Römer 12,17-21

Predigt am 13.7.2014 von Andreas Hansen über Röm12,17-21

Römer 12,17 ff: Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25, 21-22). Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Meine Lieben, so spricht Paulus seine Gemeinde in Rom an. Wörtlich steht da „Geliebte“, passiv. Meine Lieben, von Gott geliebten Mitchristen hier in Kenzingen!

Mit allen Menschen Frieden haben – geht das? Paulus ist eher vorsichtig: „Ist´s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ Manchmal ist es eben nicht möglich. Wir nehmen meistens an, dass der Unfriede am anderen liegt. „Der hat doch angefangen!“ Aber wenn man den anderen fragt, fühlt er sich ebenso im Recht. Jeder und jedem von uns fallen Menschen ein, mit denen wir keinen Frieden hatten oder haben. In diesen Tagen muss ich auch sofort an den schrecklichen Konflikt in Israel denken. Drei entführte und umgebrachte junge Israelis, ein bestialisch ermordeter junger Palästinenser, Raketen aus dem Gaza-Streifen auf Tel-Aviv und Jerusalem und schwere Luftangriffe auf Gaza. Frieden ist so schwer zu halten, im Großen wie im Kleinen. Wir sehnen uns nach Frieden, und doch können wir vor dem Unrecht nicht die Augen schließen. Manchmal müssen wir streiten, Unrecht beim Namen nennen, uns wehren, aber gerade dann sind wir in größter Gefahr, selbst Unrecht zu tun. Meine Lieben, von Gott geliebten Mitchristen, ich finde es bedeutsam, dass Paulus seine Gemeinde gerade an diesem Punkt so anspricht. Lassen wir uns bewusst diese Anrede gefallen! Wir sind von Gott geliebt. Das bedeutet: Wir sind frei, nicht zurück zu schlagen. Es ist nicht immer möglich mit allen in Frieden zu leben, aber wir dürfen es wagen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Wer Frieden will, muss klug vorgehen und mutig sein, klüger und mutiger als der, der einfach zurückschlägt. Vielleicht gelingt es uns nicht, unseren Feind zu lieben. Aber immerhin sollten wir bedenken, dass Gott auch ihn liebt. Das ist die Chance zum Frieden.

Das Unrecht bleibt nicht ohne Antwort. Davon ist Paulus überzeugt. Er schreibt: „Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrie-ben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«“ Den gleichen Vers aus dem 5. Buch Mose zitiert Conrad-Ferdinand Meyer in seiner Ballade „Die Füße im Feuer“. Ich erzähle Ihnen, was Meyer spannend und treffend beschreibt. Der Hintergrund ist die Verfolgung der französischen Protestanten, der Hugenotten im 17.Jahrhundert. Die Ballade beginnt: „Wild zuckt der Blitz…..“ Ein Bote des Königs wird nachts durch ein schlimmes Unwetter aufgehalten. Er verlangt Einlass in einem vornehmen Haus und wird aufgenommen. Als er mit dem Hausherrn und seinen Kindern bei Tisch sitzt, bemerkt er auf einmal, wohin er geraten ist. Entsetzt starren ihn die Kinder an. Er war schon einmal in diesem Haus. Auf der Jagd nach Hugenotten. Die Frau wollte ihren Mann nicht verraten. Er wurde damals zornig und hat sie vor den Augen der Kinder gefoltert und umgebracht. Die ganze schreckliche Szene fällt ihm wieder ein. Die Kinder starren ihn an. Sie haben ihn erkannt. Schnell steht er auf, lässt sich in sein Zimmer führen, schließt sich ein, die Waffe in der Hand. Er ist sicher: Der Edelmann wird sich in dieser Nacht rächen. „Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“ Aber der Königsbote übersteht unbeschadet die Nacht. Früh am Morgen weckt ihn der Hausherr. Über Nacht ist sein Haar ergraut. Er bringt seinen Gast noch ein Stück auf seinem Weg. Die letzten Sätze heißen: „Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin. Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der Andre spricht: „Du sagst’s! Dem größten König eigen! Heute ward Sein Dienst mir schwer… Gemordet hast du teuflisch mir mein Weib! Und lebst! … Mein ist die Rache, redet Gott.“

Der hugenottische Edelmann hat sich nicht zur Gewalt verleiten lassen. Der Dichter hat seine Geschichte erfunden, aber er zeigt doch, wie Gewalt und Unrecht uns herausfordert. Nicht zurückschlagen, selbst wenn man die Macht dazu hat, das kostet Mut und Kraft. Da kann einer über Nacht grau werden. Der Edelmann verweist auf Gottes Rache, nicht schadenfroh, sondern demütig. Wir hoffen und vertrauen: Gott wird richten. Gott wird zurecht bringen, was an Unrecht geschieht. Eine tröstliche Hoffnung für alle Opfer von Unrecht. Zugleich hoffen wir, dass Gott uns gnädig richten wird. Gott wird richten und wir sind alle auf seine Gnade angewiesen. Gott zürnt über das Unrecht, über die Gewalt der Völker und über Leid, das wir einander zufügen. Weil Gott uns lieb hat, weil er alle seine Geschöpfe liebt, darum trifft jede Bosheit, alle Gewalt Gott selbst. Gott ist betroffen vom Bösen. Er leidet selbst darunter und zürnt über das Unrecht. Aber seine Liebe ist größer als sein Zorn.

Liebe, von Gott geliebte Gemeinde, durch Jesus Christus haben wir die Liebe und Vergebung und Gnade Gottes erfahren. Wir sind versöhnt mit Gott, gerecht gesprochen schon jetzt. So schreibt Paulus in seinem Brief. Unter dem Vorzeichen der Liebe Gottes fordert er, dass wir nicht Böses mit Bösem vergelten, dass wir sogar unseren Feinden Gutes tun. Nicht aus Überlegenheit überwinden wir das Böse, nicht weil wir besser wären. Aber wir wissen, wie viel Gutes wir selbst erfahren haben und immer neu erfahren, wie viel Liebe und Vergebung, mehr als wir verstehen können. Auch denen, die uns Unrecht tun, gilt Gottes Liebe. Ihnen will Gott ebenso wie uns vergeben. Für sie ist Jesus gestorben wie für uns. Tief in uns steckt der Drang zurück zu schlagen, uns nichts gefallen zu lassen, Böses mit Bösem zu vergelten. Fast wie von selbst reagieren wir auf jeden Angriff mit Angriff, auf böse Worte ebenso böse, auf Gemeinheit genauso gemein. Wie leicht werden wir dabei selbstgerecht. Wie leicht richten wir selbst mit Gedanken, Worten und Werken Böses an. Dann hat uns das Böse überwunden.

„das Böse“ – Paulus schreibt davon, fast wie von einer Person. Ich mag nicht so vom Bösen oder vom Teufel reden. Das Böse ist nicht eine Person mit einem eigenen Willen. Aber wir erleben tatsächlich die Macht des Bösen in der Welt und in uns selbst. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ Auch ein noch so festgefahrener Streit muss nicht einfach weitergehen. Gott findet sich nicht mit dem Bösen ab. Es muss einen Ausweg geben: in Israel, in Syrien, in der Ukraine, aber auch in unserem Streit, im Unrecht, das wir erleiden und anderen zufügen. Selten gelingt uns ein Schritt, das Böse mit Gutem zu überwinden. Manchmal bekommen wir darüber graue Haare oder müssen viel Ärger verkraften. Zuweilen erleben wir, wie wir uns wieder mitreißen lassen, verletzt und verletzend, selbst böse. Darum sagte ich „demütig“, demütig hoffen wir, dass Gott richten wird. Das Gute, das alles Böse überwindet, steht in Gottes Macht. Das Gute ist in Jesus Christus in die Welt gekommen und hat das Böse erlitten und überwunden. Auf ihn hoffen und vertrauen wir und bitten mit seinen Worten, dass Gott uns von dem Böse erlöse. Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen