Alle Beiträge von Liane Tritschler

Hausgottesdienst 30.01.2022

 

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 30.1.2022

Dieser Gottesdienst wurde von der Pfrin. Anne Lepper in Freiamt vorbereitet.  

Glockengeläut
Schön, dass Sie unseren Hausgottesdienst mitfeiern. Sie sind bei sich zuhause und doch verbunden mit Gott und vielen Menschen. Zünden Sie eine Kerze an. Stille.

Liturgischer Gruß
Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeindschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Psalm 85: EG 751

Eingangsgebet:
Aus deinem Reichtung, aus deinem Glanz, aus deiner Ewigkeit, Herr, kommst du zu mir. Du kennst meine Gedanken, du weisst, wie es mir geht. Du stehst vor mir, dass ich mich in dir erkennen kann. Heute morgen fragst du mich, ob ich ein Licht sein will, ob ich mich verwandeln lassen will, ob ich ein Licht sein kann, das in dukler Zeit leuchtet. Ich will, Herr, komm zu mir. Amen

Lied EG 450, 1-3 Morgenglanz der Ewigkeit https://www.youtube.com/watch?v=3F-5pQEBjzE

Lesung aus 2. Mose, 34, 29-35
Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. 30 Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. 31 Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. 32 Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. 33 Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. 34 Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, 35 sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Predigt:

Wie kann man Gott sehen? Wie kann man den Eindruck haben, dass Gott tatsächlich in unserem Leben präsent ist? Es ist eine Frage, die uns, glaube ich, immer wieder beschäftigt. Wenn wir sagen: ja, ich glaube an Gott, gibt es trotzdem Momente, wo man sich fragt: existiert er wirklich? Täusche ich mich nicht? Neulich führte ich eine Diskussion mit jemanden über die Frage, ab wann man sagen kann, dass es Menschen auf der Welt gab. Und da erklärte ich, dass es Menschen auf der Erde gibt, seitdem es  Gräber gibt, wo die Verstorbenen mit ihren Waffen oder anderen nützlichen Utenselien begraben worden sind. Da haben sich die Menschen damals gesagt, wir geben unserem Verstorbenen Sachen, die ihm in die andere Welt, in das andere Leben hilfreich werden können. Daraus können wir verstehen, dass diese Menschen sich gesagt haben, geglaubt haben, dass es ein anderes Leben nach dem Tod gibt. Und wenn man glaubt, dass es ein anderes Leben nach dem Tod gibt, dann glaubt man, dass es irgendeinen Gott gibt. Nach dieser Diskussion habe ich weiter überlegt: der Gott, an den die Menschen damals geglaubt haben, war nicht unser Gott. Aus der religiösen Geschichte wissen wir, dass die Menschen erstmal Götter aus der Natur angebetet haben, wie ein Kalb z.B. Im Alten Testamen sehen wir viele Spuren von dieser Frage: wer ist der wahre Gott? Die Götter haben Krieg miteinander geführt, die Menschen haben Krieg miteinander geführt und es war klar, wenn die Menschen gewinnen, dann gewinnen auch ihre Götter und dann sind es diese Götter, die die wahren Götter sind. Wie kann ich aber wisser, wer der wahre Gott ist?

Diese Frage durchdringt unseren Predigttext heute. Wir können diesen Text nicht verstehen, wenn wir ihn aus seinem Kontext nehmen. In diesem Text bekommt Mose zum 2. Mal die Gesetztafel. Als er sie zum ersten Mal bekommen hatte, war er 40 Tage und Nächte auf dem Sinai verschwunden. Es gab Leute im Volk, die fest an Gott geglaubt haben und die Geduld hatten. Sie wurden von ihrem Glauben getragen und haben nicht gedacht, dass Gott oder Mose sie verlassen hat. Aber es gab auch viele Menschen, die an Gott zwar glaubten, aber nicht so fest, dass sie ohne jegliches Zeichen von Gott leben konnten. Ich würde sagen, wie die meisten von uns heute. Wir brauchen regelmässig Zeichen, dass Gott tatsächlich existiert, um weiter an ihn zu glauben. Das ist nicht einfach. Daher meine Frage am Anfang der Predigt: wie kann man Gott sehen? Diese Menschen damals sind durch die lange Abwesenheit Moses unsicher geworden. Als sie gesehen haben, dass Mose so lange weg ist, haben sie seinem Bruden Aron gesagt: “Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.” (2. Mose 32, 1b) Und da haben sie dieses Kalb aus Gold bekommen, das sie gesehen haben: er war vor ihnen, sie wussten, da ist ein Gott mit ihnen!

Alles hat sich aber geändert, als Mose zum zweiten Mal auf den Sinai hochging und vor allem runterging. Denn als er wieder kam, leuchtete sein Gesicht. Als die Menschen Mose sahen, fürchteten sie sich. Sie fürchteten sich, weil sie den Glanz Gottes erkannt hatten und sie wussten, niemand kann Gott sehen, ausser er sterbe. Aber sie sahen sein Angesicht glänzen und wussten: sie sehen Gott, sie sehen das Licht Gottes. Ab da wussten sie, dass Gott tatsächlich mit ihnen in dieser Wüste war, wo es so schwierig war zu überleben. Durch den Glanz auf dem Gesicht Moses wussten sie das. Der Glanz, das Licht, bezeichnet Gott und seine Anwesenheit.

Meine Frage heute lautet: wie kann man Gott sehen? Die Antwort heißt: in dem Glanz, den wir in Gesichter sehen. Warum ist Mutter Teresa so wichtig für viele Menschen? Weil ihr Gesicht von der Anwesenheit Gottes glänzt. Aber, es gibt nicht nur Mutter Teresa, die so glänzt, zum Glück. Ihr habt vielleicht schon alte Menschen gesehen, die so glänzen. Weil sie so nah am Sterben sind, also so nah am Gott. Oder weil sie so an Gott glauben und sich mit ihm in ihren alten Tagen beschäftigen. Ihr habt vielleicht auch das Gesischt einer Krankenschwester in der Nacht glänzen sehen, wenn sie sich um Euch kümmert, wenn sie Euch beruhigt und hilft. Oder das Gesicht eines Freundes, der Euch plötzlich und unerwartet geholfen hat. Menschen wie Mose oder Mutter Teresa, die so nah an Gott sind, dass sie hell und klar glänzen, gibt es wenige. Man erinnert sich an sie sehr lange. Aber es gibt auch Menschen, die glänzen, wenn sie helfen, wenn sie da sind, wenn sie zuhören. Man nennt sie manchmal Engel, weil man den Eindruck gehabt hat, dass Gott durch sie da war.

Und wer weiss: manchmal glänzen wir selber, wenn wir so nah an Gott sind, wenn wir anderen helfen.

Amen

Lied NL 147 Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht https://www.youtube.com/watch?v=-g6iXPv8dgc

Fürbittengebet
Lebendiger Gott, wir brauchen deine Präsenz in unserer Welt. Wir brauchen Menschen, die uns deine Präsenz zeigen.
Wir bitten dich für alle Menschen, die andere Menschen helfen, in den Krankenhäusern, zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit: dass sie immer wieder Kraft tanken können.
Wir bitten dich für alle Menschen, die Hilfe brauchen und bekommen: dass sie dich in ihren Helfenden sehen.
Wir bitten dich für alle Menschen, die Hilfe brauchen und sie nicht bekommen: schicke bitte Menschen zu ihnen, die ihnen helfen und ihnen damit zeigen, dass du bei ihnen bist und dass du sie nicht vergisst. Wir beten zu dir als unserem Vater. Vater unser…

Segen
Gott, segne und behüte uns. Lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Erhebe dein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden. Amen.

Bleiben Sie behütet und gesund! Bis zum nächsten Hausgottesdienst am kommenden Sonntag, dem 4. Sonntag vor der Passionszeit.

Hausgottesdienst 1. So. n. Epiphanias

1.Sonntag n. Epiphanias, 9. Januar 2021

Glockengeläut

Schön, dass Sie unseren Hausgottesdienst mitfeiern.
Dieser Sonntag ist dem Taufgedächtnis gewidmet. Sie
sind bei sich zuhause und doch verbunden mit Gott
und vielen Menschen. Stille.
Votum
Wir feiern unseren Gottesdienst – verbunden mit anderen und verbunden mit Gott – im Namen Gottes
des Vaters, der uns wunderbar gemacht hat;
des Sohnes, der uns den Wert aller Menschen gezeigt
hat und des Heiligen Geistes, der uns zu Mitgefühl
und Achtung befähigt. Amen.

Aus Psalm 72:
12 Er (der Messias) rettet die Bedürftigen, die zu ihm
schreien, die Entrechteten, die keinen Helfer haben.
13 Er kümmert sich um die Schwachen und Armen und
sorgt dafür, dass sie am Leben bleiben. 14 Er befreit
sie von Gewalt und Unterdrückung, denn vor ihm hat
ihr Leben einen Wert.
Eingangsgebet:
Gott, Schöpfer allen Lebens! Du hast Jesus bei seiner
Taufe vor aller Welt als deinen Sohn bekanntgemacht
und mit deinem Geist erfüllt. Doch selbst ihm bleibt
die Versuchung nicht erspart. Wir bitten dich: Lass
auch uns, die du in der Taufe zu Kindern angenommen hast, durch alle Anfechtungen hindurch bewahrt
werden. Darum bitten wir dich im Vertrauen auf ihn,
Christus, unsern Herrn, unseren Bruder und deinen
Sohn. Amen.
Lesung aus Jesaja 42,1-4 (aus der Guten Nachricht):
„1 Der Herr hat gesagt: »Hier ist mein Bevollmächtigter (Luther: „Knecht“), hinter dem ich stehe. Ihn
habe ich erwählt, ihm gilt meine Liebe, ihm gebe ich
meinen Geist. Er wird die Völker regieren und ihnen
das Recht bringen. 2 Er schreit keine Befehle und
lässt keine Verordnungen auf der Straße ausrufen.
3 Das geknickte Schilfrohr zerbricht er nicht, den
glimmenden Docht löscht er nicht aus. Er bringt dem
geschlagenen Volk das Recht, damit Gottes Treue ans
Licht kommt. 4 Er selbst zerbricht nicht und wird
nicht ausgelöscht. Er führt meinen Auftrag aus und
richtet unter den Völkern meine Rechtsordnung auf.
Noch an den fernsten Küsten warten sie auf seine
Weisung.“

Lied EG 66,1-3 Jesus ist kommen
1. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude;
A und O, Anfang und Ende steht da.
Gottheit und Menschheit vereinen sich beide;
Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah!
Himmel und Erde, erzählet’s den Heiden:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.
4. Jesus ist kommen, der Fürste des Lebens,
sein Tod verschlinget den ewigen Tod.
Gibt uns, ach höret’s doch ja nicht vergebens,
ewiges Leben, der freundliche Gott.
Glaubt ihm, so macht er ein Ende des Bebens.
Jesus ist kommen, der Fürste des Lebens.
5. Jesus ist kommen, der König der Ehren;
Himmel und Erde, rühmt seine Gewalt!
Dieser Beherrscher kann Herzen bekehren;
öffnet ihm Tore und Türen fein bald!
Denkt doch, er will euch die Krone gewähren.
Jesus ist kommen, der König der Ehren.

Predigt
Liebe Schwestern und Brüder! Ich habe einer guten
Bekannten an Weihnachten mit gemischten Gefühlen
ein Buch geschenkt: „Tochter Gottes, erhebe dich.
Vom Schmerz zum Sieg. Vom Sieg zum Segen“ von
Inka Hammond (2018). Ob das wohl ankommt? Vielleicht. Es sah gut aus: Der Klappentext lässt vermuten, dass es darum geht, dass wir tief in uns spüren sollen, dass wir für mehr geschaffen wurden. Die Welt braucht Frauen mit Dynamit im Herzen, die das verteidigen und zurückerobern, was ihnen anvertraut wurde. Nun gehe es darum, dass Gott unsere Kräfte wachruft und uns befähigt, zu entdecken, was in uns steckt. Dazu brauche es eine innere Verwandlung. Ein schöner Gedanke, der gut tut, dachte ich! Wir sind
„Töchter“ oder „Söhne“ Gottes! Aber lässt sich das so
einfach umsetzen? Deshalb möchte ich etwas weiter
ausholen:
I. In der Advents- und Weihnachtszeit haben wir vom
„messianischen“ (d.h. königlichen) Kind gehört. Jesaja hatte im Streit mit dem jüdischen König ein „Zeichen“ angekündigt: „Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie
nennen Immanuel (= Gott mit uns) (Jesaja 7,14). Man
könnte sagen, das Kind soll ein Hinweis sein, dass
Gott bei den Menschen ist, als „Immanuel“. Hier geschieht eine erste „Verwandlung“: der Geist Gottes erniedrigt sich in ein Kind, es ist schon im Leib der Mutter, einer jungen Frau, aber noch ist es eine Hoffnung, eine Verheißung Gottes, eine zukünftige Realität.
II. Das Kind muss erwachsen werden, bevor es zum „Messias“, dem rettenden König werden kann. Doch dazu geschieht eine zweite Verwandlung: Das Kind wird nicht zum Machthaber und glorreichen Herrscher, nein, es wir zum „Knecht“, wie Luther es übersetzt. Gemeint ist damit, dass er ein Diener Gottes ist, der in „Knechtsgestalt“ aufritt. Jesaja und seine prophetischen Schüler zählen von ihm sehr eindrückliche Merkmale auf: Er wird „dem geschlagenen Volk das Recht“ bringen (Jesaja 42,3) und „unter den Völkern“ Gottes Rechtsordnung aufrichten (Jesaja 42,4).
Das gilt für die Menschen in Israel und „an den fernsten Küsten“ (Jesaja 42,4). Seine Herkunft muss armselig und unbekannt gewesen sein, denn „sein Bevollmächtigter wuchs auf wie ein kümmerlicher Spross aus dürrem Boden“ (Jesaja 53,1). Man könnte vielleicht so sagen: das Kind wird zum „Knecht“, der das Schwache aufrichtet und Gerechtigkeit und Recht wieder herstellt.
III. Bleibt noch eine dritte und letzte Verwandlung.
Ich habe mich lange Zeit intensiv mit den sog. „Gottesknechtsliedern“ im Buch Jesaja beschäftigt, dabei staunte ich über die enge Verbindung zwischen dem „Gottesknecht“ und Menschen, die „Söhne“ und„Töchter“ genannt werden (Jesaja 43,6). Mir fiel auf: Das, was vom einen „Knecht“ geschrieben wird, gilt
eins zu eins den Menschen in Israel und „an den fernsten Küsten“ (Jesaja 42,4). Der Bevollmächtigte Gottes „dient“ mit seiner ganzen Existenz den Menschen, er sorgt sich um seinen „Kinder“. Er ist „für sie da“, er gibt sich „den Völkern“ hin, er „schreit keine Befehle“ (Jesaja 42,2). Und er lässt den „glimmenden Docht“ nicht verlöschen (Jesaja 42,3). Obwohl er sich so verausgabt, zerbricht er nicht die „anderen“ und wird selbst nicht „ausgelöscht“ (Jesaja 42,4). Im Gegenteil, nachdem er so viel gelitten hat, wird er „wieder das Licht sehen“, also auferstehen (Jesaja53,11).
Der bekannte Tübinger Theologe Jürgen Moltmann hat in seiner „Theologie der Hoffnung“ (aus dem Jahre 1964) einmal diesen Lebensstil des Bevollmächtigten auf die christliche Gemeinde bezogen: „Der Glaube kann sich in den Schmerz der Liebe entäußern, er kann (…) Knechtsgestalt annehmen, weil er
von der Hoffnungsgewissheit der Auferstehung vom
Tode getragen wird.“ (dto., S. 312).
Was können wir daraus für unseren Alltag mitnehmen?
Wir vertrauen darauf, dass Jesus Christus dieser „Immanuel“ ist, das göttliche Kind, das zum „Bevollmächtigten“ Gottes für die Welt geworden ist. Das heißt umgekehrt: der „Gottesknecht“ macht uns, die wir zu ihm gehören, zu „Gotteskindern“, er verwandelt uns. Jesus sagt einmal ähnlich in den Seligpreisungen der Bergpredigt: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“, (Matthäus 5,9). Jesus Christus selbst wirkt durch dich,
er schenkt dir Frieden, damit du Frieden stiften kannst. Es tut gut zu wissen, welchen Wert wir vor Gott haben. Von Friedrich Nietzsche, Sohn eines evangelischen Pfarrers und kritischer Denker, habe
ich wider Erwarten einmal eine schöne Aussage dazu gelesen. Er schreibt über die Aussage des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz, dass Jesus wahrlich der Sohn Gottes gewesen ist (Matthäus 27,54): „Wenn du dies fühlst, (…) so bist du im Paradiese, so bist du
ein Kind Gottes“.
Meine Bekannte war anfangs skeptisch über das neue von mir „vorgeschlagene“ Buch über die „Tochter Gottes“. Doch dann hat sie es doch gelesen. Gestört hat sie aber die Unterstellung, dass wir Menschen uns unter Wert verkaufen würden, von anderen klein gemacht würden und so die wahre Bestimmung unseres  Lebens verfehlten. Es waren für sie einfach zu viele Aufforderungen, das eigene Leben zu ändern. Das war dann doch etwas zu viel auf einmal. Aber die Würde von uns, ein „Sohn“ oder eine „Tochter“ Gottes zu
sein, die dürfen wir uns nicht mehr nehmen lassen. Wie oft wird diese Würde mit Füßen getreten; genau um das zu ändern, ist der Geist ein „Kind“ und ein „Knecht“ geworden, damit wir zu Gott „Abba“ (Papa) sagen dürfen. Um das hier und heute zu spüren, kann
uns die Tauferinnerung helfen. Wenn ich dieses Wasser spüre, darf ich ganz bewusst einmal zu mir sagen: „Ich bin getauft. Ich bin ein Kind Gottes“. Ja, es stimmt, du bist es. Lassen wir einander diese Würde doch immer wieder spüren. (Wir nehmen eine Schale mit Wasser und zeichnen einander ein Kreuz auf die Hand und sprechen: „Du bist getauft. Du bist ein geliebtes Kind Gottes“). Amen.

Lied EG 200,1+2+4 Ich bin getauft
1. Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater, Sohn und Heilger Geist;
ich bin gezählt zu deinem Samen,
zum Volk, das dir geheiligt heißt.
Ich bin in Christus eingesenkt,
ich bin mit seinem Geist beschenkt.
2. Du hast zu deinem Kind und Erben,
mein lieber Vater, mich erklärt;
du hast die Frucht von deinem Sterben,
mein treuer Heiland, mir gewährt;
du willst in aller Not und Pein,
o guter Geist, mein Tröster sein.
4. Mein treuer Gott, auf deiner Seite
bleibt dieser Bund wohl feste stehn;
wenn aber ich ihn überschreite,
so laß mich nicht verlorengehn;
nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an,
wenn ich hab einen Fall getan.

Fürbittengebet
Wir danken dir, Gott, du gibst uns niemals preis. Du bist die Quelle, aus der sich unser Leben speist. Bei dir finden wir den Frieden, nach dem wir uns sehnen. Du schenkst Versöhnung, die wir aus eigener Kraft nicht erreichen. Du erfüllt unser Leben. Dich rufen wir uns: Herr, erhöre uns. Wir bitten dich: Gründe uns in der Liebe Christi. Mache uns zu Zeichen seines Friedens. Erneuere uns durch seinen Geist. Lass uns täglich aus der Kraft der Versöhnung leben. Dich rufen wir an: Herr, erhöre uns. Erhalte uns in der Gemeinschaft deiner geliebten Kinder in der einen Welt. Schenke Einheit und Verstehen unter allen Getauften. Stärke Kirchen und Gemeinden, mit Worten und Taten dich zu bezeugen. Dich rufen wir an: Herr, erhöre uns. Beschütze die Menschen, wo sie von Katastrophen,
Not und Verfolgung bedroht sind. Sei unser Halt und unsere Hilfe, unsere Zuversicht und Kraft, heute und alle Tage, bis sich unser Leben vollendet in dir. Dich rufen wir an: Herr, erhöre uns.
Wir beten zu dir, wie Jesus auch schon gebetet hat:

Vaterunser
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Lied zur Jahreslosung „Du bist anders“:

Segen
Gott, segne und behüte uns.
Lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns
gnädig. Erhebe dein Angesicht auf uns und schenke
uns Frieden. Amen.
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“ (Römer 8,14) – Herzliche Grüße Ihr Pfr. Thomas
Herrmann, Denzlingen

 

 

 

Hausgottesdienst Weihnachten 2021

DAS WORT WURDE FLEISCH UND WOHNTE UNTER UNS UND WIR SAHEN SEINE HERRLICHKEIT. (JOH 1,14)

Es ist Weihnachten! Wir feiern, dass Gott in diese Welt kommt – in einem Kind am Rande der Welt, hinein in eine Familie von Handwerkerinnen und Handwerkern, hinein in die alltäglichen Sorgen und Mühen. – Gott ist nahe. So stärkt die Weihnachtsbotschaft die Müden, Unruhigen und Ängstlichen mit neuem Vertrauen: Gott trägt und hebt uns. Das Kind in der Krippe rührt das Herz an: Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht
satt sehen. (eg 37,4)

Ihr Rüdiger Schulze, Dekan im Kirchenbezirk Emmendingen

Liturgischer Gruß Im Namen des einen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist – Amen.

Moderner Psalm
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein!
Der immer schon uns nahe war, stellt sich als Mensch den Menschen dar.
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein! (eg 56,1)

Gebet
Gott, du Licht in der Finsternis, dies ist der Tag, den du gemacht hast. Ein Tag der Freude. Du kommst uns entgegen, allen, die im Dunkeln tasten, und lässt uns Jesus Christus schauen, frohe Botschaft für diese Welt, tröstendes Licht für unsere Augen – in Ewigkeit. Amen

Lied eg 23: Gelobet seist du, Jesu Christ – Strophen: 1+2+7

Predigt zu 1. Joh 3, 1-6:
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!
Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt
sich, wie auch jener rein ist. Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht, wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.

Liebe Geschwister, diese Anrede liegt nach dem Predigttext nahe, auch, wenn sie mir ungewohnt vorkommt.
Ja, wir gehören zur selben Familie, sind Töchter und Söhne Gottes, seit Gott in einem Kind zur Welt gekommen ist und uns damit zu seinen Geschwistern macht. Eine besondere und ungewöhnliche Familie ist das: Leibliche Abstammung spielt keine Rolle. Eine ganz andere Art von Verbindung bestimmt unsere Herkunft: Welch eine
Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen. Gottes Zuwendung steht am Anfang eines jeden Menschenlebens, selbst in den schlimmen Fällen, in denen Kinder ungeliebt bleiben. Gott hat die Welt und die Menschen in Liebe und auf die Liebe hin erschaffen. Dieser Satz kommt nun an Weihnachten nicht wirklich überraschend. Schließlich gilt Weihnachten als das Fest der Liebe. Aber es ist dies in einer
besonderen Weise, die quer liegt zu vielen „lieb“ gewonnenen Erwartungen.
Das beginnt schon mit der Anrede: Meine Lieben. Das klingt hoch vertraulich. Diese Anrede würden wir uns nicht von jeder und jedem wünschen. Sie nimmt aber ernst, dass Gott leidenschaftlich die Verbindung mit uns sucht und auf unsere Antwort wartet. – Wir hören hier von drei Weisen einer Antwort, sie lauten: Reinigen,
bleiben, erkennen. Über das Erkennen, dass wir aus Gottes Liebe kommen und seine Kinder sind, habe ich schon gesprochen. Reinigen und Bleiben gehören auch dazu:

Reinigen. Es beginnt recht bald in unserer Umgebung zu „müffeln“, wenn wir eine Woche lang auf Seife oder Duschgel verzichten. Im übertragenen Sinn „gelingt“ es mitunter bestürzend schnell, die Atmosphäre zu verpesten mit üblen Gerüchten, Unterstellungen, Gleichgültigkeit, Lügen und Gier. Die Sünde verpestet die
Luft. Da tut Reinigung Not. Da hilft es, das Fenster zu öffnen und frische Luft hineinzulassen. Aber woher kommt Frischluft?
Alles beginnt damit, dass ich diese große Zusage über meinem Leben und über dem Leben der Mitmenschen gelten lasse: Ich bin Gottes Kind. Du bist Gottes Kind. Niemand wird uns aus der Hand des Vaters reißen. Gott verbindet sich mit uns, auf dass wir mit ihm verbunden bleiben. Jetzt ist es noch verborgen, noch nicht sichtbar
vor aller Augen, dass wir Gottes Kinder sind. Aber wir sollen schon jetzt darauf vertrauen und aus diesem Vertrauen leben. So wird es Weihnachten unter uns.
Bleiben. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht … Wer sucht, was dem Leben in Christus entspricht, bleibt in ihm. Das ist eine lebenslange Aufgabe, auf die es zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Antworten geben kann.
Angesichts der Epidemie könnte sie darin bestehen, sich impfen zu lassen, Kontakte zu minimieren und dadurch die Ausbreitung der Viren zu verlangsamen. – Bei der Suchbewegung nach dem Bleiben in Christus sind wir nicht alleine: Liebe Kinder. Diese Anrede spricht uns darauf an, dass wir Geschwister haben, die sich
ebenfalls mit dem Bleiben beschäftigen. Gut, dass wir einander haben, heißt es in einem neuen Lied. Die „Geschwister“ und damit die Gemeinde und die Kirche gehören immer dazu. Und wie das in den besten Familien vorkommt, herrscht auch unter Geschwistern nicht immer Einigkeit. Das ändert aber nichts daran, dass wir aneinander gewiesen und aufeinander angewiesen sind.
Den Kampf gegen das Böse, für die Würde und Schönheit des Lebens können wir alleine nicht führen. Wir brauchen die Geschwister: Zur gegenseitigen Stärkung, im gemeinsamen Nachdenken und Ringen um verantwortliches Handeln, um andere und uns selber zu schützen, bei der Feier des Gottesdienstes, auch, wenn wir wieder an unterschiedlichen Orten sind. Dasselbe gilt auch bei der Weitergabe des Glaubens. Dass die Menschen der nachwachsenden Generation den Schatz des Glaubens erkennen, sich ins Reinigen und Bleiben bei Christus und den Geschwistern einüben. Diese „Familienangelegenheit“ ist uns geschenkt und aufgegeben. Sie ist eine unschätzbare Kraftquelle. Amen.

Lied eg 24, 1-5: Vom Himmel hoch, da komm ich her

Fürbittengebet
Wir danken dir, Gott, für deine freie Entscheidung, uns in Jesus Christus als Mitmensch nahe zu kommen.
Welch ein Geschenk. Es trägt das ganze Leben. Dankbar und im Vertrauen auf deine Gegenwart bitten wir:
Für uns selber: Dass wir in diesem weihnachtlichen Glauben selber neuen Halt finden, der unser Leben trägt
und nährt.
Für die entwurzelten Menschen: Dass in ihnen und für sie Neues wächst, wo sie schon aufgegeben haben.
Für die Menschen, die ihre Lebenskraft schwinden sehen: Dass du sie mit der Kraft des Vertrauens erfüllst.
Für die Menschen, die vor Kraft strotzen, um Dankbarkeit und die Bereitschaft, die eigene Kraft zu teilen.
Für alle, die allzu fest in ihren Meinungen gefangen sind, um das Licht neuer Erkenntnis.
Es ist ein guter Duft, der von dir ausgeht, Gott. Der Wohlgeruch Christi (2.Kor 2,15) belebe, vertreibe üble
Gerüche des Zwistes und der Hoffnungslosigkeit. Er bewirke, dass Menschen sich wieder riechen können, weil
sie sich versöhnt haben. Dafür danken wir dir und loben deinen Heiligen Namen, Vater, Sohn und Heiliger
Geist. Amen. – Stilles Gebet –
Vater unser
Segen
Lassen wir uns überraschen von der der Liebe Gottes – Christus ist geboren. Sein Friede erfülle unsere Herzen.
Sein Licht erleuchte unsere Seelen. Seine Liebe bestimme unser Tun. Seine Gnade nehme uns auf. Sein Heil sei
uns durch sein Kommen gewiss. Sein Segen liege auf uns. So segne euch Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

Hausgottesdienst für den 4. Advent

Schön, dass Sie einen Hausgottesdienst feiern wollen – allein bei Ihnen zuhause und doch verbunden mit Gott und vielen Menschen.

 Öffnen Sie doch das Fenster, vielleicht hören Sie die Glocken läuten.
Zünden Sie eine Kerze an. Halten Sie einen Moment Stille. 

Votum

»Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«

Eingangsgebet nach Anton Rotzetter

Gott

Du bist Wort und Weisung

Gib mir

ein Ohr, das hört

ein Herz, das aufnimmt

eine Seele, die wach wird

Lass mich

gefügig werden für deinen Willen

durchlässig für dein Leben

hellhörig für das stille Wort deiner Gegenwart

Amen

Lied: EG 11 „Wie soll ich dich empfangen“

Dieser Link führt Sie zu dem Lied ‚Wie soll ich dich empfangen‘
https://www.youtube.com/watch?v=esSMN9lXSI0

Lesepredigt mit Lesung aus dem Lukasevangelium, 1, 39 ff.

Maria – ein junges Mädchen von 13 oder 14 Jahren, also in damaliger Zeit bereits erwachsen, und aus einfachen Verhältnissen stammend, hat eine außergewöhnliche Begegnung. Ein Bote Gottes sucht sie auf – der Engel Gabriel – und teilt ihr mit, dass Gott Großes mit ihr vorhat. Sie soll den lang erwarteten Messias, den Heiland, zur Welt bringen. Maria erschrickt – kann sie das – will sie das, aber dann sagt sie ja und vertraut dem Wirken Gottes. Und sie erfährt von einer anderen ungewöhnlichen Schwangerschaft. Ihre ältere Verwandte Elisabeth, von der gesagt wird, dass sie keine Kinder bekommen könne, ist bereits im sechsten Monat schwanger. Hier setzt der Predigttext ein:

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit

und hilft seinem Diener Israel auf, so wie er geredet hat zu unsern Vätern,

Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.

Welches Bild haben Sie vor sich, wenn Sie Maria vor Ihrem geistigen Auge sehen?

Unzählige Darstellungen gibt es von der Verkündigung des Engels an Maria, weniger häufig wird die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth künstlerisch dargestellt.

Bei mir hat sich lange das Bild einer passiven Maria eingeprägt. Einer Maria, die den Willen Gottes demütig erfüllt. Diese Vorstellung hat lange Zeit zu einem entsprechenden Frauenbild in der christlichen Kirche beigetragen und das Bild der passiven dienenden Frau bestärkt. Dabei wurde die demütige Haltung gegenüber Gott auf die weltlichen Machthaber im öffentlichen und privaten Bereich übertragen. Das ist vor allem die Ursache, warum ich selber keinen richtigen Zugang zur Person der Maria finden konnte.

Dazu kommt die unterschiedliche Rolle der Maria in der katholischen und der evangelischen Kirche – dort die Gottesgebärerin und die Himmelskönigin, etliche Festtage im Kirchenjahr zeugen von der großen Verehrung, die Maria entgegengebracht wird – hier Maria als Mutter von Jesus und Vorbild im Glauben, wie es Luther in Worte gefasst hat. Bei aller Verschiedenheit wird eines deutlich, Maria ist nicht wegzudenken aus dem christlichen Glauben – in der abendländischen Kunst gibt es keine berühmtere Mutter.

Beim Lesen des griechischen Urtextes ist mir ein Wort besonders ins Auge gestochen: µεγαλυνειν (megalünein). Luther übersetzt dieses Wort mit „erheben“ – meine Seele erhebt den Herrn, sagt Maria im Magnificat. Das Wort bedeutet „preisen“ – es steckt mega in diesem Wort „groß“ – das wird ja auch häufig in der Werbung verwendet, µεγαλυνειν bedeutet „groß machen“. Das finde ich faszinierend. Nicht nur Gott tut Großes, sondern auch Maria. Maria wird hier aktiv. Es ist nicht so, dass sie den Willen Gottes über sich ergehen lässt, passiv – erleidend oder erduldend, nein – aktiv öffnet sie sich Gott, damit er in ihr und durch sie groß werden kann. Ganz greifbar wird sie zur Herberge Gottes, damit Gott in ihr Gestalt gewinnen kann, damit er Mensch werden kann. Das ist das Wunderbare an Gott, wie er durch Jesus für uns sichtbar geworden ist. Er wirkt nicht fern von den Menschen, an den Menschen vorbei – er baut auf die Menschen, er braucht die Menschen, damit er groß werden kann.

Wenn wir ihm Raum in uns geben – kann er in uns und durch uns wirken.

Hier dreht sich etwas um. Die Verhältnisse verkehren sich. Großes wird klein und Kleines wird groß. Gott wird zum kleinen Kind und lässt sich ganz auf dieses menschliche Leben ein. Und der Mensch wird durch Gott groß – wird zu dem, was in ihm angelegt ist, wird so wie Gott ihn gemeint hat – aufrecht und selbstbewusst.

Die Maria, die das Magnificat singt, ist nicht klein und demütig, sie ist selbstbewusst, weil Gott sie angesehen hat. Ihr ganzes Ansehen, ihre ganze Würde kommen aus diesem Blick Gottes. Nicht ihre Herkunft oder ihr Vermögen sind entscheidend, nicht, was sie geleistet hat – allein dieser Blick Gottes, der in ihr sieht, was sie ist, ein von Gott geliebter wertvoller Mensch.

Es ist nicht so, dass Maria nicht von Niedrigkeit sprechen würde, es ist aber die Frage, wie diese Niedrigkeit zu verstehen ist. Maria vertraut Gott, sie glaubt ihm, aber diese Demut führt nicht zu einer Selbstverleugnung, es ist keine kleinmachende Demut, es ist eine Demut, die sich zum Werkzeug Gottes machen lässt und damit zur eigenen Selbstentfaltung führt. Es ist eine Demut, die nicht den Blick schamvoll senkt, sondern sich von Gott ansehen lässt, in dessen Blick sich ihr eigener Wert spiegelt.

Ein Gott, der die Menschen ansieht und ihnen Ansehen und Würde gegeben hat – ein Gott, der den Menschen zu seinem Ebenbilde geschaffen hat, der kommt nicht umhin, auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen kritisch zu betrachten. Wenn eine Gesellschaft oder ein wirtschaftliches System Teilen der Menschheit oder der Schöpfung insgesamt ihre Würde nimmt, dann kann sie nicht gottgewollt sein, nein, dann steht sie im Widerspruch zur christlichen Botschaft.

Deswegen singt Maria ihr kämpferisches Lied, in dem sie ankündigt, dass Gott die Mächtigen und Reichen vom Thron stürzt und die Gedemütigten erhebt und die Hungrigen sättigt. Das ist eine logische Folge der Menschwerdung Gottes, der die Menschen ansieht und ihnen Würde zuspricht.

Der Predigttext steht unter dem Motto der Freude. Elisabeth preist Maria, die mit dem noch ungeborenen Jesus zu ihr kommt, und freut sich über das, was geschehen wird, obwohl sie Jesus noch gar nicht sehen kann – sie glaubt, obwohl sie keinen Beweis hat. Sie freut sich, obwohl die Geburt noch aussteht. Sie sagt zu Maria: Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von Gott. Ich habe eine Darstellung der Begegnung von Maria und Elisabeth von einer indischen Künstlerin gefunden, Lucy D’Souza-Krone. In dieser Darstellung sind die Freude der Maria und ihre Würde deutlich zu erkennen. Maria tanzt auf Elisabeth zu und um die beiden herum entsteht neues Leben, nicht nur in ihnen – die ganze Schöpfung erblüht in der Freude auf Gottes Nähe. Auch wir können uns freuen – über jedes kleine Zeichen, in dem das Reich Gottes schon hier auf dieser Erde sichtbar wird. Wir können selber dafür sorgen, dass das Reich Gottes durch uns hier auf dieser Erde Hand und Fuß bekommt.

Was für Maria gilt, gilt auch für uns: Gott sieht uns an – wir haben Würde und sind wertvoll. Und wenn wir Gott Raum in uns geben, machen wir Gott groß, wenn wir ihm Herberge sind, kann er in uns Mensch werden und durch uns diese Erde menschlicher machen. Öffnen wir uns, damit es Weihnachten werden kann.

Amen

Lied: EG 13 „Tochter Zion“

Dieser Link  führt Sie zu dem Lied ‚Tochter Zion
https://www.youtube.com/watch?v=27zPLekrbVU

Gebet

Sei du, Gott, in unserem Denken,

damit wir nicht aufhören,

nach dem Sinn des Lebens zu fragen.

Sei du in unserem Herzen,

damit wir nicht aufhören,

dich zu suchen in allem Lebendigen.

Sei du in unserem Handeln,

damit wir nicht aufhören,

deine Liebe zu leben.

Verbunden miteinander und mit dir beten wir weiter: Vater unser

Segen:

Ersehnter Gott, lass dich finden

im menschlichen Antlitz,

im kreatürlichen Blick,

im dunklen Firmament.

Sehnender Gott, finde mich und erfülle mich,

meinen Geist, meinen Leib, meine Seele. Amen.

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Gottes Segen begleite dich, Ihre Pfrin. Angelika Büchelin

Kerze auspusten. Nehmen Sie sich doch noch ein bisschen Zeit. Atmen Sie tief ein und aus. Vielleicht ist jetzt gerade eine gute Gelegenheit, weiter über das nachzudenken oder zu sprechen, was Sie bewegt.

 

Hausgottesdienst für den 3. Advent

3. Adventssonntag, 12. Dezember 2021 von Pfr. Andreas Ströble

Glockengeläut
Schön, dass Sie unseren Hausgottesdienst mitfeiern. Sie sind bei sich zuhause und doch verbunden mit Gott und vielen Menschen. Zünden Sie eine Kerze an. Stille.

Votum

Wir feiern unseren Gottesdienst – verbunden mit anderen und verbunden mit Gott – im Namen Gottes

des Vaters, der kommt;

des Sohnes, in dem Gott in unsere Welt kam;

des Hl. Geistes, der in uns die Sehnsucht nach Gott wach hält. Amen.

aus Psalm 85:

Herr, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande und hast erlöst die Gefangenen Jakobs, der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk und all ihre Sünde bedeckt hast… zeig uns deine Gnade und gib uns dein Heil.

Eingangsgebet:_ 

Gott, du willst zu uns kommen. Und wir wollen zu dir. Vieles steht zwischen uns. Es steht im Weg. Hilf uns! Wir wollen den Weg frei machen. Ohne dich schaffen wir es nicht. Komm zu uns! Erst dann können wir zusammenkommen. Darum bitten wir dich. Amen.

Lesung aus 1. Korinther 4:

Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet.

Lied 11,1+3Wie soll ich dich empfangen

https://www.youtube.com/watch?v=JnnTyZ8YTmc

1) Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier? O Jesu, Jesu, setze  mir selbst die Fackel bei, damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

3) Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud, als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid? Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht, da bist du, mein Heil, kommen

und hast mich froh gemacht.

Predigt:

Wir alle spielen unsere Rollen – in unseren Familienbeziehungen, im Freundeskreis, im beruflichen Umfeld, wo wir wohnen und viele nicht zuletzt auf Facebook oder Instagram – ich zum Beispiel als Pfarrer, aber auch als Ehemann, als Vater, als Bruder, als Sohn, als Freund, als Kollege und manches mehr. Wie werde ich wahrgenommen von anderen?

Was denken andere über uns?

Was sage sie über uns?

Und wie gehen sie mit uns um?

Genau vor dieser Frage stand Paulus. Die Gemeinde von Korinth verglich ihn als Apostel mit anderen Aposteln, die durch die Stadt zogen und predigten. Paulus hörte davon – und so schrieb er in einem Brief an die Korinther Folgendes „Ich bin ein Haushalter über Gottes Geheimnisse… und allein Gott richtet darüber.“

Haushalter über Gottes Geheimnisse – nicht unbedingt eine Rolle, die ich mir selbst zuschreiben würde!

Haushalter über Gottes Geheimnisse  – das ist die Aufgabenbeschreibung für Christenmenschen! Und was würde solche Haushalter auszeichnen?

Zunächst einmal: sie wissen, dass Gott ein Geheimnis ist, dass wir es mit etwas Unsagbarem zu tun haben – mit etwas, was mehr ist als ich mir vorstellen, begreifen und erklären kann.

Aber wie können wir von Gottes Geheimnissen erzählen?

Die Auferstehungshoffnung auf dem Friedhof ist genauso ein Geheimnis Gottes wie das Hoffen auf eine neue Zeit und dass einer kommt jetzt im Advent. Solche Hoffnungen, dass noch etwas kommt – ein Leben nach dem Tod oder einer, der Frieden und Gerechtigkeit mitbringt, können wir vielleicht erklären, auf ihre biblischen Bezüge zurückführen, oder auch mit anderen Religionen vergleichen – aber wir können sie nie herbeiführen!  Erklärungen führen nicht dazu,

– dass diese Auferstehungs- oder Adventshoffnung jemanden berührt,

– dass sich jemand öffnet – und in dieses Geheimnis des Glaubens eintauchen kann,

– dass jemand getröstet wird oder neue Kraft gewinnt.

Aber wir können von diesen Hoffnungen erzählen!

Jemand hat einmal gesagt:

Ich glaube nicht an kirchliche Dogmen und Riten. Aber manchmal bedarf ich einer gewissen inneren Musik, um das Leben ertragen zu können. Diese Musik kann ich nicht aus eigener Kraft bei jeder Gelegenheit komponieren. Ich finde etwas von dieser Musik in Gottes Wort über das Leben. Und deshalb gehe ich in die Kirche, um hierbei weinen zu können.“

Daheim beim Erzählen biblischer Geschichten oder beim Beten mit Kindern, beim Lesen eines bestimmten Wortes, beim Hören einer Melodie, aber auch bei einer Begegnung auf der Straße oder in einem Gottesdienst .. überall dort kann es passieren, dass jemand zu seiner/ihrer inneren Musik findet…., dass jemand berührt wird …., dass jemand weinen kann…., dass sich ein Weg im Geheimnis auftut:

– wenn gemeinsam das Vaterunser gebetet wird,

– wenn Adventslieder gesungen werden,

– wenn es Momente bewusster Stille gibt,

– wenn Schuld bekannt wird

– oder für andere gebetet wird.

Ob wir dieser Rolle als Haushalter Gottes immer gerecht werden – nicht nur als Pfarrerinnen oder Pfarrer, sondern als Christenmenschen?

ABER: wer von uns könnte schon sagen, dass er ein treuer Haushalter Gottes wäre? Wer von uns ist da unfehlbar und immer verlässlich?

Doch das Tröstliche hier ist: Nicht Menschen urteilen über uns, sondern Gott. Gott allein richtet mich einmal – und nicht das Urteil unserer Mitmenschen. Und Gottes Richterwort ist immer ein heilendes Wort, ein lebensbejahendes Wort, ein barmherziges Wort.

Jetzt, In der Adventszeit schauen wir auf den, der kommt.  Es geht nicht darum, was andere von uns denken, es geht nicht um unser Prestige und dass wir möglichst gut dastehen.

In der Adventszeit brauchen wir nicht über uns selbst oder über andere richten, was wir alles nicht gemacht oder vergessen haben.

Sondern einem jeden wird von Gott sein Lob zuteil werden.

Wir wenden uns an Gott mit dem, was auch immer wir gesagt und getan haben, und er sagt: »Das hast du gut gemacht.« Keiner wird abgewiesen, keiner wird ausgeschlossen, keiner wird abgeurteilt und keiner wird ohne ein gutes Wort bleiben. Darauf zu vertrauen ist schon Advent. Amen.

Lied EG 16,1+4: Die Nacht ist vorgedrungen

https://www.youtube.com/watch?v=QvE5kHU52jk

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern! So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern! Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.

Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her

Fürbittengebet

Unser Gott, erwartungsvoll gehen wir durch den Advent. Wir nehmen die geheimnisvollen Zeichen wahr, die auf dich hinweisen. Nicht immer wissen wir, was sie bedeuten. Lass uns trotzdem weiter dir nachspüren in unserem Leben.

Weise uns den Weg zu denen, die in Angst leben,

die keine Bleibe haben und die niemand erwartet.

Öffne unsere Ohren für diejenigen, die Kummer haben, die krank sind und nicht wissen, wem sie ihr Leid klagen können.

Leite unseren Blick auf diejenigen, die unterwegs sind in eine ungewisse Zukunft und ihr Ziel aus den Augen verloren haben.

Schenke uns Worte, die dich bezeugen und anderen Mut machen, ihren Weg zu finden.

Erfülle uns mit Weisheit, dass wir deine Zeichen zu deuten wissen. Mache uns zu glaubwürdigen Verwaltern deiner Geheimnisse, auf dass alle, die daran teilhaben, erkennen: Du bist der wahre Gott zu allen Zeiten und bis in Ewigkeit. Wir beten zu dir als unserem Vater. Vaterunser

Segen

Gott, segne und behüte uns.

Lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Erhebe dein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden. Amen.

Bleiben Sie behütet und gesund!

Bis zum nächsten Hausgottesdienst am kommenden Sonntag, dem 4. Advent

 

Passionsbilder von Klaus Janck im Gemeindesaal

Bilder zur Passionszeit
Von Aschermittwoch bis Ostern zeigt der AK Kunst und Kirche im Gemeindesaal des Evangelischen Gemeindehauses in Kenzingen, Offenburger Str.21, einen Zyklus von 5 Linolschnitten des Künstlers und Graphikers Klaus Janck aus Berlin. Die Bilder zeigen verschiedene Stationen des Kreuzweges, vom Verrat bis zur Kreuzigung. Klaus Janck hat diese Linolschnitte 1950 im jungen Alter von 19 Jahren geschaffen, kurz nach seiner Flucht aus Guben in der Niederlausitz nach Berlin, wo er noch heute ein Graphik-Atelier leitet.
Unsere Kirchengemeinde verdankt diese Bilder einer Schenkung von Frau Gisela Hauke, die seit einigen Jahren in Kenzingen wohnt. Einen Ausstellungsbesuch vereinbaren Sie am besten über das Pfarrbüro unter der Tel. 277.