Harte Worte, Predigt über Jeremia 23,16-29

Predigt am 18.6.17 von Andreas Hansen über Jer 23,16-29

Vor der Predigt singen wir EG 586, Es ist ein Wort ergangen

Es ist ein Wort ergangen. So haben wir gesungen. Gott spricht hinein in unsere Zeit.  „Es ist hereingebrochen im Wort die Ewigkeit.“ Gott erhebt Anspruch auf uns. Er ist der Herr. Ihm gehört die Erde. Haben Sie gelesen, wann das Lied entstanden ist: 1935 – da wollten in Deutschland ganz andere Leute Herren sein. Wer so deutlich von Gottes Wort sang, wollte sich nicht von den Reden der Führer verführen lassen. Ein gefährliches Lied. Ein Wort, das Widerspruch übt, wo kein Widerspruch geduldet wird.
Wir hören heute einen Text des Propheten Jeremia. Jeremia sagt in schlimmen Zeiten Gottes Wort. Er leidet darunter, dass er Unheil für sein Volk ankündigen muss. Jeremia macht sich mit seiner Botschaft mehr als unbeliebt. Aber er muss Gottes Wort sagen. Er wendet sich heftig gegen die falschen Propheten, die nur sagen, was die Leute hören wollen.

Jer 23,16-29

Wenn ich Jeremia höre, schrecke ich zurück, so wie die Leute damals. Sie wollen nicht hören, was er ihnen sagt. Sie verachten Jeremia, dann sperren sie ihn ein und verschleppen ihn schließlich in die Fremde. 
586 vor Christus: die Großmacht Babylon erobert und zerstört Jerusalem und den Tempel, die Oberschicht des Landes wird ins Exil nach Babylon gebracht. Bitter beklagt sich Jeremia bei Gott. Er leidet unter dem Wort, das er sagen muss.
Es gibt Zeiten, in denen Gottes Wort nicht tröstet und aufbaut, sondern brennt und ins Leid führt, weil es Wahrheit von Lüge trennt.
Ich frage mich, wie ich mich wohl 1933 bis 45 verhalten hätte. Ob ich, wenn es darauf ankommt, auf der richtigen Seite stehe? Ob ich den Mut dazu habe oder die Geistesgegenwart? Die Bekennende Kirche war damals nur eine kleine Minderheit.
Ein paar Jahre vor der Katastrophe von 586 steht Jeremia mitten in Jerusalem und trägt zum Zeichen ein hölzernes Joch auf seinem Nacken – wie ein Ochse unter das Joch gespannt wird, so werden die Babylonier Israel unterjochen.
Jeremias Gegenspieler Hananja nimmt ihm das Joch ab und zerbricht es. „Keine Angst, bald ist alles wieder gut.“ „Ich wünschte, du hättest recht“ meint Jeremia und dann wettert er los: „Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie täuschen euch, sie verkünden die Schauung ihres eigenen Herzens, nicht das, was aus dem Mund des HERRN kommt!“
Nur zu gerne hören wir auf die falschen Propheten, die uns freundliche Worte sagen und bestätigen, was wir gerne hören. „Wir erfinden neue Götter und vertrauen ihnen blind.“ (EG 617,4)
D.G. – die Abkürzung steht auf alten Münzen zwischen dem Namen des Herrschers und seinem Titel, z.B. Carl Friedrich D.G. Markgraf von Baden – D.G. heißt Deo Gratia, aus Gottes Gnade. Das bedeutet: „ich bin von Gott zum Herrscher eingesetzt, ich entscheide mit göttlicher Vollmacht.“
Die Gefahr ist groß, dass wir uns so  ein D.G. einbilden. Selbstherrlich meinen wir, wir dürfen D.G., aus Gottes Gnade tun, was wir wollen. Die Gefahr ist groß, dass wir einen Gott nach unseren Wünschen erfinden, einen lieben Gott, der uns immer nur bestätigt.
Aber wir haben Gott nicht in der Hand – das ist unsere Rettung.
Gott ist anders. Er lässt sich nicht in unsere Vorstellung vom lieben Gott einzwängen.
Manchmal erschrecken wir über Gott. „Bin ich denn ein Gott der Nähe und nicht auch ein Gott der Ferne? Kann sich einer in Verstek-ken verstecken, und ich würde ihn nicht sehen? Fülle ich nicht den Himmel und die Erde?“ Was bedeutet Nähe und Ferne? Johannes Calvin übersetzt: „Bin ich denn ein Gott aus der Nachbarschaft… und nicht ein Gott aus weiten Fernen?“ Gott ist nicht der nette Kumpel von nebenan. Gott ist der Schöpfer, der Grund allen Seins. Er erhebt Anspruch auf uns. Sein Wort begründet und zerstört. Sein Wort ist wie Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert. In seinem Wort bricht die Ewigkeit herein.
Liebe Gemeinde, wenn ich Jeremia höre, schrecke ich zurück. Wer kann denn bestehen vor dem ewigen Gott? Wer kann sein Wort ertragen? Jeremia selbst wollte nicht Prophet sein. Er hat darunter gelitten.
Aber Gott sei Dank hören wir: Wir haben Gott nicht in der Hand. Er hält uns – das ist unsere Rettung.
Gott sagt uns sein Wort. Es ist ein Wort ergangen. Gott sagt uns in Jesus, wie sehr er die Welt liebt. Sein Wesen ist Liebe.  (Lesung war 1.Joh 4,16-21)
Aber Jeremia spricht doch auch vom Zorn Gottes, der wie ein Sturm losbricht und die Frevler trifft.
Ist das nicht ein Widerspruch dazu, dass Gottes Wesen Liebe ist?
Wenn man jemanden liebt, ist man zornig gegen alles, was ihm schadet. Gott ist zornig über die Sünde, die Bosheit und das Elend der Menschen, weil er sie liebt. Gott ist zornig über den Terror in unserer Welt, über unsere Habgier, über die Gleichgültigkeit, mit der wir den Hunger von Millionen Menschen hinnehmen. Gott ist zornig, weil er uns liebt.
Jeremia kündigt die Katastrophe Israels an. Als dann Tempel und Staat zusammenbrechen, als alles verloren ist und kaum Aussicht auf einen Neuanfang besteht, gerade in dieser schrecklichen Zeit findet Israel zu Gott. Als ihnen alles aus der Hand geschlagen wird, entdeckt Gottes Volk das erste Gebot.
Keine Macht der Welt kann Leben schaffen und erhalten, nur Gott allein. Alles andere wird zum Götzen, sobald wir Heil und Leben davon erwarten. Alles liegt daran ihn zu hören, Gott.
In den Ereignissen jener Zeit ist Gottes Wort erschreckend. Es brennt und trennt wie ein Feuer, wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert.
Aber das ist nicht sein letztes Wort. Jeremia darf auch Worte des Trostes sagen.  Er wird den ins Exil Verschleppten in einem Brief ein Ende der schlimmen Zeit ankündigen: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“
Gott sagt uns sein Wort. „Es ist ein Wort ergangen, das geht nun fort und fort, das stillt der Welt Verlangen, wie sonst kein ander Wort.“

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in seinem Wort Christus Jesus. Amen