Predigt über Röm 8,26f am Sonntag Rogate 22.5.22

Alle telefonieren. Laut sprechend kommt mir jemand entgegen. Der ist doch allein. Mit wem redet der? Ach so, er spricht in sein Handy.

Eine Mutter schafft es, ihr Kind im Kinderwagen zu schieben, den Hund an der Leine zu halten und zugleich ihr Smartphone am Ohr zu haben.

Ganz zu schweigen von den vielen Autofahrern, die ihren Wagen steuern und mit einer Hand das Handy halten, was ja eigentlich verboten ist.     Alle telefonieren, manche anscheinend ohne Pause. Es gibt so viel Wichtiges zu sagen. Das Bedürfnis in Verbindung zu bleiben ist so groß.

Alle telefonieren? Nein, nicht alle. Manche nervt die dauernde Telefoniererei. Manche sind auch stumm, weil sie meinen: Wen sollten sie schon anrufen? Und was hätten sie zu sagen? Da ist keine Verbindung. Nicht aus technischen Gründen oder weil sie kein Handy haben. Sie wissen nichts zu sagen. Es soll auch Menschen geben, die so tun, als würden sie telefonieren. Sie wollen zu denen gehören, die viele Verbindungen haben.

 

„Betet!“ heißt es heute. „Bleibt in Verbindung mit Gott!“ So einfach ist das nicht. Wenn man schon so lange nicht mehr gebetet hat. Wenn einem zu belanglos scheint, was man sagen könnte, oder man nicht weiß, wie man es sagen soll. Wenn man nicht weiß: Ist da überhaupt eine Verbindung möglich? Hört Gott mich? Und auch, wenn es einem die Sprache verschlägt, wenn das, was geschieht, uns ratlos und sprachlos macht.

 

Hören wir zwei Verse aus dem Römerbrief dazu:  In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes

da bei, wo wir selbst unfähig sind.

Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.

Doch der Geist selbst tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein. Dies geschieht in einer Weise,

die nicht in Worte zu fassen ist.

Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht. Er versteht, worum es dem Geist geht.

Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein. (Röm 8,26f)

Paulus, der große Paulus schreibt von seiner Unfähigkeit zu beten. Selbst Paulus hat keinen heißen Draht zu Gott. Kopf und Herz sind besetzt. Worte bleiben aus oder fallen ins Leere. Keine Verbindung möglich. Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen. Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet in angemessener Weise vor Gott bringen.

Zum Glück hat Paulus das geschrieben.

Zum Glück hat er alle in das „Wir“ eingeschlossen.     Es mag Zeiten geben, da fällt es uns leicht zu beten, aber oft ist es nicht so und das kennen wir alle. Niemand muss sich dafür schämen.  Niemand muss sagen: „Das ist nichts für mich.  Ich kann eben nicht beten.“

Wir alle können sozusagen von Natur aus nicht beten. Und keine und keiner kann es besser,   zum Beispiel weil sie Pfarrerin ist oder er der Apostel Paulus.

Wir alle können es nicht und können es doch.

Weil der Geist Gottes uns beisteht. Weil der   Geist mit Seufzen und Flehen für uns eintritt.

Weil Gott unsere Herzen kennt

und unser Seufzen und Flehen versteht.

Wir können nicht beten und können es doch.

Denn Gott will die Verbindung mit uns.

Gott ist wie einer dieser Smartphonejunkies.       Er hat uns so viel Wichtiges zu sagen. Gott ist geradezu süchtig nach der Verbindung zu uns.

 

Auch wenn bei mir nur die Sehnsucht da ist: Eigentlich würde ich gern beten.

Auch wenn ich keine Worte dafür finde.

Gott hört es.

Er sieht mich und kennt mein Herz.

Und er schickt keinen weg.

Gott ist nicht wie ein beleidigter Freund, der sagt:           „So lange hast Du dich nicht gemeldet – dann brauchst Du jetzt auch nicht kommen, wo du Hilfe brauchst.“ Gottes Geist ist bei denen, die ihn brauchen, nicht nur bei den vorbildlichen Christen. Gerade den Schwachen hilft er auf. Nicht nur denen, die immer alles richtig gemacht haben. Denen, die keinen Rat wissen, die meinen, sie seien von Gott und der Welt verlassen, bei denen ist Gott mit seinem Geist.

 

Fangen Sie einfach an mit einem Satz:

„Gott, du kennst mein Herz.“

Oder: „Gott, hier bin ich vor dir.“

Und dann seien Sie still, warten Sie,

bleiben Sie vor Gott!

Vielleicht kommt nur ein Seufzen, oder ein „Danke“ oder viele Gedanken.

Vielleicht kennen Sie dann selbst Ihr Herz besser – und das ist eine Antwort.

Vielleicht hilft Gottes Geist auch, indem andere mit Ihnen beten, zum Beispiel hier in der Kirche.
Jesus hat sich Sprache zum Beten ausgeliehen.

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen“, hat er am Kreuz geschrien. Ein Psalm hat ihm geholfen, sich an Gott zu wenden. „Gott, hier bin ich vor dir. Wo bist du? Hör mich doch!“

Nehmen Sie einen Vers, wenige Worte,

sprechen Sie wieder und wieder,

etwa: „Herr, weise mir deinen Weg!“

Das reicht.

Ob Sie auf der Straße laufen und für sich beten, das geht gut. Ob Sie für Ihre Kinder und Enkel beten, besser noch mit ihnen. Ob Sie beim Autofahren beten, das ist nicht verboten. Und es geht ohne Handy. Die Verbindung ist da. Gott ist da.

 

Wir seufzen unter dem, was uns bedrückt.

Und schon, indem wir seufzen,

hilft der Geist uns auf. Die Verbindung ist da.

Gott hört und versteht uns.

Gott will ja unbedingt mit uns verbunden sein.

Darum ist er in Jesus Christus zu uns gekommen.

Er will bei uns sein, in allem, was uns bedrückt, im Leid und in der Schuld dieser Welt, sogar im Tod.

Nichts und niemand wird die Verbindung Gottes zu uns unterbrechen.

Gott hält die Verbindung zu uns, selbst wenn wir an unserer Verbindung zu ihm zweifeln.

Wir bleiben in seiner Liebe.

Amen