Predigt zum Bekenntnis von Barmen, Pfingstmontag

Predigt am 25.5.15 von Andreas Hansen

Pfingstmontag, Predigt zu Barmen 1-3

Liebe Gemeinde, vor ein paar Jahren wurde von Politikern erwogen, den Pfingstmontag als gesetzlichen Feiertag abzuschaffen. Weihnachten und Ostern sind schon wichtig und verdienen einen zweiten Feiertag, aber Pfingsten? – da sollten wir doch lieber arbeiten und unser Land wirtschaftlich voranbringen. Wir feiern heute die Kirche – viele wissen das gar nicht. Wir feiern die Kirche – viele meinen: da gibt´s doch nichts zu feiern. In der Kirche geht es doch zu wie überall. Wie überall gibt es Intrigen und Streit, eitle Selbstdarsteller, sture Verwaltungsmenschen, machthungrige Karrie-retypen. Wie überall geht es oft ums Geld. Das stimmt. Und trotzdem feiern wir die Kirche. Gott hat uns die Kirche geschenkt. Sie ist so schwierig und doch so kostbar. Wir bekennen, dass wir die heilige christliche Kirche glauben. Aber die Kirche, die wir sind, steht oft im Widerspruch zu der Kirche, die wir glauben. Wir feiern auch heute die Kirche und haben guten Grund dazu. Die Kirche ist oft in Gefahr sich selbst zu verlieren. Dann braucht es geistesgegenwärtige Leute, es braucht den Heiligen Geist, dass wir die Gefahr erkennen. Mein Vorgänger Kurt Rose war Anfang der 30er Jahre „Leiter der nationalsozialistischen Pfarrer-schaft des Gaues Baden der Glaubensbewegung Deutscher Christen“. Gott sei Dank: er hat sich später eines anderen besonnen. Die Deutschen Christen wollten die Kirche ins System der Nazis einpassen. Sie wollten das Führerprinzip auch in der Kirche. Eine deutsche Kirche unter einem Reichsbischof sollte entstehen. Der totalitäre Staat wollte die evangelische Kirche gleichschal-ten und zu seinem Instrument machen. Geistesgegenwärtige Leute erkannten die Gefahr. Die Kirche war dabei, sich selbst zu verlieren und den Kern ihres Glaubens zu verleugnen. So dramatisch war die Lage, dass Lutheraner und Reformierte zusammenfanden. Bisher hatten die verschiedenen evangelischen Konfessionen es kaum geschafft sich an einen Tisch zu setzen. Aber jetzt mussten sie gemeinsam sprechen. In Wuppertal-Barmen kamen sie Ende Mai 1934 zusammen, also vor 81 Jahren. Einer der vier Vertreter aus Baden war der Kenzinger Kirchen-älteste Friedrich Dittes. Das Bekenntnis, das in Barmen entstand, gehört heute zur Grundlage unserer Kirche. Wenn Kirchenälteste oder Pfarrer eingeführt werden, verpflichten sie sich auch auf das Bekenntnis von Barmen.

Singen wir ein Lied, das 1935, in der Zeit des sog. Kirchenkampfes geschrieben wurde. EG 586 Es ist ein Wort ergangen

Nun bitte ich Sie, das Gesangbuch ganz hinten bei der Nummer 888 aufzuschlagen. Dort steht die Theologische Erklärung von Barmen. Drei von sechs Thesen schauen wir uns an.

1 Jesus Christus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. (Joh. 14, 6)

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und Räuber. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden. (Joh 10,1.9)

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.

Wir feiern die Kirche Jesu Christi. Er ist die Mitte. Er ist der Herr der Kirche. Die Tübinger Studentengemeinde feiert Gottesdienst irgendwann Anfang der 80er Jahre. Nicht weit von Tübingen wird gerade eine Straße blockiert, weil dort Atomraketen transportiert werden sollen. Der Gottesdienst wird immer mehr zur Demonstration gegen die Raketen. Die Predigt ist reine politische Propaganda. Einer der Professoren steht auf, geht nach vorne und löscht die Kerzen auf dem Altar. Das ist kein christlicher Gottesdienst mehr.

Anders in Leipzig 1989 montags abends in der Nikolaikirche. Christen und viele Nichtchristen beten für den Frieden. Die politische Lage ist bis zum Äußersten gespannt. Jedes Wort wird mitgeschrieben, und es gibt viele sehr deutliche Worte. Aber es ist ganz klar ein Gottesdienst: In der Mitte steht das Hören auf Gott und das Gebet.

Mitten in dem, was die Menschen beschäftigt und bedrängt, hat die Kirche das Evangelium Jesu zu sagen. Sie kann nicht schweigen zu Unrecht und Leid. Sie kann sich nicht heraus-halten. Aber sie hat das eine Wort Gottes, das Evangelium zu verkünden, nichts anderes. Sie hat Jesus zu vertrauen und auf ihn zu hören.

Von heute aus können wir kaum nachvollziehen, wie sich damals viele vom begeisterten Glauben der Nazis mitreißen ließen. Damals brauchte es mutige, geistesgegenwärtige Leute, die aufstanden und sagten: So seid ihr nicht mehr Kirche Jesus Christi. So folgt ihr einem anderen Glauben und verleugnet Christus.

EG 346,1-3 Such, wer da will, ein ander Ziel

2 Durch Gott seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. (1. Kor 1,30)

Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.

Wir feiern die Kirche. Gott ist uns nah. Wir rechnen mit Gott mitten in unserem Leben. Manche denken: Die Kirche, die ist so etwas wie ein Verein für die, die halt gern beten. So wie im Angelclub die Angler sind und im Kleintierzuchtverein die, die zuhause Kaninchen haben, so ist die Kirche da für die, die gern beten. Aber so ist es nicht. Christ zu sein, zur Kirche zu gehören, das ist nicht ein Hobby, ein Lebens-bereich neben anderen. Christ zu sein ist vielmehr eine Frage meiner ganzen Existenz. Wenn unser Leben ist wie ein Kuchen, dann gibt es da verschiedene Stücke: Ein Stück Beruf, ein Stück Familie, ein Stück Sport oder was auch immer, und je nach Neigung sind die Stücke größer oder kleiner. Christ zu sein ist aber eben nicht ein Stück neben anderen. Sondern das ist sozusagen der Kuchenteig. Das bin ich durch und durch. Das ist nicht eine Frage nach meiner Meinung in der einen oder anderen Sache, sondern das ist eine Frage meiner ganzen Existenz. Und das bin ich nicht, weil ich mich immer so vorbildlich benehme oder so unerschütterlich glaube, sondern weil Gott seinen Geist gesandt hat. An Pfingsten feiern wir das Wunder, dass unser Leben und Gott nicht einfach nebeneinander sind, sondern in einer Beziehung zueinander stehen. Gott sagt ja zu uns. Obwohl wir ihm dauernd und immer wieder widersprechen, sagt er ja. Ja, du bist mir lieb und wichtig. Ja, ich will zu dir gehören. Und nun wartet Gott auf unsere Antwort, auf unser Ja zu ihm. Es gibt keinen Bereich unseres Lebens, der außerhalb dieser Beziehung steht, keinen Bereich, in dem wir sagen könnten: „Das hat nichts mit dir zu tun, Gott. Das ist meine Sache.“

EG 136,1+4 O komm, du Geist der Wahrheit

3 Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist. (Eph 4, l5.f)

Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern (Geschwistern), in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, dass sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.

Wir feiern die geschwisterliche Kirche. Sie ist Gemeinschaft der Heiligen und glaubt an die Vergebung der Sünden. In der Kirche geht es zu wie überall, der gleiche Streit wie überall, die gleichen Eitelkeiten, Machtspiele und Geldgier. Wir sind diese Kirche. Wir erleben, wie Streit und Selbstsucht und Rechthaberei uns voneinander trennen, wie sie uns auseinander treiben. Viele Gemeinden müsste man zeichnen, wie einen Inselstaat im weiten Pazifik: lauter kleine Inseln, die kaum etwas miteinander zu tun haben. Jede Gruppe, jedes Inselchen will für sich sein und hält sich für ein Muster der wahren Kirche. Nein: die wahre Kirche sind wir zusammen. Der wahren Kirche kommen wir näher, wenn wir Brücken bauen, wenn wir in allen Stücken zu dem hin wachsen, der das Haupt ist, Christus. Was uns voneinander entzweit und trennt, trennt uns auch von Gott – Sünde, sagen wir. Wir sind Kirche der begnadigten Sünder und Gemeinde von Geschwistern, in der Jesus am Werk ist. Nichts soll uns trennen von Gott und nichts soll uns trennen voneinander. In einer geschwisterlichen Kirche finden wir Brücken zueinander und verstehen einander als von Gott geliebte Kinder Gottes. Eine geschwisterliche Kirche ist offen für alle. In einer geschwisterlichen Kirche herrscht keiner über andere, kein Pfarrer, kein Oberkirchenrat. Eine geschwisterliche Kirche steht parteilich auf der Seite derer, die Jesus die Geringsten seiner Brüder nennt. Dazu gebe uns Gott den Heiligen Geist, dass wir auf Christus hin wachsen, dass wir geschwisterliche Kirche sind.

EG 136,7