Archiv der Kategorie: Predigten

Ostern 2017 – Predigt über Mt 28,1-10

Predigt am 16.4.17 von Andreas Hansen über Mt 28,1-10

nach der Lesung des Predigttextes singt Cosima Büsing eine Arie aus dem Osteroratorium von J.S Bach

Mt 28,1-10

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.  Seine Erscheinung war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erbebten aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Cosima Büsing singt die Arie aus dem Osteroratorium von J. S. Bach: “Saget mir geschwinde, wo ich Jesum finde, welchen meine Seele liebt. Komm doch, komm, umfasse mich, denn mein Herz ist ohne dich ganz verwaiset und betrübt.”

mag sein
dass ich nie recht begriff
was geboren-sein heißt

 mag sein
dass ich warte
auf verlorenem posten

 mag sein
dass verrückt ist
wer noch immer rechnet mit wundern

 verrückt wie die frauen
die in der gruft eines toten
entdeckten die neue geburt

 Mag sein, dass verrückt ist, wer noch immer rechnet mit Wundern. So schreibt Kurt Marti.
Ich rechne damit, dass mein Verstehen, unser aller Verstehen, begrenzt ist. Ich rechne damit, dass sich uns Neues erschließen kann, Neuland für unser Denken, neue Dimensionen, die das bisher Verstandene in neuem Licht zeigen.
Auch wissenschaftliches Denken ist offen für das bisher Unbekannte, das unsere Sicht verändert. Mit jeder neuen Erkenntnis öffnen sich viele weitere Fragen. Auch Wissenschaftler kennen Ehrfurcht vor dem, was wir noch nicht verstehen. Ich würde nicht sagen, dass ich wundergläubig bin. Aber ich rechne damit, dass Gottes Wirklichkeit viel größer ist als unser Verstehen. Gott ist unsagbar. Und er will uns Menschen doch begegnen. Er will Gutes für seine Menschen. Er führt uns in neues Land.
Damit rechne ich. So steht es in der Bibel.
Der Evangelist Matthäus beschreibt eine Begegnung mit Gott am Ostermorgen. Die Erde bebt. Der Stein vor dem Grab wird weggewälzt. Ein Engel wie ein Blitz. Die Wachen sinken wie tot zu Boden. Es geschieht etwas, was nicht zu fassen ist.
Die Frauen sind auf dem Weg zum Grab ihres geliebten Herrn. Sie haben den Tod vor Augen. Alles ist wie erstarrt in der Trauer – man steht neben sich und funktioniert eben, irgendwie. Da berührt sie die mächtige Wirklichkeit Gottes, etwas ganz Anderes, fremd, erschreckend. „Fürchtet euch nicht!“ So beginnen die Engel fast immer. Unmögliches geschieht. Menschen können Gott nicht begegnen – sie sind überfordert, und doch sehen die Frauen. Sie erkennen Gott. Mit ihrem Herzen, mit ihrem Vertrauen erkennen sie Gott.
Ich muss nicht wissen, wie es war, als sie die Erde beben spürten und das blendende Licht sahen. Es kann sein, dass Matthäus nur umschreibt, wofür ihm eigentlich die Begriffe fehlen. Mir genügt es zu hören: Hier beginnt Gott Neues –  für die beiden Frauen und für uns alle. Von Gott her bricht eine größere Wirklichkeit auf, Neuland, das noch keiner betreten hat.
„Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“ Sie starren in das leere Grab und verstehen kein Wort. Was ist geschehen? Keiner der Evangelisten erzählt, wie Jesus aus dem Grab ersteht – das bleibt verborgen. Aber alle berichten vom leeren Grab und der Botschaft der Engel.
Und dann löst sich die Erstarrung. Jetzt eilen die Frauen davon „mit Furcht und großer Freude“. Noch immer erfüllt sie Furcht. Aber die Freude ist groß, größer als die Furcht. Sie wissen noch nicht, wohin Gott sie führt. Sie betreten Neuland. Aber sie sollen Jesus sehen, er geht voraus. Schon jetzt ahnen sie, dass er lebt. Mit Furcht und großer Freude eilen sie zu den Jüngern.

Mag sein, dass ich warte auf verlorenem Posten. Seit Ostern haben wir eine neue Hoffnung. Wir gehen am Ostermorgen auf den Friedhof und singen: Christ ist erstanden. Wir werden leben. Wir hoffen für unsere Toten und für uns selbst, dass Gott unser Leben bewahrt, dass wir in Gott leben werden, auferstehen. Sind wir mit diesem Bekenntnis auf verlorenem Posten? Vertrösten wir uns mit der Hoffnung auf Christus? Mit Furcht und großer Freude eilen sie weg vom Grab. Natürlich erschüttert uns der Tod geliebter Menschen. Vor dem Sterben fürchten wir uns, vor Schmerzen, vor dem, was wir in unserem Leben falsch gemacht und nicht fertig gebracht haben, vor dem unbekannten Tod. Aber wir erleben auch Trost, Liebe, Gemeinschaft. Wir feiern den Glauben. Die Freude ist größer als die  Furcht, schon jetzt. Wir hören von den Begegnungen mit dem Auferstandenen. 
Die Frauen eilen weg vom Grab und sehen Jesus. Sie dürfen ihn berühren. Sie vertrauen ihm selbst. Die Gemeinschaft mit ihm ist lebendig geblieben. In der Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus steht die Kirche steht nicht auf verlorenem Posten. Mitten in der Welt, die von Gewalt und Unrecht und Tod gezeichnet ist, verkünden wir die Hoffnung durch Jesus Christus.

Mag sein, dass ich nie recht begriff, was geboren-sein heißt.
Für Kurt Marti ist das Geborensein, das Leben selbst wunderbar und kaum zu begreifen. Dass wir leben, scheint uns so selbstverständlich, als könnte es nicht anders sein, bis wir über den Tod erschrecken. Kostbar, wunderbar, geheimnisvoll ist das Leben, jedes Leben, die Schöpfung Gottes. An Ostern beginnt das neue Leben, neu und anders, nicht einfach Fortsetzung des alten.  Das neue Leben ist ebenso geheimnisvoll und wunderbar wie die Schöpfung. Es ist die gleiche Kraft, das gleichen Wollen, die gleiche Liebe, die uns ins Leben rief und die Jesus aus dem Grab ruft. An Ostern feiern wir die unbegreifliche Liebe Gottes. Wir feiern das Leben.
Und nach dem Fest? „Geht nach Galiläa! Dort werdet ihr ihn sehen.“ Galiläa heißt zurück in den Alltag. Galiläa ist auch dort, wo alles begann. Galiläa ist Jesu Zuhause, die Gegend am See, wo sie mit gelebt haben, wo er Menschen geheilt und von Gottes Reich erzählt hat.
„Geht nach Galiläa“ heißt für uns: Wir bleiben in unserem Alltag. Aber es heißt auch Aufbruch und Veränderung, ihm zu folgen, leben und handeln in der Hoffnung auf Gottes Reich. Wir leben unser Leben, manchmal in Furcht aber auch in österlicher Freude. 
Wir feiern das Leben, das den Tod besiegt.
Was wir sehen und verstehen, ist eingebettet in Gottes größere Wirklichkeit.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Karfreitag, Predigt über Lk 23,33-49

Predigt am 14.4.17 von Andreas Hansen über Lk 23,33-49

Jahr für Jahr lese ich am Karfreitag aus einem der Evangelien vor, wie Jesus stirbt. Es fällt mir nicht leicht, das vorzulesen. Was da geschieht, geht mir nah. Die Evangelisten schreiben nicht als betroffe-ne Augenzeugen. Sie deuten und bekennen ihren Glauben. Und doch ist es schwer zu ertragen.
Ich stelle mir vor, wie die Frauen von fern zusehen und geschüttelt sind vor Entsetzen. Wie muss es sein, den liebsten Freund so leiden und sterben zu sehen? So hilflos ausgeliefert, so gequält und verspottet?
Wir kennen in Ansätzen ähnliche Situationen: Ein geliebter Mensch ist krank und leidet, und wir können fast nichts tun. Oder „unsere Flüchtlinge“ hören verzweifelt, dass ihre Freunde und Verwandte in der Heimat verletzt oder gefoltert werden.

Wir sehen auf das Kreuz Jesu. Der Karfreitag zwingt uns hinzusehen. Wir denken an die zahllosen Opfer von Unrecht und Gewalt, von Giftgas erstickt, von Terroristen ermordet, traumatisiert, auf der Flucht, ein verhungertes Kind auf dem Schoß.
Wie die meisten Opfer von Gewalt wird Jesus nicht nur körperlich sondern auch psychisch gequält. Alle können seinem Sterben zusehen. Nackt und hilflos hängt er am Kreuz und kämpft mit Schmerzen und Todesangst. Die Römer wollen die zum Kreuzestod Verurteilten beschämen, entwürdigen, vernichten – entlaufene Sklaven, gewalttätige Gegner, für sie der Abschaum der Menschheit. Pilatus ist ein grausamer Statthalter Roms. Er verspottet Jesus, er verspottet auch die Juden mit der Inschrift „Dies ist der Juden König“.
Und dieser verachtete Mensch ist der Christus?

Leid kann so groß sein, dass wir keine Worte dafür finden. Glückliche können die Trauernden nicht wirklich verstehen, Gesunde die Schmerzen der Kranken nicht empfinden. Wir weichen dem Leid oft aus. Wir wollen es nicht sehen. Wir lassen es nicht an uns heran.
Jesus weicht nicht aus. Immer wieder verspotten sie Jesus: „Hilf dir doch selbst!“ Er will sich nicht helfen. Er gebraucht nicht die Macht, mit der er anderen geholfen hat. Er wehrt sich nicht gegen das Unrecht, das ihm geschieht.
Hier verzichtet Gott selbst auf seine Macht. Gott erträgt den Schmerz.
Wenn ich nach dem Sinn dieses Geschehens frage, fällt mir das als erstes ein: Gott will bei den Opfern sein. Er ist nicht unberührt und überlegen. Gott leidet. Er leidet mit allen und für alle, denen Unrecht angetan wird und die Schmerzen haben, mit allen, die sterben. Bis in die tiefste Tiefe geht er. In keinem Leid lässt Gott uns los. Niemals verlieren wir seine Liebe.
Wir bleiben seine geliebten Kinder.

Was sind das für Menschen, die Soldaten? Sie foltern und töten und verspotten ihre Opfer, als wäre es nichts. Vielleicht sind sie so geworden. Sie halten es anders nicht aus. Und sie haben Angst: Wer nicht mitmacht, ist selber dran. Jesus bittet für sie: „Vater, vergib ihnen!“ Die Macht des Bösen ist begrenzt. Jesus sieht auch in seinen Henkern Menschen die Gott liebt und für die er Gutes will.
Der eine Übeltäter verspottet Jesus, der andere bittet ihn: „Denk an mich, Jesus, wenn du in dein Reich kommst!“ Jesus schaut ihn an und sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Da ist nach menschlichem Ermessen nichts mehr zu erwarten. Und Jesus spricht Hoffnung zu. Dieser Mensch ist gescheitert. Er sagt von sich selbst, er wird zu Recht bestraft. Und Jesus verspricht einen Weg zu Gott. Die Tür ist offen. Der Weg ist frei. Jesus ist Weg zu Gott, Wahrheit der Liebe Gottes, das Leben.
Aber was ist mit der Schuld? Der hat doch keine Vergebung verdient! Wer weiß, was er getan hat, vielleicht gemordet oder andere schlimme Verbrechen. Was ist mit all der Schuld, mit dem Bösen, mit den Kriegsverbrechen Assads und dem Terror der IS-Leute, mit den vielen großen und kleinen Verletzungen, die wir einander zufügen, und sei es dadurch, dass wir einfach nur zuschauen und nicht helfen? Ist alles einfach vergeben und vergessen?
Die Opfer von Gewalt tragen schwer an dem, was sie erleben mussten. Manche sind so tief verletzt, dass sie den Schrecken tief in sich vergraben. Scham und Angst halten sie fest. Sie können nicht vergessen.
Jesus bittet für die Täter um Vergebung, er spricht selbst Vergebung zu – „du wirst im Paradies sein“ – aber vergessen ist nichts.
Wir bekennen: Jesus wird kommen zu richten.
Ich glaube, Jesus wird uns unsere Schuld und das Böse, das wir zu verantworten haben, zeigen. Und ich glaube und hoffe, seine Vergebung wird größer sein, als wir alle verdient haben.
Ich glaube, Jesus wird das Böse vernichten. Er wird heilen, was Menschen angetan wurde. Jesus wird kommen zu richten.
Er wird uns zurechtbringen.
Am Kreuz aber setzt Gott sich selbst dem Bösen und der Schuld aus. Gott antwortet in Jesus am Kreuz auf die Schuld der Welt, auf das Böse. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.“ Auch die schuldig gewordenen Menschen lässt Gott nicht los.
Gottes Liebe gilt auch dem, der ihm widerspricht.

Mit dem Tod Jesu beginnt eine neue Zeit. Lukas beschreibt sein Sterben als einen Wendepunkt. Die Sonne verfinstert sich. Der Vorhang zum Allerheiligsten im Tempel reißt entzwei. Das Heiligste ist nicht mehr verhüllt. Alle Menschen können Jesus erkennen. Der heidnische Hauptmann bekennt Jesus als Gerechten. Das Volk, das zuvor gespottet hat, kehrt um. Niemand bleibt unberührt. Jesus stirbt im Vertrauen auf Gott. „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“
Er gibt sich selbst in Gottes Hand und fällt nicht in ein Nichts. Er ist auch in der Tiefe des Todes gehalten von Gott.
Von Ostern her zeigt uns der Evangelist den Tod Jesu am Kreuz.
Jesus gibt sich in Gottes Hand und erscheint wieder von Gott auferweckt. Der Weg durch Leid und Tod führt ins Leben.
Die Liebe Gottes hält ihn und lässt ihn nicht los.

Wir sehen auf Jesus am Kreuz. Zentral hängt das Bild des Gekreuzigten hier in unserer Kirche. Ohne Karfreitag und Ostern wären wir nicht Christen. Und doch nehmen wir das Kreuz oft nicht wahr, sehen darüber hinweg, verdrängen es.
Das Kreuz steht für Leid und Schuld und Tod und für den Sieg über Leid und Böses, für Vergebung und Leben.
So viel Leid und Böses ist in der Welt, so mächtig ist der Tod – sollen wir das auch noch verherrlichen? Keineswegs! Aber wir nehmen es ernst.
Gott ist auf der Seite der Opfer. Gerade so widerspricht Gott dem Leid und dem Bösen und dem Tod.
Die Liebe Gottes lässt uns nicht los. Amen

Frei von Furcht – Predigt über Röm 8,14-17

Predigt am 2.4.17 von Andreas Hansen über Röm 8,14-17

Vor der Predigt wird die Motette Jesu, meine Freude von J.S Bach aufgeführt

„Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Freude sein.“ Johann Sebastian Bach singt.
Er ist angegriffen, angefochten. Die Welt tobt. Die Feinde stürmen. Sünd und Hölle schrecken.
Die Sprache, zu der er seine Musik schreibt, ist nicht mehr die unsere, aber wir kennen die Abgründe, in die er sieht: das Böse in der Welt, Schuld und Unrecht, die uns treffen, eigenes Versagen und Schuldigwerden, Leid, Schmerz und Trauer. Wir sind angegriffen. Manchmal gleicht unser Leben einem Kampf.
Bach schaut darum auf Jesus. Er ist angefochten und doch gewiss: „Ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Du bist meine Freude, Jesus. Ich halte mich fest an dir.“
Wir sind nicht allein in dem, was uns angreift. Wir haben einen mächtigen Verbündeten in unserem Kampf. Wir sind fest gemacht, konfirmiert in Jesus Christus und beschenkt mit dem Geist.

Paulus schreibt weiter im Römerbrief:

„Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.“

Wir müssen uns nicht fürchten.
„Jesus hat gelebt und gewirkt für eine Welt ohne Angst.“ In diesen Satz fasst der kürzlich verstor-bene Dichter und Pfarrer Kurt Marti die Bedeutung Jesu. „Jesus hat gelebt und gewirkt für eine Welt ohne Angst.“
Jesus hat Gott nicht als den großen Angstmacher verkündet. Im Gegenteil: Jesus hat den Geängs-teten die Angst genommen. Er hat Gott als Liebe verkündet und den Geduckten Befreiung gepredigt, sie den aufrechten Gang gelehrt. Jesus hat das Reich Gottes angesagt: Eine Welt, in der niemand mehr Grund hat sich zu fürchten.

Wir müssten uns nicht fürchten, und doch …
Wer ist frei von Angst vor Schmerzen oder wenn er selbst oder ein geliebter Mensch von Krankheit bedroht ist, ganz elementare Angst?  Was wir uns aufbauen, ist zerbrechlich. Unsere Welt ist vielfältig in Gefahr. Millionen Menschen leiden unter den Folgen von Krieg, Terror, Unterdrückung, dem Klimawandel und der Ausbeutung des Planeten. Sind das nicht Gründe sich zu fürchten?
Und persönliche Ängste beherrschen uns oft: Angst etwas falsch zu machen, zu versagen, nicht gut genug zu sein, Angst vor dem Urteil anderer, Angst zu kurz zu kommen, etwas zu verpassen, Angst vor Enttäuschung, Leid und Tod.
Wir müssten uns nicht fürchten und tun es doch. Aber wir sind in unserer Furcht nicht allein. Jesus in Gethsemane hat Angst vor Leid und Tod. Auch Paulus kennt die Angst. Aber er hält ihr etwas entgegen: ein Grundvertrauen, so tief, wie das Vertrauen eines kleinen Kindes zu seinen Eltern, wie ein Kind, das getragen wird und sich geborgen weiß. „Ihr müsst keine Angst mehr haben, denn der Heilige Geist, den ihr empfangen habt, macht euch zu Kindern, die „Abba, Pappa!“ rufen.“ Solches Vertrauen wirkt der Heilige Geist in uns. Zu solchem Vertrauen befreit uns Jesus.
Nichts in der Welt, keine Macht und nicht einmal der Tod kann uns von der Liebe Gottes trennen, die wir durch Jesus erfahren.
In einem letzten und tiefsten Sinn hat die Angst keinen Grund mehr. Stärker als alles, was uns angreift, ist die Liebe Gottes, die uns hält.  Ein Grund-Vertrauen hilft uns aufrecht zu stehen. 
„Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.“
Dietrich Bonhoeffer bekennt: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“

Oft drückt die Angst uns nieder, aber wir sind Kinder Gottes, Erben, wie Christus. Ohne etwas zu leisten, erben wir: das Leben. Wir sind Kinder Gottes.
Lasst uns üben aufrecht zu gehen und frei zu singen.

Die Gründer der Pulse-of-Europe-Bewegung waren erschrocken vom Brexit-Votum und der Wahl Donald Trumps und darum haben sie begonnen für Europa zu demonstrieren. Sie wollen den Nationalisten nicht das Feld überlassen, die nur maulen und Angst und Hass schüren. Inzwischen stehen sonntags über 40000 Menschen für Europa auf den Straßen. Ein kleine Beispiel, dass wir den verstörenden Nachrichten und denen, die uns einschüchtern wollen, etwas entgegenhalten. Unser Land hat viele ungelösten Aufgaben, Europa und die Welt noch viel mehr. Aber wir haben allen Grund, nicht in Angst zu erstarren und zu resignieren, sondern zu tun, was wir können, um die Probleme zu lösen.
Ein andrer Bereich: die Kirche. Die Kirchen verlieren Jahr für Jahr Mitglieder. Gottesdienste sind schlecht besucht. Der Glaube spielt für viele Menschen keine Rolle. Nur wenige kennen ihren Katechismus oder können ihren Glauben in Worte fassen. Was wird aus der Kirche?
Die Kirche wird sich sicher weiter verändern und wohl nur eine Minderheit am Rand der Gesellschaft sein. Aber wir müssen keine Angst um sie haben. Sie wird so oder anders Kirche Jesu Christi sein, den Glauben verkündigen und feiern und so den Menschen beistehen. Wir singen weiter.

„Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu meine Zier.“ Unserem Herzen mag bange sein, dass wir meinen, wir gehen unter in Schmerz und Angst. Alle Angst müsste doch überwunden sein, und ist  manchmal doch so bedrängend nah. Dann sind wir wie gelähmt.
Aber es ist nur ein Schritt, dass wir rufen: „Gott, guter Vater!“, dass wir auf Jesus sehen, dass der Geist uns aufrichtet und wir vertrauen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Freunde – Predigt über 2.Kor 1,3+4

Predigt am 26.3.17 von Andreas Hansen über 2.Kor 1,3+4

„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.“

Roberto ist neun Jahre alt und schreibt: „Einen Freund wie meinen muss man haben. Ich hab ihn schon im Kindergarten gekannt. Er ist auch neun Jahre alt und friert immerfort. Er trägt zwei Pullover mit langen Ärmeln, aber er ist sehr stark. Er war der erste, der im Kindergarten mit mir spielte. Er hat langes, schwarzes Haar und ist sehr groß. Er wird immer mein Freund sein.“
So ein allerbester Freund oder eine liebste Freundin ist etwas Wunderbares. Waren oder sind Sie auch so stolz und froh über einen Freund wie Roberto?
„Einen Freund wie meinen muss man haben.“ Und „Er wird immer mein Freund sein.“ Nicht nur für Kinder sind Freunde so wichtig. Es tut einfach gut, wenn da Menschen sind, die mich mögen, die gerne mit mir zusammen sind und für mich Zeit haben, mit mir spielen und lachen, vielleicht auch mit mir weinen und zu mir halten, mich verstehen und kennen.
Freunde sind nicht selbstverständlich, so wie die Verwandten, die eben zu einem gehören. Freunde müssen sich finden. Sie müssen Freundschaft schließen – es muss ja nicht gleich so feierlich zugehen wie bei Winnetou und Old Shatterhand, aber irgendwie braucht Freundschaft einen Anfang. Eine oder einer muss den Mut haben, auf den anderen zuzugehen, sein Interesse, seine Sympathie zeigen – und dann muss der oder die andere sich auch noch darauf einlassen.
Das ist schon in der Grundschule ganz schön schwierig: „Magst du mit mir spielen?“ „Nee, ich hab was vor. Ich hab Sport, Musikschule, eine andere Verabredung. Ich hab keine Lust.“
Freunde sind etwas Besonderes, und nicht jeder hat das Glück Freunde zu finden. Je älter wir werden, desto schwerer fällt es den meisten, neue Freunde zu finden, oder desto vorsichtiger sind wir wohl auch mit dem Wort Freund.
„Einen Freund wie meinen muss man haben.“ Die Begeisterung des kleinen Roberto bringen wir Alten nicht mehr auf. Wahrscheinlich haben wir viele Freunde einfach aus den Augen verloren. Wir selbst und unsere Interessen haben sich verändert. Wir haben keine Zeit gehabt. Oder wir sind weggezogen.
Manche mussten auch die Erfahrung machen, dass vermeintlich gute Freunde uns enttäuscht und verärgert haben, dass Neid, Unehrlichkeit, Rücksichtslosigkeit uns entzweiten. Das ist schlimm, wenn der, dem ich vertraue, mir weh tut. Und es ist auch schlimm, wenn ich selbst den anderen verletzt und die Freundschaft zerstört habe. So werden wir misstrauischer und wagen viel weniger Freundschaft: „Passt die wirklich zu mir? Kann ich dem vertrauen? Will ich mich auf den einlassen? Bin ich der oder dem gut genug?“ Manche Leute meinen: Echte Freunde findet man sowieso fast nicht. Also bleibt man lieber für sich und wird nicht enttäuscht. Mir scheint: Diese Haltung nimmt zu. Wir leben immer vereinzelter. Ich finde das schade, wenn Leute so denken und reden, dass sie gar keine Freunde mehr wollen, egal, wie alt sie sind.
Ich glaube der kleine Roberto hat Recht mit seiner Begeisterung und Hingabe. „Einen Freund wie meinen muss man haben.“ Natürlich können wir uns keinen Freund herbeizaubern. Aber es ist so wichtig Menschen zu finden, die uns nahe sind, für die wir uns begeistern und denen wir vertrauen.

Für uns Christen verbietet sich eine Haltung des Misstrauens, der Resignation und der Selbstgenügsamkeit.
Warum?
Weil Gemeinschaft und die Offenheit für andere ein Grundzug unseres Glaubens ist. Wir sind zur Freundschaft berufen. Wir brauchen die anderen. Wir haben die Gabe, einander Freundin und Freund zu sein.

Paulus schreibt am Anfang seines Briefes: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.“
Paulus schreibt an seine Freunde. Er hat bei ihnen gelebt, aber nun ist er schon eine Weile weggezogen. Er hat Probleme mit diesen Freunden, Streit, Gerede, üble Angriffe gegen ihn selbst. Aber er hängt an ihnen und fühlt sich ihnen immer noch eng verbunden – das gibt es. So schreibt Paulus gleich zu Beginn seines Briefes von Trübsal, ein Wort, für das wir Stress, Verletzung, Ärger und Angst sagen können, das wörtlich Enge bedeutet, das Herz wird einem eng, eine Last drückt einen nieder. Seine Freunde werden verstehen, was Paulus meint. Und nun braucht Paulus Trost. Er braucht seine Freunde.

Das Besondere dieses Briefanfangs: Paulus nennt Gott den „Gott allen Trostes“.
Der Gott allen Trostes, das ist Gott, unser Freund. Der Gott allen Trostes ist der beste Freund.
„Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Mit dieser Frage beginnt der Heidelberger Katechismus. Die Antwort: Gott ist mein Freund. Durch Jesus ist er zu mir gekommen und hat mir sein Wort gegeben. Ich gehöre zu Jesus Christus. Niemals lässt er mich allein.
Der Gott allen Trostes geht weiter als alle Freunde. Das Kreuz ist das Zeichen, dass er mit mir und für mich durch alles hindurch geht, sogar bis in den Tod. Er tröstet in aller Trübsal.
Nun ist Gott natürlich ganz anders als wir. Unvergleichlich anders. Oft verstehen wir Gott nicht. Dann ist er fremd. Aber er will bei uns sein. Er kommt uns nah in Jesus.
Freunde sind wie ein Fenster zum Himmel.
Gott legt die himmlische Gabe in uns, dass wir Freunde sein können. Und durch die Erfahrung der Freundschaft ahnen wir etwas vom Himmel und erkennen wir ihn, den Gott allen Trostes.

Wir sind zur Freundschaft begabt. Gott schenkt uns seine Freundschaft. Nun können wir anderen Freundin und Freund sein. Wir sind zur Freundschaft begabt, denn wir haben selbst den allerbesten Freund. Wir dürfen und sollen Freundschaft wagen, gerade in einer Zeit, in der die Menschen vereinzeln. Wir können und sollen trösten mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden von Gott.
Christliche Gemeinde zeichnet sich dadurch aus, wie sie auf die zugeht und mit denen umgeht, die in allerlei Trübsal sind, mit den Menschen, die Trost und Hilfe suchen.
Eine Gesellschaft, die für sich christliche Werte behauptet, zeichnet sich dadurch aus, wie sie den Schwachen hilft.
Der Gott allen Trostes ist des Menschen Freund.    Quer durch das alte und neue Testament bietet Gott dem Menschen seine Freundschaft an. Er vertraut uns und wünscht sich nichts lieber als unser Vertrauen.
Der kleine Roberto meint: „Einen Freund wie meinen muss man haben. Er wird immer mein Freund sein.“ Recht hat er. Amen

Jesus entdeckt Schätze, Predigt über Mk 12,41-44

Predigt am 19.3.17 von Andreas Hansen über Mk12,41-44

Jesus sieht uns an. Gott sieht uns an.
Jesus hat einen Blick für Menschen. Er sieht, was in ihnen vorgeht. Er weiß, dass seine Jünger ihn verlassen werden, um ihre eigenen Haut zu retten. Jesus durchschaut Menschen, aber er verachtet sie nicht. Er blickt liebevoll auf die Menschen und entdeckt Schätze.
Wir übersehen Menschen so leicht. Oder wir schauen geringschätzig auf andere. Wir achten und beachten die Schönen, die Wichtigen, die Mächtigen, diejenigen, die zu uns gehören, von denen wir uns Vorteile versprechen, vor denen wir Angst haben.  Jesus aber sieht anders auf uns Menschen, aufmerksam und liebevoll.

Hören wir den Predigttext für diesen Sonntag:

Mk 12,41-44 (Übersetzung Klaus Berger)

Jesus setzte sich gegenüber dem Opferkasten nieder und sah zu, wie die Leute Geld hinein-warfen. Etliche reiche Leute warfen viel Geld hinein. Da kam eine arme Witwe daher und warf zwei kleine Kupfermünzen im Wert von etwa einem Pfennig hinein. Jesus rief seine Jünger herbei und sagte zu ihnen: „Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten geworfen als alle anderen. Denn alle anderen haben gegeben, was sie übrig hatten, sie aber hat alles gege-ben, was sie in all ihrer Armut noch besaß. Sie gab ihr ganzes Leben.“

Am Eingang des Tempelhofes stehen die  Opferstöcke für verschiedene Gaben. Der diensthabende Priester muss fragen, wofür die Gabe sein soll. Er muss prüfen, wie viel jemand gibt und ob er die korrekte Währung verwendet. Laut wiederholt er den Betrag. Jeder kann hören, was gespendet wird. Stolze Beträge – das hört man mit Staunen und Bewunderung. Ich staune und freue mich, dass die Spenden in unserer Gemeinde hoch sind. Wir sind sehr darauf angewiesen, und es wird damals im Tempel nicht anders gewesen sein.
Aber nach den großen Gaben der Reichen nennt der Priester den armseligen Betrag, den die Witwe spendet. Was ist das schon? Sie macht sich ja lächerlich.
„Sie gab ihr ganzes Leben.“, sagt Jesus. Jesus sieht und versteht die Frau. Er schaut nicht auf den Kaufwert der beiden winzigen Kupfermünzen. Sie gibt, was sie kann, und sie gibt von Herzen gerne. Sie behält nicht einmal eines von den beiden Geldstücken. Uns mag das unvernünftig oder leichtsinnig vorkommen. Sie sichert sich nicht ein bisschen ab. Sie gibt sich selbst hin. Wer so schenken kann, ist reich. Darum ruft Jesus seine Jünger und macht sie aufmerksam auf die Witwe. Er zeigt ihnen einen Reichtum, der nicht auf Besitz gründet, das Glück mit ganzer Hingabe zu schenken.
Sie gibt ihr ganzes Leben.

Am 22. Februar 1943 wurden Christoph Probst und Sophie und Hans Scholl zum Tod verurteilt und hingerichtet. Wenige Tage vorher waren sie in der Münchener Universität beim Ausle-gen von Flugblättern gegen das NS-Regime entdeckt und verhaftet worden. Sie riefen zum Widerstand gegen den nationalsozialistischen Terror auf. Sophie Scholl studierte wie ihr Bruder in München. Hans versuchte, seine jüngere Schwester davon abzuhalten, sich im Widerstand zu engagieren, aber das gelang ihm nicht. Gegen die herrschende Gleichgültigkeit, Resignation und Apathie setzte die Gruppe „Weiße Rose“ entschlossenes politisches Handeln. In Flugblättern prangerten sie die Verbrechen offen an, z.B. die Ermordung von 300.000 polnischen Juden. Nicht nur die Liebe zur Freiheit und die Empörung über Unrecht trieb sie. Sie handelten auch in der Überzeu-gung: „Es muss ein sichtbares Zeichen des Widerstandes von Christen gesetzt werden.“ Christliche Botschaft und Politik gehören untrennbar zusammen. Sie wussten sehr wohl, in was für eine Gefahr sie sich brachten. Sophie Scholl sagte zwei Tage vor ihrer Verhaftung: „Es fallen so viele Menschen für dieses Regime. Es wird Zeit, dass jemand dagegen fällt.“ Sie wäre heute 95 Jahre alt. Mit 21 starb sie. Sie gab ihr ganzes Leben.

Wenige Tage vor seiner Verhaftung und seinem Tod sieht Jesus im Tempel die Hingabe der Frau, ihre Bereitschaft alles zu geben, ihre Freude zu schenken. Und Jesus weiß: Er selbst  wird bald sein Leben hingeben.

Ich vermute nicht, dass ich so mutig und so frei wäre wie Sophie Scholl. Wir leben 70 Jahre nach Diktatur und Krieg in Freiheit und Frieden. Wir können uns kaum vorstellen, dass es anders sein könnte. Dabei ist klar: Auch heute setzen Menschen ihr Leben ein. In vielen Ländern ist es lebensgefährlich, seine Meinung zu sagen, Unrecht anzuklagen oder auch seinen Glauben zu leben. In vielen Ländern sind heute Recht und Freiheit bedroht, Länder, die lange als gefestigte Demokratien galten. Da ist jedes Engagement wertvoll und gefährlich.
Wir haben nicht das Ziel, unser Leben zu opfern. Schon die Christen der ersten Jahrhunderte wehrten sich gegen Leute, die sich zum Martyrium hin drängten.
Jesus verlangt nicht von uns, dass wir freudlos und gequält dem Leben entsagen. Das ist wohl heute auch nicht unsere Gefahr. Von Natur aus sind wir eher egoistisch und bequem.
Und doch können wir Menschen so großzügig sein, so liebevoll und selbstlos handeln. Jesus sieht und freut sich, wenn wir aus freiem Herzen geben, ohne Angst zu kurz zu kommen. Viele Menschen schenken sehr viel und sind glücklich dabei, reich: Menschen, die jemanden pflegen oder treu immer wieder besuchen. Ehrenamtliche in   den Gemeinden, in Vereinen, in der Hilfe für Flüchtlinge. Menschen, die sich in ihrem Beruf mit ganzem Herzen einsetzen, weit über den Dienst nach Vorschrift hinaus. Die viel gescholtenen Politiker haben Achtung verdient, dass sie zu der schweren Aufgabe bereit sind – und sie sollten einander mehr Achtung zollen. Viele wären noch zu nennen, die für andere arbeiten, Ärger aushalten, auch beten. Sie geben etwas, manchmal sehr viel, von ihrem Leben.
Hingabe ist ein anderes Wort für Liebe. Liebe befreit uns zu schenken und auch über uns hinaus zu wachsen.
Sie gab ihr ganzes Leben. Jesus sieht die Gabe der armen Witwe und er freut sich über sie und schätzt sie hoch.
Wie gut, dass Jesus uns so besonders ansieht. Wie schön, dass er uns so viel Achtung und Aufmerksamkeit schenkt.
Jesus sieht uns liebevoll an.
Gott freut sich über uns.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Predigt am 12.3.17 von Andreas Hansen über Mk6,30-32

Ökumenischer Taizé-Gottesdienst

Viele von uns haben einen vollen Terminkalender. Die Kinder gehen nicht nachmittags einfach raus zum Spielen, sondern sie haben Musik und Sport und vieles andere und am Wochenende Turniere. In den Familien wird die Woche durch Kalender mit fünf Spalten, für jeden eine, gemanagt, damit man alles unter einen Hut bringt. Die Rentner reden vom Unruhestand. Und ebenso alle anderen, besonders schlimm wir Pfarrer.
Wir sind in Zeitnot. Darauf sind wir auch ein wenig stolz. Das macht und wichtig, unentbehrlich. Aber es belastet uns auch. Viele werden krank von der ständigen Hektik. In immer kürzeren Zyklen beschleunigt sich unser Leben. Die Ansprüche im Berufsleben steigen. Wir müssen immer neu dazulernen. Uns plagt die Angst, nicht Schritt halten zu können.
Eine Unmenge von Informationen dringt auf uns ein. Ständig signalisiert das Smartphone neue Nachrichten. Was von dem, was wir da hören und sehen, ist vertrauenswürdig? Was ist Fake, Lüge? Verwirrend.

Ich lese drei Verse aus dem Markusevangelium, eine kleine Episode am Rande. Sie fällt kaum auf, denn danach kommt eine spektakuläre Geschichte. Aber diese drei Verse sind wie für uns geschrieben: Mk 6,30-32
Die Apostel kamen wieder bei Jesus zusammen und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo ihr euch ein wenig ausruhen könnt.« Denn es war ein ständiges Kommen und Gehen, sodass sie nicht einmal Zeit zum Essen fanden. Sie fuhren also mit einem Boot an einen einsamen Ort, um allein zu sein.

Hätten Sie diese Reaktion von Jesus erwartet? Oder gewusst, dass dies im Evangelium steht? Ich war auch überrascht, denn ich habe diese Verse lange einfach überlesen. Schon damals herrscht Hektik. Nicht einmal Zeit zum Essen haben sie. So gefragt sind Jesus und seine Jünger. Jesus sieht, wie seine Jünger strahlen und sich freuen. Aber er sieht auch das andere. Jesus hat diesen wunderbaren Blick, dass er weiß, was in den Menschen vorgeht und wie es um sie steht. Er sieht auch ihre Erschöpfung, ihre Angst, ihre Leere. Er lässt sie erzählen von dem, was sie getan und erlebt haben, von Erfolgen und schönen Begegnungen, auch von Mühe, Frust und Zweifeln. Dann sagt er: »Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo ihr euch ein wenig ausruhen könnt.«
Jesus verordnet eine Pause. Jesus ist unser Verbündeter gegen Überlastung und Nicht-nein-sagen-Können, gegen die Selbstüberforderung  und die Angst nicht zu genügen.
Jesus selbst nimmt sich immer wieder Zeit. Er geht an einsame Orte. Es gäbe so viel zu tun. Aber Jesus macht Pause.
Oder Zeit miteinander: Jesus isst und trinkt und feiert mit anderen. Das Festessen ist für ihn ein Bild des Gottesreiches. Seine Gegner beschimpfen ihn als Fresser und Weinsäufer.
Jesus lebt im Rhythmus von Alltag und Sabbat. Der Sabbat ist heilig. Freie Zeit ist Gottes Gebot. Zeit für den Gottesdienst, Zeit auszuruhen, nachzu-denken, miteinander zu reden, zu genießen, zu spielen. Der Sabbat, für uns der Sonntag, ist ein wunderbarer Schatz, eine heilsame Unterbrechung von Gott geboten, damit wir zu uns kommen.
Wir leben nicht aus uns selbst, nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigenem Mühen. Es ist geschenkt: das Leben, die Zeit unseres Lebens. Wir leben aus der Fülle, die Gott uns schenkt. Für uns ist gesorgt.
Täglich üben wir, uns beschenken zu lassen, unser ständiges Tun und Rennen zu unterbrechen, uns bewusst zu machen, dass Gott uns das tägliche Brot, ja dass er jeden Atemzug schenkt. Wir leben aus seiner Fülle. Und mindestens am Sonntag hören wir auf Jesus: „Ruht aus!“
Er steigt mit seinen Jüngern ins Boot und zugleich steigt er aus den Anforderungen aus: Wir dürfen einfach sein, ohne jede Leistung.
Jesus fährt mit ihnen an einen einsamen Ort – gemeinsam sind sie allein, jeder für sich und doch in der Gemeinschaft. Wir brauchen beides: die Stille, das ganz für uns selbst zur Ruhe Kommen,  und die Gemeinschaft derer, die miteinander glauben. Ganz allein vertrocknet unser Glaube.
Wir werden den Anforderungen unseres Lebens und der Hektik unseres Alltags viel eher gerecht, wenn wir uns unterbrechen lassen und zur Ruhe kommen. In der Stille und im Hören auf Gott finden wir Orientierung mitten in der Aufgeregtheit und Unruhe unserer Zeit.

“Du hast angefangen!” – “Nein, du!” Predigt über 1.Mose 3

Predigt am 5.3.17 von Andreas Hansen über 1.Mose 3,1-21

Invokavit - erster Sonntag der Passionszeit

Text: 1.Mose 3,1-21

„Du hast angefangen – nein, du“. Wie die kleinen Ungeheuer aus dem Kinderbuch schieben wir einander die Schuld zu. Schon als Kinder im Sandkasten haben wir es so gemacht. Das ist fast ein Reflex. Geschwister, Kollegen, Ehepartner drehen einander beleidigt den Rücken zu. Wir schreiben in Gedanken das Schuldregister des anderen. Wir rechtfertigen unseren Groll gegen ihn und wehren uns gegen Vorwürfe. Oder wir schimpfen laut über die anderen und bezichtigen sie der Schuld.
Bis zur Lächerlichkeit sind wir blind für unsere eigenen Fehler. Wir fangen im Sandkasten an und sind selbst in politischen Beziehungen nicht besser. Die Türkei bekämpft die freie Presse und dann empören sich türkische Politiker über uns und berufen sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung, weil ihre Propaganda für ein diktatorisches System bei uns nicht willkommen ist.
„Wer ist schuld?“ – die Frage führt meistens nicht weiter, sondern blockiert. Kommt es zum Streit oder werden wir angegriffen, dann sind wir ganz schnell wieder wie die kleinen Kinder: „du bist schuld“, „du hast angefangen“, „ich war´s nicht“, „du bist auch nicht besser“.
So sind wir.
So sind wir Menschen schon immer.
Unser Predigttext, 1.Mose, Genesis 3, gehört eigentlich zusammen mit dem zweiten Kapitel über die Erschaffung des Menschen. Gott formt den Menschen aus Erde und haucht ihm Leben ein. Er gibt ihm mitten in der feindlichen Wüste einen fruchtbaren Garten. Er gibt ihm sinnvolle Arbeit. Er schenkt ihm die Gemeinschaft mit dem Menschen, der zu ihm gehört, seiner Frau. Sie ist sein Gegenüber, in dem er sich selbst erkennt, durch den er erst ein ganzer Mensch wird. So sehr kümmert sich Gott um den Menschen und geht auf ihn ein.
Gott gibt dem Menschen auch Freiheit, dass er sich für ein Leben in Gottes Sinn entscheide. Gott gibt ihm eine Ordnung, ein gutes Gebot. Der Mensch soll antworten auf Gott, er soll   ver-antwortlich sein.
Die Autoren der Bibel spielen mit dem alten Mythos. Sie verwenden die alten Geschichten, aber es geht ihnen nicht um das, was vor langer Zeit war, sondern um heute. Mit einem Augenzwinkern erzählen sie von Gott, der im Abendwind im Garten spazieren geht. Jeder lacht über so einen Onkelchen-Gott, vor dem Adam und Eva sich im Gebüsch verstecken. Können die Menschen etwa Verstecken spielen mit Gott? Nein, sie verstecken sich voreinander und am meisten vor sich selbst. „Du hast angefangen. Nein du, ich kann nichts dafür.“
Aber Gott fragt nach uns: „Wo bist du, Adam?“
Natürlich kennt Gott uns und durchschaut das Spiel: „Wo bist du, Mensch? Komm aus deinem Versteck! Steh zu dem, was du tust! Frei bist du geschaffen. Du sollst entscheiden. Du darfst auch Fehler machen. Aber die Folgen musst du tragen, mit der Schuld musst du leben. Versteck dich nicht!“
Adam will sich selbst dann noch drücken, als Gott seinen Fehler offensichtlich schon ent-deckt hat: „die Frau gab mir zu essen, die Frau, die du mir zugesellt hast“ – er macht indirekt Gott verantwortlich. „Du hast mir schließlich die Frau gegeben. Ohne die wäre alles gut.“
Wie verlogen und wie feige ist der Mensch!
Da betrügt ein französischer Präsidentschafts-kandidat den Staat um Hunderttausende und will einfach weiter machen, als sei nichts geschehen. Wir reden uns heraus. Wir schummeln uns durch.
„Ein Fahrverbot für alte Dieselautos? Aber das kann doch nicht für mich gelten.“
„Dass jemand für uns schwarz arbeitet – ach, das ist doch nicht so wild, das machen doch alle.“ Wir zeigen mit dem Finger auf das Fehlverhalten der anderen, zB der Politiker, und haben für uns selbst immer eine Entschuldigung parat.
Der liebe Gott sagt schon nichts – meinen wir.
Aber das wäre eine falsche Liebe, die gleich-gültig alles geschehen lässt und keine Grenzen zeigt. Gott fragt nach uns: „Wo bist du? Was machst du?“ Er lässt uns entscheiden, aber es ist ihm nicht gleichgültig was wir machen, ob wir anderen wehtun, oder ob wir Unrecht tun.
Adam und Eva bedecken ihre Blöße mit Feigenblättern. Sie verstecken sich, weil sie nackt sind. Ihre Scham bezieht sich nicht auf das Nacktsein oder die Sexualität. Ich meine, sie schämen sich, weil sie ihren Fehler, ihre Schuld nicht mehr verstecken können. Sie sind durchschaut – sie durchschauen auch sich selbst – darum schämen sie sich.
Adam und Eva sind der Mensch wie er und wie sie schon immer war, wie wir sind. Gott hat den Menschen frei geschaffen. Wir müssen uns entscheiden. Damit können wir uns auch zum Schlechten entscheiden, auch gegen Gott.
Der Ursprung des Bösen liegt darin, dass der Mensch sein will wie Gott. Er will niemand anderes zum Maßstab haben als sich selbst. Er will machen, was er will. Seine Ziele, seine Bedürfnisse setzt er durch. Enge Verwandte des Bösen sind die Gier und der Größenwahn.
Eine Schlange ist gar nicht nötig. Sie spricht nur ganz unverschämt aus, was Eva und Adam ohnehin schon dunkel fühlen. Wir selbst sind es, die ganz elementar Gott widersprechen und uns gar zu Richtern über Gott machen. Wir wollen keine Grenzen akzeptieren. Wir verwechseln Freiheit mit Unverbindlichkeit. Wir dürfen uns entscheiden, aber wir müssen Verantwortung für unsere Entscheidung tragen.
Was Adam und Eva tun, verändert die Welt.
Wir entscheiden, ob das Leben unter allen Umständen zu schützen ist, oder ob ein unheilbar kranker, schwer leidender Mensch sein Leben beenden darf. Es kann jeden von uns treffen, dass wir über Leben entscheiden müssen.
Wir entscheiden, ob wir weiter auf grenzenloses Wachstum setzen oder uns ändern. Jeder von uns hat mit seinem Verhalten Anteil an der Entscheidung.
Gott bewahrt uns nicht vor den Folgen unseres Handelns. In unseren Beziehungen erleben wir das ganz direkt: Die Ehe steckt bald in der Krise, wenn ein Partner rücksichtslos macht, was er will. Die Freundschaft ist bald vorbei, wenn ich mich auf den anderen nicht verlassen kann.
„Adam, wo bist du?“ Gott will, dass wir gleichsam erwachsen werden, verantwortlich, bereit auch unsere Schuld zu sehen.  Er fragt uns: „Wo bist du, Mensch? Lebst du verantwortlich vor mir, verantwortlich mit deinen Mitmenschen, verantwortlich mit den Gaben, die dir anvertraut sind?“
Da stehen Adam und Eva und schämen sich. Gott zeigt ihnen die Folgen ihrer Entscheidung und schickt sie aus dem Garten fort. Sie haben sich gegen ihn entschieden.
Aber Gott sorgt dennoch für seine Menschen. Er schützt er sie und gibt ihnen Kleidung. Das ist ein wunderschönes Zeichen: Der schuldbeladene, sich schämende Mensch darf sich aufrichten. Gott schützt ihn dennoch. Er wird wieder und wieder nach ihnen fragen. Gott wird seinem Volk immer wieder einen Neuanfang schenken: Gott ist bereit zu vergeben. Gott fragt nach uns.
Gott erträgt uns.
Gott sehnt sich nach uns, dass wir bereit sind zu antworten. Amen

gute Samen, schöne Frucht – Predigt über Mk 4,26-29

Predigt am 19.2.17 von Andreas Hansen über Mk4,26-29

Vor der Predigt singen wir EG 586, es ist ein Wort ergangen

Was ist das für ein Wort, von dem wir gesungen haben? Ein Wort, das der Welt Verlangen stillt. Ein Wort, das alle glücklich macht. Ein starkes Wort. „Künd auf der ganzen Erde, dass Gott ihr Herre sei, dass sie auch Gottes werde und andrer Herren frei.“ Dies Wort spricht frei von falschen Herren. Wie klingt das für Menschen in Ländern ohne Presse- und Meinungsfreiheit? Ein freies Wort wenn die Mächtigen Lügen, Fake-News verbreiten.
Evangelium heißt das Wort, frohe Botschaft. Jesus sagt dazu: „Gottes Reich kommt.“ Sein Wort lässt die Augen glänzen. „Wann kommt es endlich, Gottes Reich?“ Unfreiheit, Armut und Not plagen viele Menschen in Israel. Zur Zeit des Evangelisten Markus ist das Land dazu noch von Krieg verwüstet. Aber Gottes Reich kommt. Gott regiert.

Hören wir den Predigttext, Mk 4,26-29:

Und Jesus sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Jetzt sieht man bei uns viele frisch gepflügte Äcker. In großen Brocken liegt die braune Erde. Der Boden ist noch kalt. Dennoch wird gesät. Es dauert Monate, aber von selbst – automatä heißt es auf Griechisch – automatisch wächst der Weizen.
Weizen ist Luxus in der schweren Zeit. Die meisten können sich nur Gerstenbrote leisten. Wunderschön ist ein reifes, wogendes Weizenfeld. Das sehen die Zuhörer vor sich, wenn Jesus von Gottes Reich erzählt. Sie wissen wie man sät, wie die Pflanzen sprießen, wachsen und reifen. Sie sehen das herrliche Weizenfeld, wo vorher die kahle Erde war. So wunderbar ist Gottes Reich.

Letzten Sonntag haben wir mit den Konfirmanden über den Himmel nachgedacht. Der Himmel ist ein anderes Wort für das Reich Gottes – was sehen Sie da vor sich?
Glückliche, freie Menschen Hand in Hand? 
Menschen, die Krieg, Bosheit und Not  hinter sich gelassen haben?
Ein Fest: Tanzende, lachende Menschen?
Noch mehr Bilder fallen uns ein – vielleicht auch keine Bilder, sondern einfach das Gegenteil von dem, was uns bedrängt und Angst macht.
„Das Gottesreich ist wie wenn einer sät, und dann wächst die Saat von allein, der Halm, die Ähre, dann die volle Frucht, reif zur Ernte.“
Damals und heute erfährt Jesus Widerspruch: „Jesus, das sind schöne Bilder, zu schön, um wahr zu sein! Was hat das denn mit uns zu tun? Du träumst. Erzähl uns nichts vom Reich Gottes oder vom Himmel! Wir leben hier und jetzt. Das ist schwierig genug.“
Die Saat wird gesät und dann wächst der Weizen von allein. Dazu meint ein Landwirt: „Meinst du, dann kann ich mich auf die faule Haut legen? Du hast ja keine Ahnung. Vierzehn-Stunden-Tage sind bei mir die Regel. Auch am Sonntag steh ich um halb sechs im Stall. Bei den Marktpreisen kommt kaum etwas rum. Dazu die ganzen Vorschriften, die wir einhalten müssen. Trotzdem möchte ich nichts anderes machen als meinen Beruf. Ich bin draußen und sehe, wie alles wächst. Ich erlebe meine Tiere. Das brauche ich.“
Die Saat wird gesät und dann kommt: die Beamten-pension. Dazu meint ein Lehrer: „Ich hab schon manchmal gedacht, es wird mir zu viel. Da sind die Schüler, die zuhause nur Chaos erleben, die völlig  unkontrolliert am Computer sitzen – was die da alles sehen! Da sind die unerzogenen Kinder, denen die Eltern einfach keine Grenze setzen. Noch dazu die Eltern selbst. Aber trotzdem wollte und will ich diesen Beruf. Es ist einfach wunderbar, die Kinder zu erleben, wie sie sich entwickeln.“
Ich könnte noch von der Polizistin erzählen, vom Hausmeister, der Unternehmerin, dem Arzt und dem Altenpfleger, ebenso von Schülern, Studenten, Künstlern, Technikern, Politikern, Wissenschaftlern, nicht zu vergessen alle Eltern und Großeltern, dazu die, die alt sind und auf ihr Leben zurückschauen. Ich müsste von allen erzählen, die sich in ihrem Beruf, ihrem Ehrenamt, ihren Familien mit ganzem Herzen einbringen – das sind eigentlich: wir alle. Jede und jeder von uns kann sein Leben, seine Herausforderungen und Freuden mit dem Gleichnis Jesu verknüpfen.
Jesus erzählt und er will uns die Augen öffnen. Unser Leben wird durchsichtig für Gottes Reich.
Da entdecken wir, was uns trotz aller Mühen glücklich macht, was wir lieben und liebevoll tun, auch wenn uns manches zu viel wird. Wir sehen, was hier und da Gemeinschaft und Frieden und Hoffnung wachsen lässt.
Gott legt gute Samen in uns.
Wir machen uns nichts vor. Wir leben nicht in einer heilen Welt. Wir erleben Ärger im Beruf. Unrecht geschieht und wir müssen es hilflos ertragen. Wir streiten und tun sogar denen weh, die wir eigentlich lieb haben. Die Welt ist überschattet von Konflikten, von Gewalt, Unterdrückung und Not.
Aber mitten in dem, was uns bedrängt, lässt Gott Gutes wachsen. Wie Weizen geht es auf: Jemand hat Verständnis für mich. Ich erfahre unerwartet Freundlichkeit. Ich kann mit Humor auf einen Fehler reagieren. Ich bewundere das, wenn ich höre, wie großartig Menschen handeln können: In Aleppo, wo nur noch Chaos herrschte und keine Klinik mehr arbeiten konnte, gab es immer noch Leute, die sich der Gefahr aussetzten, um Verletz-ten zu helfen. Ich bewundere auch die Diplomaten, Politiker, Aktivisten, die nicht aufhören, um Frieden zu ringen, die Friedensstifter, die nicht aufgeben.
Gott sät gute Samen aus.
Und dann heißt es warten. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Aber es wächst. Ganz bestimmt wird wachsen, was Gott sät.
Jesus widerspricht uns, wenn wir die Zukunft nur in düsteren Farben malen.
Da kommt in mein Leben Gutes von Gott, wie Samen ausgesät, unscheinbar klein vielleicht, aber es wird wachsen; Gott wird mein Leben vollenden.
Manchmal höre ich von schweren Lebenswegen. Da hat jemand Leid und Unrecht ertragen müssen. Oder da gibt es in einer Familie, in einem Leben eine belastende Schuld. Aber auch für dieses Leben gilt: Gott wird Gutes ernten. Gott macht unser Leben gut. Auch wer jetzt mit leeren Händen dasteht, bei dem wird Gott Gutes ernten.
Und auch für unsere Welt mit ihren ungelösten Konflikten, mit all der Lüge, Gemeinheit und Gier, auch für unsere Welt gilt das Gleichnis. Gottes Reich kommt. Gott regiert. Gott sät Gutes aus.
Christen aus aller Welt schrieben 1984 in Vancouver das Bekenntnis: „Mitten in Hunger und Krieg feiern wir, was verheißen ist: Fülle und Frieden.
Mitten in Drangsal und Tyrannei feiern wir, was verheißen ist: Hilfe und Freiheit.
Mitten in Zweifel und Verzweiflung feiern wir, was verheißen ist: Glauben und Hoffnung.
Mitten in Sünde und Hinfälligkeit feiern wir, was verheißen ist: Rettung und Neubeginn.
Mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, feiern wir, was verheißen ist durch den lebendigen Christus.“
Dies Vertrauen will Jesus in uns wecken. Er spricht von Gottes Reich. Er malt uns vor Augen, wie es wächst und reift. Wir feiern schon jetzt, worauf wir warten und hoffen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Gott der Freiheit, oder: Heraus aus der Komfortzone, Predigt über 2.Mose 3,1-14

Predigt am 5.2.17 von Andreas Hansen über 2.Mose 3,1-14

Noch bevor wir dich suchen, bist du bei uns.
Bevor wir deinen Namen kennen, bist du schon unser Gott.
Öffne unsere Herzen für das Geheimnis, in das wir aufgenommen sind: Dass du uns zuerst geliebt hast und dass wir glücklich sein dürfen mit dir.
Nicht weil wir gut sind, dürfen wir uns dir nahen, sondern weil du Gott bist. Amen (das Gebet ist zB im Gotteslob 6.1. zu finden)

Gott, der uns liebt, das ist die Mitte.
Alles, alles tut Gott dafür, dass sein Volk leben und frei sein kann. Er rettet sie. Er befreit sie. Und will nichts lieber, als dass sie ihm vertrauen.
Das ist die zentrale Botschaft des jüdischen wie des christlichen Glaubens. Gott will, dass wir frei sind, denn er liebt uns.
Heute hören wir als Predigttext, wie Gott sein Volk befreien will und wie er Mose dafür ruft.

Exodus 3,1-14

Mose wird später zur zentralen Gestalt Israels, ein Held, ein Religionsführer – man spricht gar von der mosaischen Religion. Aber noch ist er ahnungslos wie ein Schaf. Er will mit Gott lieber nichts zu tun haben und ist keineswegs ein Held. Das Gespräch geht noch weiter und Mose versucht nach Kräften sich vor der Aufgabe zu drücken. Aber Gott will sein Volk befreien – da gibt es keine Widerrede. Dieser zögernde, zweifelnde Mose ist uns nah. Und Gott will auch durch uns seine Güte und seine Freiheit weitergeben.

„ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land“
Sie sollen frei sein? Unvorstellbar für Mose  und unvorstellbar für das Volk.
So sind wir. Wir glauben viel leichter, dass alles so bleibt wie es ist. So ist es halt: die einen sind begabt und haben Chancen, die anderen nicht. Die einen sind in einem reichen Land geboren, viele anderen haben nur das Nötigste oder weniger als das. Die einen haben Glück, die anderen Pech. So war es schon immer. Und es ändert sich nicht. Man kann nichts machen. Finden wir uns damit ab!
“ein gutes, wetes Land” – Lange haben Amerikaner bei dem guten, weiten Land der Freiheit an ihr Land gedacht. Sie nennen es stolz „Gods own country“. Aber jetzt will dieses Land sich einmauern.
Wir Europäer sind nicht besser. Wir errichten Grenzen und wollen uns die Not der Welt vom Hals halten. Die Mauerparteien feiern Erfolge in ganz Europa, auch bei uns und übrigens auch besonders schlimm im heutigen Israel.
Gott will sein Volk retten vor dem Unrecht und sie in die Freiheit führen. Er ist ein Gott der Hoffnung und des Aufbruchs und der Freiheit.
Aber wir fürchten die Freiheit, ich glaube sehr viele von uns tun das.
„Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ Mit Händen und Füßen wehrt sich Mose gegen den Auftrag, der ihn aus seinem bisherigen Leben reißen wird. Murrend und zutiefst misstrauisch wird ihm das Volk folgen und dabei immer wieder jammern: „Wären wir doch nur in Ägypten geblieben, da ging es uns doch gut!“ 
Sind wir wirklich so ängstlich, dass wir uns unsere Mauern auch noch schön färben?
Auf unserer Konfi-Freizeit haben wir ein wenig von der Kirche des Mittelalters gesehen: sie war in weiten Teilen nur an Macht interessiert und zwang die Menschen in Ängste und Abhängigkeit.
Selbst die Kirche liebte -und liebt?- die Unfreiheit.
Jesus war ein freier Mensch.
Er hat Menschen von Leid und Verachtung befreit. Er hat anders, als seine Zeitgenossen, Frauen und Kinder geachtet und Kranke nicht ausgegrenzt. Er hat sich nicht in den Streit seiner Zeit hineinziehen und instrumentalisieren lassen. Selbst den verhassten Römern und den Andersgläubigen konnte er Gutes tun. Jesus hat vor allem Gott, den barmherzigen Vater verkündet. Und darum haben sie ihn gefürchtet und aus dem Weg geräumt.
Die Freiheit, in die Gott sein Volk führen will, ist eine Herausforderung. Gott hat seine liebe Mühe, Mose zu überzeugen und dann das bockige Volk zu leiten.
Die Freiheit Jesu stellt uns infrage.
Immer wieder stößt er an unsere Grenzen, unseren Unwillen uns zu verändern, unsere Ängste, unseren Egoismus.

„Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihre Klage gehört.“ Gott sieht und hört, was uns Menschen bedrängt.
Wenn wir am Krankenbett eines geliebten Menschen stehen und nicht helfen können und bald verzweifeln. Wenn wir mit unserem Leben nicht zurechtkommen, überfordert sind und nicht weiter wissen. Wenn wir streiten und uns wehtun und Beziehungen zerbrechen. Es geschieht wohl kein Wunder, dass alles wieder gut ist. Auch die Frage nach dem Warum bleibt. Aber Gott ist da bei uns. Wir sind mit unserem Elend nicht allein.
Gott sieht und hört die zahllosen Opfer von Krieg und Gewalt. Er sieht die verfolgten Christen im Irak und die unterdrückten Muslime in Myanmar. Er sieht die Not der Menschen, denen das Nötigste fehlt und das Leid der Flüchtlinge.
Gott ist keineswegs weit weg und unberührt vom Leid. Gott sieht und hört und leidet mit. In Jesus trägt er selbst das Leid, die Zerrissenheit und Sünde der Welt, auch den Tod.
Gott ist parteiisch für die Opfer. Er will sie retten und befreien. Darum ruft er Mose.

Gott ist uns fremd.
Wir meinen meistens, dass wir sehr gut ohne Gott auskommen. Wir können auch ohne Gott rechte Menschen sein. So ist unser Bewusstsein. So leben wir.
Und so ist auch Mose. Bis Gott ihn anspricht.
Was in dieser Begegnung geschehen ist, bleibt geheimnisvoll, die Stimme aus dem brennenden Dornbusch. Es geschieht etwas mit Mose. Er wird zu einem Menschen, der Gott hört, mit ihm redet.
„Wer bin ich?“ fragt Mose. Eine moderne Frage. Wer bin ich? Was kann ich tun? Was zählt in meinem Leben? – so kann ich fragen, wenn die Konflikte in der Welt oder ganz nah in meinem Leben zu groß werden. Wer bin ich, wenn das Leben durcheinander gerät? Wer bin ich in der Tiefe von Leid und Angst? Gott antwortet Mose und uns: „Ich will mit dir sein.“ Gott geht mit seinem Volk und mit uns durch alles hindurch.
Mose fragt weiter: „Wer bist du, Gott? Wie ist dein Name?“ Für Israel ist der Name Gottes heilig. Mit großer Ehrfurcht wird er umschrieben. Juden sagen der Ewige. Gott erklärt seinen Namen: „Ich bin, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde. Ich bin immer für euch da.“
Gott verspricht Mose seine Treue.
Gott bleibt seinem Volk und uns Menschen treu.
Ich bin, der ich bin. Gott ist da für uns.
Wir hören, wie Gott es mit uns meint, dass er uns Menschen frei will, dass er uns Leben und Würde schenkt und auf unsere Antwort wartet.

Heinrich Albertz, Pfarrer und zeitweise Bürgermeister in Berlin, schrieb zu dieser Stelle: „Die Urgeschichte des Mose ist keine christliche Geschichte. Aber wer dächte beim Lesen von 2.Mose 3 nicht an die anderen Hirten und an das noch viel hellere Licht? Da hat Gott einen Namen, den Namen eines Kindes. Da beginnt noch mehr zu brennen als ein Busch. Vielleicht ist die Freiheit der Kinder Gottes, der Gefährten Jesu eben dies: zu brennen und nicht zu verbrennen.“
Jesus nimmt uns hinein in Gottes Versprechen an sein Volk. Er führt uns hinein in die Freiheit der Kinder Gottes. Und er sagt zu uns: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.

Noch bevor wir dich suchen, bist du bei uns.
Bevor wir deinen Namen kennen, bist du schon unser Gott.
Öffne unsere Herzen für das Geheimnis, in das wir aufgenommen sind: Dass du uns zuerst geliebt hast und dass wir glücklich sein dürfen mit dir. Nicht weil wir gut sind, dürfen wir uns dir nahen, sondern weil du Gott bist. Amen

Mt 14,22-33 Predigt am 29.1.17

Predigt am 29.1.17 von Andreas Hansen über Mt 14,22-33

Neustart - Gottesdienst für alle, die Neues beginnen oder begonnen haben

Mt 14,22-33 Nun drängte Jesus die Jünger, unverzüglich ins Boot zu steigen und ihm ans andere Ufer vorauszufahren; er wollte inzwischen die Leute entlassen, damit sie nach Hause gehen konnten. Als das geschehen war, stieg er auf einen Berg, um ungestört beten zu können. Spät am Abend war er immer noch dort, ganz allein. Das Boot befand sich schon weit draußen auf dem See und hatte schwer mit den Wellen zu kämpfen, weil ein starker Gegenwind aufgekommen war. Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jüngern; er ging auf dem See. Als sie ihn auf dem Wasser gehen sahen, wurden sie von Furcht gepackt.  »Es ist ein Gespenst!«, riefen sie und schrien vor Angst. Aber Jesus sprach sie sofort an. »Erschreckt nicht!«, rief er. »Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.« Da sagte Petrus: »Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!« – »Komm!«, sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser auf Jesus zu. Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er begann zu sinken. »Herr«, schrie er, »rette mich!« Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest. »Du Kleingläubiger«, sagte er, »warum hast du gezweifelt?« Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm legte sich. Und alle, die im Boot waren, warfen sich vor Jesus nieder und sagten: »Du bist wirklich Gottes Sohn.«

Liebe Gemeinde,
kann man erklären, was da geschehen ist?
Muss man das glauben?
Ich weiß nicht, was wirklich geschehen ist. Aber vieles in der Welt und in meinem Leben kann ich nicht verstehen. Gerade die wichtigsten Fundamente, Liebe, Vertrauen, Hoffnung entziehen sich dem Verstehen. Und diese Geschichte spricht auch die dunkle Seite an: die Angst und die Erfahrung zu versinken, zu scheitern, enttäuschter Glaube.
Matthäus schildert und betont das Unerklärbare, das Wunder. Er antwortet auf seine Gemeinde damals in ihrer Angst unterzugehen.
Kennen Sie das Siegel unserer Gemeinde? Es zeigt ein Boot mit einem Kreuz als Mast.
Oder das fröhliche Logo der Kinder-Kirche. Mit Jesus im Boot unterwegs.
Das Boot wurde schon immer als Symbol für die Kirche verstanden. Wir schauen nur nicht immer so fröhlich drein wie die beiden Kinder.
Der Wind bläst der Kirche kalt ins Gesicht. In fast jeder Sitzung des Ältestenkreises müssen wir Kirchenaustritte bekannt geben. In aller Regel kennen wir die Gründe nicht. Da ist einfach kein Bezug zur Gemeinde, kein Interesse an dem, was uns als Kirche wichtig ist.
Am letzten Wochenende hatten wir eine  schöne  Konfi-Freizeit. Es ist jedes Jahr schade, dass  die Konfirmanden nach ihrer Konfirmation großenteils den Kontakt verlieren. Ich hoffe aber, dass Ihr nicht vergesst: Jesus ist mit uns im Boot. Er ist da.
Unser Lebensschifflein erfährt Gegenwind und manchmal wird es ein richtiger Sturm. Unglück und Leid bringen uns an die Grenze. Streit und Unrecht erschüttern uns. Eine Enttäuschung macht uns fertig. Trennung und Abschied deprimieren uns. Ein Neustart bedeutet oft auch eine Krise. Wir müssen mit Herausforderungen fertigwerden. Wir brauchen Kraft für das Neue und haben uns zugleich noch nicht ganz vom Früheren gelöst.
Die Zeiten sind stürmisch. Was sich da an politischer Großwetterlage zusammenbraut, sieht ungemütlich aus. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist ein neuer Präsident. Er macht die Gesundheitsreform seines Vorgängers rückgängig, lässt Öl-Pipelines durch das Gebiet der amerikanischen Ureinwohner bauen. Und wenn ihm die Zahlen der Zuschauer bei seiner Vereidigung zu niedrig scheinen, lässt er „alternative Fakten“ präsentieren. Ist er sich dessen bewusst, was er tut? Wohin steuert er?
Auch in Europa und bei uns frischt der Wind auf. Viele Ängste kommen hoch. Angst vor Attentaten, Angst vor einem neuen Rechtsradi-kalismus, Angst überhaupt vor der Zukunft, weil alles so unübersichtlich scheint. Wohin steuern wir?

Matthäus schreibt für Christen, die unter Druck stehen, die Anfeindung und Verfolgung erleben. Sie erkennen sich wieder in dieser Geschichte.
Gerade noch hatten die Jünger das Wunder erlebt, dass Jesus Tausende satt gemacht hat. Dann drängt er sie in ihr Boot – gleichsam in die raue Wirklichkeit zurück. Er selbst geht auf den Berg. Sie sind allein. Vergessen ist die schöne Erfahrung.
Da holt uns ein, was uns plagt. Wir verzweifeln darin, als hätten wir keinen Gott, als müssten wir ganz allein unsere Last bewältigen. Jesus gerät aus dem Blick. Wir sind ganz mit uns selbst beschäftigt.
Als Jesus dann zu ihnen kommt, erschrecken sie vor ihm und fürchten sich. Sie schreien vor Angst. Sie können ihn nicht erkennen. Jesus ist für sie einfach nicht wirklich.
Wir können von unserem Erleben so gebannt sein, dass Jesus und dass Gott uns nichts bedeuten, leere Worte ohne eine Wirklichkeit.
Jesus spricht sie an: „Erschreckt nicht. Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“

Und nun kommt die seltsame Szene mit Petrus. „Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen.“ Wenn du es bist. Petrus zweifelt. Aber er will es wissen.
„Bist du es? Kann ich dir vertrauen?“ Obwohl er Jesus vor Augen hat, zweifelt und zögert er. Wie viel schwerer ist es für uns oft zu vertrauen. Ein paar Schritte geht Petrus. Dann dreht er sich um, sieht wieder den Sturm und versinkt.
„Herr, rette mich!“ Endlich glaubt Petrus. Endlich lässt er sich von Jesus packen und ins Boot ziehen. Endlich ist Jesus für ihn so wirklich wie der Sturm, nur stärker: „Herr, rette mich!“
Matthäus schreibt für seine Gemeinden damals und für uns, wenn unser Glaube den Stürmen ausgesetzt ist. Er schreibt voller Anspielungen.
Jesus selbst wird schreien: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Er kennt die Angst, wenn nur noch der Sturm vor Augen ist und Gott fern und unwirklich. „Erschreckt nicht. Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“ Genauso begegnet Jesus seinen Jüngern nach Ostern. Selbst dann werden einige zweifeln. Auch dann werden sie nicht verstehen, wenn er sagt: „Mir ist gegeben alle Macht…“ Die Macht des Todes scheint doch so viel wirklicher.
Vielleicht sind wir Petrus darin ähnlich, dass wir Jesu Wort hören und doch immer noch weiter zweifeln. Hoffentlich sind wir Petrus darin gleich, dass wir schließlich glauben, dass Jesus da ist und rufen: „Herr, rette mich!“
„Du Kleingläubiger“, sagt Jesus zu Petrus. Was für ein gnädiges, liebevolles Wort! Denn Jesus nimmt den kleinen Glauben an. Unseren schwachen, kleinen, angefochtenen Glauben schätzt er dennoch.  Jesus weiß ja, wie hart der Gegenwind und der Sturm sein kann, wie verlassen wir sein können. Er weiß, wie dunkel Gott uns erscheinen kann, wie unverständlich, fern und fremd.

Was ist damals wirklich geschehen? Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber am Ende ist die Frage nebensächlich. Unser Verstehen kommt an eine Grenze. Wir wissen: Unser Verstand setzt ja schon aus, wenn wir ein wenig verliebt sind, oder etwas zu viel dem Sturm ausgesetzt. „Du bist wirklich Gottes Sohn“, bekennen die Jünger am Ende. Sie glauben. Sie haben erfahren, wie Jesus sie durch den Sturm trägt. Es bleibt geheimnisvoll, und doch stützen sie ihr Leben auf diese Erfahrung.

Am Ende zählt, dass Gott mein Leben hält. Im harten Gegenwind, in den Mühen des Neustarts, immer hält er mich.Am Ende zählt, dass Jesus bei uns ist. Wie das Kreuz zwischen den fröhlichen Kindern auf dem Kinder-Kirch-Logo.
Und er sagt: „Ich bin da. Fürchte dich nicht!“
Amen