Predigt über Apg 8,26-39

Predigt am 23.7.17 von Andreas Hansen über Apg 8,26-39

Apg 8,26-39

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erzählen. Der Minister aus Äthiopien wird seine Reise nach Jerusalem nicht vergessen. Einen weiten Weg hat er auf sich genommen um an diesem heiligen Ort zu sein. Sehnsucht nach Gott treibt ihn. Aber er ist in Jerusalem an Mauern und Grenzen gestoßen: Er ist fasziniert von der jüdischen Religion, aber er gehört nicht zum jüdischen Volk. Er bleibt ein Fremder. Als hoher Beamter am Hof der äthiopischen Königin ist er ein Eunuch – darum darf er nicht am Gottesdienst teilnehmen. Er ist ein Schwarzer, von weitem als Fremder zu erkennen.
Nun ist er auf dem Rückweg. Wenig hat er erreicht.   Er sitzt in seinem vornehmen Wagen. Halblaut liest er in der kostbaren Buchrolle, die er sich gekauft hat. Er kann sogar die Sprache der Juden – und versteht doch nichts.
Auf einmal läuft jemand neben seinem Wagen. Gott hat Philippus auf diesen Weg geführt: „Verstehst du, was du da liest?“ „Wie kann ich es verstehen, wenn niemand es mir erklärt?“ Seine Reise hat ihm bisher nur gezeigt: Ich werde zurückgewiesen; ich gehöre nicht dazu. Zwischen mir und den Glaubenden ist und bleibt eine Grenze. „Wie kann ich es verstehen, wenn niemand es mir erklärt?“
Er lädt Philippus ein in den Wagen. Er fragt, er hört und erlebt etwas Wunderbares: Hier bei Jesus finde ich, was ich gesucht habe. Ich will Gott erfahren. Darum kam ich in dies Land und ging zum Tempel. Ich wollte dort Gott anbeten, aber ich blieb ein Außenseiter, ein Fremder. Jetzt weiß ich, dass Gott mir nahe ist und mich liebt, dass er Ja zu mir sagt, so wie ich bin.

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ (Ps 18,30), so singt König David im Rückblick auf sein Leben. Wir sehnen uns danach, Mauern zu überwinden, Mauern, die uns voneinander trennen.
Der Mann aus Äthiopien erlebt, wie enge religiöse Vorstellungen und Vorurteile ihn ausgrenzen. Mauern zwischen Menschen sind oft auch Zeichen von Gewalt und Unrecht.
Mit Sorge sehen wir Politiker, die Mauern errichten, die sich von Kritikern verfolgt sehen, die Misstrauen schüren. Der türkische Staatspräsident Erdogan zieht Mauern um sein Land und erklärt zum Terroristen, wer ihm nicht passt. Die polnische Regierung rückt immer weiter von demokratischem Recht und von Europa ab. Reflexhaft beginnen wir selbst uns abzugrenzen und wollen mit „denen“ nichts mehr zu tun haben. Zu bewundern sind alle, die Mauern wieder durchlässig machen.
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Nach langer Zeit können die Opfer von Missbrauch und Gewalt über das reden, was ihnen angetan wurde. Sie haben in sich verschlossen, was sie verletzt hat und immer noch Angst macht. Aber jetzt reden sie.
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ – fröhlich singt David davon, dass Gott ihm geholfen hat, dass er sich nicht hat einschüchtern lassen und sein Ziel erreicht hat. Das Leben wird oft erst im Blick zurück verstanden. Da erkennen wir, wie Gott bei uns war und uns über die Mauer geholfen hat.
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ – denn Gott kommt zu uns in Jesus. Er wird einer von uns. Viele Künstler haben das ausgedrückt und Jesus als einen der Ihren gemalt: ein schwarzer Jesus, schwarz wie der Mann aus Äthiopien, ein asiatischer Jesus, ein europäischer Jesus, Jesus in vielen Zeitaltern. Gott wird einer von uns, uns gleich, damit wir zu ihm finden, die Mauer überwinden, die man auch Sünde nennt.

Philippus und der Äthiopier sind nicht allein. Als sie miteinander in der Bibel lesen und darüber sprechen, ist Jesus bei ihnen. Ihnen gehen die Augen und das Herz auf.  Sie spüren, wie nahe Gott ihnen beiden ist. Und sie erleben, wie durch Jesus die Mauern und Grenzen unwichtig werden.
Auf einmal ist an der Wüstenstraße Wasser. Der Äthiopier fragt: „Was spricht dagegen, dass ich getauft werde? Darf ich einfach so zu Jesus gehören?“
Spätere Überlieferer haben eine Tauffrage und ein Bekenntnis in den Text eingefügt: Philippus sagt: „Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen.“ Der Äthiopier antwortet: „Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist.“ Da ist der Glaube Bedingung für die Taufe. Im ursprünglichen Text steht das nicht. Sicher gehört unser Glaube, unser Bekenntnis zur Taufe dazu. Wir fragen einen erwachsenen Täufling und auch ein Kind, das es versteht: Willst du getauft werden? Aber unser Glaube ist nicht die Voraussetzung oder der Grund der Taufe. Der Grund ist allein bei Gott. Er schenkt uns seine Liebe. Er kann sie nur schenken. Wir haben keinen Anspruch darauf.
Und wir überwinden nicht aus eigener Kraft, was uns von Gott trennt, die Mauern unserer Selbstsucht, unserer Schwäche, unseres Unglaubens. Gott hilft uns auf die Sprünge. Gott will, dass uns nichts von ihm trennt. Jesus bricht Zäune ab, reißt Mauern ein, weil Gott uns liebt.

Der Äthiopier lässt den Wagen anhalten. Beide steigen ins Wasser. Philippus tauft ihn. So einfach und schnell geht das, was wir Menschen da tun. Aber großartig und wunderbar ist, was Gott uns in der Taufe schenkt: Keine Macht der Welt kann uns trennen von seiner Liebe. Fröhlich zieht der Äthiopier weiter. Er ist glücklich über seine Taufe. Was er suchte, hat er gefunden. Er hat einen Schatz, eine Freude, die ihm niemand nehmen kann.

Gestern haben sich 22 Jugendliche getroffen. Sie wollen im nächsten Jahr konfirmiert werden und so ihre Taufe bestätigen.  – Auch 6 Konfirmierte vom letzten Jahr waren dabei. – Wir möchten mit ihnen in der Bibel lesen, über uns selbst und unseren Glauben an Jesus Christus reden, beten, feiern und vieles mehr. Wir tun das mit großem Aufwand, damit unsere Jugendlichen sich, wie der Äthiopier, über ihre Taufe freuen. Sie sollen erfahren: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Gott ist bei mir alle Tage. Zwischen Gott und mir ist nichts, was uns trennen kann. Fröhlich, voll Freude über Gott, sollen sie ihren Weg finden und gehen.

„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Der fremde Äthiopier erfährt Gottes Liebe. Sie überwindet alle Mauern. Gott wird auch das zusammenführen, was heute zerrissen und durch Mauern getrennt ist. Er wird die aufrichten, die geschlagen sind, und heilen, die verletzt sind. Nichts kann uns trennen von seiner Liebe. Sie gilt allen Menschen.

Der Friede Gottes, höher als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen