Predigt über Jes 29,17-24

Predigt am 3.9.17 von Andreas Hansen über Jes 29,17-24

Jesaja  29,17-24 (Zürcher Übersetzung)

Nicht wahr? Nur noch eine kleine Weile, dann verwandelt sich der Libanon in einen Baumgarten, und der Karmel wird dem Wald gleich geachtet.
Und die taub sind, werden an jenem Tag die Worte des Buchs hören, und befreit von Dunkel und Finsternis werden die Augen der Blinden sehen. Und die Armen werden sich wieder freuen über den HERRN, und die Ärmsten der Menschen werden jubeln über den Heiligen Israels.
Denn es ist aus mit dem Tyrannen, und der Schwätzer ist am Ende, und ausgerottet werden alle, die auf Unheil aus sind, die in einer Rechtssache Menschen zur Sünde verleiten und dem, der sie im Tor zurechtweist, eine Falle stellen und den Gerechten mit Nichtigem verdrängen.
Darum, so spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Haus Jakob: Nun wird Jakob nicht mehr zuschanden werden, und sein Angesicht wird nun nicht mehr erbleichen.  Denn wenn er seine Kinder, das Werk meiner Hände, in seiner Mitte sieht, wird man meinen Namen heilig halten, und man wird den Heiligen Jakobs heilig halten, und vor dem Gott Israels wird man sich fürchten. Und die irren Geistes sind, werden erkennen, was Erkenntnis ist, und die Nörgler werden lernen, was Einsicht ist.

„Nicht wahr? Nur noch eine kleine Weile, ein winziges Wenig …“
Wer spricht da? Jesaja, ein Prophet. Im Namen Gottes spricht er. Gott selbst spricht.
Wer spricht da? Der Heilige Israels,  der HERR, der Abraham erlöst hat,  der Heilige Jakobs, der Gott Israels.
Von Erlösung spricht er. – Erlösung?

Wir sehen die Bilder der schlimmen Flut in Texas und zugleich in Bangladesch, Indien und Nepal. Menschen haben alles verloren. Schreckliche, Stunden haben sie hinter sich. Sie retten sich auf Häuser und Bäume und warten, bis sie erlöst werden.
Oder Erlösung aus größter Not für Flüchtlinge, die in überladenen Booten auf dem Mittelmeer treiben.
Dem erlösten Patienten fällt ein Stein vom Herzen, wenn die gefürchtete Diagnose ohne Befund ist.
Erlösung, wenn mir ein kluger, erfahrener Anwalt zur Seite steht. Die mich anklagen, lügen. Sie drehen mir das Wort im Munde herum. Aber der Anwalt bleibt ruhig und verhilft mir zu meinem Recht.
Erlösung für einen Sterbenden, dass er nicht Schmerz und Angst leidet, sondern ruhig gehen darf.
Erlösung: Befreiung aus Gefahr, Sicherheit, wenn alles ins Wanken gerät, Hilfe in Schmerz, Ruhe in kopfloser Angst.
„Ist es nicht nur noch ein winziges Wenig?“, denn da ist der HERR, der Abraham erlöst hat.
Die Welt steht Kopf, aber gewiss wird Er erlösen  und das Verkehrte zurecht bringen.

Wir finden uns schnell mit Missständen ab. Gott ist dazu nicht bereit. Er widerspricht der Resignation.
Der Libanon verwandelt sich in einen Baumgarten. Umweltfrevel gibt es schon in der Antike: Die Berge des Libanon waren einst bewaldet. Alles Holz wurde rücksichtslos verbraucht, bis nur noch verkarstete, wüstengleiche Flächen blieben. So kann es nicht bleiben. Gott hat fruchtbares Land geschaffen – so muss es sein.
Die taub sind, werden die Worte des Buchs hören, denn wir brauchen Gottes Wort zum Leben.
Befreit von Dunkel und Finsternis werden die Augen der Blinden sehen. Finster war es, bevor der Schöpfer sprach: Es werde Licht. Nun darf es nicht finster bleiben.
Die Armen werden sich wieder freuen über den HERRN, und die Ärmsten der Menschen werden jubeln über den Heiligen Israels. Sie werden erlöst aus ihrer Not und sie werden jubeln und sich freuen über ihren Erlöser.
Ist das alles nur ein Traum, eine Flucht aus der Wirklichkeit? Im Gegenteil: Jesaja nimmt die Zustände in der Welt sehr ernst. Er sieht das Unrecht, die Unterdrückung, Gewalt, Korruption.   Die Welt steht Kopf. Unrecht und Gewalt setzen sich durch. Mächtige halten sich für unangreifbar.
Aber Gott findet sich nicht damit ab. Nur noch eine kleine Weile, dann ist es aus mit dem Tyrannen, und der Schwätzer ist am Ende. Wie gut klingt das für die, die unter Tyrannen leiden!
Ausgerottet werden alle, die auf Unheil aus sind, die in einer Rechtssache Menschen zur Sünde verleiten und dem, der sie im Tor zurechtweist,  eine Falle stellen und den Gerechten mit Nichtigem verdrängen. Gott bringt die verkehrte Welt zurecht. Lüge und willkürliche Rechtsprechung finden ein Ende. Wie gut ist das für die, die verfolgt und ohne Grund eingesperrt werden.
Noch einmal: Das ist ja alles schön und recht, traumhaft schön und wunderbar gerecht. Das wünschen wir uns, und uns fallen auch gleich eine ganze Reihe von Unrechtsstaaten ein und Unrecht auch bei uns. Vieles, was in der Welt geschieht, ist verkehrt, unerträglich und zutiefst böse. Aber was soll man machen? So ist die Welt eben.

Woher nimmt ein Jesaja die Gewissheit, dass die Welt sich ändern könnte, dass sie sich schon ganz bald wandeln wird?
Jesaja antwortet: „Gott selbst spricht, der HERR, der Abraham erlöst hat. Der Heilige Israels will, dass die Tauben hören und die Blinden sehen und alle sich über ihn freuen. Der Gott Israels will sein Volk erlösen und die geplagte Schöpfung erlösen. Er will Frieden und Gerechtigkeit für die Welt, die er erschaffen hat.“
Jesaja sagt: „Meine Gewissheit kommt von Gott. Gott ist heilig. Er hat uns und alles erschaffen. Er hat sein Volk befreit, erlöst. Was Er will, geschieht. Er ist weit höher als wir und unser Verstehen.
Sollte ich etwa denen glauben, die die Welt zum Bösen verkehren? Sollte ich nicht ihm glauben, der die Welt geschaffen hat und zurechtbringen will?
Wer könnte mir mehr Gewissheit geben, als Er?“

Die Selbstgewissheit der Mächtigen ist verkehrt. Die Resignation vor dem Unrecht ist falsch. Gott stellt seinen Willen entgegen.
Die beiden Verse vor unserem Textabschnitt lauten: „Wehe denen, die ihren Plan in der Tiefe verbergen vor dem HERRN und ihre Taten an finsterer Stätte verüben und sagen: Wer sieht uns, und wer weiß von uns? Eure Verkehrtheit! Soll denn der Töpfer geachtet werden wie der Ton, dass das Werk von dem, der es gemacht hat, sagen könnte: Er hat mich nicht gemacht!“
Gott lässt nicht zu, dass die Welt Kopf steht, dass wir Menschen uns selbst an seine Stelle setzen.
Nun wird Jakob nicht mehr zuschanden werden, und sein Angesicht wird nun nicht mehr erbleichen. 
Gott hat sich an Jakob, an Israel gebunden. Ausgerechnet dieses kleine Volk, ein Spielball zwischen den Großmächten, hat Gott auserwählt. Immer wieder wird das Land Israel und das Volk der Juden in seiner Geschichte besetzt, unterdrückt, ausgeraubt, immer wieder bis zum Mord an sechs Millionen Juden durch uns Deutsche. Lange Zeit haben wir Christen geglaubt, Israel sei nicht mehr Gottes Volk, sondern wir. Heute bekennen wir, dass wir auf diese Weise zum Hass gegen Gottes Volk beigetragen haben. Aber Gottes Wille für sein Volk steht fest: Jakob wird nicht mehr zuschanden werden. Man wird meinen Namen heilig halten, und man wird den Heiligen Jakobs heilig halten,  und vor dem Gott Israels wird man sich fürchten.
„Geheiligt werde dein Name“ – so lehrt Jesus uns zu beten. Und der Katechismus erklärt, das geschieht, wo das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird und wir auch heilig, als die Kinder Gottes danach leben. Wir heiligen Gott, indem wir auf sein Wort hören und ihm folgen.
„Heilig, heilig, heilig ist der Herr“ – so loben wir Gott vor dem Abendmahl, denn der Heilige Israels ist uns nah, wenn wir Gemeinschaft mit Jesus feiern. Da singen wir mit Worten aus dem Buch Jesaja.
„Heilig, heilig, heilig ist der Herr“ – so hört Jesaja Gottes Engel singen, als Gott ihn zum Propheten macht.
Gott ist heilig. Er wird das Verkehrte umwenden und seine Welt zurechtbringen.
Gemeinsam mit den Juden loben wir Gott, den Heiligen Israels. Wir Christen loben ihn als den Vater Jesu Christi.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus. Amen