Predigt am 12.3.17 von Andreas Hansen über Mk6,30-32

Ökumenischer Taizé-Gottesdienst

Viele von uns haben einen vollen Terminkalender. Die Kinder gehen nicht nachmittags einfach raus zum Spielen, sondern sie haben Musik und Sport und vieles andere und am Wochenende Turniere. In den Familien wird die Woche durch Kalender mit fünf Spalten, für jeden eine, gemanagt, damit man alles unter einen Hut bringt. Die Rentner reden vom Unruhestand. Und ebenso alle anderen, besonders schlimm wir Pfarrer.
Wir sind in Zeitnot. Darauf sind wir auch ein wenig stolz. Das macht und wichtig, unentbehrlich. Aber es belastet uns auch. Viele werden krank von der ständigen Hektik. In immer kürzeren Zyklen beschleunigt sich unser Leben. Die Ansprüche im Berufsleben steigen. Wir müssen immer neu dazulernen. Uns plagt die Angst, nicht Schritt halten zu können.
Eine Unmenge von Informationen dringt auf uns ein. Ständig signalisiert das Smartphone neue Nachrichten. Was von dem, was wir da hören und sehen, ist vertrauenswürdig? Was ist Fake, Lüge? Verwirrend.

Ich lese drei Verse aus dem Markusevangelium, eine kleine Episode am Rande. Sie fällt kaum auf, denn danach kommt eine spektakuläre Geschichte. Aber diese drei Verse sind wie für uns geschrieben: Mk 6,30-32
Die Apostel kamen wieder bei Jesus zusammen und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo ihr euch ein wenig ausruhen könnt.« Denn es war ein ständiges Kommen und Gehen, sodass sie nicht einmal Zeit zum Essen fanden. Sie fuhren also mit einem Boot an einen einsamen Ort, um allein zu sein.

Hätten Sie diese Reaktion von Jesus erwartet? Oder gewusst, dass dies im Evangelium steht? Ich war auch überrascht, denn ich habe diese Verse lange einfach überlesen. Schon damals herrscht Hektik. Nicht einmal Zeit zum Essen haben sie. So gefragt sind Jesus und seine Jünger. Jesus sieht, wie seine Jünger strahlen und sich freuen. Aber er sieht auch das andere. Jesus hat diesen wunderbaren Blick, dass er weiß, was in den Menschen vorgeht und wie es um sie steht. Er sieht auch ihre Erschöpfung, ihre Angst, ihre Leere. Er lässt sie erzählen von dem, was sie getan und erlebt haben, von Erfolgen und schönen Begegnungen, auch von Mühe, Frust und Zweifeln. Dann sagt er: »Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo ihr euch ein wenig ausruhen könnt.«
Jesus verordnet eine Pause. Jesus ist unser Verbündeter gegen Überlastung und Nicht-nein-sagen-Können, gegen die Selbstüberforderung  und die Angst nicht zu genügen.
Jesus selbst nimmt sich immer wieder Zeit. Er geht an einsame Orte. Es gäbe so viel zu tun. Aber Jesus macht Pause.
Oder Zeit miteinander: Jesus isst und trinkt und feiert mit anderen. Das Festessen ist für ihn ein Bild des Gottesreiches. Seine Gegner beschimpfen ihn als Fresser und Weinsäufer.
Jesus lebt im Rhythmus von Alltag und Sabbat. Der Sabbat ist heilig. Freie Zeit ist Gottes Gebot. Zeit für den Gottesdienst, Zeit auszuruhen, nachzu-denken, miteinander zu reden, zu genießen, zu spielen. Der Sabbat, für uns der Sonntag, ist ein wunderbarer Schatz, eine heilsame Unterbrechung von Gott geboten, damit wir zu uns kommen.
Wir leben nicht aus uns selbst, nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigenem Mühen. Es ist geschenkt: das Leben, die Zeit unseres Lebens. Wir leben aus der Fülle, die Gott uns schenkt. Für uns ist gesorgt.
Täglich üben wir, uns beschenken zu lassen, unser ständiges Tun und Rennen zu unterbrechen, uns bewusst zu machen, dass Gott uns das tägliche Brot, ja dass er jeden Atemzug schenkt. Wir leben aus seiner Fülle. Und mindestens am Sonntag hören wir auf Jesus: „Ruht aus!“
Er steigt mit seinen Jüngern ins Boot und zugleich steigt er aus den Anforderungen aus: Wir dürfen einfach sein, ohne jede Leistung.
Jesus fährt mit ihnen an einen einsamen Ort – gemeinsam sind sie allein, jeder für sich und doch in der Gemeinschaft. Wir brauchen beides: die Stille, das ganz für uns selbst zur Ruhe Kommen,  und die Gemeinschaft derer, die miteinander glauben. Ganz allein vertrocknet unser Glaube.
Wir werden den Anforderungen unseres Lebens und der Hektik unseres Alltags viel eher gerecht, wenn wir uns unterbrechen lassen und zur Ruhe kommen. In der Stille und im Hören auf Gott finden wir Orientierung mitten in der Aufgeregtheit und Unruhe unserer Zeit.