Pfingsten, Predigt über Joh 16,5-15

Predigt am 4.6.17 von Andreas Hansen über Joh 16,5-15

Vor der Predigt singen wir EG 124 Nun bitten wir den Heiligen Geist

Der Heilige Geist ist der Tröster in aller Not. So haben wir gesungen. Keine Schande haben wir zu fürchten, nicht einmal den Tod.
Ein jüdisches Lied lautet: „Das ganze Leben ist wie eine sehr hohe Brücke, und die Hauptsache ist sich überhaupt nicht zu fürchten.“
Der Heilige Geist hilft uns über die Brücke. Wir sehen die Abgründe erschreckend deutlich, aber wir sind gewiss. Der Geist tröstet uns.
Liebe Gemeinde, wir sind es nicht gewöhnt vom Heiligen Geist zu reden. Geist, das klingt fremd, unberechenbar, ein wenig nach Zauberkunststück. Aber was der Geist wirkt, muss gar nicht übernatürlich oder spektakulär sein. In unserem Leben, in uns und durch uns wirkt Gott, der Heilige Geist. Er wirkt Liebe, Vertrauen, Mut, Geduld, Treue.  Wir wissen ja, dass wir lieblos, selbstsüchtig und schwach sein können. So bunt, so unfertig und widersprüchlich, wie wir sind, wirkt der Heilige Geist. Aber auch so, dass ein Mensch über sich hinauswächst und sich über die Brücke traut. Leben im Heiligen Geist heißt: Unsere Gaben, so klein sie auch sind, entfalten sich. Wir binden uns an Jesus Christus. Wir vertrauen uns ihm an, dem treuen Heiland, der uns zu Gott bringt.

Hören wir den heutigen Predigttext. Johannes schreibt von Gesprächen beim Abschied Jesu. Jesus sagt: „Jetzt gehe ich zu dem, der mich gesandt hat. Und keiner von euch fragt mich: ›Wohin gehst du?‹ Denn ihr seid erfüllt von tiefer Traurigkeit über das, was ich euch sage. Doch glaubt mir: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht von euch wegginge, käme der Tröster nicht zu euch; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt zeigen, dass sie im Unrecht ist; er wird den Menschen die Augen öffnen für die Sünde, für die Gerech-tigkeit und für das Gericht. Er wird ihnen zeigen, worin ihre Sünde besteht: darin, dass sie nicht an mich glauben. Er wird ihnen zeigen, worin sich Gottes Gerechtigkeit erweist: darin, dass ich zum Vater gehe, wenn ich euch verlasse und ihr mich nicht mehr seht. Und was das Gericht betrifft, wird er ihnen zeigen, dass der Herrscher dieser Welt verurteilt ist. Ich hätte euch noch viel zu sagen, aber ihr  wärt jetzt überfordert. Doch wenn der Tröster kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch zum vollen Verständnis der Wahrheit führen. Denn was er sagen wird, wird er nicht aus sich selbst heraus sagen; er wird das sagen, was er hört. Und er wird euch die zukünftigen Dinge verkünden. Er wird meine Herrlichkeit offenbaren; denn was er euch verkünden wird, empfängt er von mir. Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Aus diesem Grund sage ich: Was er euch verkünden wird, empfängt er von mir.“

Vor zehn Tagen, an Christi Himmelfahrt haben wir gefragt: Wo ist Gott? Erreichen wir Gott? Wir hörten von König Salomo. Er baut einen Tempel für Gott und betet bei der Einweihung des Tempels. Mitten in seinem Gebet unterbricht Salomo und fragt: „Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Sieh, der Himmel, der höchste Himmel kann dich nicht fassen, wie viel weniger dann dieses Haus, das ich gebaut habe!“ Salomo erschrickt. Gott ist so anders, so groß, dass wir niemals zu ihm passen. Salomo sieht, wie fragwürdig sein Tun ist. Kein Haus, kein Kunstwerk, kein menschlicher Gedanke erreicht die Größe Gottes. Alles, was wir beschreiben, verstehen oder tun, ist zu wenig für Gott. Wo ist Gott? Der Himmel ist ein Wort für das, was weit über unserem Verstehen reicht. Aber wir entdecken den Himmel in Ereignissen, Menschen, Worten, Zeichen und Räumen, in denen Gott bei uns sein will, ganz nah bei uns, ja in uns. Der Heilige Geist lässt uns den Himmel erkennen.

Wo ist Gott? An Pfingsten bekommen wir die Antwort: Gott ist bei uns im Heiligen Geist.
Jesus sagt seinen Jüngern, dass er weggehen wird. Die gemeinsame Zeit ist vorbei, und die Jünger ahnen, dass sie nicht mitgehen können und zurückbleiben. Traurig sind sie und vermutlich auch ratlos. Was will er uns sagen? Was hat das alles zu bedeuten? Warum soll es gut für uns sein, dass er weggeht? Und womit versucht er uns hier zu trösten? Große Worte fallen in traurige Menschenherzen: „der Tröster“, „Sünde“, „Gerechtigkeit“ und „Gericht“, „Der Geist der Wahrheit“.
Jesus verspricht: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Der Geist macht uns gewiss: Jesus lebt. Er ist eins mit Gott. Jesus sagt seinen Jüngern:  Ich lasse euch nicht allein. Ich schicke euch den Tröster. Wir bleiben verbunden mit Jesus.
Der Geist der Wahrheit wird kommen und wird uns in alle Wahrheit leiten. Er wird den leeren Raum füllen, den wir schmerzlich empfinden: wenn ein Mensch gegangen ist, den wir liebten, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht, wenn wir Abschied nehmen.
Der Geist der Wahrheit: Wahrheit hat in der Bibel damit zu tun, dass ich mich auf etwas verlassen kann, dass ich vertrauen kann, dass ich mich binde – an Christus und sein Wort. Wahrheit ist nicht etwas Absolutes. Wahrheit ist nicht ein richtiger Satz, sondern vielmehr eine verlässliche Beziehung. Wahrheit ist Glaube und Treue, Freiheit und Bindung. Der Heilige Geist verbindet uns miteinander und mit Gott.
Aber der Geist zeigt uns auch die Abgründe in die wir stürzen können, die Sünde.
Sünde ist Trennung von Gott und unseren Mitmenschen, Widerspruch gegen Gott. Sünde verletzt und zerstört Leben, in Terror und Gewalt, wenn wir rücksichtlos über andere hinweg gehen und ihnen wehtun, wenn wir gleichgültig sind gegenüber dem Leid anderer.
„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“ Frau Merkels Satz hat viele beschäftigt. Es ist erschütternd, wenn der, dem ich lange vertraut habe, nicht mehr verlässlich ist. In der großen Politik ist Vertrauen so notwendig, wie in unseren persönlichen Beziehungen. Wir finden wieder zusammen oder wir entfernen uns immer weiter voneinander, bis jeder ganz eigene Wege geht.
Bitten wir Gott um den Heiligen Geist, den Tröster, den Geist der Wahrheit, damit wir die Risse und Abgründe erkennen, damit wir uns verabschieden von dem, was nicht mehr trägt, damit wir auch verbinden und Schritte zu Frieden und Gemeinschaft wagen.
„Das ganze Leben ist eine sehr hohe Brücke, und die Hauptsache ist sich überhaupt nicht zu fürchten.“
Bitten wir auch um den Geist, damit wir uns nicht lähmen lassen von dem, was ausweglos scheint, damit wir weiter sehen als der enge Blick der Furcht.
Der Heilige Geist richtet unseren Blick auf Jesus. Auf ihn schauen wir. Gott ist da in der Liebe Jesu Christi. Gott ist bei uns und nichts kann uns von seiner Liebe trennen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen