Lebenszeichen, Predigt über Lk10,20

Predigt am 15.4.18 von Andreas Hansen über Lk 10,20

Gottesdienst zum Auftakt der Kunstausstellung Andreas Ernst (zoolo) - im Gottesdienst ist ein Bild von zoolo zu sehen, dh ein von ihm bemalter und gestalteter Bunker an der Antlantikküste - Harry White, Saxophon, und Jakoba Marten-Büsing, Orgel spielen auch einmal währen der Predigt

Philip Glass ( geboren 1937) zwei Melodien für Saxophon (1995)

„ZOOLO“ – ein Bunker, eine Wandfläche, ein Eisenbahnwaggon bekommen eine Signatur, ein Lebenszeichen. Zoon, Lebewesen – der Name erinnert daran. Ein Lob der Schöpfung – so würde ich das Bild an der Außenwand unseres Gemeindehauses nennen. Der kahlen Wand, dem toten Beton des Bunkers wird widersprochen. Wir finden uns nicht mit dem düsteren Grau ab. Nein, wir leben, wir hinterlassen Lebenzeichen, bunt, fröhlich, lebendig.
Ich schreibe meinen Namen. Ich signiere – nicht umsonst klingt segnen ähnlich. Ich lebe. Leben soll sein. Gesegnet sei alles Leben.
Lebenszeichen widersprechen dem, was erstarrt und tot ist – so empfinde und deute ich sie.

„Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ (Lk 10,20) So sagt Jesus einmal zu seinen Jüngern.
Ich schaue hinauf zum Himmel und sehe den Kondensstreifen eines Flugzeugs, ein weißes Band 10000 m über der Erde. Fast wie mit unsichtbarer Hand gezogen entsteht die Linie am Himmel. Aber schon nach wenigen Minuten verblasst sie, ohne Spur verschwindet sie.
Sind unsere Namen so im Himmel geschrieben? So flüchtig?
Menschen werden vernichtet, als wären sie nichts. Ein Lebensmüder fährt in Menschen vor einem Cafe und erschießt sich dann. Zynische Machthaber werfen Giftgas auf wehrlose Zivilisten in Syrien. Menschen werden einfach so ausradiert. Die Zahlen und Bilder der Opfer erschrecken uns kaum noch.
Man könnte glauben, ein Leben ist bedeutungslos. Ist es so?
Nein, unsere Namen sind eingeschrieben im Himmel, wie in Stein geritzt – engraphein, das klingt wie eingraviert – im Himmel, bei Gott, ist nichts verloren; was dort geschrieben ist, bleibt.

„Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Unsere Namen sind kostbar. Wie schön klingt der Name dessen, den ich liebe. Wie vertraut und lieb ist mir alles, was ich mit seinem oder ihrem Namen verbinde. Wie schön kann mein Name klingen im Mund eines Freundes, der mich schätzt. Unsere Namen sind kostbar, weil wir kostbar sind, gerufen, geliebt, angenommen. Und wir selbst nennen liebevoll die Namen der Geliebten.
„Mose, Mose“ ruft Gott aus dem brennenden Dorn-busch. Gott hat etwas vor mit dem Flüchtling Mose. Er beruft und begabt ihn zu einem großen Auftrag.
„Zachäus, komm schnell, ich muss dich besuchen!“ Jesus spricht den verachteten Kooperateur der Besatzungsmacht mit Namen an – woher kennt er ihn nur? Zachäus ist glücklich – „er sieht mich;  er will tatsächlich zu mir“ – nun kann Zachäus umkehren.
„Maria“, ruft Jesus. Weinend steht sie vor dem leeren Grab und versteht nicht und ist außer sich. Sie erkennt ihn nicht, aber dann sagt Jesus ihren Namen: „Maria“. „Nicht zu fassen: Er ist da. Er lebt und steht vor mir und spricht mich an, mich!“ Wer mich mit Namen anspricht, kennt mich und meint mich. Jesus spricht Maria an. „Der Tod ist besiegt. Du sollst leben.“

Eugene Bozza (1905-1991), Aria pour Saxophone alto et Piano

„Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Ich gebe meinen Namen bei Google ein und staune, wie viele Träger meines Namens es gibt.
Als ich in der sechsten Klasse war, gab es da viermal Andreas. Das war anstrengend.
Trotzdem steht mein Name für das, was mich unverwechselbar ausmacht. Ich bin geprägt von vielen Einflüssen und Gegebenheiten, die andere ebenso prägen. Und doch bin ich, ist jede und jeder von uns einmalig und besonders.
„Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat“ erklärt Martin Luther zum ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses: Mich, so unverwechselbar wie ich bin, mich, der diesen Namen trägt.
„Freut euch, dass ihr einmalig seid, jede und jeder etwas ganz Besonderes.“
Einmalig und besonders sind wir für den, der unseren Namen nennt, der ihn sogar in den Himmel eingraviert.
Aber die meisten von uns sind doch gar nicht so besonders, normale Jugendliche, Erwachsene  oder Alte mit normalen Lebensläufen, Familien, Freundeskreisen, nichts Ungewöhnliches. Die meisten von uns werden nicht berühmt und wollen das auch gar nicht. Nur sein wie die anderen wollen wir, einigermaßen zufrieden bitte und möglichst von großem Unglück verschont.
Und wir sollten etwas Besonderes sein, wir mit einem Stern in einem himmlischen Walk of Fame? Kann das wahr sein?
„Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Jede und jeden von uns ruft Gott mit Namen. Jede und jeder von uns hat eine eigene ganz besondere Beziehung zu Gott.
Wie wir unter Geschwistern jede und jeder ihre und seine eigene Beziehung zu den Eltern haben und uns manchmal wundern, wie eigen und anders wir sind. Dabei wickelt der kleine Tom Mama um den Finger und sein Bruder Tim muss immer Streit anfangen, bis Mama schimpft. Eltern sind manchmal so ungerecht. Kinder sind manchmal   so schwierig.
Jede und jeder von uns hat eine besondere ganz eigene Beziehung zu Gott. Jede und jeder ist von Gott gerufen, jede und jeder auf besondere Weise begabt, beauftragt, begleitet.
Jede und jeder von uns kann auf seine und ihre Weise antworten. Auf unsere Antwort wartet Gott. Er sehnt sich nach unserer Antwort. Darum hat er uns ja so einmalig und frei geschaffen.
Anders als manche Kinder bei ihren Eltern haben wir alle bei Gott einen dicken Stein im Brett: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Tragen wir unsere Namen so!
Tragen wir unsere Namen stolz, als stünden sie auf einem Stern im Himmel.
Tragen wir sie froh, weil Gott uns mit Namen ruft und uns nie vergisst.
Schreiben wir unsere Namen fröhlich und bunt, Protestzeichen gegen alles, was Leben zerstört, Lebenszeichen gegen das Grau.
Amen

Lied: Gott hat das erste Wort EG 199