1. Mose 28,10-19 Predigt

Predigt am 22.9.19 von Andreas Hansen über 1.Mose 28,10-19

Vor der Predigt singen wir EG 379, Gott wohnt in einem Lichte

Ist es wahr? Kann ich dem, was ihr mir über Gott erzählt, trauen? Gibt es Gott überhaupt?
So fragen Konfirmanden und so fragen viele Menschen. Viele wollen gar keine Antwort, weil Gott sie nicht interessiert. Aber auch gläubige, fromme Menschen denken manchmal: „Gott ist so fern. Kümmert ihn, was auf der Welt geschieht?“ „Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann“, aber er bleibt nicht fern. Er tritt „aus seinem Glanz und Lichte in deine Nacht: Und alles wird zunichte, was dir so bange macht.“(EG 379,1+4)
Der für heute gegebene Predigttext erzählt von Jakob. Jakob ist auf der Flucht. Er muss um sein Leben fürchten, wie so viele Menschen heute. Er kann nicht zuhause bleiben. Von Streit und Schuld belastet ist seine Vergangenheit, ungewiss, düster seine Zukunft. Es wird dunkel. Er kommt nicht weiter. Hat das alles noch einen Sinn? Ich lese:

1.Mose 28,10-19

Jakob aber zog weg von Beer-Scheba und ging nach Charan. Und er gelangte an einen Ort und blieb dort über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen von den Steinen des Ortes, legte ihn unter seinen Kopf, und an jener Stelle legte er sich schlafen. Da hatte er einen Traum: Sieh, da stand eine Treppe auf der Erde, und ihre Spitze reichte bis an den Himmel. Und sieh, Boten Gottes stiegen auf ihr hinan und herab. Und sieh, der HERR stand vor ihm und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, dir und deinen Nachkommen will ich es geben. Und deine Nachkommen werden sein wie der Staub der Erde, und du wirst dich ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen werden Segen erlangen alle Sippen der Erde. Und sieh, ich bin mit dir und behüte dich, wohin du auch gehst, und ich werde dich in dieses Land zurückbringen. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich getan, was ich dir gesagt habe. 
Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sprach: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht. Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Sie ist nichts Geringeres als das Haus Gottes, und dies ist das Tor des Himmels. Am andern Morgen früh nahm Jakob den Stein, den er unter seinen Kopf gelegt hatte, richtete ihn als Steinmal auf und goss Öl darauf. Und er nannte jenen Ort Bet-El.

Sieh, eine Treppe bis an den Himmel, sieh, Gottes Boten, Engel – und was ist zu hören aus dem offenen Himmelstor? Ganz bestimmt singen die Engel und alles ist erfüllt von Musik, bevor Jakob Gott hört. Ich kann es mir nicht anders vorstellen.
Und sieh: Gott steht vor Jakob und spricht zu ihm. Jakob muss nicht mühsam die unsagbar hohe Treppe erklimmen um zu Gott zu kommen. Er muss auch nicht zusehen, wie für ihn Priester an das Geheimnis Gottes rühren – so hat man in Babel die treppenförmigen Tempel verstanden.  Nein, ganz anders, kaum vorstellbar: Gott kommt zu Jakob! Der Ewige naht sich dem Menschen. Gott kommt zu ihm herunter. „Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht“. Dieser fremde Ort im Dunkel seiner Flucht ist auf einmal hell, Gotteshaus und Himmelstor, Versprechen einer besseren Zukunft.

Wovon träumt ein Mensch, dessen Leben aus der Bahn geworfen ist? Jakob kann nicht wieder gut machen, was er angerichtet hat. Wir können nicht ungeschehen machen, was uns trifft: dass eine Beziehung zerbrochen ist, dass wir krank werden, dass wir eine Prüfung nicht bestehen. In jedem Leben gibt es Brüche, Wendepunkte, Krisen. Wir sind erstmal auf uns selbst geworfen. Kein anderer kennt unseren Schmerz, unsere Angst, unsere Scham. Wenn doch nur wieder heilen könnte, was verletzt und kaputt ist! Wenn es doch nur einen neuen Weg für mich gibt, eine neue Chance!
Wovon träumen die Flüchtlinge auf gefährlichen Wegen, verfolgt, verletzt, abgelehnt? Von ihrem Zuhause oder einem Zuhause, von den Menschen die sie verloren haben, zurücklassen mussten, von einem Leben in Frieden und Geborgenheit.
Wovon träumen die 20000 oder 30000, die am Freitag durch Freiburg zogen, die Millionen, die wie sie rund um die Welt demonstrieren? Sie sehen die Katastrophe kommen und wollen nicht einfach still zusehen. Noch ist so viel unklar. Was der Klimawandel alles bringen wird, können wir kaum ermessen. Aber es gibt viele Prognosen, die uns Angst machen. Keiner hat eine Patentlösung. Alle Schritte, die uns einfallen oder die die Regierung jetzt plant, wirken sehr klein vor dem Problem. Aber es ist gut, eine Bewegung zu spüren. Wenn wir doch nur den Mut und die Weisheit für den richtigen Neuanfang haben!

Jakob wird ein Traum geschenkt. Gott schenkt ihm eine neue Erfahrung. Ihn schaudert: „Gott ist hier, und ich wusste es nicht.“ Gott war ihm so fern. Jakob ist kein religiöser, frommer Mensch. Er fragt so wenig nach Gott wie viele andere. Er rechnet nicht mit Gott. Und auf einmal ist Gott in seinem Leben wirklich. „Gott ist hier, und ich wusste es nicht.“
Gott schenkt Jakob eine Gotteserfahrung. Gott rührt Jakob an durch das, was er sehen und hören darf. Und er verspricht ihm, dass wahr ist, wovon er träumt: „Du hast eine Zukunft. Du bekommst ein Zuhause. Du bleibst nicht allein. Ich will dich segnen und durch dich will ich die Erde segnen. Ich bin bei dir.“
Ausgerechnet zu Jakob kommt Gott! Der hat das doch gar nicht verdient. Wie der seinen Bruder über´s Ohr gehauen und den blinden Vater belogen hat! Jakob ist wahrlich keine Lichtgestalt, sondern ein schäbiger Egoist – und das wird auch nicht verschwiegen. Ausgerechnet zu so einem kommt Gott!
So ist Gott. Gott sucht uns Menschen. Als die Leute sich über Jesus ärgern, dass er ausgerechnet mit üblen Typen zusammen ist,  sagt er: „Dazu bin ich gekommen, dass ich die Verlorenen suche.“ Gott will uns Menschen begegnen, auch dann  und gerade dann, wenn wir durch finstere Täler gehen und auch wir keine Lichtgestalten sind.
Für Jakob ist nicht mit einem Schlag alles wieder gut. Er wird die Folgen seines Tuns tragen müssen. Gott geht mit Jakob, und Jakob muss auch, in einer anderen geheimnisvollen Nacht, mit Gott kämpfen. Es wird ein halbes Leben brauchen, bis er zurückkehrt, bis ihm, wie es dann heißt, die Sonne aufgeht.

Ist das wahr? Ist es für uns wahr?
Jakob ist der Mensch vor Gott, so hin und her geworfen, so schwach und voll Zweifel, wie wir sind. Jakob steht auch für Israel, Gottes Volk, mit seiner leidvollen und schweren Geschichte.
Wir werden nicht auf Träume oder Engel warten. Aber wir lesen Jakobs Geschichte und finden uns darin wieder.
Gott kann unseren Glauben wecken, uns seinen Geist schenken. Gott kann uns begegnen, uns die Augen und Ohren öffnen. Und wir können darum bitten.
Ich bin sicher, Gott ist da und hört uns, wenn wir beten. Gott ist hier bei uns, wenn wir in seinem Namen Gottesdienst feiern. Für viele ist gerade die Musik ein Himmelstor. Gott kennt viele Weisen bei uns zu sein, zu uns zu sprechen, unser Herz anzurühren.

„Ich will dich segnen und durch dich will ich die Erde segnen. Du hast eine Zukunft. Ich bin bei dir und verlasse dich nicht.“ So spricht Gott zu Jakob. So hören wir sein Wort.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen