geschenkt – Predigt über Mt 20,1-16 am 28.1.2018

Predigt am 28.1.18 von Andreas Hansen über Mt20,1-16

Da stehen sie in der morgendlichen Kälte am Brunnen auf dem Marktplatz. „Was wird dieser Tag bringen?“ Ein Gutsherr kommt auf sie zu. „Ich habe Arbeit für euch. Ein Denar für den Tag? – der übliche Lohn. Geht in den Weinberg! Es gibt viel zu tun.“
Ein langer Tag beginnt. Zwölf Stunden Arbeit. Ein Denar ist nicht viel, in heutiger Kaufkraft vielleicht 20 Euro – davon kommt eine Familie gerade so rum. Mühsam verdientes Geld.
Wie beginnen Sie einen langen Tag oder eine schwere Aufgabe? Der Anfang ist schwer. Ich mache eine Liste, überlege, teile die Arbeit in Schritte, hake ab, was geschafft ist und versuche nichts zu vergessen.
Wer engagiert ist wie, wohl die meisten von uns, wird sich zu denen zählen, die den ganzen Tag reichlich zu tun haben. Nur stehen wir morgens eher am Bahnhof oder im Stau nach Freiburg und wir verdienen mehr als ein Tagelöhner damals.

Es ist schon warm morgens um neun. Andere Arbeiter stehen auf dem Markt. „Der Tag hat mies begonnen. Haben wir überhaupt noch eine Chance?“ Der Herr kommt und schickt sie in seinen Weinberg. Er verhandelt nicht über den Lohn. Sie müssen nehmen, was sie bekommen –  besser als mit leeren Händen heimzugehen.
Manchmal geht von Anfang an alles schief. Lohnt sich die Mühe überhaupt? Nicht immer haben wir die Kraft, aus einer verfahrenen Situation noch das Beste zu machen.
Da bewundere ich das Durchhaltevermögen der Koalitionsverhandler.

In der ärgsten Mittagshitze hängen ein paar Leute am Brunnen herum. Sie sind wie erschlagen von der Hitze und ihrem Frust. Ein vergeblicher Tag. Was ist, wenn wir morgen auch nichts finden? Aber der Besitzer des Weinbergs kommt wieder und gibt auch ihnen Arbeit.
Sie erinnern mich an die vielen Jungen, die jahrelang nur Praktikumsplätze bekommen, oder kleine befristete Stellen. In Griechenland haben fast 40% der Jungen unter 25 keine Arbeit, in Spanien 38%, in Italien 32%. Was haben sie für Perspektiven?

Eine Stunde vor Feierabend, fünf Uhr. Auf dem Markt stehen die übrig Gebliebenen. „Niemand hat uns eingestellt.“ Was  für eine deprimierende Feststellung. Wie nutzlos müssen sie sich vorkommen. Aber auch sie schickt der Gutsherr noch in seinen Weinberg. Das lohnt sich doch gar nicht mehr.
Manche Leute verlieren den Mut noch einmal neu zu beginnen. Zu oft haben sie sich vergeblich bemüht. Sie geben es auf. Sie bleiben die Verlierer, die Abgehängten.

Täglich erleben die Tagelöhner im Gleichnis die Herausforderung sich zu behaupten und die Unsicherheit, was der Tag wohl bringt. Der Druck kann enorm sein, sowohl bei den sogenannten Leistungsträgern ganz oben, als auch bei denen ganz unten, die keiner braucht: Habe ich Chancen? Bin ich gut genug? Kann ich meinen Platz finden? Lohnt sich die Anstrengung? Und auch eine Portion Glück gehört dazu. Ähnlich gehen wir in neue Lebenssituationen: eine neue Aufgabe, neue Beziehungen, auch Abschiede, ein Umzug, eine neue Lebensphase. Gelingt uns der Schritt? Lohnt sich die Mühe?

Nun lässt der Gutsherr seine Arbeiter auszahlen. Tagelöhner müssen täglich ihren Lohn erhalten. Und nun kommt die Überraschung:
Leistung muss sich lohnen, sagen wir. Wer viel arbeitet, verdient einen guten Lohn. Wir wollen belohnt werden. Es kann uns tief verletzen, wenn unsere Anstrengung missachtet wird. Ich gebe etwas und will dafür entsprechende Anerkennung. Dieses Denken, diese Haltung steckt tief in uns und bestimmt uns, wo wir gehen und stehen. Stimmt der Lohn nicht, empfinden wir das als großes Unrecht. Wehe, wir fühlen uns übergangen oder missachtet!
Einen ganzen Denar bekommen die, die nur eine Stunde gearbeitet haben.
Einen Denar bekommen sie alle!
Geht denn das?
„Wir haben den ganzen Tag geschuftet und was ist der Dank? Die da, die fast nichts getan haben, bekommen genauso viel wie wir. Gemeinheit!“ Und nun werden sie auch noch getadelt: „Machst du ein böses Gesicht, weil ich gütig bin?“
Der Gutsherr bringt uns ganz durcheinander. Natürlich gönnen wir jedem sein Auskommen, aber Leistung muss sich doch lohnen.
Nein, der Gutsherr Gott setzt das Prinzip Lohn   für Leistung außer Kraft. Er besteht auf seiner Freiheit zu schenken. „Mein Freund, ich tue dir kein Unrecht.“
Wir haben große Mühe mit dem, was er tut, denn wir haben verinnerlicht, dass wir nur dann belohnt werden, wenn wir etwas bringen.
Aber Gott sagt: „Von mir werdet ihr beschenkt, weil ich euch beschenken will. Ihr seid mir lieb und wert, ob ihr viel leisten könnt oder wenig. Ich schenke euch das Leben und was ihr braucht, aber schuldig bin ich euch nichts.“
Das ist ein himmlisches Lohnbüro. Gott gibt mehr als wir verdienen. Er beschenkt uns alle. Er gibt ja auch denen, die viel leisten können, Begabung und Kraft dazu.
Gott nennt uns Freunde; er macht uns zu seinen Freunden. Wir sind Gott lieb wie Freunde. Ohne Gegenleistung sind wir reich beschenkt. Unser Leistung-und-Lohn-Denken greift zu kurz. Wir werden anderen und auch uns selbst niemals gerecht, wenn wir nur darauf sehen, was einer leistet und sich leisten kann.

Was heißt das für uns, wenn wir unseren Markt-Wert testen, wenn wir unsere Chancen ausloten, und wenn wir Neues beginnen und den Schritt ins Ungewisse wagen? Was heißt es, wenn wir um Lohn verhandeln und Anerkennung verlangen?
Natürlich erleben wir nach wie vor den Druck und die Herausforderung, den Frust, wenn wir uns vergeblich anstrengen und auch die Freude über Erfolge, Lohn und Anerkennung.
Aber das ist nicht alles und das ist nicht entscheidend.
Der Wert und die Würde unseres Lebens hängen nicht an dem, was wir verdienen. Sie sind uns zugesagt von Gott, geschenkt.
Jesus spricht von der Güte Gottes.
Himmlisch frei und groß ist seine Güte.
Er schenkt viel mehr als wir je verdienen können. Seine Freiheit färbt auf uns ab.
Gott schenke uns auch das Vertrauen und die Freiheit, uns auf Unbekanntes und Neues einzulassen.

Der Friede Gottes, der unser Verstehen weit übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen