Mit einem festlichen, fröhlichen Mahl beginnt der Sabbat am Freitagabend zuhause in den Familien. Die Mutter zündet die Kerzen an und der Vater spricht den Segen. Man trinkt Wein, lobt Gott und feiert. Gott hat die Welt erschaffen. Gott hat sein Volk aus der Sklaverei befreit. Daran erinnern sie sich und feiern, als wäre schon alles Sehnen erfüllt. Die Gebote des Sabbats sind alles andere als bittere, drückende Pflichten.
Am Morgen geht es dann in die Synagoge.
Lk 13,10-17:
Als Jesus einmal am Sabbat in einer der Synagogen lehrte, war dort eine Frau.
Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt
und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten.
Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte zu ihr: »Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!«
Und er legte ihr die Hände auf.
Sofort richtete sie sich auf und lobte Gott.
Aber der Leiter der Synagoge ärgerte sich darüber, dass Jesus die Frau an einem Sabbat heilte. Deshalb sagte er zu der Volksmenge:
»Es gibt sechs Tage, die zum Arbeiten da sind.
Also kommt an einem dieser Tage, um euch heilen zu lassen – und nicht am Sabbat!«
Doch der Herr sagte zu ihm: »Ihr Scheinheiligen!
Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Futterkrippe los und führt ihn zur Tränke? Aber diese Frau hier, die doch eine Tochter Abrahams ist, hielt der Satan gefesselt – volle achtzehn Jahre lang! Und sie darf am Sabbat nicht von dieser Fessel befreit werden?«
Als Jesus das sagte, schämten sich alle seine Gegner. Doch die ganze Volksmenge freute sich
über die wunderbaren Taten, die Jesus vollbrachte.
Achtzehn Jahre schon ist sie so kraftlos – sie wird immer krummer, sieht nur auf den Boden vor sich. Den Menschen gerade in die Augen sehen, die Arme erheben, unmöglich. Und jeder sieht ihr an, dass sie krank ist. Die meisten meiden sie, aus Furcht selbst krank zu werden, aus Ekel vor der Verkrüppelten, aus Misstrauen – was hat sie wohl angestellt, dass sie so geplagt ist? – Achtzehn Jahre geht es ihr schon so, endlos, hoffnungslos. Immer wieder hat sie sich gefragt, warum. Sie hat keine Antwort.
Sie kommt noch in die Synagoge, aber sie bleibt ganz hinten. Den anderen weicht sie aus und sie wird kaum beachtet. Feiern kann sie ja doch nicht. Heute ist ein fremder Prediger da. Nach der Lesung warten alle, was er wohl zu sagen hat.
Aber Jesus sieht die Frau da hinten in ihrer Ecke. Er sieht, wie es ihr geht. Und – was ist das? – er spricht sie an, ruft sie nach vorne. Sie ist völlig überrascht. „Das geht doch nicht. Ich soll in den Bereich der Männer gehen? Dorthin, wo alle meinen elenden Zustand sehen?“ Aber sie wagt es und steht so krumm, wie sie ist, vor ihm. „Du bist losgelöst von deiner Krankheit, bist frei.“ Er berührt sie, und sie spürt eine Kraft, die sie aufrichtet, aufrichtet. Da steht sie, aufrecht, wie alle anderen und kann es kaum fassen, sieht ihm ins Gesicht – er lacht sie an – sieht in die staunenden Gesichter der Männer um sie herum, und beginnt zu jubeln: „Gepriesen sei Gott!“
Das muss doch nicht gerade heute am Sabbat sein! Der Vorsteher der Synagoge ärgert sich.
Ihn stört die Frau hier vorne. Sie soll da hinten bei den Frauen bleiben und nicht den Sabbat verderben. Das gehört sich nicht. Dieser Jesus kümmert sich offenbar nicht um Gottes Gebot und um unsere Ordnung. So geht´s nicht! Er wendet sich an die Leute: „Sechs Tage sind zum Arbeiten da. Da könnt ihr mit euren Anliegen kommen, aber nicht an Gottes heiligem Sabbat!“
„Heuchler! Scheinheilige!“ Jesus hebt den Sabbat und seine Gebote nicht auf. Er bringt die Freude des Sabbats zum Leuchten: Ein Fest der Befreiung für Menschen, die gebunden sind, so wie Gott sein Volk befreit hat. Alle Kinder Abrahams sollen den Schöpfer preisen.
Darum hat Gott den Sabbat geschenkt. Jesus argumentiert wie ein Pharisäer, indem er vom Kleinen auf das Größere schließt: „wenn ihr schon am Sabbat eure Tiere losbindet und zur Tränke führt, sollte da nicht vielmehr diese Tochter Abrahams von den Fesseln des Satans gelöst werden?“ Die Kritiker müssen ihm beschämt recht geben und die Leute freuen sich über seine Tat.
Lukas erzählt eine Geschichte mit vielen Facetten.
Eine Frauen-Geschichte:
Frauen wurden und werden bis heute übersehen und nicht ernst genommen. Frauen gehören in die zweite Reihe. Ganz öffentlich macht sich Donald Trump über Frauen lustig. Frauenfeindlichkeit, Gewalt gegen Frauen, ungerechte Behandlung von Frauen – all das ist leider auch in unserer Gesellschaft Thema. Dass Jesus sich der kranken Frau zuwendet und sie und ihr Leiden in den Mittelpunkt stellt, ist für viele damals undenkbar. Sie gehört für ihn gleichwertig in den Sabbatgottesdienst – mit allen Frauen und Männern soll sie Gott preisen und sich freuen. Er nennt sie eine Tochter Abrahams und stellt sie damit auf eine Ebene mit Abrahams Sohn Isaak – einmalig ist diese Formulierung im Neuen Testament und sie zeigt, wie Jesus Frauen achtet.
Eine Heilungsgeschichte:
Krankheit kann Menschen verkrümmen. Es ist schwer, mit Schmerzen zu leben. Seelisches wie körperliches Leiden kann einsam und verbittert machen. „Womit habe ich das verdient?“ Aber die Frage führt in eine Sackgasse. Lukas schreibt von einem Geist der Schwäche, der die Frau beugt. Jesus redet sogar davon, dass Satan sie gefesselt hat. Achtzehn Jahre muss sie damit leben.
Wir haben oft einfach keine Erklärung und müssen lernen mit Krankheit oder Behinderung zu leben und nicht zu resignieren.
Jesus heilt Menschen und zeigt damit: Gott ist auf der Seite des Lebens. Gott sieht unsere Not. Jesus zieht die Kranke in die Mitte der Gemeinschaft. Kein Kranker soll isoliert und abgeschoben werden. Allen sollen wir möglich machen, dass wir miteinander leben und feiern.
Jesus heilt die Frau und zeigt, wie Gott es mit uns allen meint. Alle sollen und werden Gottes Heil erfahren.
Eine Geschichte von Freiheit:
Jesus setzt sich hinweg über die Tradition und stößt die Vertreter der Ordnung vor den Kopf. Jesus hat nichts gegen die Tradition oder gar gegen die Thora, Gottes Gebot. Für ihn hat nur das Heil dieser Frau Vorfahrt, ganz im Sinn der Thora. Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. (Mk 2,27) Jetzt kann sie ja endlich befreit mitfeiern und Gott preisen.
Der Synagogenvorsteher ist dagegen für ein Halten der Ordnung, koste es, was es wolle – menschliche Vernunft hat nichts gegen Gottes Gebot zu sagen. Er ist erstarrt im Gehorsam um jeden Preis. Solchen erstarrten Glauben gibt es in fast allen Religionen, bei Juden wie Christen und Muslimen. Fundamentalisten nennt man sie. Sie berufen sich auf die Schrift und geben vor, die reine Wahrheit und die Tradition zu verteidigen. Aber sie machen aus dem Glauben ein enges Korsett von Regeln, die ihren Vorstellungen entsprechen. Gott will freie Menschen. Darum muss Jesus diesem Synagogenvorsteher entschieden entgegentreten.
So feiern sie den Sabbat.
So feiern wir den Tag Gottes.
Jesus lädt ein zum Fest der Freude über Gott.
Er löst die Frau aus dem, was sie verkrümmt.
Er nimmt nicht hin, dass der Satan, das Böse
sie gefangen hält.
Er schenkt ihr und uns den Segen der Kinder Abrahams und die Freiheit der Kinder Gottes.
Amen