Predigt am 2.4.17 von Andreas Hansen über Röm 8,14-17
Vor der Predigt wird die Motette Jesu, meine Freude von J.S Bach aufgeführt
„Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Freude sein.“ Johann Sebastian Bach singt.
Er ist angegriffen, angefochten. Die Welt tobt. Die Feinde stürmen. Sünd und Hölle schrecken.
Die Sprache, zu der er seine Musik schreibt, ist nicht mehr die unsere, aber wir kennen die Abgründe, in die er sieht: das Böse in der Welt, Schuld und Unrecht, die uns treffen, eigenes Versagen und Schuldigwerden, Leid, Schmerz und Trauer. Wir sind angegriffen. Manchmal gleicht unser Leben einem Kampf.
Bach schaut darum auf Jesus. Er ist angefochten und doch gewiss: „Ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Du bist meine Freude, Jesus. Ich halte mich fest an dir.“
Wir sind nicht allein in dem, was uns angreift. Wir haben einen mächtigen Verbündeten in unserem Kampf. Wir sind fest gemacht, konfirmiert in Jesus Christus und beschenkt mit dem Geist.
Paulus schreibt weiter im Römerbrief:
„Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.“
Wir müssen uns nicht fürchten.
„Jesus hat gelebt und gewirkt für eine Welt ohne Angst.“ In diesen Satz fasst der kürzlich verstor-bene Dichter und Pfarrer Kurt Marti die Bedeutung Jesu. „Jesus hat gelebt und gewirkt für eine Welt ohne Angst.“
Jesus hat Gott nicht als den großen Angstmacher verkündet. Im Gegenteil: Jesus hat den Geängs-teten die Angst genommen. Er hat Gott als Liebe verkündet und den Geduckten Befreiung gepredigt, sie den aufrechten Gang gelehrt. Jesus hat das Reich Gottes angesagt: Eine Welt, in der niemand mehr Grund hat sich zu fürchten.
Wir müssten uns nicht fürchten, und doch …
Wer ist frei von Angst vor Schmerzen oder wenn er selbst oder ein geliebter Mensch von Krankheit bedroht ist, ganz elementare Angst? Was wir uns aufbauen, ist zerbrechlich. Unsere Welt ist vielfältig in Gefahr. Millionen Menschen leiden unter den Folgen von Krieg, Terror, Unterdrückung, dem Klimawandel und der Ausbeutung des Planeten. Sind das nicht Gründe sich zu fürchten?
Und persönliche Ängste beherrschen uns oft: Angst etwas falsch zu machen, zu versagen, nicht gut genug zu sein, Angst vor dem Urteil anderer, Angst zu kurz zu kommen, etwas zu verpassen, Angst vor Enttäuschung, Leid und Tod.
Wir müssten uns nicht fürchten und tun es doch. Aber wir sind in unserer Furcht nicht allein. Jesus in Gethsemane hat Angst vor Leid und Tod. Auch Paulus kennt die Angst. Aber er hält ihr etwas entgegen: ein Grundvertrauen, so tief, wie das Vertrauen eines kleinen Kindes zu seinen Eltern, wie ein Kind, das getragen wird und sich geborgen weiß. „Ihr müsst keine Angst mehr haben, denn der Heilige Geist, den ihr empfangen habt, macht euch zu Kindern, die „Abba, Pappa!“ rufen.“ Solches Vertrauen wirkt der Heilige Geist in uns. Zu solchem Vertrauen befreit uns Jesus.
Nichts in der Welt, keine Macht und nicht einmal der Tod kann uns von der Liebe Gottes trennen, die wir durch Jesus erfahren.
In einem letzten und tiefsten Sinn hat die Angst keinen Grund mehr. Stärker als alles, was uns angreift, ist die Liebe Gottes, die uns hält. Ein Grund-Vertrauen hilft uns aufrecht zu stehen.
„Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.“
Dietrich Bonhoeffer bekennt: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
Oft drückt die Angst uns nieder, aber wir sind Kinder Gottes, Erben, wie Christus. Ohne etwas zu leisten, erben wir: das Leben. Wir sind Kinder Gottes.
Lasst uns üben aufrecht zu gehen und frei zu singen.
Die Gründer der Pulse-of-Europe-Bewegung waren erschrocken vom Brexit-Votum und der Wahl Donald Trumps und darum haben sie begonnen für Europa zu demonstrieren. Sie wollen den Nationalisten nicht das Feld überlassen, die nur maulen und Angst und Hass schüren. Inzwischen stehen sonntags über 40000 Menschen für Europa auf den Straßen. Ein kleine Beispiel, dass wir den verstörenden Nachrichten und denen, die uns einschüchtern wollen, etwas entgegenhalten. Unser Land hat viele ungelösten Aufgaben, Europa und die Welt noch viel mehr. Aber wir haben allen Grund, nicht in Angst zu erstarren und zu resignieren, sondern zu tun, was wir können, um die Probleme zu lösen.
Ein andrer Bereich: die Kirche. Die Kirchen verlieren Jahr für Jahr Mitglieder. Gottesdienste sind schlecht besucht. Der Glaube spielt für viele Menschen keine Rolle. Nur wenige kennen ihren Katechismus oder können ihren Glauben in Worte fassen. Was wird aus der Kirche?
Die Kirche wird sich sicher weiter verändern und wohl nur eine Minderheit am Rand der Gesellschaft sein. Aber wir müssen keine Angst um sie haben. Sie wird so oder anders Kirche Jesu Christi sein, den Glauben verkündigen und feiern und so den Menschen beistehen. Wir singen weiter.
„Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu meine Zier.“ Unserem Herzen mag bange sein, dass wir meinen, wir gehen unter in Schmerz und Angst. Alle Angst müsste doch überwunden sein, und ist manchmal doch so bedrängend nah. Dann sind wir wie gelähmt.
Aber es ist nur ein Schritt, dass wir rufen: „Gott, guter Vater!“, dass wir auf Jesus sehen, dass der Geist uns aufrichtet und wir vertrauen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen