Gottes Gnade ist erschienen – Predigt zum Christfest über Tit 2,11

Predigt am 25.12.18 von Andreas Hansen über Tit 2,11

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herren Jesus Christus. Amen

Vom Kind in der Krippe und den Engeln bei den Hirten haben wir gehört. Das Weihnachtsevangelium des Lukas ist uns vertraut und lieb. Vielleicht haben Sie bei der Lesung Melodien von Bach im Ohr oder mehr oder weniger berühmte Krippendarstellungen vor Augen.
Eben hörten wir, wie Johannes wunderschön und rätselhaft schreibt. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. (Joh 1,14) Gott wird Mensch. Wir haben Christus als wahren Gott und wahren Menschen gepriesen.
Beide, Lukas und Johannes, beschreiben, dass Gott in Jesus in die Welt kommt.
Hören wir eine dritte Version: Paulus schreibt an Titus, seinen Freund auf der Insel Kreta. Eigentlich ist es ein Späterer, der unter dem Namen von Paulus schreibt, aber wir nennen ihn jetzt einfach Paulus.
Er beschreibt Weihnachten in vier Worten:
Gottes Gnade ist erschienen. (Tit 2,11)
So verhält sich Gott zu uns.
An Weihnachten zeigt Gott, wie er zu uns steht. In Jesus Christus ist ein für alle Mal geklärt, wie Gott zu uns und zu allen Menschen steht. Über uns und unser Leben ist entschieden, zum Guten entschieden.  Gott hat ja zu uns gesagt.
Gottes Gnade ist erschienen.
Die Gnade Gottes ist ein Mensch.
Sie hat Hand und Fuß, ein Gesicht, eine Stimme. Noch sind es winzige Händchen und Füßchen. Wie ein Kind uns fröhlich anlacht, so liebevoll sieht Gott uns an. Wie ein Kind mit offenen Armen auf uns zukommt, so will Gott von uns angenommen werden. „Lass mich doch deine Krippe sein“, singt Paul Gerhardt, „dass ich dich stets in, bei und an mir trage.“ (EG 37,4)

„Du, Paulus, das liebe kleine Kind, das mir seine Händchen entgegenstreckt, kann ich mir besser vorstellen, als deinen Satz von der Gnade. So ein Kindchen nehme ich gern mal auf den Arm und trage es. Das höre ich gern, dass Gott so lieb ist. Warum sagst du Gnade? Das klingt nicht schön.
Um Gnade muss man bitten. Gnade wird von oben herab gewährt oder verweigert. Und warum sagst du erscheinen und nicht einfach kommen?“
Paulus antwortet: „Gott kommt nicht mal eben vorbei wie der Nachbar von nebenan. Gott ist anders. Kein Mensch kann Gott sehen. Mit unserem Verstehen erreichen wir ihn nicht. Unser Abstand zu Gott ist unendlich. Wir können nur viel zu klein von Gott denken. Und doch zeigt sich Gott. Darum sage ich „erscheinen“: das Geheimnis bleibt, dass Gott viel größer ist als unser Verstehen, und doch zeigt er sich uns in Jesus. Gott will bei uns sein. Wenn uns jemand fragt: Wie ist Gott? erzählen wir, was Jesus gesagt und getan hat.“
„Aber warum „Gnade“, Paulus? Sollen die Leute sich klein und schlecht fühlen vor Gott?“
„Ganz im Gegenteil: Wir werden durch Gottes Gnade nicht klein gemacht, sondern groß.
Jesus richtet Menschen auf. „Steh auf!“, sagt er zum Gelähmten, „Ich will dein Gast sein.“, sagt er zu dem von allen Verachteten. „Ich verurteile dich nicht“, zu der Frau, über deren Lebenswandel sich alle empören.
Die Gnade hat Hand und Fuß, ein Gesicht und eine Stimme. Ihre Hände haben Kraft zu helfen und zu heilen. Ihre Füße sind auf dem Weg zu denen am Rand. Ihre Augen sehen, wie es um Menschen steht. Ihre Worte stärken und geben Vertrauen.
Die Gnade macht uns groß.Sie erhebt uns zu Freiheit und Würde.“

Gottes Gnade ist erschienen.
Aber sie trifft auf unsere gnadenlose Welt. Wir sagen Nein zu denen, die uns nicht in den Kram passen. Ein Stichwort genügt und schon wissen wir: „So einer ist das. Mit dem will ich nichts zu tun haben.“ Wir verschwenden keine Zeit für Leute, die uns nichts bringen. Wir sagen: „Man bekommt nichts geschenkt“, und handeln meist auch entsprechend. Wir bestehen auf unserem guten Recht. Wir überziehen die, gegen die wir sind, mit übler Nachrede.
Ich sage „wir“, und tue hoffentlich vielen von Ihnen Unrecht. Ich erlebe bei mir, dass ich oft Nein zu anderen sage und dem Ja Gottes widerspreche. Gnadenlos, unversöhnlich, verletzend sind viele persönlichen Verhältnisse.
Gnadenlos geht es in der Welt zu. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Interessen verfolgt. Diktatoren wie Assad verwüsten ihr Land um ihre Macht zu erhalten. Kriege und Konflikte gehen immer weiter und fordern zahllose Opfer, weil sie aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen gewollt werden, z.B. der Krieg zwischen Russland der Ukraine oder auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.

 Gottes Gnade ist erschienen.
Gottes Gnade widerspricht uns und der Welt, wenn wir keine Gnade kennen.
Gott sagt Ja, wenn wir Nein sagen.
Gott will Versöhnung, Frieden, Gerechtigkeit.
Er setzt sich dem Hass, der Gewalt und dem Unrecht aus.
Die Gnade hat Hände und Füße, ein Gesicht und eine Stimme. Ihre Worte werden zum Ärgernis, ihr Gesicht wird geschlagen und angespuckt, ihre Hände ans Kreuz genagelt.
Über die Gnade lachen die Mächtigen, aber sie haben sich verrechnet.
Gott überlässt die Welt nicht ihrer Gnadenlosigkeit.

Gottes Gnade ist erschienen. Und weiter schreibt Paulus. Sie bringt allen Menschen die Rettung. Sie erzieht uns, dass wir uns abwenden von Gottlosigkeit und maßloser Gier, dass wir besonnen und gerecht leben und Gott achten.
Und sie erfüllt uns mit glücklicher Hoffnung: Die Herrlichkeit des großen Gottes wird erscheinen und unser Retter Jesus Christus.
Weihnachten ist ein Fest des Anfangs.
Die Gnade bleibt nicht ohne Folgen. Sie wirkt. Sie nimmt uns an die Hand wie ein Kind. Wir werden erzogen. Glücklich sind die Kinder, denen die Eltern nicht einfach alles durchgehen lassen.
Und wir werden mit Hoffnung erfüllt. Wir warten sehnsüchtig darauf, dass Gottes Herrlichkeit erscheint, dass klar und offenbar wird, was jetzt noch im Dunkel liegt und was uns plagt.
Wir warten sehnsüchtig darauf, dass alle alle, die Gnade Gottes erkennen und der Friede Christi uns alle vereint.

Das wird ein Fest!

Amen