sie werden sicher wohnen – Predigt zum Christfest über Micha 5,1-4

Predigt am 25.12.16 von Andreas Hansen über Micha 5,1-4a

Micha 5,1-4a

Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein.

 Ein kleiner Satz verrät, wie es um Micha steht:   „Sie werden sicher wohnen.“ Danach sehnt er sich. Darauf hofft er so sehr. Er möchte Bäume pflanzen und wissen, dass seine Kinder von ihren Früchten essen. Er will auf sein Feld gehen ohne Angst überfallen zu werden. Er möchte wissen, dass seine Arbeit sinnvoll ist und sein Leben nicht der Willkür und Gewalt ausgeliefert. Micha hofft auf Frieden.
„Sicher wohnen“, in Frieden bleiben dürfen, Ruhe finden – das ist  bis heute Israels Sehnsucht. Micha lebte im 8.Jhdt vor der Zeitwende. Da war sein Volk bedroht durch die grausame Eroberungspolitik der Assyrer. Israel hatte in seiner Geschichte fast nie Frieden. Das kleine Land in der strategisch wichtigen Lage konnte nur dann kurz aufatmen, wenn die großen Nachbarmächte sich gegenseitig in Schach hielten. So ist es im Grunde bis heute.
Auch für uns ist es eine wunderbare Hoffnung:   „sie werden sicher wohnen“
Was für ein Schreck, wenn man feststellen muss: Einbrecher waren in meiner Wohnung. Ein Fenster aufgehebelt, die Schränke durchwühlt, persönliche Dinge angefasst, beschädigt, verschwunden. Schlimmer als der materielle Schaden ist die Angst, der Verlust an Vertrauen und Geborgenheit.
„sie werden sicher wohnen“ –  die Verunsicherung ist enorm, wenn durch Hackerangriffe Vertrauliches in die Öffentlichkeit gerät, wenn Hassmails Politiker zum Rücktritt bewegen oder die Verbreitung von Falschmeldungen den Ruf zerstört.
„sie werden sicher wohnen“ – sehr viel Sicherheit ist in diesem Jahr verloren gegangen. Häuser wurden durch Erdbeben zerstört, noch viel mehr zu Schutt zerbombt. Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil sie in ihrer Heimat bedrängt und bedroht sind. Politische Erschütterungen haben die Welt erschreckt und verunsichern uns.
Wo wir in diesen Tagen auch hinschauen, ist Ungewissheit.
Der Terroranschlag von Berlin erschüttert uns.
Die Gewaltverbrechen in unserer Nähe wecken große Ängste. Manche sagen, sie gehen nicht mehr allein spazieren.
Erschreckend ist, dass sich weltweit so viele auf Mauern verlassen wollen und sich abgrenzen von denen, die anders sind. Aber die Konflikte der Welt betreffen uns alle zusammen. Wir werden sie gemeinsam lösen oder gar nicht.
Die Stimmung bei vielen in unserem Land ist beängstigend. Hemmungslos geäußerter Hass, Gewalt gegen Wehrlose, Stimmungsmache gegen Politiker, Medien und alle Fremden.
„Sie werden sicher wohnen.“ Wohin treibt unser Land? Wohin treibt unsere Welt? So vieles, was sicher schien, ist ins Wanken geraten.

Mutig und deutlich kritisiert Micha die Mächtigen in Israel vor rund 2700 Jahren. Sie bereichern sich auf Kosten der Armen und legen das Recht aus, wie es ihnen passt. Sie fragen nicht nach Gottes Gebot. Die Nachkommen Davids führen das Land in die Katastrophe. Sie meinen noch immer: Wir sind von Gott erwählt – Gott ist auf unserer Seite.
Aber Micha sagt: Gott fängt neu an. Nicht aus dem Zentrum der Macht, aus dem kleinen, unbedeutenden Bethlehem kommt der, den Gott schon immer gemeint hat. Wie Wehen plagt uns die Not, aber wir sind voll Hoffnung. Er wird das Volk weiden wie ein guter Hirte, nicht ausbeuten und unterdrücken. Wir werden sicher wohnen. Alle Völker werden auf ihn sehen. Er wird der Friede sein.
Wir schauen auf das Kind von Bethlehem und hören auf Michas Worte. Gott macht sich klein. Er ist verletzbar wie ein Kind. Gott fängt neu an mit der Welt, die keinen Frieden hat und die er doch liebt. Gott wird Mensch.
Bethlehem heute ist kein friedvoller Ort. Eine acht Meter hohe Mauer und Checkpoints grenzen den palästinensischen Ort von Israel ab. Und doch steht Bethlehem auch für Menschen, die Frieden wagen. Gott lässt sich ein auf unsere Ungewissheit, auf die ungelösten Konflikte, auf unsere zerrissene Welt. Gott will bei uns sein.
Er ist mitten in dem Streit zwischen Wutbürgern und Gutmenschen. Gott ist dort, wo wir die Fassung verlieren, dort, wo uns die Angst plagt, da, wo die dünne Decke der Zivilisation reißt und der Mensch dem Menschen ein Wolf ist.
Mitten hinein kommt Gott.
Er setzt sich der Welt aus.
Er erträgt ihren Widerspruch.
Er überwindet den Hass.

Jesus ist der Friede.
Jesus ist Gottes Antwort auf die friedlose Welt.
Auf Jesus sollen wir gerade in einer Zeit hören, in der so vieles unsicher und fraglich wird.
Jesus Christus ist das Wort Gottes, Gottes Antwort auf die Welt. Ihn haben wir zu hören. Ihm sollen wir vertrauen und  gehorchen, was auch geschieht.
Jesus Christus ist der gute Hirte.
Jesus Christus ist der Friede.
Aber er setzt sich der Ungewissheit, dem Unrecht und den Konflikten aus.
Jesus hat kein festes Haus und kein ruhiges Plätzchen. Aber er hat einen Vater im Himmel. Und er verkündet, dass Gott regiert.

„sie werden sicher wohnen“. Wir sehnen uns nach Sicherheit und Geborgenheit, nach einer heilen Zukunft für uns, für unsere Kinder, für die Welt. Die Ungewissheit macht uns zu schaffen. Das Zerbrechen von Sicherheiten erschreckt uns. Aber nun ist Gott bei uns. Wir feiern an Weihnachten, dass Gott die Welt liebt, dass er uns niemals loslässt.
Lasst uns nicht nur feiern, sondern ihm folgen und uns zu ihm bekennen!
Er ist der Friede. Lasst uns dem Hass entgegentreten und um Frieden ringen! Lasst uns Frieden verkünden, wenn Menschen Hass und Verachtung und Gewalt säen!
Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, aber wir können und sollen sagen, was Jesus gesagt hat und in seinem Sinn handeln.
Wir wissen nicht, ob wir äußerlich sicher wohnen werden, so dass wir nichts an Wohlstand und Freiheit verlieren, aber wir wissen, wir bleiben in der Liebe Christi.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.  Amen