Schluss mit Opfern! – Predigt an Karfreitag Hebräer 9,24-28

Predigt am 30.3.18 von Andreas Hansen über Hebräer 9,24-28

Wir schauen auf Jesus am Kreuz – „o Haupt voll Blut und Wunden“. Da stehen sie und gaffen und spotten über seine Ohnmacht – „hilf dir doch selbst, wenn du es kannst!“ – nur von weitem sehen auch die Freunde zu und können es nicht fassen.
Er wehrt sich nicht. Er wird zum Opfer von Unrecht, Lüge und Machtmissbrauch. Er lässt sich zum Opfer machen. Unvorstellbar, ein Skandal war das Opfer damals und ist es auch heute. 
Wie ist zu verstehen, was am Kreuz geschieht?

Wir hören fast täglich von Opfern.
”Frankreich wird niemals sein Heldentum, seine Tapferkeit und sein Opfer vergessen.”, schrieb der Innenminister. Vor einer Woche starb der Polizist Arnaud Beltrame. Er ließ sich für eine Geisel eintauschen. Es ist mutig und schön, wenn ein Mensch für andere einsteht und sogar sein Leben einsetzt. Es ist furchtbar, dass er und andere zu Opfern des Terrors wurden.
Über 60 Menschen, darunter viele Kinder sterben beim Brand eines Einkaufszentrums in Kemerowo in Sibirien. Fahrlässigkeit und Korruption ist wohl der Grund für die große Zahl der Opfer.
Wir hören von Verkehrsopfern, Opfern der Kriege in Syrien, im Jemen, immer noch in der Ostukraine und in vielen anderen Kriegen.
Und immer, wenn wir von Opfern reden, ist Böses geschehen, Unrecht und Gewalt und Unglück.
Keine Opfer mehr! So möchten wir schreien, wie Hunderttausende Jugendliche in den USA.
Es reicht. Es ist unerträglich. Hört auf! Es ist schrecklich, wenn Menschen zu Opfern gemacht werden.
Jesus am Kreuz schreit: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ und stirbt.
Will Gott dieses Opfer? Warum setzt er sich so aus, dass er zum Opfer wird?
Gott will keine Opfer. Er braucht sie nicht. Das Leid unschuldiger Opfer ist für ihn unerträglich. Gott ist barmherzig, unser Vater.
„Es reicht. Hört auf, Menschen zu Opfern zu machen!“
Darum stirbt Jesus am Kreuz.

Hören wir den für heute gegebenen Predigttext aus dem Hebräerbrief. Ein unbekannter Autor schreibt an eine judenchristliche Gemeinde und deutet den Tod Jesu. Er bezieht sich auf das Opfer, das der Hohe Priester einmal im Jahr im Tempel darbringt.

Er schreibt:  Hebr 9,24-28  (Zürcher Übersetzung)

Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des echten, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor Gottes Angesicht für uns einzutreten.
Er ist auch nicht hineingegangen, um sich immer wieder darzubringen, so wie der Hohe Priester Jahr für Jahr mit fremdem Blut ins Heiligtum hineingeht; sonst hätte er nämlich immer wieder leiden müssen seit Grundlegung der Welt.
Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges  Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde aufzuheben.
Und wie es den Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, und dann kommt das Gericht, so ist auch Christus ein einziges Mal geopfert worden, um die Sünden vieler auf sich zu nehmen. Ein zweites Mal wird er nicht  der Sünde wegen erscheinen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten.

Opfer gehören zum Gottesdienst. Das ist für Menschen in der Antike selbstverständlich, auch wenn wir es grausig finden. Das Heiligtum ist der Ort der Opfer. Hier ist Gott zu finden. Tieropfer, besonders das Blut wird Gott dargebracht, denn Gott gehört das Leben. Mit Opfern kann man dem Herrn des Lebens, dem Heiligen nahe kommen.  Opfer zeigen Dank und Reue.
Das heiligste aller Opfer ist eben das, das der Hohe Priester einmal im Jahr für das ganze Volk darbringt. Nur einmal im Jahr geht der Priester in das Innerste des Tempels, das Allerheiligste. In diesem feierlichen Moment geschieht Versöhnung mit Gott. Vielleicht gibt es den Tempel in Jerusalem schon nicht mehr, als der Hebräerbrief geschrieben wird. Der Tempel und die Stadt wurden im Jahr 70 von den Römern zerstört. Damit war der Opferkult in der jüdischen Religion vorbei. Aber jeder versteht noch, wovon die Rede ist, wenn der Brief Jesus mit dem Hohen Priester vergleicht.
Nur ist Jesus noch unvergleichlich viel heiliger als ein Hoher Priester. Er geht nicht in ein von Menschen gebautes Heiligtum, sondern steht vor Gott selbst. Er bringt nicht das Blut von Tieren dar, sondern er opfert sich selbst. Und das geschieht nicht alle Jahre wieder, sondern ein einziges Mal.
Ein einziges Mal oder ein für alle Mal geschieht das Opfer Jesu.
Der Tod Jesu verändert die Welt. Die Liebe Gottes verändert die Welt.
In dem Moment, als Jesus stirbt, wird die Welt eine andere.
Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges  Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde aufzuheben.
Jesus hebt die Sünde auf.
Sünde ist wie eine Mauer zwischen Gott und uns, ein gestörtes Verhältnis.
Wir errichten die Mauer der Sünde. Wir widersprechen seiner Liebe. Wir wollen unser Leben in die Hand nehmen, nicht von ihm empfangen. Wir wollen tun, was uns richtig erscheint, nicht ihm folgen, nicht gehorchen. Gott genügt uns für Notfälle, ansonsten vergessen wir ihn. Wir sind von uns selbst eingenommen, von unserer Gier gehetzt, von unserer Angst gelähmt. Gleichgültig und selbstsüchtig machen wir Menschen zu Opfern. Wir verschließen uns für Gott und zugleich auch für unsere Mitmenschen: wie eine Mauer ist das.
Jetzt aber ist Jesus am Ende der Zeiten ein einziges  Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde aufzuheben.
Die Mauer ist offen. Ein für alle Mal ist sie geöffnet. Es soll keine Opfer mehr geben.
Gott protestiert gegen einen Opferkult, der viel grausiger ist als die Tieropfer in antiken Tempeln.
Gott erträgt nicht, dass Menschen der Geldgier und der Machtgier geopfert werden, dass wir gleichgültig Opfer in Kauf nehmen.
Schluss damit!
Noch immer werden wir schuldig aneinander.
Aber die Mauer ist offen, ein für alle Mal. Niemand wird sie je wieder schließen. Die Sünde kann uns nicht trennen von Gott. Das gilt ein für alle Mal. Amen