wie Kinder werden ??? Predigt über Mt 18,1-5 am Tag der Verabschiedung von Frau Dick als Kindergartenleiterin

Predigt am 24.7.16 von Andreas Hansen über Mt 18,1-5

In jener Zeit kamen die Jünger zu Jesus und fragten: »Wer ist eigentlich der Größte im Himmelreich?« Jesus rief ein Kind, stellte es in ihre Mitte und sagte: »Ich versichere euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen. Darum: Wer sich selbst erniedrigt und wie dieses Kind wird, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer solch ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.«

Ein Kind steht in der Mitte, genau übersetzt ein Kleinkind.
So gefällt es Jesus. Er bleibt nicht stehen und schaut auf das Kind herunter, er geht in Hocke, wie eine Erzieherin das macht. Er wendet sich dem Kind zu und nimmt die Perspektive des Kindes ein. Jesus redet und spielt mit dem kleinen Kind. Er macht ein Fingerspiel, er singt und fragt. Das Kind redet und spielt und lacht mit Jesus.
Um Jesus herum stehen seine Jünger. Ungeduldig schauen sie zu. Was soll das denn? Sie haben eine Frage gestellt und Jesus hat nicht geantwortet. Wer ist der Größte im Himmelreich? Aber Jesus lässt sie stehen. Er geht in den Hof zu den spielenden Kindern. Das Kleinste spricht er an, das mit dem er jetzt bei ihnen spielt.
Kinder werden damals gering geachtet. Sie können nichts bewirken. Sie sind bedeutungslos, unfertig wie ein Werkstück, das man erst noch schleifen und formen muss. Den Jüngern gehen die Kinder wohl auf die Nerven.
Jesus nimmt das Kind auf den Schoß und sieht seine Jünger an. „Ihr fragt mich, wer der Größte für Gott ist. Hier! Jemand, wie dieses Kind ist der Größte. Wie Kinder sollt ihr werden! Hört auf zu streiten! Hört auf damit, größer sein zu wollen als die anderen!“
  Verlegen tappt Petrus von einem Fuß auf den anderen. Jakobus wird rot und schaut zu Boden. Ja, sie haben gestritten. Johannes aber ist immer noch verärgert: „Wir sind nun mal keine Kinder mehr. Wir wissen, wie hart es in der Welt zugeht. Wir kennen das Leben. Darum hoffen wir ja, dass Gott alles anders macht. Und dann wollen wir bestimmen und für Gerechtigkeit sorgen.“
  Jesus antwortet: „Johannes, merkst du nicht, wie hart du selbst bist? Du hast deine Vorstellung, was gerecht und richtig ist, und das willst du um jeden Preis durchsetzen. Wie ein kleines Kind sollst du sein, so neugierig, begierig zu lernen, so ganz auf Gott angewiesen wie ein Kind, das seine Eltern braucht. Wie ein Kind sollst du offen sein und bereit zu vertrauen.“

Sollen wir wirklich wie Kinder sein oder werden? Sollen wir wie Kinder sein in einer Welt, in der Macht und Geld und Erfolg zählen? Sollen wir wie Kinder sein in unserer Zeit, in der uns täglich Nachrichten von Terror und Unrecht erschrecken?
In unserem Kindergarten und in den meisten Kindergärten in unserem Land gibt es Kinder, die Krieg und Flucht erlebt haben. Es gibt auch Kinder, die andere schlimme Sachen kennen.
  Aber die Kinder sind stark, obwohl sie so verletzlich sind. Sie sind stark, weil sie lernen wollen, weil sie neugierig und offen sind. Sie sind stark, weil sie das Lustige und das Schöne sehen und sich darüber freuen. Und besonders sind Kinder stark, weil sie vertrauen. Sie vertrauen ihren Eltern und sie vertrauen, dass das Leben gut ist.
Uns Erwachsenen ist viel von der kindlichen Kraft verloren gegangen. Wir haben verlernt zu staunen und offen zu sein. Wir weigern uns oft, etwas Neues zu lernen. Man bekommt nichts geschenkt, sagen wir – welch ein Irrtum! Alles, was wirklich zählt, können wir uns nur schenken lassen. Und wir Erwachsenen können nur so schlecht vertrauen. Wir sind misstrauisch. Wir lassen uns von Ängsten leiten und verleiten.

„Werdet wie die Kinder!“ Jesus will, dass wir wie Kinder werden, stark und frei und voll Vertrauen, gerade weil die Welt so hart ist.
Wir können dem, was uns Angst macht, dem Terror und der Ungewissheit, am besten mit Vertrauen und innerer Freiheit und Offenheit begegnen.
Denn wir sind und bleiben Gottes Kinder. Wir sind und bleiben in allem, was kommt, geliebt von unserem Vater, gehalten und geborgen.

Ein Kind steht in der Mitte. So gefällt es Jesus und er sagt: „wer solch ein Kind aufnimmt, der nimmt mich auf.“ Jesus weiß schon, wie verletzlich und bedürftig Kinder sind. Er kennt das Leid der verachteten, herumgeschubsten Kinder. Ganz im Gegensatz zur damaligen Gesellschaft nimmt Jesus Kinder ernst und wichtig.
Noch immer und trotz aller Veränderung nimmt unsere Gesellschaft Kinder nicht ernst genug. Zum Glück haben wir erkannt, wie wichtig die Förderung der Kinder ist, und geben inzwischen mehr aus für Kindergärten – der Nachholbedarf war groß. Aber noch immer hat gerade die frühkindliche Bildung keine angemessene Priorität.
Erzieherinnen und Erzieher verdienen hohe Achtung. Sie nehmen Kinder auf und geben ihnen Zuwendung, Aufmerksamkeit, Geduld und Liebe.
Unschätzbar wertvoll ist das, was Kinder durch die Förderung im Kindergarten lernen. Erzieherinnen nehmen die kindliche Neugier und Offenheit auf, gehen auf Fragen und Bedürfnisse ein, geben Geborgenheit, stärken Kinder in ihrer Entwicklung und fördern ihr Verhalten in der Gruppe.
Unschätzbar wertvoll ist der Kindergarten, damit aus kleinen Kindern lernfähige, selbstbewusste und soziale große Kinder und Erwachsene werden, Menschen, denen das Kindsein nicht ausgetrieben wurde, Menschen die offen und empfindsam sind und die vertrauen können. Amen