Wo ist Gott? Predigt zum Himmelfahrtstag über 1.Könige 8,22-24+26-30

Predigt am 25.5.17 von Andreas Hansen über 1.Kö 8,22-24+26-30

“Christi Himmelfahrt“ – heißt das, Jesus ist wie mit einem Aufzug nach oben verschwunden, in den Himmel gebeamt wie in der Serie Raumschiff Enterprise? Bestimmt nicht. Wo ist das überhaupt, der Himmel?
Den Himmel erreichen wir mit unseren Vorstellungen niemals. Der Himmel ist wie Gott. Ja, eigentlich ist der Himmel zu groß für unser Denken, und doch reden wir davon. Wir beten zum Beispiel „Vater unser im Himmel“. Wir bekennen „am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes“. Wir antworten einem Kind auf die Frage nach einem Verstorbenen „ er ist jetzt im Himmel“.
Der Himmel ist bei Gott. Nur weil unser Denken zu klein ist, stellen wir uns einen Ort vor. 
Der Himmel kann auch bei uns sein, in unserem Herzen, so wie Jesus bei und in uns ist.
Jesus ist im Himmel. Jesus ist seinen Jüngern entzogen und ist doch da, erfahrbar nahe.
Sie feiern sein Leben am Tag der Auferstehung und im Abendmahl. Sie beten zu ihm und verstehen sein Wort.
Jesus ist im Himmel. Der „Himmel“ hat ein Gesicht bekommen. Gott hat uns in Jesus den Himmel gezeigt. Wir beten zu dem Vater im Himmel, der in dem Mann aus Nazareth unter uns war.
Ich mag dieses Fest, Christi Himmelfahrt. Schade, dass es so wenig wahrgenommen wird. Wir feiern, dass Gott uns in Jesus nahe ist. Wir dürfen ein ganz klein wenig vom Himmel sehen. Das ist geheimnisvoll und schön. Christi Himmelfahrt heißt: Der Himmel ist offen für uns. Gott ist da für uns. Wie schön!

Schon immer haben Menschen gefragt: Wo ist Gott? Wie und wo können wir zu ihm beten? Wie erreichen wir Gott? Auch in früheren Zeiten waren die Menschen ja nicht einfältig. Schon immer haben sie ihre eigene Vorstellung von Gott kritisch gesehen.
Hören wir den heutigen Predigttext aus dem 1.Buch der Könige. Der große König Salomo hat ein Haus für Gott gebaut, den Tempel. Jetzt betet er am Tag der Einweihung.   1.Könige 8,22-24.26-30

Und vor der ganzen Gemeinde Israels trat Salomo an den Altar des HERRN, breitete seine Hände zum Himmel aus und sprach: HERR, Gott Israels! Kein Gott ist dir gleich, nicht oben im Himmel und nicht unten auf der Erde. Den Bund und die Treue bewahrst du deinen Dienern, die mit ganzem Herzen vor dir gehen, der du deinem Diener David, meinem Vater, gehalten hast, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es zugesagt, und durch deine Hand hast du es erfüllt, wie am heutigen Tag. Und nun, Gott Israels, lass doch dein Wort wahr werden, das du zu deinem Diener David, meinem Vater, gesprochen hast. 
Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Sieh, der Himmel, der höchste Himmel kann dich nicht fassen, wie viel weniger dann dieses Haus, das ich gebaut habe! Wende dich dem Gebet deines Dieners zu und seinem Flehen, HERR, mein Gott, und erhöre das Flehen und das Gebet, das dein Diener heute vor dir betet, damit in der Nacht und bei Tag deine Augen offen sind über diesem Haus, über der Stätte, von der du gesagt hast: Dort soll mein Name sein. Und erhöre das Gebet, mit dem dein Diener zu dieser Stätte hin betet. Und erhöre das Flehen deines Dieners und deines Volkes Israel, mit dem sie zu dieser Stätte hin beten; erhöre es an der Stätte, wo du wohnst, im Himmel, erhöre es und vergib.

Mitten in seinem Gebet stellt Salomo die Frage: Wo ist Gott? „Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Sieh, der Himmel, der höchste Himmel kann dich nicht fassen, wie viel weniger dann dieses Haus, das ich gebaut habe!“ Salomo erschrickt. Er sieht plötzlich, wie fragwürdig sein eigenes Tun ist. Er ahnt: Jeder menschliche Versuch Gott zu entsprechen ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Kein Haus, kein Kunstwerk, kein menschlicher Gedanke erreicht die Größe Gottes. Alles, was wir beschreiben, verstehen oder tun, ist zu klein für Gott. Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen oder im Tempel Salomos oder an einem anderen von Menschen gestalteten Ort? Ehrfürchtig stellt Salomo die Frage.
Der große König erkennt, dass er ganz klein ist.

Wo ist Gott? Im Himmel, weit über unserem Verstehen, und doch in den Ereignissen, Menschen, Worten, Zeichen und Räumen, in denen er bei uns sein will, und doch ganz nah bei uns, ja in uns.
„Aber die größte ist die Liebe.“ – liebevolle Menschen sind dem liebevollen Gott nah. Im Gottesdienst oder mitten in unserem Alltag mag es ein ehrfürchtiges Erstaunen geben:   „Vor dir Gott, darf ich sein, obwohl du so groß bist. Du, Gott bist bei mir, so, wie ich bin.“
Wo ist Gott? Die Frage bedrängt uns, wenn Schreckliches geschieht, wie in Manchester.
Salomo beginnt sein Gebet mit Lob und Dank: „Niemand gleicht dir, Gott. Du bist treu. Du hast erfüllt, was du David versprochen hast.“ Dann unterbricht Salomo sich selbst und denkt nach über Gott, fragt sich, zweifelt wohl auch, ob er Gott je erreichen kann.
Jeder Glaube zu allen Zeiten kennt diese Zweifel: Kann ich Gott erreichen? Mache ich mir etwas vor? Ist Gott nicht jenseits von allem, was ich denke und verstehe? Hört Gott mein Gebet? Ist Gott überhaupt da? Einen Moment lang sieht Salomo die Fragwürdigkeit seines Tuns. Aber er spricht wieder:  „Wende dich aber zum Gebet deines Knechts…“ Er wendet seine Frage in eine Bitte an Gott. Nur Gott selbst, nur sein Heiliger Geist kann unserem Beten und Glauben und Verstehen aufhelfen. Salomo betet um Gottes Nähe: „Sei doch hier in diesem Haus. Hör uns doch, wenn wir hier beten. Schenk uns deine Gnade, dass dies ein Haus für dich wird.“

Was hier nur eine kurze Unterbrechung ist, das ist in unserem Leben eine dauernde Spannung. Wo ist Gott? Er fehlt uns und wir verstehen ihn nicht. Wir wenden zuweilen die Frage gegen ihn. Wo ist Gott in allem Bösen, das Menschen anrichten, in allem Leid, das sie trifft, in unverschuldetem Unglück und in tiefer Schuld? Wir wenden die Frage gegen ihn, als müsste er sich doch in unser Verstehen pressen lassen oder sich gar vor uns rechtfertigen. Auf einmal erscheinen uns alle heiligen Räume und Worte ganz leer. Wie schrecklich, wenn Gott nicht da ist! Düster und bedrohlich ist der abwesende Gott. In seiner kurzen Unterbrechung deutet Salomo an, wie sehr uns Gott fehlen kann, wie sehr wir auf ihn angewiesen sind. Dann bittet er ehrfürchtig: „Wende dich mir zu! Wende dich zu meinem Gebet.“

Gott, Du bist hier.
Wir dürfen Dich erreichen, geheimnisvoller, großer Gott.
Du öffnest Dich für uns.
Du zeigst Dich uns in Jesus Christus.
Du schenkst uns Deine Gemeinschaft. Der Himmel ist offen.
Manchmal fragen wir verzweifelt, wenn wir die Welt und uns selbst und dich nicht verstehen.
Gib uns Deinen Heiligen Geist!
Schenk uns Orte und Zeiten, zu Dir zu kommen, Dich zu erreichen! Sei uns nah!
Wir preisen Dich.
Amen