Weinstock und Reben, Predigt über Johannes 15,5 am Sonntag des Konfirmationsjubiläums

Predigt am 7.5.17 von Andreas Hansen über Joh 15,5

Jubilate heißt der dritte Sonntag nach Ostern. Jubiläum feiern wir heute. Ein kleines Jubiläum haben meine Frau und ich in diesen Tagen. Im Mai vor fünf Jahren sind wir nach Kenzingen gezogen. Schon so lang sind wir hier. Aber was ist das schon gegen Ihre 50 und 60 Jahre, auf die Sie heute zurücksehen? „Kinder, wie die Zeit vergeht!“
Wir schauen auf unser Leben und staunen über all die Jahre. Wie war ich damals mit 14 und wie bin ich heute? Wir erinnern uns und danken für alles, was uns geglückt ist, was das Leben reich und schön macht.
Wir danken auch dafür, dass wir Schweres und Mühsames überstanden haben. Ganz schön viel passt in 50 oder 60 Jahre – es hat uns Lachfalten und graue Haare gebracht und einen Schatz an Erfahrungen.
Trotzdem bleiben wir uns auch irgendwie gleich. Was uns geprägt hat, was uns ausmacht, kehrt wieder. Die Art, wie wir fühlen und fragen, bleibt. Unsere Mitkonfirmanden haben noch immer den gleichen Charme, die gleichen Eigenheiten.
Sie erinnern sich, danken und staunen. Der Blick geht auch nach vorn bei so einem Jubiläum. Was werden die nächsten Jahre bringen?
An einem Tag wie heute bedenken wir, was war und was ist und was kommt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Und dazu hören wir jetzt auf einen Vers aus dem Evangelium für diesen Sonntag Jubilate. Jesus sagt zu seinen Jüngern:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Jetzt werden die Weinberge grün. Junge frische Triebe wachsen mit Macht. Nicht einmal der Frost vor zwei Wochen kann sie wirklich aufhalten. Die Reben wachsen und bringen Frucht, wenn auch weniger in diesem Jahr.
Im Winter sind die Weinberge kahl und grau, wie erstorben, aber die Rebstöcke warten nur, bis sie neues Leben hervorbringen.
Ich stelle mir vor, wie Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem wandert, vorbei an den krummen Weinstöcken, die manchmal aussehen wie von Schmerz gewunden, vorbei an den sprießenden Reben, die Frucht verheißen.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Wir denken heute an das Kommen und Gehen des Lebens. Jesus spricht vom Bleiben.
Wir bleiben in ihm.
Wir wachsen und leben durch ihn.
Wir bringen Frucht durch ihn.

Liebe Konfirmanden – ich meine Euch, die grünen Konfirmanden, Sie die goldenen und diamantenen und uns alle. Wir alle sind Menschen, die Stärkung, Konfirmation nötig haben. In diesem Sinn werden wir immer wieder zu Konfirmanden. Jesus stärkt und konfirmiert uns. Wie ein Weinstock seinen Reben, so gibt Jesus uns Halt und festen Grund unter den Füßen. Er hält uns fest. Wir sind Konfirmanden. Wir brauchen Halt.
Das spüren wir, wenn wir Kritik und Streit ertragen müssen. Oder wenn jemand gegen uns ist. Oder wenn wir mit uns selbst nicht zufrieden sind. Da geraten wir ins Wanken.
Auch sehen wir die Welt mit ihren Konflikten: So vieles gerät aus den Fugen, so vieles bedroht das Leben – manchmal möchte man fast darüber verzweifeln.
Schlimmer noch, wenn Krankheit und Leid unsere Lieben oder uns selbst trifft, wenn wir Trennung, Abschied, Trauer verkraften müssen. Wir spüren, wie leicht wir aus der Bahn geraten.
Wir meinen: „Eigentlich müsste ich doch glauben. Das würde helfen. Aber kann ich das? Reicht mein Glaube aus?“
Darum sage ich: Wir alle sind Konfirmanden.
Unser Glaube genügt eigentlich nie. Er braucht Stärkung. Jesus konfirmiert uns. Er sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm …“ In Jesus bleiben – das bedeutet an ihn zu glauben. Da hören wir schnell eine Forderung: „Du sollst glauben“. Aber das ist ganz verkehrt. Jesus macht uns eine Zusage: Der Weinstock ist zuerst da und bringt die Reben hervor. Jesus hat sich zuerst für uns entschieden. Seine Liebe kommt uns zuvor. Gott will und begründet eine Beziehung zu uns. Wir sollen antworten, aber das erste Wort hat er gesagt.
Unser Glaube genügt nie, aber seine Treue genügt immer.
Jesus ist für uns der Weinstock, der uns hält, was auch geschieht. Wir dürfen seine Reben sein, seine Konfirmanden sein. So wenig wir selbst unser Leben begründen und rechtfertigen können, so wenig können wir Glauben machen. Wir hören, wie gerne Jesus uns hält und aushält, obwohl wir doch nicht genug glauben. Wir bekommen eine große Freiheit – das ist wunderbar!

Mit 14 haben wir uns gefragt und fragt Ihr Euch: Was wird aus mir? Wie kann mein Leben fruchtbar, sinnvoll und glücklich sein? Mit 50 oder 60 haben wir schon eine Menge über uns erfahren. Bestimmt ist manches, worum wir uns bemüht haben, erfolglos, fruchtlos geblieben. Manchmal haben wir Mist gemacht und wurden auch schuldig.
Das ist dann wie so ein Frosteinbruch im Frühling. Und trotzdem sagt uns Jesus zu, dass wir Frucht bringen. Es gibt Frucht in unserem Leben: Liebe, Momente von Gemeinschaft oder Versöhnung, unser Engagement im Beruf, in der Familie, in anderen Kreisen, glückliche, erfüllte Zeit.
Wir staunen. Wir danken. Viel Gutes ist uns geschenkt.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.  Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Das ist fast eine Definition für uns Menschen:
Weinstock und Reben. Gott liebt uns. Er ist für uns da in Jesus. Er begründet eine Beziehung zu uns.
Wir hängen an ihm und bekommen Halt durch ihn.
Gott hängt an uns und will, dass wir bleiben und glauben und Frucht bringen.
Das Bild von Weinstock und Reben ist eine andere Weise zu sagen, was Paulus beschreibt: Durch den Glauben wird der Menschen von Gott gerechtfertigt.

Wir denken heute an das Kommen und Gehen des Lebens, unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart, unsere Zukunft. Jesus sagt uns zu: „Ich nehme euch an. Ich halte euch. Ich stärke und konfirmiere euch. Ihr lebt und sollt leben aus meiner Güte. Nichts kann euch trennen von der Liebe Gottes, keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.   Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Amen