Lk 17,11-19

Predigt am 6.9.15 von Andreas Hansen über Lk 17,11-19

Lk 17,11-19 Und es geschah, während Jesus nach Jerusalem unterwegs war, dass er durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog. Und als er in ein Dorf hineinging, kamen ihm zehn aussätzige Männer entgegen. Sie blieben in einiger Entfernung stehen und erhoben ihre Stimme und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Und als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, dass sie rein wurden. Einer von ihnen aber kehrte zurück, als er sah, dass er geheilt worden war, pries Gott mit lauter Stimme, fiel ihm zu Füßen auf das Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samaritaner. Jesus aber antwortete: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? Hat sich keiner gefunden, der zurückgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Erzählen will ich von all seinen Wundern und singen seinem Namen. Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir, Halleluja! (EG 272) Wenn das Herz voll ist, fließt der Mund über. Er jubelt und lacht, er singt und tanzt, mit lauter Stimme preist er Gott, weithin ist er zu hören, lacht und weint zugleich vor Freude, kommt zurück zu Jesus, fällt ihm zu Füßen und dankt ihm.

Wer ihn sieht und hört, muss auch lachen und vielleicht sogar weinen. Er wird angesteckt von der tiefen Freude. Danke, Gott, für sein Glück, für die Freude, die du ihm geschenkt hast, für sein Leben. Auch Jesus lacht und freut sich mit dem Geheilten, freut sich, dass er über Gott jubelt in seinem Glück.

„Wann hast du zuletzt gelacht?“ So steht es an der Wand geschrieben. Riesengroß kommt mir die Frage in einer Kunstausstellung entgegen. Gute Frage. Wann habe ich zuletzt von Herzen gelacht? Wir haben Grund zu lachen und zu jubeln. Paulus meint – wir hörten vorhin die Lesung (Röm 8,14-17) – dass wir einen kindlichen Geist bekommen haben. Wir haben Anteil an der Herrlichkeit Gottes. Kinder jubeln und lachen ungehemmt. Sie sind getragen von Vertrauen. Papa und Mama sind ja da. Dieses Vertrauen, diese Weite, diesen Jubel schenkt uns Gottes Geist, ganz ähnlich wie der Jubel des Geheilten. Ich freue mich und bin fröhlich, Herr, in dir, Halleluja!

„Zu welchem Zweck lebt der Mensch vor allem auf Erden?“ So lautet die erste Frage des Katechismus der Church of England von 1647. Ja, wozu leben wir? Was ist das Ziel? Die Antwort des alten Katechismus: „Der Mensch lebt vor allem zu dem Zweck auf Erden, dass er Gott verherrliche und sich seiner Herrlichkeit in Ewigkeit erfreue.“ „Man´s chief end is to glorify God, and to enjoy him for ever.“ Wir leben dafür, dass wir uns freuen über Gott. „Dein Glaube hat dich gerettet.“ sagt Jesus zu ihm. „Steh auf! Geh deinen Weg! Es ist gut. Geh weiter auf diesem Weg, wie ein Kind an der Hand von Mutter oder Vater.“

Zum Jubeln ist uns nicht immer zumute. Was der Geheilte erlebt hat, wird er gewiss nicht vergessen: Aussätzig sein. Ein Norweger namens Hansen hat den Erreger der Lepra vor 140 Jahren entdeckt. Man nennt sie auch Morbus Hansen, eine scheußliche Krankheit, die den Menschen entstellt, verkrüppelt und umbringt. Die Lepra ist zwar nicht ausgerottet, aber weitgehend unter Kontrolle. Auch Menschen mit anderen Hauterkrankungen nannte man aussätzig. Man hatte Angst vor ihnen. Sie durften nur außerhalb des Dorfes wohnen, getrennt von ihren Familien, zusammen mit den anderen Kranken. Dort hausten sie, geplagt von Schmerzen und Heimweh, ohne einen Funken Hoffnung. Was sie brauchten, wurde weit weg von ihrer Hütte abgelegt. Wenn sie Menschen begegneten, mussten sie Abstand halten und warnen: „Aussätzig!“ Aus dem Mittelalter kennen wir die Klappern und Ratschen der Pestkranken. Die Priester entschieden in Israel zur Zeit Jesu über krank oder gesund, rein oder unrein. Hatte der Priester die Krankheit festgestellt, hielt er eine Art von Totengebet. Aussätzig war wie tot. Außerdem nahm man an: Wer so krank wird, hat bestimmt etwas Schlimmes getan, dass er so schwer bestraft wird. Schrecklich.

Es ist nicht selbstverständlich, dass wir gesund sind. Wir tun viel dafür, dass wir Krankheiten heilen. Enorm gut und wirkungsvoll ist unser Gesundheitssystem verglichen mit vielen anderen Ländern. Wir ernähren uns gesund, treiben Sport und gehen zur Vorsorge. „Hauptsache gesund!“ sagen wir. Dafür ist uns fast kein Aufwand zu groß. Und doch sind wir begrenzt. Es ist großartig, wieviel die Medizin vermag. Aber einmal ist unsere Zeit vorbei. Es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Lieben und wir selbst gesund sind. Die Zeit unseres Lebens, jeder Tag, ist uns geschenkt. Das Leben selbst ist Gottes Geschenk.

Noch einmal leben – wie kostbar ist das für den, der aussätzig war! Jeden Tag, jede Stunde wird er genießen. Er wird zu seiner Frau und seinen Kindern zurückkehren. Er darf sie wieder in den Arm nehmen. Er wird seine Arbeit tun und dafür danken. Er wird seine Freunde treffen und mit ihnen das Leben feiern. „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Die Begegnung mit Jesus bleibt ein Schlüsselerlebnis für ihn.

Glauben heißt: Alles von Gott erwarten und in allem auf Gott hören, seinem Wort folgen. Keinen Tag könnten wir leben und keinen Atemzug tun ohne ihn. Gott ist nah. Auch wenn wir krank sind, oder ein Mensch, den wir lieb haben: Gott, der das Leben geschenkt hat, ist bei uns. Auch das Leben eines kranken Menschen will und bejaht er – Gott wendet sich nicht ab, wie es Menschen tun. Jesus heilt Menschen und zeigt damit Gottes Willen. In Jesus Christus nimmt Gott selbst das Leid an und überwindet Leid und selbst den Tod. Unsere Gesundheit ist vergänglich. Wir sind begrenzt und zerbrechlich. Und doch beschenkt uns Gott jeden Tag, in allem, woran wir uns erfreuen, was wir können und genießen.

Ausgerechnet der Fremde kehrt zu Jesus zurück und dankt ihm. Die Samaritaner waren Israels Nachbarn, aber sie gehörten doch nicht zum Volk Gottes. Ein wenig unterschied sich ihr Glaube. Sie wurden verachtet. Jesus nennt ihn fremd. Aber gerade dieser Fremde gibt Gott die Ehre. Genau genommen folgt er Jesu Anweisung nicht. Die anderen laufen weiter zum Priester. Er kehrt um als er sieht, dass er geheilt ist. Er gibt Gott die Ehre, indem er lauthals jubelt und Jesus dankt.

Ausgerechnet der Fremde bringt Jesus zum Staunen und Lachen. Ihm ist nichts wichtiger, als Gott zu preisen. „Du hast ja recht“ erkennt Jesus. „Nichts ist jetzt so wichtig, wie dein Jubel. Du hast Gottes Liebe erfahren und jetzt antwortest du.“ Noch einmal sieht Jesus den Geheilten an. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr, dass er fremd ist. Sein Glaube ist groß. Er ist ein Kind Gottes, voll Jubel und Freude über das, was ihm geschenkt ist.

„Zu welchem Zweck lebt der Mensch vor allem auf Erden?“ fragt der alte Katechismus. „Der Mensch lebt vor allem zu dem Zweck auf Erden, dass er Gott verherrliche und sich seiner Herrlichkeit in Ewigkeit erfreue.“ Wir alle, jeder Mensch, lebt dafür, dass sie oder er sich freut über Gott, unseren Vater.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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