Predigt am 30.7.17 von Andreas Hansen über Joh 6,30-35
„Das Passa war nahe, das Fest der Juden“ (6,4) Juden feiern das Fest der Befreiung so, als wären sie selbst die Sklaven auf dem Weg in die Freiheit, als zögen sie mit ihren Vorfahren durch die Wüste. Gott rettet jetzt und heute. Was wir heute erleben, ist mit der Geschichte von damals verknüpft.
Kurz vor dem Passa, in der Vorfreude auf das Fest, geschieht die wunderbare Speisung. Was Jesus austeilt, reicht für alle – es bleiben sogar zwölf Körbe voll übrig, ausgerechnet die Zahl der Söhne Jakobs, der Stämme Israels. So eine wunderbare Fülle! Das muss doch der von Gott Gesandte sein! Sie wollen Jesus zum König machen – und er entzieht sich.
Wir sind heute eingeladen zum Fest des Glaubens. Wir erleben mit, was zur Zeit Jesu geschieht. Wir kennen eigene „Wüstenerfahrungen“. Wir haben wie alle Menschen Sehnsucht nach einem heilen guten Leben.
Den Spuren Jesu folgen wir – und sind wie die Leute damals, mal gespannt, mal eher skeptisch.
Unser Predigttext steht im gleichen Kapitel des Johannesevangeliums wie die Lesung, ein paar Verse später: Johannes 6,30-35
Da sagten sie zu ihm: Was für ein Zeichen tust denn du, dass wir sehen und dir glauben können? Unsere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.
Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch, nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist dasjenige, das vom Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.
Da sagten sie zu ihm: Herr, gib uns dieses Brot allezeit!
Jesus sagte zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
„Gib mir ein Zeichen, damit ich sehe und glaube!“ Mit ernster Miene erklärt der Arzt seine Diagnose. Er spricht von den nächsten Behandlungsschritten. Aber von Heilung ist keine Rede. „Das kann doch nicht wahr sein! Was wird jetzt?“
Wir sind auf uns selbst geworfen, herausgefordert, in Frage gestellt durch Unglück oder Schmerz oder Angst. Wir wünschen uns ein Zeichen von Gott, ein Zeichen, damit wir Vertrauen fassen können.
Wir fragen, wenn wir die Not in der Welt sehen, die Millionen von Hungernden in Somalia, Sudan, Äthiopien, die Konflikte, für die keiner einen Ausweg weiß, das Unrecht, das in etlichen Staaten immer größer wird. Unfassbar ist das Leid, schrecklich die Hilflosigkeit und Verzweiflung. „Zeig uns doch deine Güte, Gott! Hilf uns doch gegen das Böse! Verbirg dich nicht vor uns!“
So klagen die Beter in den Psalmen. „Gib uns ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben können.“
Aber wir bekommen oft kein Zeichen. Gott ist fern.
„Vielleicht ist das das einzige Zeichen, dass Gott uns aushalten lässt und wir irgendwann doch verstehen.“ So sagt Dietrich Bonhoeffer einmal über die Not des angefochtenen Glaubens.
Wir sprechen von bodenloser Angst, weil die Fundamente unseres Lebens ins Wanken geraten, wenn Schmerz und Schrecken und Feindschaft uns treffen. Der Wunsch nach einem Zeichen für den Glauben ist verständlich.
Die Leute haben gerade eben die Speisung der vielen Menschen erlebt – und fordern schon wieder ein Zeichen von Jesus? Einmal satt werden genügt ihnen nicht. Die Lage im besetzten Land Israel ist verzweifelt schlecht. Sie sehnen sich nach Freiheit und wollen wissen: „Bist du wie Mose? Führst du uns ins gelobte Land?“ Jesus soll zeigen, wer er ist.
Liebe Gemeinde, wir wollen Gewissheit; wir wollen uns absichern; belastbare Zusagen, am besten Schwarz auf Weiß. Aber das klappt ja nicht mal, wenn wir ein Auto kaufen – uns wird vorgemacht, was gar nicht stimmt. So ist es und noch viel mehr in allem, was wirklich wichtig ist.
Da hilft nur Vertrauen.
Ein Mensch kann mir sagen, dass er mich liebt, mich beschenken, verwöhnen, aber das alles sind keine Beweise. Ich muss es wagen, ihm zu vertrauen, mich auf eine Beziehung einlassen. Es ist ein wunderbares Geschenk, wenn daraus Liebe wächst.
Ebenso ist es mit dem Glauben: Wir bekommen keine Beweise, nur die Einladung zu vertrauen.
Der Wunsch „gib uns ein Zeichen, damit wir glauben können“, dieser – verständliche – Wunsch verfehlt doch das Wesen des Glaubens.
Glaube ist eine Beziehung zu Jesus und zu Gott. Was ich glaube, ist nicht beweisbar und es ist doch der tragfähige Boden, auf dem ich stehen kann.
Auf den Wunsch nach einem Zeichen antwortet Jesus: „nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel“ und dann „ich bin das Brot des Lebens“. Jesus bietet sich an, seine Zuwendung, seine Freundschaft. Er lädt ein ihm zu vertrauen. Jesus selbst ist das Zeichen, dass Gott uns liebt und nicht alleine lässt.
Jesus ist eins mit Gott – darum kann er so stark „Ich“ sagen. Gott kommt in die Not der Welt. So sehen wir ihn am Kreuz. Jesus ist das Kind, dessen Hungertod die Welt übersieht. Jesus ist das Opfer von Unrecht und Gewalt. Sein Zeichen ist nicht, dass plötzlich alles gut und heil ist, sondern, dass er in unsere böse und heillose Welt kommt.
Er sagt nicht: Ich gebe Brot, sondern: Ich bin Brot. Er bietet sich an, dass er uns zum Brot wird, uns sättigt und heilt. Jesus schenkt uns sich selbst. Er setzt sein Leben für uns ein. Er trägt unser schuldiges, verletztes, zerbrechliches Leben. Er leidet unsere Angst, unseren Tod.
Jesus, das Brot des Lebens, schenkt uns das Leben. Ich bin das Brot des Lebens.
Brot ist ein alltägliches Nahrungsmittel. Jesus ist nicht die Sahnetorte, die man nur zu bestimmten hohen Festtagen mag, an Weihnachten und Ostern, die man aber nicht jeden Tag vertragen würde. Jesus ist nicht ein Freund, den man nur zu großen Familienfesten einlädt und eigentlich kaum kennt, sondern der Freund um die Ecke, bei dem man jederzeit klingeln kann.
Jesus ist nicht das Feinschmeckermenü, das nur ein Kenner wirklich genießen kann, ein Essen für wenige Eingeweihte.
Jesus ist auch nicht die eiserne Ration, die man nur auspackt, wenn die Not extrem groß ist, weil sie eigentlich nicht schmeckt.
Brot ist Grundnahrungsmittel: Das, wovon man leben kann, Kraft zum Leben, sicher auch in Not, wenn der Mensch den Boden unter den Füßen verliert, aber auch an glücklichen Tagen und eben jeden Morgen, wenn ich mich frage, wie ich diesen Tag bestehen soll.
Liebe Gemeinde, wir hätten gerne ein Zeichen, damit wir sehen und glauben. Der Apostel Thomas darf seine Hand in die Wunde Jesu legen, damit er es glaubt, dass Jesus lebt. Er bekommt gesagt: „Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“
Jesus lädt uns ein: „Vertrau mir, nimm meine Freundschaft an! Brot will ich dir sein.“
Einen Beweis gibt er uns nicht. Aber er ist doch bei uns.
Wir sind eingeladen zum Fest des Glaubens. Wir feiern Jesus mitten unter uns, wenn wir in seinem Namen zusammen sind, im Gottesdienst, wenn wir hören, was er sagt, es uns sagen lassen, wenn ihn in Brot und Wein empfangen. Einen Beweis gibt er uns nicht und doch lädt er uns ein und wir feiern ihn in unserer Mitte. Brot des Lebens gibt er uns.
Auch alleine können Glauben einüben, beten, auf sein Wort hören, zu ihm einkehren, wie zu einem Freund. Brot des Lebens wird er uns, täglicher Begleiter. Hören wir auf seine Einladung!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm. Amen