Mt 21,1-9

Predigt am 30.11.2014 von Andreas Hansen über Mt21,1-9

1.Advent, Kantatengottesdienst

Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Jerusalem wartet auf Frieden. Zwei palästinensische Fanatiker überfallen und ermorden betende Juden. Sie werden erschos-sen. Israel lässt die Häuser ihrer Familien zerstören. Ein fanatischer Jude provoziert die Muslime auf dem Tempelberg. Ein Attentat überlebt er schwer verletzt. Die Polizei erschießt den Täter. Mehrfach fahren Palästinenser mit Autos in Menschengruppen. Jugendliche werfen Steine. Israels Politiker kündigen den Bau neuer Siedlungen in Ostjerusalem an. Die Stadt ist zerrissen von uralten Problemen und von Unrecht auf allen Seiten. Für Juden, Christen und Muslime ist Jerusalem heilig. So kann es doch einfach nicht weitergehen. Jerusalem wartet auf Frieden.

Juden und Christen warten auf den Messias. Die Schüler eines Rabbis in Jerusalem bringen ihm eines Morgens die Nachricht: „Der Messias ist gekommen!“ Der Rabbi steht auf, geht ans Fenster, kommt zurück und setzt sich wieder hin. „Was nun? Was sollen wir tun?“ fragen ihn die Schüler. „Ruhig weiter lernen sollt ihr!“ sagt der Rabbi und fährt fort: „Wie kann denn der Messias gekommen sein, wenn nichts in der Welt sich erneuert hat?“ Juden und Christen warten auf den Messias. Die Hoffnung verbindet uns. Wir sind uns einig, dass es so doch einfach nicht weitergehen kann. Wir hoffen auf eine Zukunft von Gott her. Wir hoffen auf Frieden, Erlösung, ein Ende von Krieg und Gewalt, Unrecht und Leid. „Siehe dein König kommt zu dir, Jerusalem! Ein Gerechter ist er, ein Helfer. Er heilt die zerrissene Welt.“ Gemeinsam mit den Juden hoffen wir und warten auf den Messias, den König. Aber nur wir Christen glauben, er war schon da.

Jerusalem ist eine Reise wert. Viele kommen. Fromme Pilger, vornehme Leute aus fernen Ländern – wo es überall Juden gibt! – aber auch viel armes Volk vom Land. Alle kommen hierher in die heilige Stadt – Gott schütze Jerusalem! Alle, alle wollen sie einmal im Tempel beten, das Passa feiern in Jerusalem. Die Herbergen sind überfüllt. Die Pilger schlafen sogar in den Gärten. Hier vor dem Tempelberg am Goldenen Tor habe ich mein Geschäft, erstklassige Ware von soliden Handwerkern, Tontafeln, gesegnete Schriftrollen, Andenken an unseren Tempel. Die Stadt ist voll. Das Geschäft brummt. Aber der Trubel ist auch gefährlich. Ich kenne eine Menge Leute, die waren früher wohlhabend und jetzt haben sie nichts mehr. Wie Sklaven im eigenen Land! So kann es doch nicht weitergehen! Die Wut kocht im Land und wenn, dann wird sie hier in Jerusalem überkochen. Ein Funke kann genügen. Die Römer haben ihre Wachmannschaften vervier-facht. Brandgefährlich! Etwa neulich, als dieser Jesus in die Stadt kam. Ich denke, was ist das für ein Geschrei draußen? und schaue vor den Laden. Eine schreiende Menge. Sie winken mit Palmzweigen. Sie jubeln. Sie breiten Kleider auf den Weg. Wie für einen König, denke ich, das kann gefährlich werden. Ich will schon reingehen und den Laden schließen, da sehe ich ihn, den sie feiern. Auf einem Esel reitet er, auf einem Esel! Feiner König! Bettelkönig! Aber sie rufen: „Hosianna! Hosianna dem Sohn Davids!“ Was soll das denn? Der, ein Davidsohn? Keine Waffen. Kein Gefolge. Er jubelt nicht. Er winkt nicht. Sieht aus wie die Leute vom Land. Still, nachdenklich sitzt er auf seinem Esel. Auf einmal muss ich an das Prophetenwort denken: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel.“ Naja, die Römer werden dich auslachen, seltsamer König, aber über die schreiende Menge lachen sie nicht. Ich sehe noch ein paar Priester. Finster starren sie auf Jesus und die Menge. Die denken wohl das Gleiche wie ich. Dann schließe ich meinen Laden. Ich bin lieber vorsichtig, wer weiß …

Jerusalem ist das Ziel. Hosianna! Hoshia na! Hilf doch! So singen Juden beim Passafest den Psalm. Gott hat Israel aus der Sklaverei befreit. Er hat sie in der Not gerettet. Hosianna – du bist Gott, der uns befreit. Hilf uns heute, in allem, was uns bedrängt. Am Ende der Feier wünschen sie einander: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Die Menge ruft Jesus zu: „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ Alle Hoffnung konzentriert sich auf ihn. Er erfüllt, was in der Schrift verheißen ist. Er ist von Gott gesandt, der Messias. Dein König, Tochter Zion, dein König, Jerusalem! Was für ein König! Auf dem Weg nach Jerusalem, kurz vor der Stadt sagt Jesus seinen Jüngern: „Ihr wisst, dass die Herrscher über die Völker sich als ihre Herren aufführen und dass die Völker die Macht der Großen zu spüren bekommen. Bei euch soll es nicht so sein. Im Gegenteil: Wer unter euch groß werden will, soll den anderen dienen; wer unter euch der Erste sein will, soll zum Dienst an den anderen bereit sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben.“ (Mt 20.25-28) Jerusalem ist das Ziel. Da wird König Jesus sein Leben geben. „Hosianna“ ist unser Lobgesang, wenn wir das Mahl Jesu feiern. „Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe!“ Jesus kommt. Wir feiern ihn in unserer Mitte. Wir verkünden und bekennen seinen Tod und seine Auferstehung, „bis dass er kommt in Herrlichkeit“. Wir jubeln ihm zu: „Du bist unser König.“ Und wir bitten zugleich: „Hosianna! Komm, Herr, Jesus! Hilf uns!“

„Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel.“ Sanftmütig. Nur Matthäus verwendet dies Wort, das man auch freundlich, gütig, gewaltlos wiedergeben kann. Die Sanftmütigen nennt Jesus selig, denn sie werden die Erde besitzen (Mt 5,5). Jesus verzichtet auf Gewalt und sagt doch von Ostern her: „Mir ist alle Macht gegeben“ (Mt 28,18). Er ruft uns zu: „ lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“ (Mt 11,29) Wie kann das sein: Sanftmut in einer so von Gewalt zerrissenen Welt, Seelenruhe in all dem Unfrieden? Das will ich lernen von dir, König Jesus.

Vom Frieden sind wir weit entfernt. Zahllose ungelöste Konflikte plagen die Welt. Wir kommen kaum einen Schritt voran. Wir selbst sind bedrängt von Streit und Spannungen. Manchmal sind wir so enttäuscht, mutlos, müde. Es wird Zeit, dass du kommst, Jesus. Dringend warten wir auf dich. Wir glauben, dass du bei uns bist in Brot und Wein, aber oft versickert der Glaube in unserem Alltag wie Wasser im Sand. Wir hoffen, dass du Frieden bringst, aber ein Blick in die Nachrichten lässt uns verstummen. Es wird Zeit, dass du kommst, Jesus. Tritt aus deiner Verborgenheit heraus! Zeig dich dort, wo Hass und Gewalt herrschen! Komm, Jesus, Sohn Davids! Komm, Jesus, sanftmütiger König! Hosianna, gelobt seist du. Amen