Mt 14,22-33 Predigt am 29.1.17

Predigt am 29.1.17 von Andreas Hansen über Mt 14,22-33

Neustart - Gottesdienst für alle, die Neues beginnen oder begonnen haben

Mt 14,22-33 Nun drängte Jesus die Jünger, unverzüglich ins Boot zu steigen und ihm ans andere Ufer vorauszufahren; er wollte inzwischen die Leute entlassen, damit sie nach Hause gehen konnten. Als das geschehen war, stieg er auf einen Berg, um ungestört beten zu können. Spät am Abend war er immer noch dort, ganz allein. Das Boot befand sich schon weit draußen auf dem See und hatte schwer mit den Wellen zu kämpfen, weil ein starker Gegenwind aufgekommen war. Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jüngern; er ging auf dem See. Als sie ihn auf dem Wasser gehen sahen, wurden sie von Furcht gepackt.  »Es ist ein Gespenst!«, riefen sie und schrien vor Angst. Aber Jesus sprach sie sofort an. »Erschreckt nicht!«, rief er. »Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.« Da sagte Petrus: »Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!« – »Komm!«, sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser auf Jesus zu. Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er begann zu sinken. »Herr«, schrie er, »rette mich!« Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest. »Du Kleingläubiger«, sagte er, »warum hast du gezweifelt?« Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm legte sich. Und alle, die im Boot waren, warfen sich vor Jesus nieder und sagten: »Du bist wirklich Gottes Sohn.«

Liebe Gemeinde,
kann man erklären, was da geschehen ist?
Muss man das glauben?
Ich weiß nicht, was wirklich geschehen ist. Aber vieles in der Welt und in meinem Leben kann ich nicht verstehen. Gerade die wichtigsten Fundamente, Liebe, Vertrauen, Hoffnung entziehen sich dem Verstehen. Und diese Geschichte spricht auch die dunkle Seite an: die Angst und die Erfahrung zu versinken, zu scheitern, enttäuschter Glaube.
Matthäus schildert und betont das Unerklärbare, das Wunder. Er antwortet auf seine Gemeinde damals in ihrer Angst unterzugehen.
Kennen Sie das Siegel unserer Gemeinde? Es zeigt ein Boot mit einem Kreuz als Mast.
Oder das fröhliche Logo der Kinder-Kirche. Mit Jesus im Boot unterwegs.
Das Boot wurde schon immer als Symbol für die Kirche verstanden. Wir schauen nur nicht immer so fröhlich drein wie die beiden Kinder.
Der Wind bläst der Kirche kalt ins Gesicht. In fast jeder Sitzung des Ältestenkreises müssen wir Kirchenaustritte bekannt geben. In aller Regel kennen wir die Gründe nicht. Da ist einfach kein Bezug zur Gemeinde, kein Interesse an dem, was uns als Kirche wichtig ist.
Am letzten Wochenende hatten wir eine  schöne  Konfi-Freizeit. Es ist jedes Jahr schade, dass  die Konfirmanden nach ihrer Konfirmation großenteils den Kontakt verlieren. Ich hoffe aber, dass Ihr nicht vergesst: Jesus ist mit uns im Boot. Er ist da.
Unser Lebensschifflein erfährt Gegenwind und manchmal wird es ein richtiger Sturm. Unglück und Leid bringen uns an die Grenze. Streit und Unrecht erschüttern uns. Eine Enttäuschung macht uns fertig. Trennung und Abschied deprimieren uns. Ein Neustart bedeutet oft auch eine Krise. Wir müssen mit Herausforderungen fertigwerden. Wir brauchen Kraft für das Neue und haben uns zugleich noch nicht ganz vom Früheren gelöst.
Die Zeiten sind stürmisch. Was sich da an politischer Großwetterlage zusammenbraut, sieht ungemütlich aus. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist ein neuer Präsident. Er macht die Gesundheitsreform seines Vorgängers rückgängig, lässt Öl-Pipelines durch das Gebiet der amerikanischen Ureinwohner bauen. Und wenn ihm die Zahlen der Zuschauer bei seiner Vereidigung zu niedrig scheinen, lässt er „alternative Fakten“ präsentieren. Ist er sich dessen bewusst, was er tut? Wohin steuert er?
Auch in Europa und bei uns frischt der Wind auf. Viele Ängste kommen hoch. Angst vor Attentaten, Angst vor einem neuen Rechtsradi-kalismus, Angst überhaupt vor der Zukunft, weil alles so unübersichtlich scheint. Wohin steuern wir?

Matthäus schreibt für Christen, die unter Druck stehen, die Anfeindung und Verfolgung erleben. Sie erkennen sich wieder in dieser Geschichte.
Gerade noch hatten die Jünger das Wunder erlebt, dass Jesus Tausende satt gemacht hat. Dann drängt er sie in ihr Boot – gleichsam in die raue Wirklichkeit zurück. Er selbst geht auf den Berg. Sie sind allein. Vergessen ist die schöne Erfahrung.
Da holt uns ein, was uns plagt. Wir verzweifeln darin, als hätten wir keinen Gott, als müssten wir ganz allein unsere Last bewältigen. Jesus gerät aus dem Blick. Wir sind ganz mit uns selbst beschäftigt.
Als Jesus dann zu ihnen kommt, erschrecken sie vor ihm und fürchten sich. Sie schreien vor Angst. Sie können ihn nicht erkennen. Jesus ist für sie einfach nicht wirklich.
Wir können von unserem Erleben so gebannt sein, dass Jesus und dass Gott uns nichts bedeuten, leere Worte ohne eine Wirklichkeit.
Jesus spricht sie an: „Erschreckt nicht. Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“

Und nun kommt die seltsame Szene mit Petrus. „Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen.“ Wenn du es bist. Petrus zweifelt. Aber er will es wissen.
„Bist du es? Kann ich dir vertrauen?“ Obwohl er Jesus vor Augen hat, zweifelt und zögert er. Wie viel schwerer ist es für uns oft zu vertrauen. Ein paar Schritte geht Petrus. Dann dreht er sich um, sieht wieder den Sturm und versinkt.
„Herr, rette mich!“ Endlich glaubt Petrus. Endlich lässt er sich von Jesus packen und ins Boot ziehen. Endlich ist Jesus für ihn so wirklich wie der Sturm, nur stärker: „Herr, rette mich!“
Matthäus schreibt für seine Gemeinden damals und für uns, wenn unser Glaube den Stürmen ausgesetzt ist. Er schreibt voller Anspielungen.
Jesus selbst wird schreien: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Er kennt die Angst, wenn nur noch der Sturm vor Augen ist und Gott fern und unwirklich. „Erschreckt nicht. Ich bin´s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“ Genauso begegnet Jesus seinen Jüngern nach Ostern. Selbst dann werden einige zweifeln. Auch dann werden sie nicht verstehen, wenn er sagt: „Mir ist gegeben alle Macht…“ Die Macht des Todes scheint doch so viel wirklicher.
Vielleicht sind wir Petrus darin ähnlich, dass wir Jesu Wort hören und doch immer noch weiter zweifeln. Hoffentlich sind wir Petrus darin gleich, dass wir schließlich glauben, dass Jesus da ist und rufen: „Herr, rette mich!“
„Du Kleingläubiger“, sagt Jesus zu Petrus. Was für ein gnädiges, liebevolles Wort! Denn Jesus nimmt den kleinen Glauben an. Unseren schwachen, kleinen, angefochtenen Glauben schätzt er dennoch.  Jesus weiß ja, wie hart der Gegenwind und der Sturm sein kann, wie verlassen wir sein können. Er weiß, wie dunkel Gott uns erscheinen kann, wie unverständlich, fern und fremd.

Was ist damals wirklich geschehen? Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber am Ende ist die Frage nebensächlich. Unser Verstehen kommt an eine Grenze. Wir wissen: Unser Verstand setzt ja schon aus, wenn wir ein wenig verliebt sind, oder etwas zu viel dem Sturm ausgesetzt. „Du bist wirklich Gottes Sohn“, bekennen die Jünger am Ende. Sie glauben. Sie haben erfahren, wie Jesus sie durch den Sturm trägt. Es bleibt geheimnisvoll, und doch stützen sie ihr Leben auf diese Erfahrung.

Am Ende zählt, dass Gott mein Leben hält. Im harten Gegenwind, in den Mühen des Neustarts, immer hält er mich.Am Ende zählt, dass Jesus bei uns ist. Wie das Kreuz zwischen den fröhlichen Kindern auf dem Kinder-Kirch-Logo.
Und er sagt: „Ich bin da. Fürchte dich nicht!“
Amen