Predigt am 19.1.20 von Andreas Hansen über Jer 14,1-9
Gott spricht sein Ja. Gott hat Ja zu uns gesagt. Gott hat die Erde und uns Menschen geschaffen. Gott sagt ein unverbrüchliches Ja zu uns in Jesus.
Aber Gott hilft uns nicht wie auf Knopfdruck. Es ist nicht so, dass wir beten: „Hilf uns, Gott!“ und schon ist alles wieder heil. Gott bewahrt uns nicht vor allem Bösen und auch nicht vor dem, was wir selbst anrichten. Und wenn ein Unglück wütet, geraten wir in Angst, dass Gott uns verlassen könnte.
„Some of us have seen, what´s coming“ schreibt Cody Petterson aus Kalifornien in seinem Blog im April 2019. Einige von uns haben gesehen, was kommen wird. Tausende reagierten auf die Ver-zweiflung, die er beschreibt. Ein Jahrzehnt lang hat er versucht, ein Naturschutzgebiet wieder aufzuforsten. Dann wird ihm auf einmal bewusst, dass er es nicht schafft. Die meisten seiner jungen Bäume sind abgestorben. Cody sitzt weinend in seinem Auto. Wie kann er das seinen Kindern sagen? „Am 1. April 2019, kurz nach 15 Uhr starb meine Zuversicht, ein Phantasiebild in mir … Wir werden nicht retten, was einmal war.“ „Some of us have seen, what´s coming“
Einige sehen, viele verschließen die Augen.
2007 hat der Weltklimarat der Vereinten Nationen vorhergesagt, dass sich in Australien ab 2030 der Klimawandel bemerkbar machen wird, durch Dürren und heftige Buschfeuer in immer kürzeren Abständen. Eine australische Studie von 2008 sagte voraus, es wird schon 2020 soweit sein. Eine Fläche so groß wie ein Drittel von Deutschland brennt dort oder ist verbrannt.
Den Predigttext habe ich nicht ausgesucht. Er ist uns für diesen Sonntag vorgegeben:
Das war das Wort des HERRN an Jeremia aus Anlass der Dürre-Not. (Gott sagt:)
Juda trauert, und seine Tore sind verfallen, trauernd sind sie zu Boden gesunken, und Jerusalems Schreie steigen empor. Und ihre Mächtigen schicken ihre Diener nach Wasser, sie kommen zu den Gruben, sie finden kein Wasser, sie kehren zurück, ihre Krüge sind leer, sie stehen in Schande und sind beschämt und verhüllen ihr Haupt. Wegen des Ackers voller Risse – ein Schrecken!, weil kein Regen auf das Land fiel, stehen die Bauern in Schande da, sie verhüllen ihr Haupt. Sogar die Hirschkuh auf dem Feld: Sie verlässt das Junge, das sie geworfen hat, denn da ist kein Gras. Und Wildesel stehen auf kahlen Höhen, wie die Schakale schnappen sie nach Luft, ihre Augen sind erloschen, denn da ist kein Kraut.
(Das Volk antwortet:)
Wenn unsere Vergehen gegen uns zeugen, HERR, so handle, um deines Namens willen! Oft sind wir treulos gewesen, wir haben gesündigt gegen dich! Du, Hoffnung Israels, sein Retter in der Zeit der Not! Warum bist du wie ein Fremder im Land und wie ein Wanderer, der einkehrt, nur um zu übernachten? Warum bist du wie ein Hilfloser, wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und dein Name ist ausgerufen über uns! Lass uns nicht in Ruhe! (Jeremia 14,1-9)
Gott sagt Ja. Er liebt seine Geschöpfe. Er liebt uns, seine Kinder. Gott sagt Ja zu uns und wartet sehnlich auf unsere Antwort.
Denn es ist Gott, der das Elend seiner Schöpfung beklagt. Wie in Australien liegt in Israel die Gefahr einer Dürrekatastrophe nahe. Gott klagt über die Dürre, die zur Zeit Jeremias herrscht. Gott leidet mit, wenn seine Geschöpfe leiden.
Die Tore Judas sind verfallen und trauernd zu Boden gesunken. Im Tor ist der Treffpunkt der Menschen, aber da ist niemand mehr. Die Diener gehen schon nicht mehr zu Quellen und Brunnen, aber selbst in Gruben oder Pfützen finden sie kein Wasser. Verzweifelt sehen die Bauern den rissigen Boden. Sie mühen sich vergeblich für Nahrung zu sorgen. Hirschkühe verlassen gegen ihren Instinkt ihr Neugeborenes. Selbst die genügsamen Wildesel japsen nach Luft mit gebrochenen Augen. Eine beklemmende Schilderung.
Ich fragte Euch Konfirmanden und Ihr meint: Das erinnert an den Klimawandel, an die Feuer in Australien, auch an Krieg und Not in unserer Zeit. Was da geschieht, weckt in uns Trauer, Mitleid, auch Angst, Wut, Verzweiflung. „Mir wird klar, wie gut es mir geht“ – wie schön und kostbar, dass wir so selbstverständlich Wasser haben. Aber Ihr habt auch den Wunsch, dass wir etwas tun sollen, nicht aufgeben sollen, etwas ändern.
Die Dürre damals, die Katastrophe in Australien heute ist zum Verzweifeln. Und doch bleiben viele cool, als ginge es sie nichts an. Gerne verdrängen und beschwichtigen wir. Lange haben wir die Warnungen überhört. Schon seit über 40 Jahren wird vor dem Klimawandel gewarnt. Wir können die blinden Flecken immer besonders gut bei anderen sehen, zB beim australischen Präsidenten Scott Morrison, der den Klimawandel bis vor wenigen Tagen geleugnet hat und noch immer vehement für den Abbau von Kohle wirbt. Nur mühsam ringen wir uns dazu durch zu sehen, wie sehr auch wir verstrickt sind: Mitschuldig durch unseren Verbrauch an Ressourcen und mitbetroffen von der Not.
Jeremia predigt gegen die Gleichgültigkeit seiner Mitmenschen. Er möchte sie am liebsten schütteln, damit sie endlich aufwachen. Er möchte ihnen ihre allzu bequeme Gläubigkeit austreiben. Das ist nicht Glauben, wenn ihr meint: „Gott muss uns doch helfen. Wir beten ein wenig und Gott hilft dann schon. Es ist alles gut. Wir sind sicher.“ Jeremia ist empört über die religiöse Selbstsicherheit. Gott ist nicht einfach so verfügbar für uns. Wir können Gott nicht bei Bedarf herbeizitieren.
Die Antwort des Volkes auf Gottes Klage heißt: „Wenn unsere Vergehen gegen uns zeugen, HERR, so handle, um deines Namens willen!“ Ein halbherziges Schuldbekenntnis, sofort verbunden mit einer Aufforderung: „Du musst doch um deines Namens willen was tun, Gott!“ Sie wollen sich nicht ändern. Sie schieben Gott die Verantwortung zu: „Jetzt rette uns, bitteschön!“
Aber Gott lässt sich nicht gleichsam anschalten. Und nun machen sie ihm Vorwürfe und sie haben Angst: „Du, Hoffnung Israels, sein Retter in der Zeit der Not! Warum bist du wie ein Fremder im Land und wie ein Wanderer, der einkehrt, nur um zu übernachten? Warum bist du wie ein Hilfloser, wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und dein Name ist ausgerufen über uns!“
Ihr habt die Angst und den Zweifel gut herausgehört: „Ist es Gott egal, was geschieht? Will er nicht helfen? Verschwindet Gott? Hat er uns verlassen? Was soll nur werden?“
Jeremia lässt uns nicht in bequemer Gläubigkeit. Die offenen Fragen dürfen wir nicht verdrängen. Die Not der Welt lässt Gott selbst klagen – lassen wir uns davon bewegen! Schieben wir nicht die Verantwortung von uns! Gott sagt Ja zu uns, Ja zu seiner Schöpfung. Sein Ja gilt, auch unter großen Schmerzen über das Leid der Schöpfung und das Unrecht in unserer Welt. Gott sagt Ja zu uns, aber Gott ist nicht eine bequeme Ausrede für unsere Gleichgültigkeit.
Am Ende steht die Bitte: „Lass uns nicht in Ruhe!“ Die meisten übersetzen „Verlass uns nicht!“ aber wörtlich bittet Jeremia: „Lass uns nicht in Ruhe!“
Wir brauchen deine Unruhe, Gott,
über das, was in der Welt geschieht,
über uns selbst.
Überlass uns nicht uns selbst!
Lass uns nicht in Ruhe! Amen
Quellen:
http://youthleadermagazine.com/cody-petterson-the-pine-valley-is-lost/
Die ZEIT vom 16.1.2020: Dossier über Australien
Übersetzung: Zürcher und Teile aus Christina Constanza, Detlef Dieckmann, Dürrezeiten – Klagezeite – oder: Vom Ende der Ruhe, GPM, Jg. 74, Heft 1 , S. 119 ff