Predigt 1.Pt 5,7 29.9.19

Predigt am 29.9.19 von Andreas Hansen über 1.Pt 5,7

Eine Besonderheit von evangelischen Christen sind Bibelsprüche zu jedem Anlass. Zu jeder Taufe, Trauung, Bestattung ein Vers. Viele kennen ihren Konfirmationsspruch. Für viele ist ihr Spruch ein Leben lang wichtig, tröstlich, anregend, hilfreich. Was in der Bibel steht, nehmen wir für unser Leben in Anspruch. Das ist typisch evangelisch, dass wir in der Bibel sozusagen einen direkten Draht zu Gott erkennen: „Das ist mein Spruch. Das sagt Gott zu mir.“ 
Viele Christen weltweit lesen die Herrnhuter Losungen, für jeden Tag ein Vers aus dem AT und einer aus dem NT, und sie fragen: „Was willst du mir für diesen Tag mitgeben, Gott?“
Auch jede Woche hat ihren eigenen Spruch. Alle Jahre wieder begleitet der gleiche Spruch uns eine Woche lang. Der Bibelvers für die heute beginnende Woche aus dem 1.Petrusbrief lautet: „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“

Ja, wenn das so einfach wäre, die Sorgen von sich zu werfen! Wie wir ein schmutziges Hemd eben mal in die Wäschetonne werfen oder eine Mail, die uns nicht interessiert, in den Papierkorb schieben. Weg damit! Wenn das so einfach wäre! Wir können unsere Sorgen doch nicht einfach abschütteln. Es hilft doch auch nichts, einander eine heile, sorgenfreie Welt vorzumachen. Vielleicht haben Sie schon bei der Lesung stillen Einspruch erhoben, wenn Jesus sagt: „Sorgt euch nicht, ihr Kleingläubigen, seht die Vögel an und die Lilien auf dem Felde! Macht euch keine Sorgen um den nächsten Tag! Der nächste Tag wird für sich selbst sorgen.“ Wie meinst du das, Jesus? Unsere Sorgen lassen sich doch nicht einfach wegwischen. Sie sind doch berechtigt: Wenn wir genau wissen: Auf diese Klassenarbeit bin ich viel zu schlecht vorbereitet. Wenn der Arbeitsplatz in Gefahr ist oder keine Chance auf einen Wiedereinstieg in Sicht. Wenn die alte Mutter oder der Vater immer gebrechlicher werden, aber nicht einsehen,   dass sie Hilfe oder auch Pflege brauchen. Wie furchtbar kann uns das plagen, wenn Krankheit, seelisches Leid oder Schmerzen uns selbst oder einen geliebten Mitmenschen treffen. Die Freitagsdemonstranten halten uns vor: Ihr macht euch viel zu wenig Sorgen um die Folgen des Klimawandels. Ihr belastet die Erde, als hättet ihr noch eine zweite in Reserve.     „Wie konntet ihr es wagen, unserer Generation das anzutun!“ ruft Greta in die Versammlung in New York. Mit Sorge sehen wir auf den Konflikt oder die vielen Konflikte im Nahen Osten. Mit Sorge erleben wir eine Verrohung der politischen Auseinandersetzung, wie Hass und Angst geschürt werden und Politiker im Netz beleidigt und angegriffen werden. Muss uns das alles nicht Sorgen bereiten? Was uns Sorgen macht, lässt uns zuweilen nicht schlafen und begleitet uns bis in die Träume. Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“ – Wie können wir das verstehen?

Was uns Sorgen bereitet, ist Gott wichtig. Das wird keineswegs einfach abgetan. Im Gegenteil: Gott nimmt uns ernst. Er will hören, was uns Sorgen macht.
Wenn wir in den Evangelien über Jesus lesen, dann staunen wir immer wieder, wie Jesus die Menschen versteht. Er weiß gleich, wo der Schuh drückt. Er sieht, dass die Frau am Jakobsbrunnen so enttäuscht und einsam ist. Jesus erkennt, der Gelähmte, den seine Freunde zu ihm bringen, ist verbittert und ohne Vertrauen. Schon wenn Jesus die Menschen anspricht, können sie wieder ein wenig aufatmen, weil sie spüren, wie er sie versteht.
Gott will hören, was uns Sorgen macht. In den Psalmen im AT lesen wir immer wieder, dass Menschen klagen. Sie jammern über Leid, Krankheit, Unglück oder sie schreien über Ungerechtigkeit und Bosheit. Gott will das hören, denn trotz allem, was uns plagt und Angst macht, ist das Leben nicht vergeblich oder sinnlos, trotz allem Leid ist es gut. Gott will unsere Sorge hören, denn schon, wenn wir sie aussprechen, sie auf ihn werfen, wächst ein wenig Vertrauen und Hoffnung. „Alle eure Sorge werft auf ihn.“ Petrus meint wirklich, dass seine Gemeinde und dass wir die Sorgen zu Jesus und zu Gott tragen dürfen. Wir müssen uns selbst und anderen keine heile Welt vorspielen. Wir müssen nicht allezeit gut drauf sein. Gott nimmt unsere Sorgen ernst und er will sie hören.

„denn er sorgt für euch!“ Mit diesen Worten werden wir an unsere Grenze geführt. Gott sorgt für uns. Das anzunehmen fällt uns so schwer: Wir können nicht für uns sorgen. Wir wollen das Leben so gerne managen, in der Hand haben, aber wir geraten an unsere Grenze.   Ein Mensch rennt in sein Unglück, und wir sehen verzweifelt, dass wir nicht helfen können. Machtlos stehen wir vor Krankheit und Tod. Wir können trotz aller Sorge so oft nichts tun. Unsere Grenzen sind eng.
Aber Gott sorgt für uns. Dieses wunderbare, zerbrechliche Leben ist sein Geschenk. Jeder Tag, jeder Atemzug, jeder schöne Moment ist uns aus seiner Güte gegeben. Und kein Leben ist vergeblich. Kein Mensch fällt aus Gottes Hand. Keine Schuld, kein Leid, keine Behinderung oder Einschränkung machen einen Menschen wertlos. Gott sorgt für uns. Gott hat uns das Leben geschenkt und sagt Ja zu uns. An Jesus sehen wir, wie viel Gott für uns einsetzt. Er trägt selbst das Leid, das Scheitern, den Tod. Gott überwindet den tiefsten Grund der Sorge. Keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod kann uns trennen von seiner Liebe.

„Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“ Gott nimmt uns ernst in dem, was wir brauchen und worum wir uns sorgen. Wir legen nicht die Hände in den Schoß. Wir schieben nicht die Verantwortung weg.       Wir tun, was wir können – für den kranken Mitmenschen, für die schwere Klassenarbeit, für eine friedliche und klimagerechte Welt, und wofür auch immer. Wir tun, was wir können, und werfen doch die Sorge auf ihn: „Du, Gott, hilf, dass es gelingt!“ Aus unseren kleinen Schritten und selbst aus unserem Scheitern wird Gott etwas machen. Darauf vertrauen wir. Und auch, wenn wir nichts tun können, wenn wir an unsere Grenze geraten, vertrauen wir auf ihn, der das Leben schenkt und unser Leben will.
Gott gebe uns die Weisheit und den Mut, das Unsere zu tun, und Gelassenheit und Vertrauen, dass er für uns sorgt

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.