im Stall für Jesus. Und am Ende nageln sie ihn ans Kreuz. So sind wir: im Widerspruch gegen Gott, lieblos, gleichgültig, selbstsüchtig.
O du fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit. Welt ging verloren. Aber Gott liebt die verlorene Welt. Darum ist Christus geboren.      Gott setzt sich der Welt aus. Darum wird er so klein und verletzlich. Das Evangelium erzählt vom Kaiser in Rom, der die Völker umherscheucht, auch Maria und Josef und das Kind, unseren Heiland. Gott erträgt, was wir Menschen einander antun. Er will hier bei uns sein in dieser Welt. Er kommt auch heute zu uns. Wir sollen nicht verloren gehen. Gott schenkt sich der Welt.
Freue, freue dich, o Christenheit.

Gott liebt die Welt. Gott liebt alle, auch die, die nicht glauben, auch die, die anders glauben, selbst die, die von Hass krank sind. Alle haben Grund zur Freude.
Große Freude für alles Volk verkündet der Engel. Die himmlischen Heerscharen singen vom Frieden auf Erden für alle Menschen.
Unsere engen Grenzen werden unwichtig. Unsere Angst voreinander vergeht. Vor dem Kind erkennen wir einander als Menschen, als Geschwister. Das ist noch nicht so, aber das ist die Hoffnung, die wir heute feiern. Für alle gab Gott seinen Sohn. Für alle wurde er Mensch.
Wir haben keinen Grund, Menschen zu verachten, die anders sind als wir. Wir haben kein Recht unseren Wohlstand nur für uns zu behalten. Wir dürfen die Erde nicht zerstören, in der alle, auch unsere Kinder und Enkel leben wollen. Nur gemeinsam haben wir Menschen eine Chance.
Weihnachten ist ein Fest der ganzen Welt. Da gibt es keine Fremden mehr. Da kommen arme Hirten und reiche Könige. Alle wollen das Kind beschenken. Allen schenkt Gott sich selbst.
„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben.“
Das schreiben wir uns mit goldenen Buchstaben ins Herz, ein Wort das Traurige fröhlich und Tote lebendig machen kann.
Was für ein wunderbares Geschenk!
Amen

Eine Bewegung, Predigt über Lk 3,1-16

Predigt am 11.12.16 von Andreas Hansen über Lk3,1-16

Es gibt Computerprogramme, die einem die Erde  aus der Perspektive von Satelliten zeigen. Auf einen Blick überschaut man Länder und ganze Kontinente. Gleichzeitig kann man sich schnell heranzoomen, einen kleinen Ausschnitt ganz nah heranholen. Man kann jede Einzelheit erkennen, kleinste Pfade und einzelne Bäume.
Der Evangelist Lukas macht etwas Ähnliches. Er nimmt die ganze damals bekannte Welt in den Blick. Er schaut auf das Zentrum der Weltmacht Rom, den Kaiser Tiberius. Dann zeigt er auf die Herrscher der Provinzen und auf die reli-giösen Autoritäten in Jerusalem. Aber schließlich landet Lukas weitab von den Zentren der Macht an einem Ort in der Wüste und am Jordan. Dort lebt Johannes, der Täufer. Er ist von Gottes Geist erfüllt. Seine Worte locken Scharen von Menschen in die Wüste. Johannes predigt Buße, Umkehr, Neuanfang. Es ist erstaunlich, dass er damit solchen Erfolg hat. Alles, was Gott nicht entspricht, verurteilt er radikal. „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt …“ Johannes geht an die Wurzel, die „radix“. 
Seine kompromisslose Haltung überzeugt die Menschen. Charmant ist er nicht gerade. Er beschimpft seine Zuhörer als Schlangenbrut und hält ihnen schonungslos ihre Bosheiten vor. Er hält auch vor den Mächtigen seiner Zeit nicht den Mund. Die dulden natürlich keine Kritik.  Herodes Antipas, der Statthalter von Roms Gnaden, wird Johannes schließlich umbringen lassen. Er fürchtet einen Aufstand, Revolution. In Scharen kommen die Leute zu Johannes. Er löst eine Bewegung aus.

Als Donald Trump gefragt wurde, wie er sich seinen Wahlerfolg und das schlechte Abschneiden von Hillary Clinton erkläre, meinte er: „Der Unterschied ist die Begeisterung. Ich konnte die Leute begeistern.“ Er hat Leute in Bewegung gebracht. Und viele, die hinterher entsetzt über das Ergebnis waren, sind einfach nicht zur Wahl gegangen. Ähnlich lief es wohl mit dem Brexit-Votum in Großbritannien. Eine große Zahl von EU-Befürwortern blieb zuhause und jetzt jammern sie über das Ergebnis.
Vor einem Jahr war ich begeistert über die Bewegung in unserem Land. So viele haben sich engagiert für die Flüchtlinge! Sie haben Zeit und Kraft und Liebe eingesetzt, damit den Menschen in Not geholfen wird und eine menschliche, freundliche Kultur unser Land prägt – viele engagieren sich noch immer.
Andere Bewegungen machen mir Angst: ein neuer Nationalismus in vielen Ländern, aggres-sive Stimmung gegen die Fremden, gegen die Politik, gegen die Medien, gegen Europa. Sie sagen, wogegen sie sind, aber nicht wofür. Die Kultfiguren dieser Bewegungen pöbeln laut wie Donald Trump oder leise wie der Herr Hofer, um die Menschen hinter sich zu scharen. Sie behaupten, sie vertreten die Meinung des Volkes. Aber was das Volk meint und will, bestimmen alle – wenn wir uns denn alle aufmachen, es zu sagen.

Johannes bewegt die Menschen. Er selbst ist zu allem bereit, ein Radikaler. Und er hat ein Ziel, eine Vision. Das zieht die Leute an. Das ist eine Antwort auf ihre Sehnsucht: „Die ganze Welt soll das Heil sehen, das von Gott kommt. Eine neue Zeit steht unmittelbar bevor. Gottes Herrschaft ist nah. Der Messias kommt. Er bringt Freiheit. Er schafft Gerechtigkeit.“
„Was sollen wir denn tun?“ fragen die Leute. Johannes gibt ihnen zwei Antworten.
Die eine Antwort lenkt den Blick auf das Ganze, sozusagen die globale Sicht: „Kehrt um! Fangt neu an! Lasst euch taufen!  – das bedeutet nichts anderes als: Vertraut darauf, dass Gott die Welt regiert! Gott hat Gutes mit euch vor – vertraut auf ihn!“
Für die zweite Antwort sieht Johannes jede und jeden ganz genau an. Konkrete Schritte der Umkehr verlangt er. Alle sollen wir umdenken. Umkehr – da steht Metanoia im Griechischen, eine neue Ausrichtung des Denkens und Wollens.
„Ich kann doch nichts tun“ meinen wir. Wer zwei Hemden hat, ist kein Krösus. Andere könnten doch viel leichter etwas abgeben. Und trotzdem: Alle sollen teilen.
Die Zöllner und die Soldaten üben im Auftrag Roms staatliche Macht aus. Wenn sie nicht nebenbei in die eigene Tasche wirtschaften, haben sie keine Chance zu etwas zu kommen. „Das macht doch jeder. Man ist doch nicht blöd!“ meinen wir, und trotzdem ist es Unrecht.
Kleine erste Schritte sollen wir wagen: Einen Blick für andere, weg von mir, auf den, der Hilfe braucht. Verzichten auf einen Vorteil, den ich mir verschaffen kann.
Johannes predigt hart vom Bösen, das unsere Welt vergiftet, vom Bösen, das so viel Unheil bringt. Es hat tausenderlei Gestalt: Habgier, Gewalt, üble Nachrede, Lüge, Missbrauch von Macht, Missachtung von Menschen usw.
Wir wissen in der Regel, was wir anrichten oder anderen zufügen. Aber wir sehen weg.
Wir wollen nicht wissen, dass unserer hoher Energieverbrauch zum Klimawandel beiträgt.
Wir wollen nicht sehen, unter welchen Bedingungen unsere Kleider in Bangladesh hergestellt werden.
Wir sehen nicht, dass wir beim Mobbing eines Kollegen mitgemacht haben oder dass wir im Streit gemein und verletzend waren. +Johannes ist so hart, denn Gott ist zornig über das Böse, darüber, dass Menschen einander rücksichtslos und gemein Leid zufügen.
Wir sind ihm aber nicht gleichgültig. Gott liebt nicht alles, was wir tun, aber uns hat er lieb.
Es genügt nicht zu sagen: „Wir sind doch Abrahams Kinder“ oder „Wir sind in der Kirche und zahlen unsere Steuer“.
Johannes brennt vor Erwartung und Hoffnung.
Einer wie er wäre nicht einig mit einer gut eingerichteten Kirche, die funktioniert und selbstgenügsam ist. Wir wären ihm wohl zu ruhig, zu wenig begeistert und bewegt.
„Wer hat euch denn so gewiss gemacht? Wie könnt ihr so ruhig sein? Erwartet ihr nichts von Gott?“

Ich frage: „Was hast du vor, Gott, mit deiner Kirche, mit deiner Welt, mit mir? Wie können wir und wie kann ich dir einen Weg bahnen? Einen Weg zu meinem Herzen? Durch alles hindurch, was dir im Weg steht?“
Johannes bewegt die Menschen. Aber er ist ganz anders als die selbstverliebten Macht-geilen Menschenfänger unserer Tage. Er weist weg von sich selbst und auf Jesus hin. „Ich taufe euch mit Wasser. Aber es kommt einer, der stärker ist als ich; ich bin es nicht einmal wert, ihm die Riemen seiner Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Eine neue Zeit kommt. Gott ist nah. Er wird unsere Herzen bewegen.“

Gott braucht keine Satellitenkamera, kein Google-Earth.
Er sieht das Ganze und jede, jeden einzelnen von uns.
Liebevoll sieht er seine Schöpfung an.
Liebevoll sieht er auf uns, seine Kinder.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 

Steh auf gegen das Dunkel! – Predigt am 1.Advent 16 über Jes 60,1+2

Predigt am 27.11.16 von Andreas Hansen über Jes 60,1+2

Vor der Predigt erklingt die Kantate, Mache dich auf, von Wolfgang Carl Briegel

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ (Jes 60,1+2)

Es ist dunkel. Endlich sind die Israeliten zurück aus der Verbannung in Babylon. Endlich wieder in ihrer Stadt, nach Jahrzehnten. „Vergesse ich dein, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.“ Aber in was für ein Zuhause kommen sie zurück! Der Tempel liegt in Schutt und Asche, der Ort der Begegnung mit Gott. Die Stadt  ist ein Trümmerfeld. Wenige Reste früherer Schönheit, dazwischen Elend. Ihre Häuser gibt es längst nicht mehr. Niemand empfängt sie. Niemand freut sich über ihre Ankunft. Eine klägliche, jammervolle Rückkehr!
Die Enttäuschung nimmt ihnen alle Kraft. Es ist dunkel. Wie kann es weitergehen? Wo bist du, Gott?
Da sagt einer: „Steh auf! Leuchte!“ Er nennt sich Jesaja. Er knüpft an die Worte des Propheten an. Zwei Aufforderungen. Im Hebräischen erkennt man die weibliche Form des Imperativs. „kumi, ori“ Gemeint ist Jerusalem. Steh auf! Leuchte! Denn dein Licht kommt. Gottes Herrlichkeit über dir.

„kumi, ori“ In Hebräisch stehen die beiden Worte am Ende eines Gedichts von Paul Celan. Das Gedicht erschließt sich nicht leicht, aber es ist ein ganz neuer Blick auf Jesaja.

„DU SEI WIE DU, immer

Stant up Jherosalem     

inde  erheyff dich

Auch wer das Band zerschnitt, zu dir hin,

inde wirt      

erluchtet          

knüpfte es neu, in der Gehugnis,

Schlammbrocken schluckt ich, im Turm,

Sprache, Finster-Lisene,

kumi   

ori“

Celan steigt gleichsam in der Sprache hinab. In der Mitte Meister Eckhardts mittelhochdeutsche Übersetzung von Jesaja: Steh auf Jerusalem! Am Ende die Worte im Urtext.Paul Celan schreibt das am 1.Advent 1967. Israel erobert 1967 im Sechstagekrieg Jerusalem – die heiligen Stätten sind wieder zugänglich. Im gleichen Jahr begegnet Celan dem Philosophen Heidegger und ist mit ihm in seiner Hütte in Todtnauberg – er ist erschüttert über Heideggers bleiernes Schweigen zu seiner Verflechtung in das Nazisystem.
Das Erinnern, mittelhochdeutsch die Gehugnis,  knüpft das zerschnittene Band neu, Erinnerung an den „Turm“, an Haft, an Verbannung, an die Qualen der Juden, unter den vielen auch Celans Eltern.
„Schlammbrocken schluckt ich“  – im Klagepsalm heißt es: „Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist.“ Paul Celan steigt in das Dunkel hinab. Er muss Worte dafür finden. „Du sei wie du, immer“ Ich verstehe: „Du, Gott, sei unser Gott! Verbirg dich nicht!“ Und am Schluss: „kumi ori“ „Steh auf! Leuchte!“
Es ist dunkel. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“. Viele Orte des Leids und der Enttäuschung können wir heute nennen, das Dunkel in der Welt und das Dunkel in unserem Leben.

Es ist noch dunkel, aber schon jetzt soll Jerusalem sich erheben und leuchten, „denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!“ Gott kommt zurück in die heilige Stadt. In Jerusalem wird Gott erscheinen für alle Völker. Wie die aufgehende Sonne strahlt sein Licht auf. Da hat das Dunkel keine Chance mehr. Es wird endgültig vertrieben. Später schreibt der Prophet: „Die Sonne soll nicht mehr dein Licht sein am Tage, und der Glanz des Mondes soll dir nicht mehr leuchten, sondern der HERR wird dein ewiges Licht und dein Gott wird dein Glanz sein. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen …und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“ (Jes 60,19+20)
Unser ewiges Licht kommt – es erhellt unsere Existenz, es erleuchtet unsere Tage, auch die unabsehbar finsteren Tage. „Gott wird abwischen alle Tränen“, hörten wir am vergangenen Sonntag.   Der Prophet, der sich Jesaja nennt, und Johannes im letzten Buch des Neuen Testamentes, beide sehen aus dem Dunkel ihrer Tage auf Gott. 
Gott kommt zu uns. Sie ermutigen. Sie wecken Hoffnung. Sie mobilisieren Kraft, sich der Wirklichkeit zu stellen.
„Steh auf! Lass den Kopf nicht hängen! Weil Gott kommt, weil er ganz gewiss zu uns kommt, darum steh auf gegen alles Dunkel! Werde licht! Gott kommt mit seinem Licht, heller als die Sonne. Gott führt uns in seinen neuen Tag.“

Mitten in der finsteren Jahreszeit feiern wir Advent.
Es ist noch dunkel, aber wir besingen das Licht.
„Glaube ist der Vogel, welcher singt wenn die Nacht noch dunkel ist.“ Schon vor den ersten Sonnenstrahlen pfeifen die Singvögel. Sie singen auf den Morgen zu, auch wenn das Licht noch auf sich warten lässt.
Es ist noch dunkel, aber Gott kommt in Jesus auf uns zu. Jesus, das Licht der Welt. Treffender können wir kaum ausdrücken, dass er eins ist mit Gott. Schöneres kann man von Jesus Christus nicht sagen als: er ist mein Licht – Gott vom Gott, Licht vom Licht.
„Dein Licht kommt“ – das hören wir Christen als Hinweis auf Jesus. Wir sollten zumindest wahrnehmen, dass Juden den Text nicht so lesen. Wir Christen glauben: Gott selbst, das Licht,  kommt auf uns zu in Jesus. „Steh auf! Leuchte!“ Wir beziehen das auf uns selbst. Paulus schreibt: „Gott hat es in unseren Herzen hell werden lassen, sodass wir auf dem Angesicht Jesu Christi den Glanz seiner Herrlichkeit erkennen.“ (2.Kor 4,6)
Die Kerzen, die wir im Advent anzünden, sind ein schöner Hinweis auf das Licht. Aber für viele sind sie nur Dekoration. Die Kerzen werden gelöscht, die Lichterketten verschwinden im Karton.
Sind die Kerzen nur christliche Folklore? Bedeuten sie etwas? Bedeuten sie uns etwas?
Ja: Gott kommt auf uns zu.
Wir erwarten ihn, immer.
Wir sind Singvögel. Wir singen auf den Morgen zu und spiegeln sein Licht.
Wir?
Zuweilen gelingt uns doch höchstens ein: „Ach, Gott, wo bleibst du nur?“ Und wenn wir ehrlich sind, erkennen wir bei uns mehr Dunkel als Licht.
Aber wir schauen weg von uns selbst.
Wir schauen und wir weisen auf Jesus: Für ihn ist kein Leben zu dunkel.
Licht geht von Jesus aus: Wärme, Freude, Liebe, Orientierung, Leben.
Bei Jesus darf ein schuldiger Mensch hören: Ich verurteile dich nicht. Dir ist vergeben. Zwischen dir und Gott ist alles in Ordnung.
Bei Jesus darf ein Kranker hören: Dein Vertrauen hilft dir. Du sollst aufstehen, dich aufrichten und wissen: Gott sieht dich an.
Bei Jesus hören wir alle: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Jesus hat unser Dunkel geteilt. Er ist das Licht.
Mache dich auf, werde licht!
Steh auf gegen das Dunkel!
Erwarte Gottes Licht, immer!
Sing vom kommenden Tag!

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Gott wird abwischen alle Tränen – kann das sein? Predigt über Offenbarung 21,1-7

Predigt am 20.11.16 von Andreas Hansen über Offenbarung 21,1-7

Ewigkeitssonntag - im Gottesdienst werden die Namen der in diesem Kirchenjahr Verstorbenen vorgelesen und für jeden eine Kerze entzündet

Heute ist Totensonntag.
Wir schauen zurück auf Abschied und Leid.
Die Trauer um geliebte Menschen bleibt schwer, als wäre uns ein Stück von uns selbst genommen. Dass alles so alltäglich weitergeht, erscheint uns zuweilen unwirklich. Wir schauen zurück wie auf einen Riss durch unser eigenes Leben.
Wir denken an unsere Toten. Wir denken an den Tod. Manchmal verschlägt es uns die Sprache. Wir verstummen vor Leid und Schrecken.
Und doch hören und sagen wir Worte, die über die bedrängenden Erfahrungen hinausweisen.
Wir zögern wohl, wir fragen, zweifeln.
Wir hören sehnsüchtig auf biblische Hoffnungsworte.
Wir nennen diesen Tag auch Ewigkeitssonntag. Wir sprechen von der Hoffnung, dass alles, alles von Gott gehalten ist. In Gottes Ewigkeit ist Heil und Leben. Da sind unsere Toten und da sind auch wir aufgehoben. Wir hoffen, dass Gott heilt, was zerrissen ist.

Der Predigttext dieses Sonntags steht im letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung des Johannes. Johannes ist auf die Insel Patmos verbannt. Dort erlebt er Visionen. Er sieht ein Ende der Gewalt. Gottes Gericht kommt. Gott bringt zurecht, was falsch und ungerecht ist.
Im vorletzten Kapitel seines Buches lesen wir:

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herab kommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!
Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!
Und er sprach zu mir: es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.

Was für Bilder! Eine Hochzeit. Eine himmlische Stadt. Das neue Jerusalem kommt wie eine geschmückte Braut. Jesus auf dem Thron. Gott wohnt bei uns, seine Hütte, sein Zelt bei uns. Alle Risse sind geheilt, alle Tränen getrocknet. Unser Durst nach Leben wird gestillt. Wunderbar!
Johannes darf über sein Leid hinaus schauen. Er bekommt eine Antwort.
Die Römer haben Jerusalem zerstört. So wird ein neues Jerusalem, die Stadt Gottes für ihn zum Hoffnungsbild. Jesus bestimmt das Bild. Er regiert. Der Kreis wird weiter. Jesus umfasst das Leid der geplagten und zerrissenen Welt. Frieden, eine gerechte, geheilte Welt – denken Sie nur!
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Der Tod wird nicht mehr sein. Kein Leid, keine Klage, kein Schmerz.

Sind das nicht zu große Worte? Flieht Johannes in einen Traum? Vertröstet er die Christen? Nein, Johannes schreibt ein politisches Buch, voll mit Anspielungen auf das Unrecht der Zeit damals. Nur verschlüsselt kann Johannes davon schreiben. Seine Leser aber können die Kritik am römischen Staat gut verstehen. Sie haben das Leid der Verfolgten unter Kaiser Domitian vor Augen.
Ähnlich erfahren wir von Leid oder hören vom Schmerz, der andere trifft – Nachrichten, die uns traurig und ratlos machen.
Vor wenigen Tagen wurde an die 130 Opfer der Terrorakte in Paris vor einem Jahr gedacht. Noch immer sitzt der Schrecken tief.
Der Tod der jungen Carolin Gruber in Endingen erschüttert uns hier in unserer Region.
Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, erleben mit, wie „unsere“ Flüchtlinge schlimme Nachrichten bekommen: dass der Vater eines Flüchtlings in Aleppo durch Bombensplitter umgekommen ist, dass der Cousin zu Tode gefoltert wurde, oder dass vor wenigen Tagen der Cousin gemeinsam mit 27 anderen durch einen Bombenangriff auf Hama umgekommen ist.
Bedrängend nah kommen uns die Gewalt, das Unheil und das Böse. Der Tod ist gegenwärtig im Sterben eines geliebten Menschen und im Schrecken über solche Nachrichten. Auch in ganz normalen Erfahrungen spüren wir unsere Grenze, unsere Vergänglichkeit.
Wo ist Trost?
Schweigt Gott?
Der Tod steht so mächtig vor uns, als müsste er das letzte Wort behalten.
Wir hoffen: Gott hat das erste Wort und das letzte Wort über uns und über alle.

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Der Tod wird nicht mehr sein. Kein Leid, keine Klage, kein Schmerz wird mehr sein.
Ich glaube nicht, dass Johannes vertrösten will. Er verschließt nicht die Augen vor der Wirklichkeit. Er sagt nicht „das ist doch gar nicht so schlimm“.
Im Gegenteil: Seine Visionen entfalten Kraft, sich der Wirklichkeit zu stellen, sich nicht zu ducken, sondern aufrecht zu stehen.
Wir lassen uns nicht unterkriegen von Gewalt und Unrecht.
Wir protestieren gegen den Tod.
Wir widersprechen im Namen Jesu Christi.

Ja, es sind sehr große Worte: „die neue Stadt Gottes – der Tod wird nicht mehr sein – Gott wird abwischen alle Tränen“. Ja, wir nehmen den Mund sehr voll, weil wir ja noch lange nicht dort sind. Viele werden sagen: „Ihr macht euch etwas vor. Ihr seid Spinner, wenn ihr auf die Visionen dieses Johannes hört.“
Darauf antworten wir: „Johannes spricht im Namen Jesu Christi. Jesus weicht der Wirklichkeit und dem Leid nicht aus – darum endet er am Kreuz. Mit Jesus am Ostermorgen, mit seiner Auferstehung beginnt schon die neue Wirklichkeit, die noch vor uns liegt.“

Jesus sagt: Siehe, ich mache alles neu. Auf ihn vertrauen wir.Wir verschließen nicht die Augen. Wir müssen nicht wegschauen oder verdrängen. Was Menschen plagt, nehmen wir ernst. Wir geben Raum dafür, dass Menschen weinen und trauern dürfen und wir versuchen Tränen zu trocknen. Wir wehren uns gegen den Tod und begleiten Sterbende. Der Tod erschreckt uns Christen ebenso wie andere Menschen. Aber die Hoffnung auf Gottes Ziel hilft uns, dem zu begegnen, was uns bedrängt.
Wir glauben: Gott gibt uns ein Ziel, das weit über alles Leid und auch über den Tod hinaus reicht.
Am Ziel erwarten wir den, der von sich sagt: Ich bin Anfang und Ende.
Am Ende wird die Liebe Gottes uns umfangen, seine Liebe, die uns auch ins Leben rief.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Was ist der Mensch? Gedanken von Konfirmanden und Pfarrer Hansen über Psalm 8,5+6 – zum Buß und Bet-Tag

Hansen: „Was ist der Mensch?“ Heute, am Buß- und Bet-Tag denken wir vor Gott über uns nach. Wir sind widersprüchlich. Wir sind für uns selbst rätselhaft. Wir fragen nach unserer Bestimmung – was und wie sollen wir sein? Wir sehen, dass wir oft hinter unserer Bestimmung zurückbleiben. Wir scheitern. Wir sind schwach. Wir werden schuldig. Wie sieht Gott uns an?

 Julian: Was ist der Mensch? So fragen auch die Menschen, die die Bibel geschrieben haben. Der Psalmbeter in Psalm 8 schreibt: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“

Niko: In der Übersetzung, die wir im Konfi verwenden, klingt das so: „Wie klein ist der Mensch, wie gering und unbedeutend! Und doch gibst du dich mit ihm ab und kümmerst dich um ihn! Ja, du hast ihm Macht und Würde verliehen; es fehlt nicht viel und er wäre wie du.“

Simon: Oft können wir Menschen, und auch uns selbst, bewundern und toll finden. Wir können so liebevoll und warmherzig sein. Menschen helfen anderen, ihren Freunden, aber auch Fremden. Wir sagen einander was Nettes. Wir sorgen uns um einander.

Naomi: Wir können aber auch böse sein, herumschreien, genervt sein und andere nerven und streiten.  Menschen sind zu sehr viel Bösem fähig. Sie üben Gewalt und gehen respektlos miteinander um. Sie sind hartherzig und grausam.

Michelle: Menschen können so schlau sein und wunderbare Dinge erfinden, zum Beispiel medizinische Geräte, die Leben retten, Weltraumraketen, das Internet.

Julie: Aber weil wir auf andere neidisch sind und immer mehr Macht und Besitz haben wollen, unterdrücken wir Menschen und sind ungerecht, schaden wir der Natur und führen sogar Kriege.

Lena: Was ist der Mensch? Wir sind so unterschiedlich, unberechenbar, verrückt, so voller Gegensätze: Böse und liebevoll, fair und unfair, warmherzig  und kaltherzig, schlau und dumm, höflich und gemein, zerbrechlich und stark, hilfsbereit und respektlos, schön und hässlich.

Niklas: Gott hat uns erschaffen und doch hat er uns den Tod mit auf den Weg gegeben. Ich denke an Menschen wie die ermordeten junge Frauen in Endingen und Freiburg. Plötzlich kann unser Leben vorbei sein. Was ist der Mensch?

Evelin: In manchen Momenten im Leben muss man einfach ehrlich oder lieb sein. Ein Mensch, der sonst nur böse ist, steckt in einer Notsituation und erfährt Hilfe und Freundlichkeit. Was ist der Mensch? Können wir uns oder andere zum Guten verändern?

Liana: Ich denke, dass in jedem Menschen etwas Böses steckt. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn wir angegriffen werden und tief verletzt sind und Rache nehmen wollen. In uns allen steckt Böses und Gutes drin. Was ist der Mensch? Sind wir einfach dem Bösen ausgeliefert, das in uns steckt?

Saskia: Wir sind erschaffen worden von Gott und sind aber zugleich auch vergessen worden, weil wir nicht gut waren im Zusammenhalten. Was ist der Mensch? Kümmert sich Gott um uns?

Emely: im Bericht von der Erschaffung des Menschen heißt es: „Gott schuf die Menschen nach seinem Bild“, und es heißt auch: „Da nahm Gott, der HERR, Staub von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen.“ Wir sind das Ebenbild Gottes. Wir kommen als sein Ebenbild auf die Welt und werden doch wieder zu Staub. Was ist der Mensch, so großartig und doch so zerbrechlich?

 Hansen: Was ist der Mensch? Wissenschaftler beschreiben, was uns Menschen ausmacht, wie wir uns entwickelt haben und auch wie wir Menschen fähig sind, die Erde zu verwüsten. Philosophen und Künstler fragen nach dem Wesen des Menschen. *Hier im Gottesdienst suchen wir nach einer Antwort, was und wie wir vor Gott sind. *Martin Luther hat sich in vielen schlauen Thesen über die Frage nach dem Menschen mit den Geistesgrößen seiner Zeit auseinandergesetzt. *Und dann kommt er zu einer ganz kurzen Aussage, im lateinischen Text nur drei Worte: hominem iustificari fide – der Mensch wird vor Gott gerecht gesprochen durch den Glauben. *Wir kommen zu uns selbst, zu unserer Bestimmung, unserer Menschlichkeit, wenn wir uns so verstehen: *Gott spricht mich gerecht. Gott will mich. * Nicht weil ich lieb bin, sondern weil er mich liebt. *Nicht weil ich gut bin, sondern weil er ja zu mir sagt, obwohl ich so oft selbstsüchtig und gar nicht gut bin. *Nicht weil ich fromm und gläubig bin, sondern weil er mich bei sich will. *Gott sagt ja zu uns. Wir kommen zu uns selbst, wenn wir ihm vertrauen. Das ist das Wichtigste und Größte, was über uns Menschen zu sagen ist. *Wenn wir uns so verstehen, gewinnen wir Freiheit, eine enorme Freiheit. Gott sagt Ja – das ist unser Fundament. *Wir müssen nichts aus uns machen, um vor uns selbst und vor anderen gut dazustehen. * Wir müssen einander nicht übertreffen und besser sein als die anderen. Wir müssen schon gar nicht andere schlecht machen wie Wahlkämpfer, die aufeinander herumhacken. Wir dürfen zu unseren Schwächen und Fehlern stehen – das ist befreiend, wenn einer sich getraut zu sagen: „Davor habe ich Angst.“ Oder „Das habe ich falsch gemacht. Bitte entschuldige!“ * Und schließlich: So können wir einander mit unseren Fehlern akzeptieren, weil ja für jeden von uns gilt: Gott sagt ja zu diesem Menschen, der mir vielleicht Probleme macht. Er hat wie ich eine Würde als ein Mensch, den Gott liebt und bejaht.

Ich freue mich über Gott und sage voll Bewunderung, was der Psalmbeter spricht: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ Amen

Predigt am 13.11.16 (Volkstrauertag) Römer 8,18-25

Predigt am 13.11.16 von Andreas Hansen über Röm 8,8-25

In Psalm 56 heißt es: „Zähle die Tage meiner Flucht. Sammle meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählst sie.“ Der Beter des Psalms ist überzeugt: Das Leid berührt Gott.
Heute ist Volkstrauertag.
Wir erinnern an die Millionen Opfer der Kriege.
Fast jede Familie in Deutschland, in Russland  und Polen und in vielen anderen Ländern kann erzählen vom Leid durch den zweiten Weltkrieg. Zwei Brüder meiner Mutter und der Vater meines Vaters starben. Die Familie musste fliehen.
Wenn ich meinen Schülern und Konfirmanden von Krieg erzähle, ist das für sie kaum vorstellbar. Sie sind ja schon die Urenkel der Kriegsgeneration.
Wenn wir die Nachrichten aus Aleppo oder Mossul hören, klingt das wie aus einer anderen Welt. Was dort geschieht, können wir uns nicht vorstellen. Schnell wollen wir es vergessen.
Dabei ist das Leid so nah. Für die Betroffenen ist es auch nach Jahrzehnten so wirklich und oft schmerzhaft, als wäre es gestern geschehen.
Fliegerangriffe, Verletzungen, Flucht – solche Erfahrungen vergisst man nicht – sie haben sich in die Seele eingebrannt.
Manche fragen: Soll man heute noch trauern, über 70 Jahre nach dem Krieg? Können wir betroffen sein vom Leid in fernen Ländern? Die Antwort ergibt sich fast von selbst, wenn uns heut ein Flüchtling von seinem Schicksal erzählt, so bedrückend nah. „Zähle die Tage meiner Flucht. Sammle meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählst sie.“ Gott ist betroffen von jedem Krieg. Gott lässt sich berühren vom Leid der Welt. Keines Menschen Leid ist ihm gleichgültig.
Christus am Kreuz, zerbrochen von Schmerz, das ist unser Gott. Kein Leid ist ihm fremd. Christus gibt uns zugleich die Hoffnung: Leid und Tod und Unrecht werden überwunden.

Unser Predigttext ist ein Abschnitt im Römerbrief. Paulus schreibt von einer Hoffnung, die die ganze Schöpfung ergreift. Gewalt plagt und entstellt nicht nur uns Menschen. Die ganze Schöpfung leidet unter der Gewalt. Gequälte Tiere, vergiftetes Grundwasser, der Klimawandel – so leidet die Schöpfung unter der Gewalt.  Wir sind mit allen Geschöpfen verbunden in der Sehnsucht nach Erlösung. Wir „seufzen“ wie die ganze Schöpfung.
Hören wir Römer 8,18-25, Paulus schreibt: Im Übrigen meine ich, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen, wenn wir an die Herrlichkeit denken, die Gott bald sichtbar machen und an der er uns teilhaben lassen wird. Ja, die gesamte Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, dass die Kinder Gottes in ihrer ganzen Herrlichkeit sichtbar werden. Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, allerdings ohne etwas dafür zu können. Sie musste sich dem Willen dessen beugen, der ihr dieses Schicksal auferlegt hat. Aber damit verbunden ist eine Hoffnung: Auch sie, die Schöpfung, wird von der Last der Vergänglichkeit befreit werden und an der Freiheit teilhaben, die den Kindern Gottes mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird. Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen. Und sogar wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird. Unsere Errettung schließt ja diese Hoffnung mit ein. Nun ist aber eine Hoffnung, die sich bereits erfüllt hat, keine Hoffnung mehr. Denn warum sollte man auf etwas hoffen, was man schon verwirklicht sieht? Da wir also das, worauf wir hoffen, noch nicht sehen, warten wir unbeirrbar, bis es sich erfüllt.
Die ganze Schöpfung sehnt sich nach Erlösung. Jedes Leben will sich verwirklichen, will leben.
Die ganze Schöpfung hofft, dass sie frei werde von Gewalt, dass sie ihr Ziel, ihre gute Bestimmung von Gott erreicht, dass der Frieden Gottes die Welt erfülle.
Paulus sagt etwas Überraschendes: Das Sehnen der ganzen Schöpfung richtet sich auf uns, auf uns Christen. Die Schöpfung vergeht vor Sehnsucht danach, dass Gottes Kinder offenbar werden. Was wir Christen von Jesus Christus bekommen, erschließt eine Hoffnung für alle. Alle werden erkennen und sehnen sich danach, worauf wir durch Jesus hoffen: Freiheit von Leid und Schuld, ewiges Leben, Seligkeit – Paulus nennt es mit einem Wort: Herrlichkeit. Darüber kann man nur staunen. Herrlichkeit ist gewaltig, schön und so geheimnisvoll wie Gott selbst. Von Herrlichkeit singen die Engel an Weihnachten: „Ehre sei Gott in der Höhe“ – da wird das gleiche Wort, Doxa, mit Ehre übersetzt, das hier Herrlichkeit genannt wird. Gott gehört die Doxa, die Herrlichkeit, sein Glanz. Von der wunderbaren Herrlichkeit Gottes bekommen wir etwas. Sie färbt auf uns ab. Denn wir sind Gottes Kinder.
Wie eine Schwangere in Wehen hört und sieht Paulus die Schöpfung seufzen und stöhnen und gespannt warten. Sie wartet darauf, dass wir endlich als Kinder Gottes herrlich offenbar werden.
Kind Gottes, Sohn Gottes war ursprünglich ein Königstitel. Der König ist frei. Seine Söhne und Töchter sind nicht Sklaven oder Knechte.
Paulus sagt: Alle, die vom Geist Gottes erfüllt sind, tragen schon jetzt etwas von dem in sich, zu dem Gott sie bestimmt hat, freie Kinder Gottes zu sein, ohne Angst vor Leid und Tod.

Noch ist die Schöpfung gezeichnet, entstellt durch Gewalt. Gewalt bringt immer neue Gewalt hervor. Die Truppen, die auf Mossul vorrücken, entdecken Massengräber: Hunderte Menschen vom IS ermordet. In Freiburg und in Endingen wurden in den letzten Tagen junge Frauen ermordet. Solche Nachrichten erschüttern uns. Wir sehen die Macht des Todes überall in unserer Welt. Zerbrechlich ist das Leben derer, die wir lieben, und ebenso unser eigenes.
Paulus schreibt: Mit der ganzen Schöpfung gemeinsam seufzen wir und plagen uns unter dem Joch der Vergänglichkeit. Gott hat uns Christen nicht versprochen, dass  wir vom Leid verschont bleiben. Nie hat Jesus verharmlost oder nicht ernst genommen, was Menschen quält. Aber wir sehen auf Jesus am Kreuz, wir hören die Nachricht des Ostermorgens und wir hoffen für uns und für alle.

Wir hoffen, dass das Kriegsgeschrei verstummen wird – darum sind wir schon jetzt wichtig.
Wir hoffen, dass kein Leid eines Menschen, kein Leid der Schöpfung Gottes vergessen ist.
Wir hoffen, dass der Hass und die Verachtung gegenüber anderen Menschen nicht das letzte Wort behalten. Noch immer hoffen wir, dass auch Politiker, die zu Hass und Unrecht aufrufen zur Vernunft kommen oder von Vernunft in die Schranken gewiesen werden.
Wir hoffen, dass unsere eigene Schuld vergeben wird, unsere Augen und Herzen aufgehen und wir Frieden schaffen.
Noch sehen wir nicht, was wir erhoffen – es liegt noch vor uns. Aber wir hoffen und sind gewiss, dass Jesus Christus uns und aller Welt seinen Frieden bringt.
Wir hoffen und sind gewiss, dass kein Leid in der Welt Gott gleichgültig ist. „Ohne Zweifel, du zählst die Tränen.“

Wir halten den Erfahrungen von Gewalt und Leid und Tod entgegen, was wir glauben und hoffen: Die ganze Schöpfung ist in Gottes Hand. Für alle seine Geschöpfe will Gott Frieden.

Der Friede Gottes, der höher ist als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Waffen von Gott? Predigt über Eph 6,10-17

Predigt am 16.10.16 von Andreas Hansen über Epheser 6,10-17

Waffen üben eine seltsame Faszination aus. Diese Machete hat mein Sohn für eine Wanderung durch den Dschungel gekauft. Natürlich kann sie auch gefährlich sein. Kleine und große Jungs, vielleicht auch Mädchen, phantasieren von Waffen, die sie unangreifbar und mächtig machen. Oder sie schauen Filme an, in denen der Held eine wunderbare Waffe besitzt.
Nicht wahr, da fallen euch sofort Filmhelden ein? Vor 50 Jahren war es z.B. Old Shatterhand und seine silberne Büchse. Wir wissen, was mit Waffen angerichtet werden kann. Schrecklich!
Wir wären gerne unangreifbar, aber wir sind das Gegenteil davon: angreifbar, angegriffen und oft sehr verzagt.
Hören wir den Predigttext aus dem Epheserbrief – es geht um die Waffenrüstung Gottes.

Eph 6,10-17 Neue Genfer Übersetzung

Nun noch ein Letztes: Lasst euch vom Herrn Kraft geben, lasst euch stärken durch seine gewaltige Macht! Legt die Rüstung an, die Gott für euch bereithält; ergreift alle seine Waffen! Damit werdet ihr in der Lage sein, den heimtückischen Angriffen des Teufels standzuhalten. Denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Wesen von Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis, die über die Erde herrschen, gegen das Heer der Geister in der unsichtbaren Welt, die hinter allem Bösen stehen.
Deshalb greift zu allen Waffen, die Gott für euch bereithält! Wenn dann der Tag kommt, an dem die Mächte des Bösen angreifen, seid ihr gerüstet und könnt euch ihnen entgegenstellen. Ihr werdet erfolgreich kämpfen und am Ende als Sieger dastehen.
Stellt euch also entschlossen zum Kampf auf! Bindet den Gürtel der Wahrheit um eure Hüften, legt den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und tragt an den Füßen das Schuhwerk der Bereitschaft, das Evangelium des Friedens zu verbreiten. Zusätzlich zu all dem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr jeden Brandpfeil unschädlich machen könnt, den der Böse gegen euch abschießt. Setzt den Helm der Rettung auf und greift zu dem Schwert, das der Heilige Geist euch gibt; dieses Schwert ist das Wort Gottes.

Wir sind eine Kraft, jede und jeder. Wir sind eine Kraft, miteinander erst recht. Wir haben Teil an der Kraft Jesu Christi. Wir stehen unter dem mächtigen Schutz Gottes. Nehme ich meinen Mund jetzt nicht zu voll? Wir sind doch kein Verein von Kraftmeiern.
Stellen sie sich vor, wer hier so laut von Kampf und Waffen der Christen schreibt: Nach der Aussage des Briefes schreibt Paulus seinen Brief vom Gefängnis aus. Er und die ganze junge Christenheit sind eine lächerlich kleine, machtlose Randgruppe. Sie werden angegriffen, verfolgt, vertrieben und sind doch so siegesgewiss.

In der Zeit des Epheserbriefes entsteht der wichtigste militärische Stützpunkt zwischen Argentoratum – Straßburg und Augusta Raurica – Augst bei Basel hier in unserer Nachbarschaft, in Riegel. Hier wie in Nordafrika, in Ephesus in der heutigen Türkei wie in Palästina herrschen die Römer. Überall sieht man römische Soldaten mit ihren Schildern, Schwertern und Helmen. Ein riesiges, allgegenwärtiges Heer verkörpert die Weltmacht. Die Römer leisten Beachtliches, aber sie vernichten auch alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Zahllose Menschen fallen ihnen zum Opfer. Für viele ist die römische Macht der Inbegriff des Bösen.
Wir überblicken kaum, wie viele bewaffnete Konflikte unsere Welt heute erschüttern. Am meisten erschrecken wir heute vor dem Krieg in Syrien. Unvorstellbar ist die Not in Aleppo. Aber immer weiter fallen die Bomben.
Vom teuflisch Bösen schreibt der Brief. Wenn ich höre, was Menschen einander antun, kommt mir das selbst manchmal dämonisch vor, wie eine böse Macht in uns.
Das Böse setzt uns zu in Gewalt, Habgier, Neid, Lüge, wenn ein Mitschüler oder Kollege gemobbt wird, wenn uns jemand wehtut.
Wir haben zu kämpfen – viele können ein Lied davon singen, womit sie kämpfen: Mit einem Burnout, mit schweren Depressionen, weil sie einsam sind und keiner nach ihnen fragt. Manche haben zu kämpfen mit dem Bestand ihrer Ehe, mit ihrem fehlenden Selbstwertgefühl, mit Sorgen. Und auch das gibt es, und nicht zu knapp: Dass Menschen kämpfen mit Gott und um ihren Glauben.
Wir haben auch gegen das Böse in uns zu kämpfen. Wenn die Bibel am Anfang von Kain und Abel schreibt, dann sind ja nicht irgendwelche Urmenschen in grauer Vorzeit gemeint, sondern wir alle, die immer wieder Opfer des Bösen werden, so wie Abel, aber auch Täter wie Kain. Wir sind anfällig dafür.

Paulus ruft uns zu: Rüstet euch gegen das Böse und seine Angriffe! Zieht die Waffen Gottes an! Wir sind nicht wehrlos. Wir sind eine Kraft. Sein erster Satz ist: „Lasst euch vom Herrn Kraft geben, lasst euch stärken durch seine gewaltige Macht!“ Kraft bekommen wir vom Herrn, von Jesus Christus. Kraft bekommen wir nur durch die Verbindung mit ihm. Paulus beschreibt die Kirche wie einen großen Leib. Wir sind ein Leib. Alle hängen wir zusammen und brauchen einander. Und Christus ist unser Haupt, der Kopf, die Zentrale, von der alles ausgeht.
Liebe Gemeinde, das ist wichtig, dass er uns hier zusammen anspricht: Lasst euch vom Herrn Kraft geben! Er meint uns miteinander, uns als Gemeinde. Viel zu sehr verstehen wir uns als Einzelne. Oft höre ich Sätze wie: „Ich kann alleine für mich glauben. Dazu brauche ich keine Kirche.“ Wir sind fast alle durch so ein vereinzelndes, individualistisches Denken geprägt. Aber es stimmt nicht. Ich kann nicht alleine glauben. Ich kann nicht aus mir selbst heraus und nur für mich glauben. Ich brauche die Gemeinde, die anderen, die mit mir glauben, beten, feiern. Denn der Glaube kommt nicht aus mir, er wird mir geschenkt. Er muss mir zugesagt und beigebracht und immer wieder gestärkt werden.
Unser Glaube erscheint uns und anderen oft so kraftlos, so wirkungslos, so unbedeutend. Ich meine, es liegt viel daran, dass wir jede und jeder für sich glauben wollen, vereinzelte Glaubende und vereinzelte Zweifler. Gemeinsam erfahren wir die Verbindung mit Jesus Christus. „Lasst euch vom Herrn Kraft geben!“ Gemeinsam sind wir Christen eine Kraft.
Und die Welt braucht dringend die Kraft, die wir von Jesus Christus her sind. Unsere Welt braucht Botschafter des Friedens und der Gerechtigkeit.
Taugen wir dazu? Wir, die oft selbst nicht friedlich sind und nicht gerecht?
Ja, wir taugen dazu, dass wir auf den Frieden und die Gerechtigkeit Gottes hoffen, auf sein Reich. Gott besiegt alles Böse und sogar den Tod.
Gottes Reich kommt. Darauf hoffen wir trotz allem.
Wir können Gott immer sagen, wie groß unsere Sorgen sind. Wir sollten aber auch unseren Sorgen sagen, wie groß Gott ist.
Wenn Jesus Christus uns stärkt und rüstet, sind wir nicht wehrlos. Mag das Böse doch seine Pfeile schießen! Unser Schild ist der Glaube. Christus ist es, an den wir glauben. Unser Helm ist die Rettung. Christus ist es, der uns rettet und erlöst. Unser Brustpanzer ist die Gerechtigkeit. Christus macht uns vor Gott gerecht. Der Gürtel, der die ganze Montur zusammenhält, ist die Wahrheit. Christus ist Weg, Wahrheit und Leben. An ihn halten wir uns, was auch geschieht. Fehlt noch das Schwert. Das Schwert ist das Wort Gottes. Damit gilt es umzugehen, Tag für Tag, es zu verinnerlichen, es reichlich in uns wohnen zu lassen, damit wir es parat haben, wenn sich uns alles verschließt. Dann ist es wichtig zu wissen: Es steht geschrieben! Letztlich gilt auch hier nichts anderes als vorhin: Christus allein ist das eine Wort Gottes. Es gilt, Christus zu predigen, sein Wort auszubreiten und für das Evangelium des Friedens einzustehen, weil Christus unser Friede ist.

Befreit – erlöst, Ansprache über Jes 43,1-4a

Predigt am 25.9.16 von Andreas Hansen über Jes 43,1-4a

Im Gottesdienst werden vier Kinder getauft und die Konfirmanden vorgestellt

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt, weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. (Jes 43,1-4a)

„Erlöst“ – „Lösegeld“ – kennt Ihr, kennen Sie das Wort Schuldenfalle? Jemand muss sich Geld leihen, um seine Rechnungen zu bezahlen. Und dann muss er noch mehr leihen, weil er nun auch noch Zinsen zahlen muss. Und immer so weiter,  bis er nichts mehr hat und nichts mehr bekommt. Dann steckt er in der Falle. Was dann?
Früher wurden Menschen dann verkauft. Sie wurden Sklaven. Sie und ihre Kinder verloren ihre Freiheit. Ganze Länder gerieten in die Falle, wenn sie von anderen, mächtigeren Ländern besetzt wurden und unvorstellbar viel bezahlen mussten.

Manche geraten einfach in die Schuldenfalle, weil sie zu viel ausgeben. Aber viele auch, weil ihnen Unrecht geschieht. Es ist schrecklich, in der Falle zu stecken und alle Freiheit zu verlieren. Es ist auch heute unendlich schwierig, Menschen aus  der Schuldenfalle zu retten, einzelne und ganze Staaten. Und wir haben noch lang keine gerechte Weltwirtschaft, solange Menschen in anderen Ländern für uns arbeiten müssen unter Umständen, die wir hier keinem zumuten würden.

Auch in einem übertragenen Sinn gibt es das: Menschen streiten und tun einander Unrecht, immer mehr, bis sie einander nur noch Vorwürfe machen und die Berge der Schuld unüberwindbar sind: Das ist auch eine Schuldenfalle. Auch in unlösbaren Konflikten werden wir unfrei.

Heillos verworren ist das in Syrien. Jeder sagt: die anderen sind schuld. Dabei wollen viele den Krieg, weil es ihnen um Macht geht oder weil sie daran sogar verdienen. Bezahlen müssen die Millionen Kriegsopfer – unvorstellbar ist ihr Leid. Wie kann das nur weitergehen?

Gott sagt zu seinem Volk: „Ich habe euch erlöst. Ich habe euch frei gekauft, das Lösegeld bezahlt. Ihr sollt frei sein. Freie Menschen will ich.“ Der Prophet Jesaja sagt ihnen das, als ihr Land besiegt und verwüstet ist und sie vertrieben sind, weit weg von ihrem Land, in der Verbannung in Babylon. Sie haben alles verloren.
Wir wissen, was syrische Flüchtlinge berichten, oder auch noch durch die Erfahrungen in und nach dem Zweiten Weltkrieg, wie verstörend solche Verlusterfahrungen sind. Da stehen Menschen vor dem Nichts.

Am tiefsten und dunkelsten Punkt bringt Jesaja seine Botschaft von Gott. Sie hören:  Gott hat uns lieb. Wir sind ihm wichtig. Wir sind befreit, frei gekauft, erlöst. Erinnert euch: so war es schon einmal, damals in Ägypten. Gott befreit uns. Wir gehen durch Wasser und Feuer. Alles kann uns genommen werden. Gott bleibt. Und wir bleiben von Gott geliebt. Darum sind wir frei, frei, selbst in der Verbannung. Niemand kann uns den Glauben nehmen.

Am tiefsten und dunkelsten Punkt bekommt das Volk Gottes, Israel, einen starken Glauben und eine Freiheit. Man kann sagen: Hier entsteht erst richtig der jüdische Glaube an den einen und einzigen Gott.
Und von hier zieht sich eine Linie zu Jesus. Er steht ganz im jüdischen Glauben. Und er verbindet uns Christen mit dem Volk Gottes.

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, befreit, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“ Gott gibt uns eine innere Freiheit. Niemand kann sie uns nehmen. Wir gehören zu Gott. Nicht einmal im Tod am Kreuz lässt Gott Jesus los. Nicht einmal der Tod kann uns trennen von Gottes Liebe.
Wo Menschen in der Falle stecken und nicht weiter wissen, hoffen und glauben wir: Gott wird weiterhelfen.
Wo wir einander nur noch Vorwürfe machen und Schuld aufrechnen, hoffen und glauben wir: es gibt einen neuen Weg.
In Krieg und heillos verworrenen Konflikten, wenn Menschen verstört und tief verletzt sind, hören wir nicht auf, um Frieden zu beten und nach Heilung und Gerechtigkeit zu suchen.

Ja, wir sind oft nicht so stark und zuversichtlich. Die Kirche, wir Christen sind oft viel zu verzagt und resigniert. Wir schauen ängstlich auf uns selbst.
Aber das ist Gottes Wort an sein Volk und an uns: „Fürchte dich nicht! Du bist erlöst, befreit. Geh deinen Weg in der Freiheit der Kinder Gottes!“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Ist es Liebe? 1.Joh 4,7-12

Predigt am 21.8.16 von Andreas Hansen über 1.Joh 4,-7-12

Die Gottesdienstbesucher erhalten eine Abbildung von Ernst Barlachs Skulptur, Das Wiedersehen, als Lesung aus dem Evangelium hören wir Joh 20,24-29, die Begegnung von Thomas und Jesus

Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.
Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

Der Milchmann Tevje streitet mit seiner Tochter. Wie kommt sie nur auf die Idee, einen Studenten aus Kiew heiraten zu wollen? Wie kann sie sich gegen ihre Eltern wenden! Die haben ihr doch schon einen Mann ausgesucht. So ist das schon immer im Schtetl, in Anatevka. „Aber den liebe ich nicht!“ Liebe, hat man so etwas schon gehört? Tevje ist außer sich, aber sie lässt ihn einfach stehen. So ein Dickkopf!
Tevje und seine Frau Golde bleiben allein. Er denkt nach, wie es war, wie es ist, bei ihnen beiden. Und er fragt seine Frau: „Ist es Liebe? Golde, sag es!“ Sie zögert bis sie antwortet. Vor  25 Jahren wurden sie verheiratet, ohne einander zu kennen. 25 Jahre waren sie füreinander da. 25 Jahre haben sie alles geteilt. 25 Jahre haben sie zueinander gehalten. Ja, es ist Liebe, es ist Liebe geworden.
Eine rührende Szene im Musical Anatevka. Vor über hundert Jahren wurden viele Ehen von den Eltern arrangiert, nicht nur im polnisch-jüdischen Schtetl.

Ist es Liebe? Oder was hält Menschen zusammen?  Leidenschaft, Tradition, Verpflichtung, Gewohnheit, gemeinsame Aufgaben, Angst vor dem Alleinsein? Ist es nur dann Liebe, wenn die Beziehung frei ist von jeder Verpflichtung? Oder steckt dahinter ja doch nur Egoismus, Selbstsucht? Gibt es denn selbst-lose Liebe – wäre sie denn erstrebenswert?
Liebe ist ein schwieriges Wort – so oft missbraucht, um Gefühle vorzutäuschen, um einen Menschen zu beherrschen, um Geschäfte zu machen. Ich kann verstehen, wenn jemand nicht mehr von Liebe reden will. Aber ich kann auch verstehen, wenn jemand von Liebe schwärmt. Ich gerate selbst ins Schwärmen über die wunderbare Liebe, die so viel Gutes und Großes vermag, die Grenzen überwindet, die Menschen erfüllt und glücklich leben lässt.

„Gott ist die Liebe.“ Johannes traut sich was.
Er weißt, wie leichtfertig und missverständlich wir von Liebe reden und wie oft wir der Liebe widersprechen. Dennoch sagt er es,  wie eine Definition: Gott ist die Liebe.
Wer wird definiert? Nicht Gott wird definiert. Niemand hat Gott gesehen. Er bleibt größer als unser Verstehen.
Die Liebe wird definiert. Wenn es einen Maßstab für Liebe gibt, dann in Gott. Nicht wir haben Gott geliebt, sondern er uns.
Im gleichen Atemzug sagt Johannes, wer wir sind. In einem Wort, im ersten Wort unseres Abschnitts: „Ihr Lieben!“ – er sagt wörtlich „Geliebte!“ Wir sind Gottes Geliebte. Das genügt um uns zu beschreiben. Gott spricht sein Ja zu uns. Er findet es wunderbar, dass es uns gibt. Er will unser Leben. Er liebt uns.

Kann ich in dieser zerrissenen Welt an Liebe glauben? Was Menschen einander antun können, entsetzt uns immer wieder. Wir hören von den in Aleppo eingeschlossenen Menschen, von den unzähligen Opfern von Folter in syrischen Gefängnissen – unfassbar. Was steckt in uns, dass wir Menschen zu solch kalter Grausamkeit fähig sind? Kollegen oder Klassenkameraden machen einen fertig, mobben ihn, und keiner schreitet ein. Beziehungen werden leichtfertig zerstört. Wir nehmen in Kauf, dass Menschen wie Sklaven schuften, damit wir billige Produkte kaufen können. Gleichgültig lassen wir unsere Mitmenschen im Stich und verletzen sogar die, die uns lieben.
Ist es Liebe? Glauben wir an die Liebe? Wir Christen sind ja nicht besser als andere. Johannes weiß um den Streit, der die Gemeinden entzweit, um verletzendes Verhalten, Rücksichtslosigkeit, Rechthaberei und vieles mehr, was der Liebe widerspricht. Und trotzdem sagt er: Wir kennen Gott, denn er befähigt uns zur Liebe. Er gibt uns die Kraft, seinen Geist, dass wir einander dennoch annehmen. Liebe erträgt den anderen. Sie macht nicht blind, wie manche sagen, sondern sehend. Liebe sieht, wie gut wir einander trotz allem sein können.

Es ist Liebe, die Gott zu uns treibt.
Die Liebe Gottes ist erschienen. Sie kommt zu uns.
„Gottes Liebe zu uns ist daran sichtbar geworden, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns durch ihn das Leben zu geben.“ (Vers 9 Neue Genfer Übersetzung) Er lebt und stirbt, um die zerrissene Welt zu heilen und um uns seine Liebe zu schenken. Er lebt. Die Liebe bleibt.

Ist es Liebe? Kann ich die Liebe für mich gelten lassen? Enttäuscht, traurig fragt der Jünger Thomas: „Ist das denn wahr? Gilt es noch, was Jesus gesagt hat, was er getan hat?Ist mit seinem Tod doch nicht alles aus? Jesus ist mir so fern. Ich möchte ihn begreifen. Ich möchte so gern glauben, aber ich kann es erst, wenn ich ihn sehe.“

Das Wiedersehen hat Ernst Barlach seine Skulptur genannt. Jesus umarmt Thomas. Er stützt ihn. Thomas hält sich an ihm fest. Sein Gesicht zeigt, wie angespannt er ist, wie tief seine Enttäuschung war. Die ganze Anspannung eines mühsamen Menschenlebens in seinem von Angst verzogenen Gesicht. Jesus hält den Jünger, der nicht glauben kann. Er erträgt seine Zweifel, sein Unvermögen. Liebevoll hält er ihn fest.

Jesus sieht nicht Thomas an, sondern uns, wenn er sagt: „Selig seid ihr, wenn ihr nicht seht und doch glaubt.“
Selig sind wir, wenn wir uns der Liebe Gottes anvertrauen. Jesus hält uns, obwohl wir einander Liebe schuldig bleiben. Jesus erträgt unsere Zweifel, unsere Schwäche. Jesus richtet uns auf.
„Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe hat ihren Ursprung in Gott.“

Amen