Predigt am 1.3.20 von Andreas Hansen über 1.Mose 3,1-21
Lesung waren Verse aus 1. Mose 2
Gott ist ein Schneider. Wie bitte? Gott ist ein Schneider. Er macht für Adam und Eva Kleider von Fell und zieht sie ihnen an. Sie sollen nicht frierend und schutzlos durch´s Leben gehen. Gott umsorgt seine Menschen auch jetzt. Sie leben nicht mehr im Paradies. Mühe und Schweiß, Dornen und Disteln, Schmerzen und Vergeblichkeit müssen sie ertragen, aber dennoch sind sie beschützt von Gott.
„Zieh dir was an! Und pass auf dich auf!“ Wie eine fürsorgliche Mutter. Gott kann es nicht lassen. Er schneidert schnell noch was für sie und zieht es ihnen an.
Erinnern Sie sich, wie wir oft bockig auf die Mahnungen reagiert haben? Aber vielleicht waren Sie ja brav und folgsam als Kinder.
Gott ist ein Schneider. Gott ist eine Mutter. Wie ein Töpfer formt Gott den Menschen aus Staub von der Erde. Er beatmet ihn, dass er lebt. Er gibt ihm den Mitmenschen, der ihn glücklich macht.
Ganz einfach redet der Mythos von Gott und von uns Menschen. Natürlich ist es ein Mythos, eine Geschichte des Glaubens. Aber was meinen wir denn, wenn wir von Schöpfung reden? Nichts anderes, als die liebevolle Zuwendung Gottes zu seinen Geschöpfen, seine mütterliche Freude an unserem Leben, seine Verbundenheit mit uns, seine Fürsorge für uns trotz allem, was wir anrichten.
Selbstverständlich wussten sie schon damals, dass Gott kein alter Mann mit Bart ist. Man hört den ironischen Unterton heraus, wenn es heißt: Gott spaziert in der Kühle des Abends durch seinen Garten. Umso ernster und dringender ist seine Frage: „Wo bist du?“ ruft Gott. „Wo bist du, Mensch? Meinst du wirklich, du kannst dich vor Gott verstecken? Mach dich doch nicht lächerlich!“
„Wo bist du?“ fragt Gott uns. „Wo stehst du? Wofür stehst du? Zeig dein Gesicht!“ Der alte Mythos fordert uns heraus. „Antwortest du? Bist du verantwortlich? Oder willst du dich verstecken?“
Schöpfungsglaube heißt: wir vertrauen auf Gott. Gott schafft Leben in all seiner Schönheit. Wir können das Leben nicht machen. Wir müssen es auch nicht machen – wir stoßen an Grenzen. Das Leben bleibt uns unverfügbar.
Schöpfungsglaube heißt auch: Gott will Gutes für uns und alle Geschöpfe. Wir sollen antworten, mutig und verantwortlich handeln, für das Leben entscheiden. Es kann sein, dass wir Fehler machen und schuldig werden. Trotzdem können wir uns nicht verstecken. Wir leben „jenseits von Eden“. Schuld, Bosheit, menschliche Schwäche kennzeichnen unsere Welt. Wir erleben Böses in unseren Beziehungen und auch in uns selbst. Aber Gott überlässt uns nicht einfach uns selbst. Er kümmert sich um uns, mütterlich, fürsorglich und streng. Er hört nicht auf, nach uns zu fragen. „Wo bist du? Wo stehst du, Mensch?“
Wir müssen unser Gesicht zeigen, entscheiden. In manchen Fällen ist die Entscheidung schwer. So oder so werden wir schuldig. Dürfen wir einem Menschen, der nicht mehr leben kann und will, zur Selbsttötung helfen? Dürfen wir ihm diesen Schritt verwehren? Es geht nicht um ein abstraktes Prinzip – jeder Fall ist besonders. Betroffene und Ärzte brauchen Hilfe und Begleitung. Jede und jeder von uns kann in eine Situation kommen, dass wir mitentscheiden, ob ein Leben enden darf, weil Therapie nicht mehr sinnvoll und angemessen ist.
Oder: Wo bist du? Wir sind gefragt, wenn in unserer Klasse eine oder einer gemobbt wird. Wir sind gefragt, wenn beleidigt und beschimpft wird. Nach den Gewalttaten in Kassel, Halle und Hanau sind wir dringend gefragt, wie wir für eine freie, menschliche Gesellschaft einstehen, wie wir uns wehren gegen Hass und Hetze. Das gleiche Problem auf dem Schulhof wie in der Politik: Wir sollen alle Menschen achten und kein Hetze und Missachtung zulassen.
Wir sind als Europäer gefragt, wie wir das Elend in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln hinnehmen können. Wir sind als Mitmenschen herausgefordert, anderen zum Nächsten zu werden, zuständig zu sein.
„Wo bist du, Mensch? Hör auf mit dem Versteckspiel! Zeig dein Gesicht!“ Gott hört nicht auf zu fragen. Unsere Antwort ist ihm wichtig. Denn wir sollen Verantwortung tragen. Für uns selbst, für unsere Mitmenschen, für die Schöpfung.
Aber was machen Adam und Eva? Sie spielen Verstecken. „Die Frau, die du mir gegeben hast, die hat mir die Frucht gegeben. Ich hab nicht angefangen.“ „Die Schlange war´s, die hat mich betrogen. Ich kann nichts dafür.“ Wir könnten ein dickes Buch schreiben voll mit Ausreden dafür, warum wir nicht tun, was recht ist, oder warum wir Unrecht tun, obwohl wir es genau wissen.
Mein Klassenkamerad kam fast täglich zu spät. Eintrag um Eintrag kassierte er, bei den meisten Lehrern. Nur unser lieber Lateinlehrer lachte freundlich zu seinen immer neuen Ausreden. „Die Schranken waren zu.“ „Mein Wecker ist kaputt.“ „Ich musste noch mein Heft suchen.“ Wir begannen schon zu kichern, wenn er vor sich hin nuschelte und die nächste Ausrede erfand. Unser Lateinlehrer lachte ihn an, freundlich und entwaffnend, als wollte er sagen: „Du weißt doch selbst, dass es nicht stimmt.“
Ich stelle mir vor, Gott lacht wie mein Lateinlehrer. Er ist voll Wohlwollen. Natürlich durchschaut er meine Ausreden. Und er hört nicht auf zu fragen: „Wo bist du?“
Adam und Eva sollen erwachsen werden. Sie müssen selbst erkennen, wie lächerlich ihre Ausreden sind. Sie müssen aufhören damit, sich selbst etwas vorzumachen. Sie schämen sich, weil Gott sie durchschaut.
Sie wollen sein wie Gott. Die Schlange spricht nur aus, was Adam und Eva fühlen: Wir wollen keine Regeln von Gott. Wir setzen selbst unsere Maßstäbe. Wir entscheiden selbst und akzeptieren keine Grenzen.
„Adam“ heißt Mensch. Das sind wir alle. Sünde ist das Misstrauen gegen Gott. In seinem Größenwahn meint der Mensch, er kommt ohne Gott aus. In seiner Gier nimmt er sich einfach, was ihm passt. Die Früchte des Baumes sind ein Symbol für unseren Widerspruch gegen Gott.
Adam will mehr sein, als er ist. Er will sein wie Gott. Er macht Gott seinen Platz streitig. Aber damit muss Adam scheitern. Er ist doch nicht Herr über das Leben. Gott hat Staub von der Erde genommen, den Menschen geformt und ihm Leben eingehaucht. Das Leben kommt von Gott. Die Erde heißt Adama. Adam, der Mensch ist ein Erdling. „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“
„Wo bist du?“ Wir sollen erwachsen werden. Wir sollen unseren Platz finden, unsere Grenze, unseren Auftrag. Wir sind Geschöpfe, Erdlinge und doch gewürdigt als Gottes Partner, verantwortlich für unsere Mitmenschen, verantwortlich für Gottes Schöpfung.
Da stehen Adam und Eva und schämen sich. Gott zeigt ihnen die Folgen ihrer Entscheidung und schickt sie aus dem Garten fort. Sie haben sich gegen ihn entschieden. Aber dennoch macht Gott ihnen Kleider.
„Zieh dir was an, Adam! Pass auf dich auf, Eva! Ich werde immer wieder nach dir fragen. Wo bist du? Zeig dein Gesicht! Geh aufrecht, du mein Mensch!“
So spricht Gott und lacht uns an. Amen