Jesaja 1,10-17

Predigt am 19.11.14 von Andreas Hansen über Jes 1,10-17

Buß- und Bettag, vor der Predigt spielen zwei Konfirmandinnen eine Situation vor - was sie spielen, wird nach der Lesung des Predigttextes nochmal aufgenommen

Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! Was soll mir die Menge eurer Opfer?, spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir – wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! Meine Seele ist Feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin’s müde, sie zu tragen. Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!

„Du hörst mir überhaupt nicht zu. Nie hörst du mir zu! Ich sage dir, was ich auf dem Herzen habe, und du überhörst mich einfach! Was ich dir sage, lässt dich kalt. Was ich will, ist dir gleichgültig. Du drehst dich weg. Weißt du, wie verletzend das ist? Ich bin dir gleichgültig. Unerträglich!“ So haben die beiden Konfirmandinnen es vorgespielt. Amalea tut nur so, als würde sie zuhören und Eva antworten. „Hm“ und „Ja, ja“ sagt sie abwesend, bis Eva der Kragen platzt. Sie erträgt das nicht mehr. Sie schreit los und zerfetzt die Zeitung. Erstaunt sieht Amalea auf.

Erkennen Sie eigene Erfahrungen wieder? Der sture Kollege, der mit seinem Verhalten die Zusammenarbeit blockiert. Man kommt einfach nicht an ihn heran. Der Jugendliche, für kein vernünftiges Wort zugänglich. Oder umgekehrt die Mutter, die einfach nichts kapiert. Der Ehepartner, der die Ohren auf Durchzug stellt, bei bestimmten Stichworten einfach abschaltet, gleichgültig, verächtlich, verletzend. Die Verbohrten, die ewigen Rechthaber, die Streitsüchtigen, die immer das letzte Wort behalten müssen. Wir kennen das. Wir sind zuweilen selbst so. Der Mensch ist das Wesen, das antwortet. Ja, aber vor dem Antworten, sollte das Zuhören stehen. Daran hapert es nur zu oft. Wir hören nicht zu. Wir reden aneinander vorbei. Das Gespräch misslingt und wird zur Farce.

Im Namen Gottes schreit Jesaja auf. Die Wut Gottes brüllt er heraus. Er steht vor dem Tempel und schimpft. Ihn ekelt an, was da geschieht. Ein Gräuel. Empörend. Verletzend. Der ganze fromme Betrieb ist verlogen. Sie tun so, als kämen sie zu Gott mit ihren Opfern. Sie genießen ihre feierlichen Zeremonien. Sie wollen Gott betrügen mit ihren schönen Gottesdiensten. In Wahrheit wollen sie nichts wissen von Gott. Sie sagen Gott und meinen ihn nicht. Leere Phrasen, unehrliches Getue. Sie hören ihm nicht zu. Sie tun nur so heilig. „Hm, jaja, lass uns bloß in Ruhe.“ Das erträgt Gott nicht. Und jetzt macht es Gott ebenso: „Meine Seele ist Feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin’s müde, sie zu tragen. Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht.“ Gott will nicht mehr. Er will sich nicht verspotten lassen von Gottesdiensten, die keine sind. Zuerst müssen sie hören, auf Gott hören und ihn ernst nehmen.

Der Priester Elifas geht durch das Tempeltor. Er kommt vom Gottesdienst. Stundenlang hat er die Dankopfer der Gläubigen vollzogen. Mächtig klang seine Stimme beim Gebet. Er fühlt sich Gott nah, wenn er den Weihrauch entzündet und sich vor dem Allerheiligsten verbeugt, wenn alle still und andächtig auf den Segen warten. Freundlich und respektvoll wird der fromme Mann auf der Straße gegrüßt. Froh gestimmt betritt Elifas sein Haus. Seine Frau erschrickt, als sie ihn hört. Angstvoll starrt sie ihn an. Elifas aber meidet ihren Blick. Sie kann das Haus nicht verlassen wegen der Blutergüsse in ihrem Gesicht. Was für ein Widerspruch zwischen Beten und Tun.

Bis 1980 war in Schloss Beuggen ein Evangelisches Kinderheim. Lange wurde es von einem Pfarrer geleitet. In Waldshut erzählte mir ein alter Mann von seiner Kindheit in dem Heim, von brutalen Erziehungsmethoden. Andachten gehörten zum Tagesablauf, aber auch manches, was wir heute nur Misshandlung nennen können. Was für ein Widerspruch zwischen Beten und Tun. Heute ermutigen die Kirchen die Opfer von damals, sich bei den dafür eingerichteten Beratungsstellen zu melden.

Drastisch schimpft Jesaja: „eure Hände sind voll Blut. Durch eure Schuld können andere nicht leben. Euer Tun schreit laut. Darum kann ich eure Gebete nicht verstehen. Ihr könnt nicht Gott loben und euren Nächsten missachten.“ Gott identifiziert sich mit denen, die in Angst und Elend leben. Gott ist auf der Seite der Geplagten. Barmherzig sollen wir sein, unsere Mitmenschen achten, Gerechtigkeit üben. Zuerst sollen wir hören, was Gott von uns will, und ihm folgen. Beten ist keine Einbahnstraße. Beten ist auch Hören, Hören, wohin Gott uns ruft. Das war damals im Tempel mit seinen Opfern genauso wie heute und hier oder wenn wir allein beten. Das Gespräch findet nicht statt, wenn wir nicht auch bereit sind zu hören.

Wie schrecklich wäre es, wenn wirklich Funkstille herrschte, wenn Gott schwiege, das Gespräch endgültig verstummte! Unvorstellbar. Die gute Botschaft ist: Gott lässt sich unsere Gleichgültigkeit nicht gefallen. Er erträgt es nicht. Immer wieder wendet er sich seinem Volk zu. Er schreit und schimpft, weil er sie so lieb hat. Immer wieder wirbt er: „Hört doch! Kehrt doch um zu mir!“ Fast flehentlich drängt Gott: „Wascht euch, reinigt euch vom Unrecht, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!“ Gott will das Gespräch mit uns. Gott will unsere Antwort. Was wir tagtäglich tun, kann Antwort sein. Und was wir hier und im stillen Kämmerlein ihm sagen und von ihm hören, führt das Gespräch weiter.

Wir hören Gott nicht zu und wir widersprechen ihm. In Gedanken, Worten und Werken wenden wir uns ab von unseren Mitmenschen und von Gott. Darin unterscheiden wir uns wohl kaum von denen, die Jesajas Worte damals hörten. Wir sind nicht besser. Darum gibt es diesen Tag. Die gute Botschaft ist: Gott lässt das nicht kalt. Er wendet sich nicht ab. Zornig und empört, verletzt und leidenschaftlich ruft er. Denn er liebt sein Volk. Er liebt uns, seine Menschen. Bis zum Äußersten lässt er sich in Jesus auf uns ein, trägt und überwindet unseren Widerspruch, unsere Schuld, das Leid der Welt. Amen