Tränen der Wut und Jubel über das Leben, Predigt über 1.Samuel 2,1-8

Predigt am 1.4.18 von Andreas Hansen über 1.Sam 2,1-8

Als Evangelium zum Ostersonntag hörten wir Joh 20,11-18 Maria Magdalena begegnet dem Auferstandenen

Eine Frau steht im Tempel und betet. Sie ist verzweifelt. Sie klagt Gott ihr Leid. Ein Priester beobachtet sie. Sie bemerkt ihn nicht einmal. Lautlos bewegen sich ihre Lippen. Immer weiter betet sie – und sie weint. Der Priester denkt, sie muss betrunken sein und spricht sie an. Dann versteht er und tröstet Hanna.
Viele Menschen klagen Gott ihr Leid und zerbrechen fast an dem, was sie ertragen müssen. Viele fragen sich: „Hört Gott mich? Kümmert ihn mein Schicksal?“
Einige Jahre später kehrt Hanna zurück. Sie erinnert sich an ihr Gebet. So verzweifelt war sie, so am Boden. Und jetzt steht sie aufrecht und froh. Ja, Gott hat sie gehört und aufgerichtet. Und wieder betet Hanna, sie singt ein Lied der Freude über Gott:

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN.  Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.  Es ist niemand heilig wie der HERR,  außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
Lasst euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der HERR ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.
Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr.
Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin.
Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.
Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.
Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.
Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt.  (1.Sam 2,1-8)

Samuel, so nennt Hanna ihr Kind: Gott hört.
Gott hat mich erhört. Ich war wie ein Nichts, so verachtet und verspottet. Eine Frau ohne Kind ist nichts wert. Sie kann verstoßen werden.
Ein unerfüllter Kinderwunsch lässt auch heute manche Paare verzweifeln. Für Hanna damals bedeutete er das soziale Aus. Und neben ihr war  seine andere Frau mit ihrer wachsenden Kinderschar. Ein spöttischer Blick von ihr genügte um Hanna zum Heulen zu bringen. Aber jetzt kann sie aufrecht stehen und fröhlich singen. Hanna singt von Gott. Gott verwandelt Trauer in Freude, Ängste in Mut, Sorge in Zuversicht, ja sogar Tod in Leben.

Zum zweiten Mal ist jetzt von Tränen die Rede, zwei weinende Frauen, Maria Magdalena und Hanna. Man könnte meinen, Ostern ist etwas für Heulsusen, eine Art Trost für Zartbesaitete. Keineswegs! Maria gibt sich nicht zufrieden. Sie geht nicht heim wie Petrus und der andere Jünger. Sie muss wissen, was passiert ist. „Das geht doch nicht, dass sie Jesus weggenommen haben!“
Und auch Hanna zerfließt nicht vor Selbstmitleid. Ihr kommen auch vor Wut die Tränen.
Liebe Gemeinde, auch Wut gehört zu Ostern, Wut über die Gemeinheiten, die Menschen angetan werden, Wut über Krieg und zynische Macht, Wut über bösartige Krankheit, Wut über den Tod und all seine Helfer, alle Todesmächte. Da können einem schon die Tränen kommen, wenn man nicht so tut, als wäre die Welt heil und in Ordnung. Wut gehört zum Ostermorgen. Wir stellen uns aller Todesmacht entgegen. Der Tod ist besiegt. Er behält nicht das letzte Wort. Ostern ist auch der Triumph nach allem Leid. Der Karfreitag ist nicht vergessen.
Die Wut bebt noch in Hannas Lied. Sie schreit ihre Feinde an. „Lasst euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der HERR ist ein Gott, der es merkt“! Sie äußert ihre Wut unverblümt – das Gefühl können wir nachvollziehen. Aber um Rache geht es nicht. „der HERR ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen“ Hanna singt von den Schwachen und Armen, von denen, die keine Chance haben, von denen, auf die andere herabsehen. Gott ist auf ihrer Seite. Er kümmert sich um sie. Er sieht das Leid der hebräischen Sklaven in Ägypten. Er hört die, die ihn rufen wie Hanna. Er ist bei denen, die im Schatten stehen.
Gott „hebt auf den Dürftigen aus dem Staub“. Das ist Hannas beglückende Erkenntnis. Gott steht nicht nur bei den Erfolgreichen und Mächtigen, bei den Gewinnern. Er wendet sich gerade zu den Dürftigen und zu denen im Staub, den Überforderten, den Gestürzten, den Verlierern und hebt sie auf, richtet sie auf, schenkt ihnen Leben.
Hanna weiß nichts von Jesus. Sie hat rund tausend Jahre vor ihm in Israel gelebt. Aber sie macht doch eine Ostererfahrung. Ihr Lied weist über ihr eigenes Schicksal hinaus. Hanna erlebt: „Gott hat mein Gebet gehört. Ich war nie allein, auch als ich verzweifelte. Gott war bei mir.“
Wir erschrecken vielleicht, wenn wir lesen: „Der Herr tötet und macht lebendig…“. Ich verstehe es so: Keine Macht ist Gott ebenbürtig. Der Tod, der uns so erschreckt, oder das Böse, das sich in der Welt austobt, sie stehen nicht annähernd auf einer Stufe mit Gott. Gott, der Schöpfer, hat das erste und das letzte Wort über uns und über die Welt. Weil er uns liebt und unser Leben will, darum hat er uns erschaffen. Auch in Unglück, Krankheit oder Tod sind wir in Gottes Hand.
„Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn.“ Wir besingen mit Hanna den Gott des Lebens. „Es ist niemand heilig, wie der Herr, außer dir ist keiner…“ Sie ist außer sich vor Freude. Sie jubelt über Gott. Hanna weiß noch nichts von Jesus. Und doch hat ihr Lied einen österlichen Klang.
Gott hat Jesus vom Tod auferweckt. Der Tod ist besiegt.
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. 
Wir gehen über den Friedhof und singen von der Auferstehung unseres Herrn. Da stehen Kreuze und erzählen davon, dass wir in Gottes Liebe bleiben. Sinnvoll, wertvoll, kostbar ist das Leben, denn Gott schenkt und behält es in seiner Liebe.
Der Tod und alle Todesmacht sind besiegt. Nach Zeiten tiefer Trauer lernen Menschen wieder zu lachen. Trotz Krankheit und Schmerzen genießen Menschen ihren Tag und freuen sich über alles Schöne, das sie erleben dürfen.
„Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.“ Hanna verspottet die Mächte des Todes. Ihre Wut gegen das Böse, gegen die Todesmacht bleibt, aber ihre Tränen haben sich in Triumph gewandelt. Sie hat eine österliche Freude im Herzen. So singt Paulus ein Spottlied über den Tod:
„Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch Jesus Christus, unseren Herrn.“

Der Friede Gottes, der höher ist als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und  Sinne in Christus Jesus. Amen