Reformationsfest, Predigt über Mt 10,26-33

Predigt am 29.10. 17 von Andreas Hansen über Mt 10,26-33

Orgelmusik vor der Predigt: JSBach über Es ist das Heil uns kommen her

Seit Jahren bereiten wir uns auf das Jubiläum vor. 500 Jahre Reformation – das ist schon was. Ganz Deutschland hat übermorgen Feiertag. Die Reformation hat unser Land und unsere Kultur geprägt, nicht nur die Kirche.
Glaubensfragen haben damals die Gemüter sehr bewegt. Leider wurden sie schnell von Fragen politischer Macht überlagert. Die Kirche war damals eine enorme Macht. Beim Stichwort Reformation denken viele an Entzweiung und Krieg – auch diese schlimmen Folgen hatte die Reformation.
Heute können wir uns nicht mehr vorstellen, andere Christen zu Ketzern zu erklären. Wir sind eng verbunden mit unseren katholischen Nachbarn.
Katholische Kollegen sagen: „Ein Lutherfest wollen wir nicht unbedingt feiern, aber gerne ein Christusfest.“
„Der Glaub sieht Jesus Christus an, der hat für uns genug getan.“
Wir glauben gemeinsam, dass Gott sich uns allein aus Gnade in Jesus Christus zuwendet und uns rechtfertigt.
Die Kirche ist in der Gesellschaft kein politischer Machtfaktor mehr – das ist gut. Glaubensfragen bewegen die Gemüter kaum und werden nur selten öffentlich diskutiert – das ist schade. Viele meinen: „Glaube ist so persönlich, dass man darüber gar nicht reden soll oder kann.“ – das ist falsch.

Der Predigttext zum Reformationsfest steht im Matthäusevangelium (10,26-33). Jesus sagt:
Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Denn nichts, was verborgen ist, bleibt verborgen; alles wird offenbart werden. Und nichts, was geheim ist, bleibt geheim; alles wird bekannt gemacht werden. Was ich euch im Dunkeln sage, das sagt am hellen Tag weiter, und was euch ins Ohr geflüstert wird, das verkündet in aller Öffentlichkeit. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können – die Seele können sie nicht töten. Fürchtet vielmehr den, der Leib und Seele dem Verderben in der Hölle preisgeben kann.
Denkt doch einmal an die Spatzen! Zwei von ihnen kosten nicht mehr als einen Groschen, und doch fällt kein einziger Spatz auf die Erde, ohne dass euer Vater es zulässt. Und bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Seid darum ohne Furcht! Ihr seid mehr wert als eine noch so große Menge Spatzen.
Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

Jesus sieht die vielen Menschen. Es rührt ihn, dass sie so verloren sind, wie Schafe ohne Hirten (vgl Mt 9,37). Darum sendet er seine Jünger zu ihnen und sagt: Vor keinem Menschen sollt ihr euch fürchten.
Fürchtet euch nicht, wenn sie euch verfolgen.
Fürchtet euch nicht, denn ihr seid kostbar für Gott, unseren Vater.
Bekennt euch zu mir, denn ich stehe für euch bei Gott ein!

Matthäus ist zutiefst davon überzeugt: Jesus sendet uns, alle Christen. Auch wir sollen Jesus verkünden und uns zu ihm bekennen. Die Menschen brauchen die Botschaft von dem guten Hirten Jesus Christus, das Evangelium.

Martin Luther und die Reformatoren vor 500 Jahren meinen damals: Die Kirche lässt die Menschen allein, verloren wie Schafe ohne Hirten. Sie macht Geschäfte mit der Angst der Menschen und verkündet nicht das Evangelium Jesu Christi.
„Fürchtet euch nicht“ – auf den Trost hört Luther. Er hat entdeckt: Jesus heilt unsere gestörte Beziehung zu Gott. Jesus sucht den verlorenen Menschen und sitzt mit Sündern an einem Tisch. Jesus bringt Gottes Gnade und Vergebung.
Der mutige Petrus hat Jesus verleugnet – und Jesus nimmt ihn doch an.
Wir alle sind darauf angewiesen, dass Gott uns annimmt, uns Gemeinschaft schenkt, uns gerecht spricht.
Luther beschreibt seine Erkenntnis wie einen wunderbar befreienden Schritt: Jetzt kann er Gott vertrauen und weiß: nur darauf kommt es an, dass wir Gott vertrauen – er nimmt uns durch Jesus an.
„Es ist das Heil uns kommen her von Gnad und lauter Güte… der Glaub sieht Jesus Christus an, der hat für uns genug getan…“
Luther bekennt sich zu Jesus. 1517 schreibt er gegen die Lehre und die Praxis des Ablasses. In kürzester Zeit diskutiert ganz Deutschland über Luthers Kritik an der Kirche. Luther schreibt weiter. Er streitet sich mit Gelehrten und Bischöfen. Er verbrennt den Drohbrief des Papstes.
1521 steht Luther in Worms vor dem Kaiser und den Mächtigen des Reiches.  Er soll widerrufen, was er geschrieben hat. Das kann er nicht. Er sagt: „mein Gewissen ist in den Worten Gottes gefangen; ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir.“
Luther erlebt es selbst als ein großes Geschenk, dass er den Mut dazu hat. Der Kaiser hält seine Zusage, dass Luther freies Geleit bekommt, verhängt dann aber die Reichsacht über ihn, verurteilt ihn also zum Tod.

„Fürchtet euch nicht! Bekennt euch zu mir!“
In Kenzingen hat ein von Luthers Erkenntnis überzeugter Prediger großen Erfolg. Von 1522 bis 1524 ist Jakob Otter hier. Dann wird der Druck des Bischofs von Konstanz und der Regierung in Wien gegen ihn und die Stadt  zu groß. Jakob Otter verlässt Kenzingen. 150 seiner Anhänger begleiten ihn. Sie gehen als Flüchtlinge nach Straßburg – viele von ihnen werden im Pfarrhaus von Katharina Zell aufgenommen. In Kenzingen wird der Stadtschreiber als Anführer der Ketzer enthauptet. Mich schaudert, wenn ich daran denke: Auch heute werden Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt, Christen, aber auch Muslime, wie die Rohynga.

„Fürchtet euch nicht! Bekennt euch zu mir!“ Man kann „unsere“ Katharina Zell aus Straßburg eine  Reformatorin nennen. Sie hat nicht Theologie studiert, das war unmöglich für eine Frau damals, aber sie bekennt und verteidigt ihren Glauben öffentlich, sie schreibt sogar darüber. Großartig ist ihre Menschlichkeit und Offenheit – da hat sie Luther einiges voraus. Katharina nimmt Flüchtlinge auf, auch solche, die von Luther und anderen als Ketzer verurteilt werden. Katharina muss niemanden verdammen oder verteufeln. Gottes Wahrheit wird schon an den Tag kommen.

„Fürchtet euch nicht! Bekennt euch zu mir!“ Jesus sagt: Gottes Reich ist nah. „Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“   
Wir gehen auf Gott zu. Wir leben vor Gott.  Im Glaubensbekenntnis beten wir: Jesus wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Gericht heißt: Alles wird offen und klar sein, in Gottes Licht. Gott bringt zurecht, was unrecht ist.
Fürchtet euch nicht! Wenn wir vor Gott stehen, ist Jesus unser Richter. Er trägt für uns Schuld und Unrecht ans Kreuz. Er verbindet uns mit Gott. Gott ist Vater und Mutter, liebevoll. „Fürchtet euch nicht!  Ihr seid Gottes Kinder. Bekennt euch zu mir!“

„Der Glaub sieht Jesus Christus an, der hat für uns genug getan.“ Die Zukunft, was uns bevorsteht, kann uns bedrängen und Angst machen. Aber wir sehen auf Jesus.
Was in der Welt geschieht und was uns persönlich trifft, kann uns verstören, traurig und ratlos machen. Aber wir sehen auf Jesus.
Wir können scheitern und schuldig werden wie Petrus, der Jesus verleugnet hat. Aber wir sehen auf Jesus.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen