Predigt über 1.Kor 2,1-10

Predigt am 14.1.18 von Andreas Hansen über 1.Kor 2,1-10

1.Korinther 2,1-10 (Zürcher Übersetzung)

Liebe Brüder und Schwestern, auch ich bin, als ich zu euch kam, nicht mit großartigen Worten und abgründiger Weisheit dahergekommen, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hatte beschlossen, bei euch nichts anderes zu wissen außer das eine: Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten.
Auch kam ich in Schwachheit und mit Furcht und Zittern zu euch, und meine Rede und meine Verkündigung baute nicht auf kluge Überredungskunst, sondern auf den Erweis des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht in der Weisheit der Menschen, sondern in der Kraft Gottes gründe.
Von Weisheit aber reden wir im Kreis der Vollkommenen – jedoch nicht von der Weisheit dieser Weltzeit noch der Herrscher dieser Weltzeit, die zunichte werden. Wir reden vielmehr von der Weisheit Gottes, der verborgenen, so wie man von einem Geheimnis redet; diese hat Gott vor aller Zeit zu unserer Verherrlichung bestimmt. Sie hat keiner der Herrscher dieser Weltzeit je erkannt, denn hätten sie sie erkannt, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Vielmehr verkündigen wir, wie geschrieben steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz aufgestiegen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; der Geist nämlich ergründet alles, auch die Tiefen Gottes.

In meiner Ausbildungszeit in Gengenbach lernte ich einen Manager kennen. Er schrieb ein Buch über seine Erfahrungen. Darin steht:
„Zeit zum Erfolg: Wir wünschen uns gegenseitig immer das, was uns stark macht, unabhängig, überlegen und siegreich. Was passierte wohl, wenn ich einem sagte: Ich wünsche Ihnen im kommenden Jahr Situationen der Schwachheit und ein paar Misserfolge, damit Sie nachdenklich werden?
… Die Stunden der Wahrheit finden nicht statt auf den sonnigen Gipfeln des Glücks und des Erfolges, sondern weiter unten im Schatten.“
Wir sind verliebt in den Erfolg. Zu den Starken, zu den Siegern wollen wir gehören. Keiner will im Schatten stehen. Keiner will ein Verlierer sein, ein looser. Der Erfolg zählt. Das nennt Paulus die Menschenweisheit, Weisheit der Welt. Es ist gut, wenn wir fleißig und engagiert sind, uns Ziele stecken und mit ganzem Herzen bei der Sache sind. Es ist schön, wenn jemand Erfolg hat, z.B. in seinem Beruf. Es tut gut, wenn wir anerkannt sind. Aber das ist nicht alles.
Es gibt in jedem Leben auch Schatten. Jede und jeder von uns erfährt irgendwann seine Grenzen und erlebt, wie leicht Erfolge verblassen und wie schnell sie bedeutungslos werden können.
Wer einzig den Erfolg sieht, für wen nur der Sieg zählt, wer immer nur großartig sein will, der ist ein armer Tropf.  Dem muss man tatsächlich wünschen, dass er einmal auf die Nase fällt, damit er anfängt nachzudenken.
Vielleicht brauchen wir erfolgsverwöhnten Deutschen die schwierige Regierungsbildung. Hoffentlich erkennen die Verhandler, dass es nicht um ihren persönlichen Erfolg geht oder den ihrer Parteien. Kein Koalitionsvertrag wird alle Probleme lösen. Wir alle müssen aufpassen, dass wir nicht die Menschen im Schatten übersehen werden, die, die keine Wohnung finden, die, die sich nicht durchsetzen, die Schwachen, die Opfer.
Paulus denkt nach über seine Gemeinde in Korinth. „Warum tue ich mir das an? Wenn ich nur dran denke, wie sie übereinander herfallen und einander sogar vor Gericht verklagen! Sie betrügen ihre Frauen und Männer und schrecken vor keiner Verfehlung zurück. Sie sind grenzenlos selbstgerecht, rücksichtslos, egoistisch. Sie verehren den Reichtum, den Erfolg. Sie verachten die Armen und verspotten die Liebe Christi. Warum tue ich mir das an? Ist meine Predigt nicht sinnlos? Und doch weckt Gott Glauben in dieser gottlosen Stadt. Und doch muss ich ihnen vom Jesus erzählen, von der Liebe Gottes, vom Gekreuzigten und seiner Auferstehung.“
Wir sind verliebt in den Erfolg. Aber wenn nur der Erfolg zählt, dann sind wir arm dran. Dann müssten viele Menschen über ihrem Leben verzweifeln. Gott sei Dank, das ist nicht so. Die Schattenseiten machen unser Leben nicht wertlos und schlecht. Das Unglück, das einem Menschen, oder ganzen Ländern, widerfährt, die Last, die viele tragen müssen, verstehen wir nicht. Es ist richtig, wenn wir uns nach Kräften dagegen wehren. Aber auch wenn wir einen Misserfolg oder ein Leid hinnehmen und ertragen müssen, kann unser Leben erfüllt und froh sein.
Vorhin haben wir gesungen: „In dir ist Freude, in allem Leide, o du süßer Jesu Christ  …“ und „Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod…“ Mitten in Leid und Unglück strahlt eine Freude auf. Sie kommt in diesem Lied leicht daher wie ein Tanz. Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen.
Paulus schreibt davon, dass in seiner Gemeinde Geist und Kraft sichtbar wurden. Viele Menschen sagen: Der Glaube gibt mir Kraft. Ohne die Kraft von Gott könnte ich mein Leben nicht meistern. Sie wissen sich gestärkt, gehalten, getröstet. Sie schauen auf Jesus, auf sein Kreuz.
Paulus wollte in Korinth nichts wissen, nichts weitersagen als allein Jesus, den Gekreuzigten. Das Kreuz ist ein Hinrichtungsort. Am Kreuz wurden Menschen entwürdigend und grausam zerstört.  Das Kreuz ist ein Ort, wo alles vernichtet wird und sinnlos erscheint. Ausgerechnet an diesen schrecklichen Ort der Verzweiflung geht Jesus. Ausgerechnet da sollen wir Kraft bekommen. Am Kreuz gibt Gott eine Antwort auf Schuld und Scheitern und Leid. Er geht selbst auf die Schattenseite des Lebens. Gott widerspricht unserem Glauben an den Erfolg und die Stärke. Er kommt als Mensch zu uns, verletzlich und schwach.
Vor 500 Jahren, 1518, kam Luther nach Heidelberg, um mit seinen Gegnern zu diskutieren. Viele süddeutsche Gelehrte waren von diesem Gespräch tief beeindruckt. Luther formulierte eine Theologie des Kreuzes und stellte sie der Theologie der Herrlichkeit gegenüber. Er sagte: „Es ist gewiss, dass der Mensch an sich selbst verzweifeln muss, um geeignet zu werden, die Gnade Gottes zu erlangen.“ Und: „Der Theologe der Herrlichkeit nennt das Böse gut und das Gute böse; der Theologe des Kreuzes nennt die Dinge beim Namen.“
Am Kreuz, wo nur Tod und Scheitern zu sehen ist, wo Jesus verspottet wird und vernichtet scheint, da siegt die Liebe Gottes, da sehen wir Hoffnung für unser Leben.
„In dir ist Freude, in allem Leide…“
Von einem Geheimnis redet Paulus. Nur Eingeweihte dürfen Geheimnisse sehen und können verstehen, was für die anderen verborgen bleibt. Gott lässt uns schon jetzt sehen und glauben, was der Welt verborgen ist. Nur den Glaubenden, denen, die Gott lieben, erschließt sich, was kein Auge je gesehen hat, kein Ohr je vernommen, kein Herz je erfasst. Gott ist nicht ein Geheimniskrämer, der sich listig versteckt und die Leute herumrätseln lässt. Und doch muss Gott selbst uns aufschließen, dass wir in Jesus seinen Sohn erkennen, dass das Kreuz für uns zum Zeichen seiner Liebe wird.

Ihm, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, dürfen wir uns anvertrauen mit unsere Erfolgen und Misserfolgen, mit unserer Freude und mit all den ungeklärten Fragen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen