zur Lesung aus Gen 21: Millionen Menschen hungern in Ostafrika. Ihr Vieh verdurstet und sie müssen für etwas Wasser weit laufen. Sie sind von Dürre und Missernten getroffen, sie sind auch Opfer von Krieg und Unrecht. In der Bibel geht es oft um eine ähnliche Situation. Da ist eine Frau, die den anderen nicht passt, und sie wird mit ihrem Kind in die Wüste geschickt :
Hagar zog los und irrte durch die Wüste bei Beerscheba. Als der Wasserschlauch leer war, legte sie den Jungen unter einen Strauch. Sie ging etwa einen Bogenschuss weit weg, setzte sich hin und dachte: »Ich kann nicht mit ansehen, wie der Junge stirbt.« So saß sie da und weinte laut. Als Gott das Weinen des Jungen hörte, rief ein Engel Gottes vom Himmel her zu Hagar: »Hagar, was ist mit dir? Fürchte dich nicht! Gott hat das Weinen des Jungen gehört, der dort liegt. Steh auf, heb den Jungen hoch und halt ihn fest in deinen Händen! Denn ich will ihn zum Stammvatereines großen Volkes machen.« Da öffnete Gott ihr die Augen, und sie sah einen Brunnen. Sie ging hin, füllte den Schlauch mit Wasser und gab dem Jungen zu trinken.
(Neue Lieder 116: Da, wohnt ein Sehnen
wir bekommen ein Stück Brot)
Brot, ein Stück Brot in meiner Hand. Ich rieche den Duft, sehe seine Beschaffenheit, schmecke es, genieße es. Wir leben in einem Land mit vielen köstlichen Sorten Brot. Es muss niemand hungern bei uns.
Brot ist viel mehr. Ich denke an die Menschen, die mit großer Sorge auf die ausbleibenden Weizen-transporte aus der Ukraine sehen, die abhängig sind von importierten Lebensmitteln, die hungern. Das Brot erinnert uns an die ungerechte Verteilung der Güter auf der Welt und an die furchtbare Not von Millionen Menschen.
Brot ist „unser täglich Brot“, um das wir Gott bitten, alles, was wir zum Leben brauchen. Wir bitten darum im Vertrauen auf seine Güte. Gott weiß, was wir brauchen. Wir danken dafür. Aber wir machen uns auch Sorgen, ob das täglich Brot, das zum Leben Notwendige ausreichen wird.
Brot ist noch mehr. Auch unsere Seele hungert. Wir hungern nach Leben in seiner Fülle. Ein Sehnen tief in uns nach Leben, Glück und Liebe, nach Freiheit und Hoffnung, ein Sehnen, das nur Gott stillt. Brot des Lebens gibt Jesus.
Alle vier Evangelisten erzählen, wie Jesus vielen Menschen Brot gibt. Wenn Johannes erzählt, wird schnell klar, dass Brot noch viel mehr ist:
Bald darauf ging Jesus ans andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias genannt wird. Eine große Menschenmenge folgte ihm. Denn sie hatten die Zeichen gesehen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Es war kurz vor dem Passafest, dem großen Fest der Juden. Jesus blickte auf und sah, dass die große Menschenmenge zu ihm kam. Da sagte er zu Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?« Das sagte er aber, um Philippus auf die Probe zu stellen. Er selbst wusste längst, was er tun wollte. Philippus antwortete: »Nicht einmal Brot für 200 Silberstücke reicht aus, dass jeder auch nur ein kleines Stück bekommt!« Da sagte einer seiner Jünger –Andreas, der Bruder von Simon Petrus: »Hier ist ein kleines Kind. Es hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen?« Jesus sagte: »Sorgt dafür, dass die Menschen sich setzen. «Der Ort war dicht mit Gras bewachsen. Dort ließen sie sich nieder, es waren etwa 5000 Männer. Jesus nahm die Brote und dankte Gott. Dann verteilte er sie an die Leute, die dort saßen. Genauso machte er es mit den Fischen. Alle bekamen, so viel sie wollten. Als sie satt waren, sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sammelt die Reste ein, damit nichts verdirbt.« Das taten sie und füllten zwölf Körbe mit den Resten von den fünf Gerstenbroten. So viel war nach dem Essen übrig geblieben. Als die Leute sahen, was für ein Zeichen Jesus getan hatte, sagten sie: »Er ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!« Da merkte Jesus, dass sie bald kommen würden, um ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Darum zog er sich wieder auf den Berg zurück – er ganz allein. (Joh 6,1-15)
Verstehen Sie das? Ich nicht. Jeder Versuch einer logischen Erklärung greift zu kurz. Es ist schön. Es ist wunderbar. Ich staune über Jesus. Und ich nehme die Begebenheit einfach so, wie Johannes schreibt, als ein Zeichen.
Zuerst das Brot, das so vielen fehlt: Auch damals herrscht bittere Not. Das harte römische System von Abgaben, dazu die korrupten Eintreiber von Zoll und Steuer: viele geraten in Schulden und Armut und Unfreiheit. Das Brot in der Hand Jesu ist ein Protest gegen das Unrecht, gegen die Not der Armen und den wachsenden Reichtum weniger. Damals wie heute: Es ist genug Brot da. Es muss nicht sein und es kann nicht sein, dass über 800 Millionen Menschen hungern. Nicht nur Putins Politik ist menschenverachtend, vieles in der Produktion, im Handel, im Verbrauch von Lebens-mitteln kann besser und gerechter geschehen. Alle bekamen, soviel sie wollten.
Da ist unsere Sorge um das tägliche Brot. Für 200 Silberstücke bekommt nicht einmal jeder auch nur ein kleines Stück. Und die lächerlichen fünf Gers-tenbrote, Armeleutebrot – was ist das schon für so viele? Kurz: Es reicht nicht. Wir bekommen nicht genug. Die Angst sitzt tief: Zu wenig Gas. Kalte Wohnungen. Inflation. Rezession. Zusammenbre-chende Betriebe … wir fürchten uns vor dem, was kommen könnte und malen uns Szenarien des Schreckens aus. Vielleicht ist da tief in uns noch eine Erinnerung an wirklichen Hunger. Meine Mutter erzählte davon aus der Nachkriegszeit. Was ist das schon für so viele?, fragt Andreas und sieht auf die ärmlichen Brote in der Hand des Kindes.
Jesus sieht mehr. Jesus nimmt das Brot, dankt Gott und fängt an auszuteilen, immer weiter, bis alle genug haben. Es bleiben zwölf Körbe Brot, das übrig ist! Zwölf Körbe voll! Jesus schenkt mehr, viel mehr, als ich erklären kann.
Eigentlich ist es immer er, der uns gibt, was wir zum Leben brauchen. Alles, was ich habe und benutzen darf, ist Geschenk. Kein Stück Leben kann ich selbst schaffen. Es ist sein Geschenk, alles.
Also versuche ich, die Sorge hinter mir zu lassen, die Angst zu kurz zu kommen, die Andreas-Frage (ausgerechnet Andreas!) was ist das schon für so viele?, und versuche zu vertrauen: „Unser täglich Brot gib uns heute, lieber Gott, alles, was wir brauchen, jeden Tag neu, denn wir können uns nichts, überhaupt nichts selbst schaffen, wenn du nicht für uns sorgst.“
Schließlich das Brot des Lebens, der Hunger nach Leben: „Leben als Fragment“ – so nannte der Theologe Henning Luther einen Vortrag. Er war bereits sterbenskrank, als er seinen Vortrag hielt. Unser Leben bleibt ein Fragment, ein Bruchstück. Wir werden nicht fertig. Vieles, was wir tun, bleibt unvollendet. Vieles bleibt am Ende des Tages unerledigt.
Wir nehmen uns viel vor: wenn wir erstmal im Urlaub sind, wenn wir endlich unsere Prüfung geschafft haben, wenn wir im Ruhestand sind. Und dann geht doch viel weniger, als wir dachten.
Vieles in unserem Leben wollen wir besser machen: in unserer Beziehung, bei der Arbeit, in unserem Zeitmanagement, im Umgang mit unserer Gesundheit. Und dann wird doch nichts daraus oder nur sehr wenig.
Ein Fragment, ein Bruchstück ist nicht fertig geworden oder auch zerbrochen.
Manches in unserem Leben zerbricht, weil wir Fehler machen und scheitern, weil Unglück geschieht, weil uns Krankheit trifft.
Wir wären gern vollkommen, perfekt, stark, aber das sind wir nicht. Aber unser Leben zählt nicht erst, wenn wir alle Träume verwirklichen, Ziele erreichen, Erfolge vorweisen.
Wir sind nicht vollkommen und müssen es nicht sein. Und wir sind verletzlich.
„Leben als Fragment.“
Jesus sieht unseren Hunger nach Leben,
nach Gesundheit und Glück und Geborgenheit.
Er gibt uns ein Zeichen: Wir sollen satt werden.
Er teilt Brot aus.
Jesus schenkt sich selbst.
Er gibt sich hin.
Mit einem Stück Brot gibt er Leben.
Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus. Amen
(320,1-4+7+8 Nun lasst uns Gott dem Herren …)