Predigt am 9.6.19 von Andreas Hansen über Joh 14,16-19.25-27
Der Heilige Geist „ist von wolkenloser Musikalität und, wenn man ihn wiegen könnte, ganz leicht und deshalb so schwierig, je leichter der Heilige Geist, desto mehr steckt in ihm, … er ist im Auftrage Gottes unterwegs, uns das Schwere leicht zu machen.“ Hans-Dieter Hüsch schreibt poetisch über den Heiligen Geist. (Zitat aus: Ders., Ein gütiges Machtwort. Alle meine Predigten, Düsseldorf 2001, 37f)
An Pfingsten gehen die Jünger Jesu auf die Straße, unter die Leute. Sie haben alle Furcht verloren. Jetzt verstecken sie sich nicht mehr. Laut und für alle wunderbar verständlich reden sie von Jesus. Sie sagen, dass er lebt. Mit ihrer Freude und Begeisterung stecken sie viele an. So entsteht die Kirche. Das Schwere wird leicht. Der Geist klingt in wolkenloser Musikalität. Lassen wir uns anstecken! Hören wir auf die Worte, die Jesus seinen Jüngern vor seinem Abschied sagte, Johannes 14:
Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen zum Fürsprecher geben, der für immer bei euch bleiben soll: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt; ihr erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. Eine Weile noch, und die Welt sieht mich nicht mehr, ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet.
Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war. Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht! (Joh 14,16-19.25-27 Zürcher Übersetzung)
Geht es Ihnen auch so: das Johannesevangelium muss ich immer zwei- und dreimal lesen oder hören, bis ich anfange, etwas zu verstehen? Aber dann wird jedes Wort schön und tröstlich. „… ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen zum Fürsprecher (einen Anwalt, einen Tröster) geben, der für immer bei euch bleiben soll: den Geist der Wahrheit … Der Fürsprecher, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Ich musste einmal in einem Rechtsstreit vor Gericht aussagen. Ich war so furchtbar aufgeregt, schrecklich! Und ich war heilfroh, einen guten Anwalt zu haben – er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen und führte mich sicher durch die Klippen des Verfahrens. Die Kirche hat einen mächtigen Fürsprecher. Er bleibt für immer bei ihr, bei uns. Jesus schickt uns einen, der für uns spricht, einen Anwalt, einen Tröster, der uns die Wahrheit Jesu erschließt.
Die Kirche ist angegriffen. Sie sitzt auf der Anklagebank. Auch wir selbst klagen manchmal über „die Kirche“, als wären das nicht wir selbst. Wir alle, die Christen, wir sind „die Kirche“. Wenn Vertreter der Kirche sich unglaubwürdig verhalten, zB wenn es um den Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen geht, ist auch unsere Vertrauenswürdigkeit in Frage gestellt. Wenn wir hören, dass die Mitgliederzahlen immer weiter zurückgehen und bis 2060 wohl nur noch die Hälfte von heute ausmachen, sorgen wir uns um unsere Kirche. Wenn sich Leute enttäuscht abwenden, aber vor allem, wenn viele einfach gleichgültig sind und austreten, greift das auch uns an. Wollen die, die austreten wirklich, dass es irgendwann keine Kirche mehr gibt?
Unsere Misere ist wohl nichts im Vergleich zu der Not der Gemeinden, an die sich das Johannesevangelium zuerst richtet, denn die sind damals verfolgt und unter enormem Druck. Uns geht es super, verglichen mit den Christen im Iran, in China, in vielen Ländern. Und auch deren Not geht uns an. Sie betrifft die weltweite Kirche und damit auch uns. Aber Jesus sagt: „Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ Ruhe und Gemütlichkeit hat Jesus seiner Kirche nicht versprochen, aber den Tröster, den Anwalt, der uns beisteht und uns in seiner Wahrheit hält. Darum haben wir tatsächlich keinen Grund verzagt zu sein. Der Heilige Geist ist im Auftrage Gottes unterwegs, uns das Schwere leicht zu machen.
Jesus sagt: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“ Er selbst ist eins mit dem Geist und eins mit Gott. Er wird seine Kirche nicht allein lassen. Die Kirche bei uns sieht in 30 oder 40 Jahren bestimmt ganz anders aus. Vielleicht gibt es dann nur noch eine Gemeinde, eine Pfarrerin oder einen Pfarrer und ein Kirchengebäude für Kenzin-gen, Herbolzheim und das Bleichtal zusammen. Vielleicht wird haben wir dann auch gemeinsam mit der katholischen Gemeinde eine Kirche und einen Gottesdienst. Wer weiß?
Aber es wird die Kirche Jesu Christi sein, denn er lässt seine Kirche nicht allein. Sie wird leben von seinem Wort, in seiner Wahrheit, in seiner Liebe und Gemeinschaft. Jesus sagt: „ich lebe und auch ihr werdet leben“. Die Kirche, seine Kirche wird leben, weil er lebt. Die Kirche lebt von Ostern her. Hier sehen wir immer auf Jesus am Kreuz, zu Tod gefoltert, aber wir wissen und bekennen: Jesus lebt. Auch das schrecklichste Leid hält sein Leben nicht auf. Auch im Tod gilt seine Zusage: ihr werdet leben.
Der Heilige Geist entfacht den Glauben und die Liebe. Der Heilige Geist bewegt uns, Kirche Jesu Christi zu sein. Der Geist, der Tröster wirkt gegen alles, was hinunterziehen und deprimieren will. So ist eine zentrale Aufgabe der Kirche zu trösten, zu ermutigen, aufzurichten. Hören wir darum noch einmal Hans Dieter Hüsch: Der Heilige Geist „ist von wolkenloser Musikalität und, wenn man ihn wiegen könnte, ganz leicht und deshalb so schwierig, je leichter der Heilige Geist, desto mehr steckt in ihm, … er ist im Auftrage Gottes unterwegs, uns das Schwere leicht zu machen. … Es gibt ja auch Tage bei uns, wo wir ihn wirklich nicht spüren mit unserem kleinen Menschenglauben, wo wir ihn uns jedes Mal aufs Neue erfühlen müssen und glücklich sind, wenn das Schwere plötzlich in uns abfällt und der Geist hier in uns und bei uns ist und Probleme sich aus dem Staub machen und die Menschen wieder anfangen zu lächeln. Gott ist leicht, Gott ist nicht schwer, Gott ist schwierig, ist kompliziert, ist hoch differenziert, aber nicht schwer. Gott ist ein Lachen, nicht das Gelächter, Gott ist die Freude, nicht die Schadenfreude, das Vertrauen, nicht das Misstrauen, er gab uns den Sohn, um uns zu ertragen und er schickt seit Jahrtausenden den heiligen Geist in die Welt, dass wir zuversichtlich sind, dass wir uns freuen, dass wir aufrecht gehen ohne Hochmut, dass wir jedem die Hand reichen ohne Hintergedanken und im Namen Gottes Kinder sind in allen Teilen der Welt eins und einig sind und Fantasten des Herrn werden, von zartem Gemüt, von fassungsloser Großzügigkeit, und von leichtem Geist.“
Amen