Hausgottesdienst für den 4. Advent

Schön, dass Sie einen Hausgottesdienst feiern wollen – allein bei Ihnen zuhause und doch verbunden mit Gott und vielen Menschen.

 Öffnen Sie doch das Fenster, vielleicht hören Sie die Glocken läuten.
Zünden Sie eine Kerze an. Halten Sie einen Moment Stille. 

Votum

»Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«

Eingangsgebet nach Anton Rotzetter

Gott

Du bist Wort und Weisung

Gib mir

ein Ohr, das hört

ein Herz, das aufnimmt

eine Seele, die wach wird

Lass mich

gefügig werden für deinen Willen

durchlässig für dein Leben

hellhörig für das stille Wort deiner Gegenwart

Amen

Lied: EG 11 „Wie soll ich dich empfangen“

Dieser Link führt Sie zu dem Lied ‚Wie soll ich dich empfangen‘
https://www.youtube.com/watch?v=esSMN9lXSI0

Lesepredigt mit Lesung aus dem Lukasevangelium, 1, 39 ff.

Maria – ein junges Mädchen von 13 oder 14 Jahren, also in damaliger Zeit bereits erwachsen, und aus einfachen Verhältnissen stammend, hat eine außergewöhnliche Begegnung. Ein Bote Gottes sucht sie auf – der Engel Gabriel – und teilt ihr mit, dass Gott Großes mit ihr vorhat. Sie soll den lang erwarteten Messias, den Heiland, zur Welt bringen. Maria erschrickt – kann sie das – will sie das, aber dann sagt sie ja und vertraut dem Wirken Gottes. Und sie erfährt von einer anderen ungewöhnlichen Schwangerschaft. Ihre ältere Verwandte Elisabeth, von der gesagt wird, dass sie keine Kinder bekommen könne, ist bereits im sechsten Monat schwanger. Hier setzt der Predigttext ein:

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit

und hilft seinem Diener Israel auf, so wie er geredet hat zu unsern Vätern,

Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.

Welches Bild haben Sie vor sich, wenn Sie Maria vor Ihrem geistigen Auge sehen?

Unzählige Darstellungen gibt es von der Verkündigung des Engels an Maria, weniger häufig wird die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth künstlerisch dargestellt.

Bei mir hat sich lange das Bild einer passiven Maria eingeprägt. Einer Maria, die den Willen Gottes demütig erfüllt. Diese Vorstellung hat lange Zeit zu einem entsprechenden Frauenbild in der christlichen Kirche beigetragen und das Bild der passiven dienenden Frau bestärkt. Dabei wurde die demütige Haltung gegenüber Gott auf die weltlichen Machthaber im öffentlichen und privaten Bereich übertragen. Das ist vor allem die Ursache, warum ich selber keinen richtigen Zugang zur Person der Maria finden konnte.

Dazu kommt die unterschiedliche Rolle der Maria in der katholischen und der evangelischen Kirche – dort die Gottesgebärerin und die Himmelskönigin, etliche Festtage im Kirchenjahr zeugen von der großen Verehrung, die Maria entgegengebracht wird – hier Maria als Mutter von Jesus und Vorbild im Glauben, wie es Luther in Worte gefasst hat. Bei aller Verschiedenheit wird eines deutlich, Maria ist nicht wegzudenken aus dem christlichen Glauben – in der abendländischen Kunst gibt es keine berühmtere Mutter.

Beim Lesen des griechischen Urtextes ist mir ein Wort besonders ins Auge gestochen: µεγαλυνειν (megalünein). Luther übersetzt dieses Wort mit „erheben“ – meine Seele erhebt den Herrn, sagt Maria im Magnificat. Das Wort bedeutet „preisen“ – es steckt mega in diesem Wort „groß“ – das wird ja auch häufig in der Werbung verwendet, µεγαλυνειν bedeutet „groß machen“. Das finde ich faszinierend. Nicht nur Gott tut Großes, sondern auch Maria. Maria wird hier aktiv. Es ist nicht so, dass sie den Willen Gottes über sich ergehen lässt, passiv – erleidend oder erduldend, nein – aktiv öffnet sie sich Gott, damit er in ihr und durch sie groß werden kann. Ganz greifbar wird sie zur Herberge Gottes, damit Gott in ihr Gestalt gewinnen kann, damit er Mensch werden kann. Das ist das Wunderbare an Gott, wie er durch Jesus für uns sichtbar geworden ist. Er wirkt nicht fern von den Menschen, an den Menschen vorbei – er baut auf die Menschen, er braucht die Menschen, damit er groß werden kann.

Wenn wir ihm Raum in uns geben – kann er in uns und durch uns wirken.

Hier dreht sich etwas um. Die Verhältnisse verkehren sich. Großes wird klein und Kleines wird groß. Gott wird zum kleinen Kind und lässt sich ganz auf dieses menschliche Leben ein. Und der Mensch wird durch Gott groß – wird zu dem, was in ihm angelegt ist, wird so wie Gott ihn gemeint hat – aufrecht und selbstbewusst.

Die Maria, die das Magnificat singt, ist nicht klein und demütig, sie ist selbstbewusst, weil Gott sie angesehen hat. Ihr ganzes Ansehen, ihre ganze Würde kommen aus diesem Blick Gottes. Nicht ihre Herkunft oder ihr Vermögen sind entscheidend, nicht, was sie geleistet hat – allein dieser Blick Gottes, der in ihr sieht, was sie ist, ein von Gott geliebter wertvoller Mensch.

Es ist nicht so, dass Maria nicht von Niedrigkeit sprechen würde, es ist aber die Frage, wie diese Niedrigkeit zu verstehen ist. Maria vertraut Gott, sie glaubt ihm, aber diese Demut führt nicht zu einer Selbstverleugnung, es ist keine kleinmachende Demut, es ist eine Demut, die sich zum Werkzeug Gottes machen lässt und damit zur eigenen Selbstentfaltung führt. Es ist eine Demut, die nicht den Blick schamvoll senkt, sondern sich von Gott ansehen lässt, in dessen Blick sich ihr eigener Wert spiegelt.

Ein Gott, der die Menschen ansieht und ihnen Ansehen und Würde gegeben hat – ein Gott, der den Menschen zu seinem Ebenbilde geschaffen hat, der kommt nicht umhin, auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen kritisch zu betrachten. Wenn eine Gesellschaft oder ein wirtschaftliches System Teilen der Menschheit oder der Schöpfung insgesamt ihre Würde nimmt, dann kann sie nicht gottgewollt sein, nein, dann steht sie im Widerspruch zur christlichen Botschaft.

Deswegen singt Maria ihr kämpferisches Lied, in dem sie ankündigt, dass Gott die Mächtigen und Reichen vom Thron stürzt und die Gedemütigten erhebt und die Hungrigen sättigt. Das ist eine logische Folge der Menschwerdung Gottes, der die Menschen ansieht und ihnen Würde zuspricht.

Der Predigttext steht unter dem Motto der Freude. Elisabeth preist Maria, die mit dem noch ungeborenen Jesus zu ihr kommt, und freut sich über das, was geschehen wird, obwohl sie Jesus noch gar nicht sehen kann – sie glaubt, obwohl sie keinen Beweis hat. Sie freut sich, obwohl die Geburt noch aussteht. Sie sagt zu Maria: Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von Gott. Ich habe eine Darstellung der Begegnung von Maria und Elisabeth von einer indischen Künstlerin gefunden, Lucy D’Souza-Krone. In dieser Darstellung sind die Freude der Maria und ihre Würde deutlich zu erkennen. Maria tanzt auf Elisabeth zu und um die beiden herum entsteht neues Leben, nicht nur in ihnen – die ganze Schöpfung erblüht in der Freude auf Gottes Nähe. Auch wir können uns freuen – über jedes kleine Zeichen, in dem das Reich Gottes schon hier auf dieser Erde sichtbar wird. Wir können selber dafür sorgen, dass das Reich Gottes durch uns hier auf dieser Erde Hand und Fuß bekommt.

Was für Maria gilt, gilt auch für uns: Gott sieht uns an – wir haben Würde und sind wertvoll. Und wenn wir Gott Raum in uns geben, machen wir Gott groß, wenn wir ihm Herberge sind, kann er in uns Mensch werden und durch uns diese Erde menschlicher machen. Öffnen wir uns, damit es Weihnachten werden kann.

Amen

Lied: EG 13 „Tochter Zion“

Dieser Link  führt Sie zu dem Lied ‚Tochter Zion
https://www.youtube.com/watch?v=27zPLekrbVU

Gebet

Sei du, Gott, in unserem Denken,

damit wir nicht aufhören,

nach dem Sinn des Lebens zu fragen.

Sei du in unserem Herzen,

damit wir nicht aufhören,

dich zu suchen in allem Lebendigen.

Sei du in unserem Handeln,

damit wir nicht aufhören,

deine Liebe zu leben.

Verbunden miteinander und mit dir beten wir weiter: Vater unser

Segen:

Ersehnter Gott, lass dich finden

im menschlichen Antlitz,

im kreatürlichen Blick,

im dunklen Firmament.

Sehnender Gott, finde mich und erfülle mich,

meinen Geist, meinen Leib, meine Seele. Amen.

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Gottes Segen begleite dich, Ihre Pfrin. Angelika Büchelin

Kerze auspusten. Nehmen Sie sich doch noch ein bisschen Zeit. Atmen Sie tief ein und aus. Vielleicht ist jetzt gerade eine gute Gelegenheit, weiter über das nachzudenken oder zu sprechen, was Sie bewegt.