1.Thessalonicher 5,1-11

Predigt am 9.11.14 von Andreas Hansen über 1.Thess5,1-11

Franz von Assisi betete: O Herr, in deinen Armen bin ich sicher. Wenn du mich hältst, habe ich nichts zu fürchten. Ich weiß nichts von der Zukunft, aber ich vertraue auf dich.

Vor 25 Jahren am 9.November riefen viele: „Wahnsinn! Wahnsinn!“, weil sie es einfach nicht fassen konnten, dass die Mauer offen war: „Ich weiß nichts von der Zukunft, aber es kann nur besser werden.“

Wir verfolgen gespannt wie mit angehaltenem Atem, was in der Ukraine, oder in Syrien und im Irak geschieht: bedrohliche Konflikte, Terror und Gewalt, das Elend der Flüchtlinge. „Ich weiß nichts von der Zukunft, aber was geschieht, macht mir Angst.“

Quälend ist die Ungewissheit für manche Kranke: Wenn sie auf eine Diagnose warten, wenn die Therapie sich endlos hinzieht. „Ich weiß nichts von der Zukunft, ob es besser wird, ob meine Kraft ausreicht.“

Christen sind keine Hellseher, aber sie erwarten eine Zukunft mit Jesus Christus. Sie nennen sie den Tag des Herrn. Darüber schreibt Paulus im 1.Thessalonicherbrief:

Zur Frage nach dem Zeitpunkt und den näheren Umständen dieser Ereignisse braucht man euch nichts zu schreiben, Geschwister. Ihr selbst wisst ganz genau, dass jener große Tag, der Tag des Herrn, so unerwartet kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn die Leute meinen, es herrsche Frieden und Sicherheit, wird plötzlich das Unheil über sie hereinbrechen wie Wehen, die eine schwangere Frau überfallen, und es wird kein Entrinnen geben. Ihr aber, Geschwister, lebt nicht in der Finsternis, und deshalb wird euch jener Tag nicht wie ein Dieb überraschen. Ihr alle seid ja Menschen des Lichts, und euer Leben wird von jenem kommenden Tag bestimmt. Weil wir also nicht zur Nacht gehören und nichts mit der Finsternis zu tun haben, dürfen wir auch nicht schlafen wie die anderen, sondern sollen wach und besonnen sein. Wer schläft, schläft in der Nacht, und wer sich betrinkt, betrinkt sich in der Nacht. Wir aber gehören zum Tag und wollen daher nüchtern und zum Kampf bereit sein, gerüstet mit dem Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. Denn Gott hat uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus, unseren Herrn, gerettet zu werden, und nicht dazu, im Gericht verurteilt zu werden. Christus ist ja für uns gestorben, damit wir, wenn er wiederkommt, für immer mit ihm leben – ganz gleich, ob wir bei seinem Kommen noch am Leben sind oder nicht. Darum macht euch gegenseitig Mut und helft einander im Glauben weiter, wie ihr es ja auch jetzt schon tut.

Liebe Gemeinde, helft einander im Glauben weiter, baut einander auf, macht euch gegenseitig Mut! Ja, das brauchen wir. Wir sind auf dem Weg. Es ist wie auf einer Wanderung. An den steilen, schmalen Stellen reichen wir einander die Hand. Wenn wir nicht recht weiter wissen, schauen wir gemeinsam auf Karte und Kompass. Christen sind auf dem Weg. Die Christen der ersten Zeit meinten: Das Ziel ist ganz nah, das Ende der Zeit. Jesus kommt wieder. Sein großer Tag, der jüngste Tag ist nah. Dann wird alles anders. Alle Welt wird den Herrn erkennen. Ihre Erwartung hat sich nicht erfüllt. Noch nicht. Paulus wehrt sich in seinem Brief gegen falsche Spekulationen darüber, wann und wie der jüngste Tag kommen wird. Paulus sagt den Christen in Thessaloniki und uns: „Darüber brauche ich euch gar nicht zu schreiben. Jesus selbst hat uns gesagt: das Ende wird alle überraschen. Aber ihr könnt euch freuen. Ihr wisst doch, dass wir auf Jesus zugehen. Unser Ziel ist bei ihm. Seit Ostern wissen wir: Wir sollen leben, wie er lebt. Keine Macht der Welt kann uns trennen von Gottes Liebe. Auch im Tod bleiben wir in Gottes Liebe.“ So schreibt Paulus. Wir leben im Licht des kommenden Tages. Wir haben ein gutes Ziel. Wir leben auf Jesus Christus zu. Wir sind Kinder des Lichts. Und doch sind wir manchmal tief verunsichert und wissen nicht weiter. Und doch ist manchmal unser Weg so steil und schmal, dass wir vor Angst nicht aus noch ein wissen. Und doch ist unser Glaube schwach. Wir brauchen sehr, dass andere uns ermutigen und weiterhelfen.

Extrem steil und gefährlich war der Weg für Dietrich Bonhoeffer. Er konnte der unmenschlichen Politik der Nazis, und auch der Mehrheit in der Kirche, nur widersprechen. Er entschied sich sogar für den gewaltsamen Widerstand. In dieser Zeit schrieb er an seine Freunde – ich zitiere zwei Sätze aus seinem Brief: „Uns bleibt nur der sehr schmale und manchmal kaum noch zu findende Weg, jeden Tag zu nehmen als wäre er der letzte, und doch in Glauben und Verantwortung so zu leben, als gäbe es noch eine große Zukunft. … Mag sein, dass der jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“

Bis vor kurzer Zeit wussten die Christen in Thessaloniki noch nichts von Jesus Christus. Sie sind eine junge Gemeinde, vielleicht drei Jahre alt. Aber sie haben bereits Feindseligkeiten und Leid erfahren. Der Tod einiger Gemeindeglie-der verunsichert sie. Sie fragen: „Wie geht es weiter? Kommt Jesus nun bald? Ist das, was wir geglaubt und gehofft haben, vergeblich?“ Paulus tröstet: „Der Herr kommt und mit ihm das Ende der Zeit. Wir wissen nicht, wann das sein wird. Aber er wird richten und zurecht bringen. Er wird Klarheit und Licht bringen wie ein neuer Tag. Ihr seid Kinder des Lichts. Ihr lebt von Ostern her. Was auch kommt, Glaube, Liebe und Hoffnung schützen euch.“

Liebe Gemeinde, uns Christen wird gerne vorgehalten, dass wir uns und andere mit dem Blick auf ein besseres Jenseits vertrösten. Das Gegenteil stimmt. Wir hoffen, dass unser Herr kommt – „er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten“ – so haben wir vorhin gebetet. Gerade darum setzen wir uns heute ein. Es ist wie Bonhoeffer schrieb: Wir legen die Arbeit für eine bessere Zukunft nicht aus der Hand. Wir leben in Glauben und Verantwortung so, als gäbe es noch eine große Zukunft.

Manche Gegenden Deutschlands sind trostlos. Junge Leute ziehen fort. Geschäfte, Betriebe, Schulen werden geschlossen. Häuser verfallen. Es gibt keine Arbeit. Dennoch engagieren sich dort Menschen für einen Neuanfang. „Ich weiß nichts von der Zukunft, aber ich vertraue auf dich.“

Die Not der Flüchtlinge aus Syrien ist groß. Sie haben fast alles verloren. Sie wissen nicht, wie sie den Winter überstehen sollen. Alle Hilfe wirkt wie der Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch weckt jede noch so kleine Unterstützung ein wenig Hoffnung. „Ich weiß nichts von der Zukunft, aber ich vertraue auf dich.“

Leid und Angst lassen viele Kranke verzweifeln. Ist das ein Ausweg, dass ein Mensch einfach Schluss macht, wie die junge Frau in Oregon, der die Ärzte dazu verhalfen? Ich weiß es nicht. Ich habe beeindruckende Menschen erlebt, die trotz Schmerzen Zuversicht ausstrahlten und ihre Lieben trösten konnten. „Ich weiß nichts von der Zukunft, aber ich vertraue auf dich.“

Wir sind Kinder des Lichts. Wir leben im Licht der Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Jesus Christus hat die Finsternis besiegt. Er trug den Hass, die Bosheit, die Schuld der Welt. Gott geht selbst den Weg des Leides und der Finsternis, damit wir im Licht stehen. Auch all das, was wir zur Finsternis der Welt beitragen, trägt Jesus. Kinder des Lichtes und des Tages sind wir nicht aus uns selbst, Gott hat uns zu Kindern des Tages gemacht. Wir leben im Licht, das Gott in die Welt gebracht hat, im Licht des Ostermorgens, das alle Finsternis durchdringt. Unser Weg führt in sein Licht. Darum lasst uns wach und nüchtern sein. Darum lasst uns heute leben in Glauben und Verantwortung so, als gäbe es noch eine große Zukunft. Amen