Mt 4,1-11

Predigt am 22.2.15 von Andreas Hansen über Mt 4,1-11

Danach wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden. Vierzig Tage und vierzig Nächte fastete er, danach hungerte ihn. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, dann sag diesen Steinen da, sie sollen zu Brot werden. Er entgegnete: Es steht geschrieben: Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Dann nahm ihn der Teufel mit in die heilige Stadt, und er stellte ihn auf die Zinne des Tempels. Und er sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, dann stürze dich hinab. Denn es steht geschrieben: Seine Engel ruft er für dich herbei, und sie werden dich auf Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stoße. Da sagte Jesus zu ihm: Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen. Wieder nimmt ihn der Teufel mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Königreiche der Welt und ihre Pracht. Und er sagt zu ihm: Dies alles werde ich dir geben, wenn du dich niederwirfst und mich anbetest. Da sagt Jesus zu ihm: Fort mit dir, Satan. Denn es steht geschrieben: Zum Herrn, deinem Gott, sollst du beten und ihm allein dienen. Da lässt der Teufel von ihm ab. Und es kamen Engel und dienten ihm.

Manchmal erschrecke ich über mich selbst. Ich erinnere mich an damals, so etwa mit acht Jahren. Ich spiele im Hof. Ein Nachbarjunge kommt. Den kann ich nicht ausstehen. Er versteht nicht, dass ich nicht mit ihm spielen will. Er kommt mir so nah, als wollte er mir ein Geheimnis sagen. Zuwider ist er mir. Und er rückt mir auf die Pelle, igitt! Da hole ich aus und boxe ihn mit voller Kraft in den Bauch. Er heult und hält sich den Bauch. Ich erschrecke. Ich erschrecke über mich. Was hat mich nur getrieben? Sowas macht man doch nicht. Das ist gemein. Dass ich so böse sein kann! Ich erinnere mich nicht, dass ich seither jemanden in den Bauch geboxt hätte. Aber ich bin noch öfter über mich erschrocken. Was steckt in mir? Zu was für einer Bosheit bin ich wohl fähig? Ich verstecke meine dunkle Seite vor mir und vor anderen. Aber ich traue mir einiges an Rücksichtslosigkeit, Gemeinheit oder Egoismus zu. Was steckt in uns?

Auf einmal ist der Teufel da, bei Jesus in der Wüste. Auf einmal ist der Teufel bei uns. Stellen Sie sich unter dem Teufel eine Gestalt vor? Eine Fratze des Bösen, wie eine Fasnachtsmaske? Er ist unklar. Einmal heißt er Versucher, dann „Durcheinanderbringer“, Diabolos, Teufel, dann sagt Jesus Satan zu ihm, der Ankläger, der Feind Gottes. Ist der mit den vielen Namen überhaupt eine Person? Nein! Der Teufel ist nicht ohne uns. Er braucht uns Menschen. Er ist durch uns. Das Böse entsteht, es entfaltet sich und wirkt immer in uns Menschen und durch uns. Manche Menschen kommen uns vor, wie besessen von Bosheit, getrieben von Hass, gehetzt von zerstörerischer Wut. Aber dafür ist nicht der Teufel verantwortlich. Das wäre ja eine bequeme Ausrede für das, was wir anrichten. Menschen können teuflisch böse sein. Zum Erschrecken.

Jesus geht in die Wüste. Das Volk Gottes geht durch die Wüste, 40 Jahre, so heißt es. Dort gibt ihnen Gott seine Gebote, seinen Bund. Elia, der Prophet, flüchtet in die Wüste. Dort begegnet ihm Gott und gibt ihm einen neuen Auftrag. Johannes, der Täufer, lebt in der Wüste. Immer wieder, so heißt es, sucht auch Jesus einsame Orte auf.

Johannes tauft Jesus. Am anderen Morgen verabschiedet sich Jesus. „Ich muss in die Wüste.“ „Was willst du dort?“, fragt Johannes. „Ich muss nachdenken. Weißt du, als du mich getauft hast, ist etwas geschehen. Ich glaube, Gott hat mich berührt. Ich habe eine Stimme gehört. Die sprach: Du bist mein Sohn. Dich habe ich lieb.“ Johannes sieht Jesus an: „Ich wusste es. Gott kommt. Jesus, ich glaube, durch dich kommt Gott!“ Dann ist Jesus allein, viele Tage. Er hört auf zu zählen. Wüstentage, Wüstennächte. Er hört. Er betet. Er erschrickt manchmal über seine Gedanken. Nach vielen Wochen kommt er zurück. Johannes ist froh, als er Jesus kommen sieht.

„Weißt du, was das ist, Versuchung?“ fragt Jesus. „Du wirst es mir sagen, Jesus.“ Und Jesus erzählt: „Die Macht ist eine Versuchung. Da saß ich in der Wüste. Die Sonne brannte. Und der Hunger wuchs. Aber da war nichts, nicht einmal wilder Honig oder Heuschrecken. Und plötzlich war sie da, die Versuchung: „Bist du nicht Gottes Sohn?“ flüsterte sie. „Du kannst machen, dass diese Steine da Brot werden.“ Da saß ich in der Wüste. Meine Gedanken flogen. Ich dachte: „Ich muss den Menschen von ihrem Vater im Himmel erzählen. Aber wie?“, dachte ich. „Wie mache ich, dass sie mir glauben?“ Und da war sie wieder, die Versuchung. „Bist du nicht Gottes Sohn?“ flüster-te sie. „Du kannst machen, dass sie alle an dich glauben. Stell dich oben auf die Zinne des Tempels. Spring hinunter! Alle werden sagen: Gottes Engel tragen ihn.“ Da saß ich in der Wüste. Ich zitterte. Die Einsamkeit wuchs. „Und wenn ich mich irre?“ dachte ich. „Wenn ich gar nicht Gott gehöre?“ Und da war sie wieder: „Bist du nicht dein eigener Herr? Vergiss Gott! Mach, was du willst! Mach dich groß! Mach dich stark! Die Menschen werden dich lieben und fürchten.““ „Und?“ fragt Johannes. „Was hast du gemacht?“ „Nichts.“ sagt Jesus. „Nichts?“ „Nein. Nichts.“ „Konntest du es nicht?“ Jesus breitet die Hände aus. „Ich habe diese Macht, Johannes, aber wozu?“ „Du wirst es mir sagen, Jesus.“ „Nicht für mich“ sagt Jesus. „Sondern zum Segen für alle Menschen.“

Jesus kennt die Versuchung. Bis zuletzt wird sie ihm zusetzen: „Bist du Gottes Sohn, dann steig doch herab vom Kreuz!“ (Mt 27,40) Der Teufel benutzt sogar die Bibel, um Jesus zu verleiten, dass er seine Macht ausspielt – dass er sich über Gott stellt. Aber Jesus nimmt keine Macht für sich. Jesus kennt auch das Böse. Er ist immer ganz nah bei denen, die darunter leiden. Er erträgt selbst das teuflisch Böse: Unrecht und Gewalt, Demütigung und Schmerz. Kein Mensch kann sagen: „Mein Leid ist ihm fremd.“ In allem, sogar im Tod, ist er bei uns. Denn Gott will bei uns sein und Leid und Tod überwinden.

Wie sieht er aus, unser Teufel, unser persönlicher Versucher und Durcheinanderbringer – er verstellt sich ja so gerne?

Vielleicht flüstert er uns zu: „Das mit Gott musst du nicht so ernst nehmen. Der wird schon immer lieb sein – das ist schließlich sein Job.“ Und er macht aus Gott eine harmlose Figur, die wir nur hin und wieder bei Bedarf hervorholen.

Vielleicht lockt er: „Mach was du willst. Du bist dein eigener Herr. Sei doch nicht blöd! Nutz deine Chancen! Halt dich an die, die dir nutzen!“ Und immer mehr teilen wir Menschen ein in die, die uns etwas bringen, und die anderen, die uns gleichgültig sind.

Ich glaube, es ist gut, wenn wir manchmal erschrecken. Das Böse ist so nah und es richtet so viel Schreckliches an. Dank sei Jesus! Er hat für uns die Versuchung und das Böse durchlitten – und überwunden. Amen

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