Gottesdienst und Predigt am 1.5. 22 mit einem Bild von Wolf Becke “noch schleifen?”

Lied 432

Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.

Gott gab uns Ohren, damit wir hören. Er gab uns Worte, dass wir verstehn. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön.

Gott gab uns Hände, damit wir handeln. Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehn.

Im Namen des Vaters ….

Noch schleifen? – so fragen Sie zu ihrem Bild, Herr Becke. Das Motiv ist wie ein ungeschliffener Edelstein. Sie denken bei der Entstehung des Bildes nach über die Entwicklung von Menschen, besonders von Kindern.

Die Menschen sind aus krummem Holz geschnitzt, meinte Kant. Und wir sind doch dazu bestimmt aufrecht zu gehen.

Noch schleifen? Wie finden wir zu uns selbst?

Wir schauen jetzt, in der Kriegszeit, auf das Bild und auf uns Menschen. Was macht dieser Konflikt aus uns? Wie finden wir zurück zu Frieden und Menschlichkeit?

Wir nehmen zu Beginn des Gottesdienstes Elemente eines südafrikanischen Versöhnungsrituals auf und feiern die Versöhnung, die Christus uns in seinem Mahl schenkt.

 

Lasst uns gemeinsam im Wechsel beten:

Die Welt gehört Gott

die Erde und alle Menschen, die auf ihr wohnen.

Wie gut und heilsam ist es

gemeinsam in Eintracht zu leben.

Liebe und Glaube kommen zusammen,

Gerechtigkeit und Frieden begegnen sich.

Wenn die Jüngerinnen und Jünger Jesus schweigen

werden die Steine laut schreien.

Gott, tue meine Lippen auf,

dass mein Mund deinen Ruhm verkünde.

Amen

Neue Lieder 82 Suchen und fragen

„Nimm die Hitze aus unseren Herzen!“ – so nannten sie den Ritus der Versöhnung in Südafrika. So viel Verletzung, so viel Unrecht und Gewalt stand zwischen ihnen. Sie wollten neu anfangen und sich verlassen auf Gottes Ja zu uns.

Ostern heißt: Es wird möglich, was wir uns nicht mehr vorstellen konnten. Es heilt, was zerbrochen ist. Gott schenkt ein Neues. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.  „Nimm die Hitze aus unseren Herzen!“ – beten wir gemeinsam.

 

Gott, mit diesem Wasser kühle unsere Hände, unsere Köper von der Hitze der Sonne.

Christus, erbarme dich.

Mit diesem Wasser nimm die Hitze aus unseren Herzen.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser lindere unsere verletzten Gefühle, entferne die Wut von gestern.

Christus, erbarme dich.

Reinige uns von wahren und falschen Anschuldigungen.

Gott, erbarme dich.

Reinige uns von dem Makel, den unsere Missetaten hinterlassen haben.

Christus, erbarme dich.

Entferne alle Spuren des Argwohns.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser schenke uns einen Neubeginn, dass wir eine neue Gemeinschaft werden.

Christus, erbarme dich.

Mit diesem Wasser fülle unsere Herzen mit einem reinen Geist.

Gott, erbarme dich.

Mit diesem Wasser mach uns bereit zur Versöhnung.

Amen

 

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom (Röm 12)

Eure Liebe soll aufrichtig sein.

Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest.

Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern.

Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung.

Vergeltet Böses nicht mit Bösem.

Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn.

Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt.

Lass dich nicht vom Bösen besiegen,

sondern besiege das Böse durch das Gute!

 

Wir schauen auf das Bild von Wolf Becke

Noch schleifen?

 (Orgelimprovisation)

Predigt nach Gen 28 und 32:

Ein Stein in seiner Hand.

Er schimmert rosa und blau,

als wäre Kostbares in ihn eingeschlossen.

Aber er ist auch rau, zerkratzt, zerschunden

von all dem, was über ihn hinweg gegangen ist.

Jakob hält den Stein in der Hand,

seit vielen Jahren immer wieder.

Er gehört zu ihm wie sein Leben,

ist wie ein Spiegel seiner selbst,

führt ihn zu Selbstgesprächen, Gebeten.

Ein Stein in seiner Hand wie der große Stein,

an den er sein Haupt lehnte

in der dunkelsten Nacht seines Lebens.

Am Morgen richtet er den Stein auf,

damit er ihn wiederfinden kann.

Erst da sieht er seine Farben, seine Schönheit.

Einen Splitter hebt er auf, der dem großen gleicht.

Abgespalten, getrennt – gibt es ein Zurück?

Kann der Riss zwischen ihm und seinem Bruder, zwischen ihm und seinem Vater je wieder heilen?

Er hört sie schreien, außer sich vor Wut.

Erst da beginnt er zu ahnen,

wie sehr er sie verletzt hat.

Er muss fort, rennt um sein Leben,

rennt den ganzen Tag,

bis er sich völlig erschöpft an diesen Stein lehnt.

Was soll werden?

Wohin wird er geworfen?

Wird je ein Mensch nach ihm fragen?

Jakob schläft ein – und träumt,

träumt wunderbar von einem himmlischen Licht.

Gott kommt zu ihm.

Zu ihm kommt Gott.

Sagt ihm: Ich bin bei dir und segne dich.

Du kehrst zurück.

Am Morgen richtet Jakob den Stein auf

und macht sich wieder auf den Weg,

ein Flüchtling mit Gottes Verheißung.

Viele Jahre schon hält er den Stein in seiner Hand, denkt an den Riss in seinem Leben und an Gottes Wort. Sein Stein gehört gerade so zu ihm, mit seinen Narben und Kanten und rauen Stellen

und mit der Ahnung: da ist noch mehr.

So wie sein Stein verheißungsvoll schimmert und manchmal im Licht glänzt, so glänzt über seinem Leben, was Gott gesagt hat: Ich bin bei dir und segne dich. Du kehrst zurück.

 

Und jetzt ist Jakob auf dem Weg zurück. Morgen wird er seinen Bruder wiedersehen – wie wird das sein nach so vielen Jahren?

Mit allen, die zu ihm gehören, ist Jakob unterwegs, den Kindern, dem Vieh, seinem ganzen Besitz. Jakob hat seinem Bruder kostbare Geschenke bringen lassen. Der kommt ihm mit einer großen Schar Männer entgegen. Hat er eine Chance?

In dieser Nacht ringt Jakob mit Gott.

Eine Gestalt kämpft mit Jakob bis zum Morgen. Jakob packt und hält ihn fest: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Ich lass dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.

Seit diesem Kampf humpelt Jakob.

Seit dieser Nacht heißt er Israel, Gotteskämpfer. Am Morgen begegnet ihm sein Bruder, bereit zur Versöhnung.

 

Einen ungeschliffenen Edelstein habe ich in Ihrem Bild erkannt und habe ihn mit Lebenswegen in Verbindung gebracht: zerkratzt, rau, verletzt und verletzend und doch darunter ein Glanz, eine schöne Ahnung und Bestimmung.

Noch schleifen? Nein.

Die Kanten und Narben gehören zu uns.

Die Lüge und der Betrug Jakobs haben seinen Vater und seinen Bruder zutiefst verletzt.

Sie können sich am Ende versöhnen und doch bleibt dieser Riss in ihrer Geschichte. Er lässt sich nicht einfach abschleifen.

Der schreckliche Überfall Russlands auf seine Schwestern und Brüder wird das Verhältnis auf Dauer bestimmen. Ganz Europa sieht jetzt anders auf Russland. Irgendwann wird – so hoffen wir – Versöhnung möglich sein. Aber es wird nicht mehr sein wie vorher. „Man schließt nicht mit Freunden Frieden, sondern mit Feinden.“, meinte Jizchak Rabin. Zum Frieden gehört Geduld, Weisheit und Mut. Wie schwer heilen wir, was zwischen uns zerrissen ist! Wie unendlich schwer wenden wir uns ab von unserem verletzenden Tun!

Zwischen Jakobs Betrug und der Versöhnung liegen mindestens 20 Jahre. Jakobs Bruder wird Abstand halten und vorsichtig bleiben. Leider ist das nötig.

Das ist die eine Seite: Machen wir uns nichts vor! Wir haben Grund einander zu misstrauen.

Wir haben Grund auch uns selbst den rücksichts-losen Egoismus eines Jakob zuzutrauen.

Die andere Seite ist Gottes Geschichte mit Jakob und mit uns. Gott kommt zu Jakob in der Nacht: Ich bin bei dir und segne dich.

Ich erkenne auf Ihrem Bild eine Verheißung.      Wir sind nicht am Ende. Unsere Geschichte geht weiter, weil Gott segnen will.

Gott kommt zu uns in unserer Nacht, zu uns, die seiner Liebe widersprechen, zu uns Sündern. Warum nur setzt Gott sich der von Gewalt zerrissenen Welt aus? Weil er sie dennoch liebt.

Ich bin bei dir und segne dich, sagt Jesus zu uns. Jakob klammert sich an die Verheißung: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Gott lässt sich den Segen abringen.

Jakob und sein Bruder versöhnen sich.

Gott sieht nicht einfach über unsere Kanten und rauen Stellen hinweg. Er segnet Jakob so, wie er ist. Trotzdem: er segnet ihn. Amen

EG (Baden) 646

Wags und sei doch, was du in Christus bist, in seinem Urteil, in seiner Liebe, in seines Auges ewigem Licht schon bist.

Garnichts hast du, was er nicht selbst dir gab. Anspruch und ntwort, Wollen und Wirken strömen aus gleicher Quelle den Berg hinab.

Schuld und Ängste lasten nicht mehr auf dir. Nun bist du frei zu dienen und lieben wen du auch triffst und Jesus in ihm , in ihr.

Jetzt schon bist du, der einmal werden wird: schuldig und heilig, tot und erstanden, frei geliebt, eins mit Ihm, der dich heimgeführt.

 

Wir feien das Mahl unseres Herrn. In Christus sind wir versöhnt, geheilt, voll Hoffnung.

Wir danken dir, Gott. Du kommst zu uns in Jesus Christus, dass wir neu anfangen können. Du hilfst uns weiter zu sehen, wo wir heillos zerstritten sind. Du überwindest Sünde und Tod. An deinem Tisch, Jesus, empfängst du uns als Menschen des Friedens. Deinen Frieden schenkst du uns. Wir preisen dich, denn du bist heilig.

Neue Lieder 125: Du bist heilig

Heilig bist du, Gott, Quelle aller Heiligkeit. Du bringst Licht aus der Finsternis, Leben aus dem Tod, Wort aus dem Schweigen. Wir preisen dich für Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.

Einsetzungsworte

Sende deinen Heiligen Geist. Verbinde uns alle, die dieses Brot empfangen und aus diesem Kelch trinken in deiner Gemeinschaft. Gemeinsam mit allen deinen Kindern und der ganzen Kirche auf Erden beten wir mit den Worten Jesu.

Vaterunser

Wir verkünden den Tod und die Auferstehung unseres Herrn. Christus ist unsere Hoffnung und unsere Freude, unser Licht.

Neue Lieder 180 Meine Hoffnung und meine Freude

Austeilung

Wir danken dir, Christus, unser Bruder und Herr. Du schenkst uns deine Gemeinschaft. Du weckst die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung. Mach uns bereit dazu. Wir bitten für die Menschen, die unter Krieg und Gewalt leiden. Mach ein Ende mit dem unsagbaren Leid, heile die Wunden, steh den Trauernden bei. Gib uns Mut zur Versöhnung für unsere ungelösten Konflikte, für den Streit, der immer wieder weh tut. Hilf uns zu Umkehr, zum Frieden. Wir bitten für unsere Kranken, für die von Ängsten Geplagten, für die Einsamen. Hilf uns ihre Not zu sehen und ihnen beizustehen. Für deine Kirche in allen Konfessionen und in allen Ländern bitten wir. Mach uns zu Botinnen und Boten deines Friedens. Amen

EG 421

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.

Segen