Predigt über Phil1,6+12-21

Predigt am 11.3.18 von Andreas Hansen über Phil 1,6.12-21

Vor der Predigt singen wir EG 98 Korn, das in die Erde

Über Gottes Liebe bricht die die Welt den Stab. Ihr wird tausendfach widersprochen. In den Dreck getreten wird die Liebe, wo Menschen gedemütigt und benutzt werden. Wir feiern die Liebe Gottes. Sie wächst wie Weizen, unaufhaltsam. Wir feiern Jesus in unserer Mitte, im Gottesdienst, auch jetzt in der Passionszeit, gerade jetzt.
In Krankheit und Trauer, wenn einer gegen uns ist, wenn wir Angst haben, in allem, was uns bedrängt, wir feiern dennoch Gottesdienst.
Der Krieg in Syrien wird immer verworrener. Schockierend ist die Gewalt gegen Wehrlose. Hilflos und wütend sehen wir das Spiel der Mächtigen. Die Not schreit zum Himmel. Wir hoffen und feiern dennoch, auch jetzt.
Wir sehen mit der Visitationskommission auf unsere Gemeinde. Wir wissen: Vielen ist Kirche und der Glaube fremd und gleichgültig. Und auch viele, die sich in den Gemeinden engagieren, haben manchmal Mühe damit, wie Kirche ist. Die Hauptsache aber ist: Wir feiern Jesus Christus in unserer Mitte.
Paulus sitzt im Gefängnis in Ephesus und schreibt an seine Gemeinde in Philippi. Von Zuversicht und Freude schreibt er, obwohl er nicht weiß, wie sein Prozess ausgehen wird und obwohl seine Gegner versuchen ihm zu schaden. Er schreibt:

Ich bin überzeugt, dass der, der etwas so Gutes in eurem Leben angefangen hat, dieses Werk auch weiterführen und bis zu jenem großen Tag zum Abschluss bringen wird, an dem Jesus Christus wiederkommt. …                  Ich bin froh, euch mitteilen zu können, Geschwister, dass das, was mit mir geschehen ist, die Ausbreitung des Evangeliums sogar noch gefördert hat. Bei der ganzen kaiserlichen Garde und weit darüber hinaus hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass meine Gefangenschaft eine Gefangenschaft wegen Christus ist.
Und bei den meisten Geschwistern ist gerade, weil ich inhaftiert bin, das Vertrauen auf den Herrn so gewachsen, dass sie jetzt noch viel mutiger sind und das Evangelium ohne Furcht weitersagen.
Bei manchen sind zwar Neid und Streitsucht mit im Spiel, wenn sie die Botschaft von Christus verkünden. Doch es gibt auch solche, die es in der richtigen Haltung tun. Sie handeln aus Liebe zu mir, denn sie wissen, dass ich mit dem Auftrag hier bin, für das Evangelium einzutreten. Die anderen hingegen verkünden Christus aus selbstsüchtigen Motiven. Sie meinen es nicht ehrlich, sondern hoffen, mir in meiner Gefangenschaft noch zusätzliche Schwierigkeiten zu bereiten. Aber was macht das schon? Ob es nun mit Hintergedanken geschieht oder in aller Aufrichtigkeit – entscheidend ist, dass im einen wie im anderen Fall die Botschaft von Christus verkündet wird, und darüber freue ich mich. Auch in Zukunft wird nichts mir meine Freude nehmen können.
Denn ich weiß, dass am Ende von allem, was ich jetzt durchmache, meine Rettung stehen wird, weil ihr für mich betet und weil Jesus Christus mir durch seinen Geist beisteht. Ja, es ist meine sehnliche Erwartung und meine feste Hoffnung, dass ich in keiner Hinsicht beschämt und enttäuscht dastehen werde, sondern dass ich – wie es bisher immer der Fall war – auch jetzt mit ganzer Zuversicht auftreten kann und dass die Größe Christi bei allem sichtbar wird, was mit mir geschieht, ob ich nun am Leben bleibe oder sterbe.
Denn der Inhalt meines Lebens ist Christus, und deshalb ist Sterben für mich ein Gewinn. (Phil 1,6.12-21 Neue Genfer Übersetzung)

Da sitzt einer in seiner Zelle und freut sich. Seine Zelle ist kein Hotel. Paulus tun seine Fesseln weh und er wäre lieber frei. Sicher kennt er Zeiten der Angst und der Fragen. Er ist ausgeliefert. Er kann nichts gegen seine Gegner in Philippi ausrichten.
Aber selbst, wenn er in einer so hilflosen Situation ist, geht die Sache Jesu weiter. Und gerade jetzt gewinnt Paulus eine Zuversicht, dass alles gut wird.
„Ich freue mich … nichts wird mir meine Freude nehmen.“ Die Freude über Jesus ist der rote Faden in seinem Brief und in seinem Leben. Er ist voll Zuversicht für seine Gemeinde, obwohl es da offenbar Streit gibt. Er fühlt sich gestärkt durch das Gebet der Gemeinde und durch die Nähe Christi. Die Angriffe seiner Gegner berühren ihn kaum, obwohl sie ihm doch schaden wollen. Allerdings wird sein Ton in einem anderen Teil des Briefes sehr scharf, wie wir Paulus auch sonst kennen. Hier gelingt es ihm, ruhig zu bleiben. „Ich freue mich.“ „die Größe Christi soll bei allem sichtbar“ werden. Paulus will Christus groß machen. Er ist ganz bei sich, stark und zuversichtlich in der Hoffnung auf Christus.
Nicht einmal die Todesgefahr erschreckt ihn. Der Tod kann ihn nur näher zu Christus bringen – so sieht Paulus das.
Er ist frei, obwohl er im Gefängnis sitzt.

Ich frage: „Woher nimmst du diese Freiheit, Paulus?“
„Der Inhalt meines Lebens ist Christus, Christus ist mein Leben. Mein Leben ist für immer an Christus gebunden. Über mein Leben hat Gott schon entschieden, als Jesus am Kreuz gestorben ist und Gott ihn vom Tod auferweckt hat. Darum bin ich frei von der Angst um mich selbst. Auch der Tod wird mich nicht trennen von Gottes Liebe. Leben und Sterben sind aufgehoben, gehalten in Gott.“
„Paulus, das klingt sehr gut, aber weit weg von mir. Der Inhalt meines Lebens ist vieles andere, meine Familie, meine Arbeit, vieles, was mich beschäftigt und erfüllt, vieles, was mich bedrückt und wütend macht.“
Paulus widerspricht mir: „Nein, das ist nicht weit weg. Darum ist Christus Mensch geworden und in unser Leben hineingekommen, damit er in deiner Familie, in deiner Arbeit, in der Welt wirkt. Ich sage immer: Wir sind in Christus, weil er uns so nah ist, in unserem Leben. Alles soll in Christus liebevoll geschehen.“
„Aber Paulus, was ist mit dem Hass und der Gewalt in der Welt? Wo ist Gott, wenn Kinder verhungern oder mit Giftgas ermordet werden? Wo ist Christus, wenn Leid und Krankheit einen Menschen trifft,  und wir stehen hilflos daneben?“
„Ich habe nicht gesagt, dass alles schön ist. Mein Leben ist nicht leicht und meine Zelle wahrlich kein Hotel. Ich habe mir sehr Sorgen gemacht um meinen Freund Epaphroditus, als er sterbenskrank war, und ich sorge mich um meine Gemeinde in Philippi. Vielleicht werde ich wirklich vom Gericht zum Tod verurteilt. Ich nehme das nicht leicht und ich bin manchmal auch verzagt. Aber dann bin ich wieder ganz sicher, dass Christus bei mir ist und dass er weiß, was mich bedrückt. Darum ist er ja am Kreuz gestorben. Du fragst mich, wo Gott ist – da ist er, bei den sterbenden Kindern, bei den Opfern von Gewalt. Ich fühle mich ihm nah, wenn ich bete und wenn ich weiß, dass auch die Freunde beten. Ich spüre die Freude, wenn ich daran denke, wie wir sein Mahl gefeiert haben, seine Auferstehung.“

Paulus feiert die Auferstehung Jesu. Er lebt von Ostern her.
Obwohl er gefangen und bedrängt ist, feiert er.
Wir feiern in jedem Gottesdienst Jesus Christus in unserer Mitte, den Lebendigen, der Leid und Tod überwunden hat.
Noch sehen wir nur dieses Leben und können uns kaum vorstellen, wie begrenzt es ist.
Noch bedrängt uns das Elend und das Unrecht in der Welt. Es wird so viel gelitten.
Noch müssen wir durch finstere Täler von Abschied und Trauer und Leid. Da haben wir auf einmal nicht viel in der Hand, was zählt und uns Halt geben kann, Inhalt unseres Lebens.
Noch ist die Kirche manchmal zaghaft und schwach, manchmal ärgerlich, und viele wenden sich ab von ihr.
Dennoch feiern wir den, der das Leben schenkt. Schon jetzt klingt österliche Freude an.
Vor gut 30 Jahren haben Christen aus aller Welt ein Bekenntnis formuliert. Das könnte fast von Paulus stammen:

„Mitten in Hunger und Krieg feiern wir, was verheißen ist: Fülle und Frieden.
Mitten in Drangsal und Tyrannei feiern wir, was verheißen ist: Hilfe und Freiheit.
Mitten in Zweifel und Verzweiflung feiern wir, was verheißen ist: Glauben und Hoffnung.
Mitten in Furcht und Verrat feiern wir, was verheißen ist: Freude und Treue.
Mitten in Hass und Tod feiern wir, was verheißen ist: Liebe und Leben.
Mitten in Sünde und Hinfälligkeit feiern wir, was verheißen ist: Rettung und Neubeginn.
Mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt, feiern wir, was verheißen ist durch den lebendigen Christus.“
(Weltkirchenkonferenz in Vancouver 1984)

Der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen