Bekehrung, Apostelgeschichte 9,1-18

Predigt am 14.8.16 von Andreas Hansen über Apg 9,1-18

Eine ganze Reihe von Terrorakten und Gewalttaten hat uns in den letzten Wochen erschreckt. Was treibt Menschen wie den Amokläufer von München zu ihren Taten? Wie wird einer zum Terroristen? Wie wird aus einem ganz normal wirkenden Mann ein Verbrecher? Die persönlichen Voraussetzungen der Täter ähneln einander. Es sind schwache, unsichere, verletzte Persönlichkeiten. Sie lassen sich verführen durch etwas, was ihrem Leben eine Bedeutung zu geben verspricht. Sie haben keine Empfindung für ihre Opfer. Wie alle, die Gewalt üben gegen Schwache, die Kinder oder Wehrlose schlagen, sind sie selbst eigentlich schwach.

Unser Bundespräsident sagte bei der Trauerfeier für die Opfer von München: „Aber all denen, die aus unseren Heimaten Orte der Furcht und des Schreckens machen wollen – den Attentätern und Amokläufern wie den Terroristen, werden wir eines nicht geben: unsere Unterwerfung. Sie werden uns nicht zwingen zu hassen, wie sie hassen. Sie werden uns nicht in der Gefangenschaft immerwährender Furcht halten. Wir werden nämlich bleiben, was wir sind: eine mitmenschliche, eine solidarische Gesellschaft.“ Soweit Joachim Gauck. Wir wollen uns schützen und wehren, aber nicht auf die gleiche Stufe herunterziehen lassen. Wir wollen jeden Menschen in seiner Würde achten und uns nicht von Hass und Rache leiten lassen.
Gott stellt sich dem Hass entgegen.
Auch in unserem Predigttext verändert sich ein Mensch. Sein Weg macht eine Kehre um 180 Grad: Gott bringt einen Menschen zurecht, der von Hass erfüllt ist. Der wichtigste Apostel der Christenheit hat die Christen zuerst verfolgt.

Apg 9,1-18 Saulus aber schnaubte noch immer Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohen Priester und bat ihn um Briefe an die Synagogen in Damaskus, dass er, wenn er Anhänger dieses neuen Weges dort finde – Männer und auch Frauen -, sie gefesselt nach Jerusalem bringen solle. Als er unterwegs war, geschah es, dass er in die Nähe von Damaskus kam, und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht vom Himmel; er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu ihm sagen: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Wer bist du, Herr? Und er antwortete: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Doch steh auf und geh in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst. Die Männer aber, die mit ihm unterwegs waren, standen sprachlos da; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. Da erhob sich Saulus vom Boden; doch als er die Augen öffnete, konnte er nicht mehr sehen. Sie mussten ihn bei der Hand nehmen und führten ihn nach Damaskus. Und drei Tage lang konnte er nicht sehen, und er aß nicht und trank nicht.  
In Damaskus aber war ein Jünger mit Namen Ananias, und zu diesem sprach der Herr in einer Vision: Ananias! Er sagte: Hier bin ich, Herr. Der Herr aber sagte zu ihm: Mach dich auf und geh in die Straße, die man ‹die Gerade› nennt, und frag im Haus des Judas nach einem Mann aus Tarsus mit Namen Saulus! Du wirst sehen, er betet, und er hat in einer Vision einen Mann namens Ananias gesehen, der zu ihm hereinkam und ihm die Hände auflegte, damit er wieder sehe. Ananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen Seiten gehört, wie viel Böses dieser Mann deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Und von den Hohen Priestern hat er hier die Vollmacht, alle festzunehmen, die deinen Namen anrufen. Der Herr aber sagte zu ihm: Geh hin, denn gerade er ist mein auserwähltes Werkzeug, meinen Namen zu tragen vor den Augen von Völkern und Königen und vor den Augen der Israeliten. Ich werde ihm zeigen, wie viel er wird leiden müssen um meines Namens willen. Da machte sich Ananias auf und ging in das Haus hinein, legte ihm die Hände auf und sprach: Saul, mein Bruder, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf dem Weg, den du gekommen bist: Du sollst wieder sehen und erfüllt werden von heiligem Geist! Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er sah wieder; und er stand auf und ließ sich taufen.

Paulus fragt: „Du nennst mich Bruder?“
Ananias antwortet:„Es fällt mir nicht leicht, dich so zu nennen. Du hast uns Schlimmes angetan. Als Stephanus gesteinigt wurde, standst du da und hast dich gefreut. Verhaften wolltest du uns und nach Jerusalem zum Prozess schleppen. Aber nun bist du mein Bruder. Ich folge der Liebe Christi. Du hast Jesus Christus gehasst. Jetzt weißt du, dass er lebt.“
„Ich sehe, Ananias. Ich danke dir, dass du mich Bruder nennst. Ich habe euch verachtet, gehasst, und du legst mir die Hände auf, dass ich sehen kann. Ich habe Jesus verfolgt, und er macht mich zu seinem Boten.“

Was ist geschehen? Was hat Paulus verwandelt? Er selbst spricht in seinen Briefen zurückhaltend davon. An die Gemeinden in Galatien schreibt er: Christus hat sich mir offenbart. Und in einem Brief an die Korinther spricht er von einer Vision, die für ihn selbst nach vierzehn Jahren immer noch ein Geheimnis ist. Er schreibt: „Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein Christus lebt in mir. Und solange ich dieses irdische Leben noch habe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sich selbst für mich hingegeben hat.“ (Gal 2,20) Die Liebe Christi hat Paulus überzeugt. Durch sie konnte er ein anderer werden.  Paulus berichtet, dass er Jahre brauchte, bis er bereit war, dem Auftrag Jesu zu folgen. Er zog sich zunächst zurück.
Dreimal erzählt Lukas in seiner Apostelgeschichte von der Begebenheit, die Paulus verwandelt hat. Er hat Respekt vor dem, was nur Paulus selbst sagen kann: Die Begleiter hören eine Stimme, aber sie sehen nicht, was er sieht.

Paulus kann nicht weiter gehen. Er gerät ins Stolpern, stürzt nieder, liegt am Boden. Ein Bruch im Leben, wie einen Krankheit niederwirft, Streit ins Stolpern bringt, unser Leben wie ein Scherbenhaufen vor uns liegt. Wie einer einfach nicht verlogen und falsch weiter machen kann.
Jesus Christus unterbricht Paulus. Ins Wanken gerät, was so gewiss schien, seine Überzeugung, seine Kraft, sein Selbstbewusstsein. Licht blendet ihn, erschreckend und schön. Er muss ganz neu beginnen, warten, hören, beten. Das ist ein schmerzhafter Prozess, wenn wir unsere Gewissheiten verlieren. Ein Bruch, ein Sturz, ein Selbstverlust. Paulus ist erschüttert. Er sieht nicht, er isst und trinkt nicht. Alle Kraft braucht er, weil er seinen Weg verloren hat. Wie kann er weitergehen?
„Mach die Augen auf, Saul, mein Bruder! Du hast Jesus gehasst und verfolgt. Jetzt hast du ihn erkannt und wirst sein Zeuge sein.“

Liebe Gemeinde, wir glauben es nicht. Wir glauben nicht, dass ein Mensch kann verwandelt werden. Wir meinen, einer, der böse ist, wird immer böse sein. Wir meinen, so bin ich halt und so bleibe ich mein Leben lang. Unser Urteil über andere steht fest. Unsere Gewissheiten stehen fest. Vor allem glauben wir, dass wir selbst im Recht sind.
Christus unterbricht uns. Unserem Unglauben, unserem Mangel an Vertrauen und Liebe setzt er seine Liebe entgegen.
„Warum hasst du deinen Nächsten? Warum verfolgst du mich? Geh nicht weiter auf diesem Weg!“

Wir erschrecken über die Amokläufer und Terroristen. Ein Mensch kann auch verwandelt werden durch Hass und Angst. Wie sind sie nur in diesen Wahn geraten? Die Eltern von David aus München sind fassungslos, dass ihr Sohn sich so entwickelt hat und zu so etwas fähig war. Ein großes Leid ist auch über sie gekommen. Und nun müssen sie sich verstecken vor denen, die wieder Hass schüren und zur Gewalt aufhetzen.
„Wir werden ihnen nicht unsere Unterwerfung geben. Sie werden uns nicht zwingen zu hassen, wie sie hassen. Sie werden uns nicht in der Gefangenschaft immerwährender Furcht halten. Wir werden eine mitmenschliche, eine solidarische Gesellschaft bleiben.“

Wir Menschen sind so verführbar sind und so zerbrechlich. Das ist zum Erschrecken. Das Böse kann in uns solche Macht gewinnen. Erschreckend.
Aber die tiefste Mitmenschlichkeit und eine große Kraft erfahren wir durch die Liebe Jesu Christi. Der kann uns  verwandeln.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen