Mt 11,25-30

Predigt am 3.5.15 von Andreas Hansen über Mt11,25-30

Liebe Gemeinde,

Jesus singt. Er stimmt ein Loblied an. „Ich preise dich, Vater!“ Wir kennen leider keine Melodie dazu. Jesus singt. Dabei war er gerade noch frustriert und verärgert. Wie ärgerlich: Die Leute halten den asketischen Johannes den Täufer für besessen. Doch über Jesus, der gerne feiert, sagen sie: „Er ist ein Fresser und Weinsäufer“. Jesus ärgert sich über die engen Herzen, wenn sie schimpfen: „Er ist ein Freund von Zöllnern und Sündern.“ Jesus will ja gerade die Sünder auf den Weg zu Gott bringen. Er beklagt sich über seine Galiläer, die nicht verstehen wollen. Schlimmer als die Leute von Sodom nennt er sie. Das alles steht in Kapitel Elf des Matthäusevangeliums. Und dann? Dann fängt Jesus an zu singen. Er hört auf zu schimpfen. Er öffnet den Mund und lobt Gott. Er singt und das Herz wird weit.

Hören wir Mt 11,25-30: Zu der Zeit rief Jesus aus, (gemeint ist die Zeit, als so viel Ärgerliches geschah):

Ich preise dich, Vater, du Herr über Himmel und Erde, dass du das alles den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hast du es gewollt, und dafür preise ich dich.

Alles hat mir mein Vater übergeben. Niemand kennt den Sohn, nur der Vater kennt ihn; und auch den Vater kennt niemand, nur der Sohn – und die, denen der Sohn es offenbaren will.

Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde euch Ruhe geben. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn das Joch, das ich auferlege, drückt nicht, und die Last, die ich zu tragen gebe, ist leicht.

Martin Luther King sagte einmal: „Gewiss, ich habe immer an einen persönlichen Gott geglaubt, aber früher bedeutete er mir kaum mehr als eine metaphysische Kategorie. Gott ist mir in den vergangenen Jahren fast greifbar wirklich geworden. Inmitten äußerer Unruhe empfand ich innere Ruhe. Wenn Furcht und Verzweiflung meine Mühen zunichte machen wollten, verwan-delte Gott die Müdigkeit und Verzweiflung in die Spannung neuer Hoffnung.“ Das gibt es, dass Gott für einen Menschen fast greifbar wirklich wird. Es kann geschehen, dass Gott die Müdigkeit und die Verzweiflung in die Spannung neuer Hoffnung verwandelt. Das Wunderbare geschieht: Gott ist spürbar nahe. Gott gibt sich zu erkennen. Gott offenbart sich

Jesus singt. „Ich preise dich, Vater.“ Ein Lied der Freude über Gott. Gott rührt die Herzen an. So, nur so kann es geschehen, dass Menschen ihn erkennen. Viele Menschen wollen nichts von Gott wissen. Sie denken: „Ich komme auch ohne Gott aus.“ Oder: „Die Menschen erfinden ihren Gott, wie sie ihn gerade brauchen.“ Oder: „Gott gibt es nicht. Sonst würde er doch nicht zulassen, dass es Kriege und Katastrophen wie jetzt in Nepal gibt und hungernde Kinder.“

Manchmal packt uns der Zweifel oder auch die Verzweiflung. Manchmal ist Gott ein leeres Wort für uns oder gar ein Hohn. Manchmal ist uns der Glaube ganz entzogen. Glauben kann man nicht machen. Auch die besten Argumente können keinen Glauben wecken.

Die Allzu-Gewissen irritieren uns, die sagen: „Du musst glauben!“ So geht es doch nicht. So wird Glaube ganz schnell eng, fanatisch, oder gar verlogen, ein Instrument um Macht über andere zu bekommen. Im Namen Gottes und im Namen des Glaubens werden Menschen verführt und verblödet. So sind sie zu allem, selbst zu Verbrechen bereit – schrecklich!

Glaube heißt ja nicht, dass wir die Vernunft abgeben. Aber es geschieht mehr, als wir erklären können. Es kann sein, dass Gott fast greifbar wirklich wird. Gott gibt seinen Geist, dass Glaube entsteht. Ein Funke springt über wie zwischen zwei Menschen, die sich verlieben. Gott offenbart sich. Er begegnet uns in dem Menschen Jesus. Ihm können wir vertrauen. Da werden wir nicht gehemmt und blöde, sondern frei und zuversichtlich und stark.

„Ich preise dich, Vater.“ Jesus singt mitten im Evangelium ein Lied. Er singt vom Geheimnis, von der unmöglichen Möglichkeit, dass Glauben wird. Die Klugen stehen sich selbst im Weg. Die Unmündigen und Kinder staunen. Sie öffnen selbstverständlich ihre Hände und lassen sich beschenken. Sie vertrauen. Ihnen offenbart sich Gott. Jesus singt das Evangelium, dass er eins ist mit dem Vater, dass wir durch ihn Gott erkennen. Er will, dass uns die Augen aufgehen, dass der Funke überspringt: Gott ist nah. Er ist greifbar wirklich. Gott kommt zu uns in Jesus. Auf den Gekreuzigten und Auferstandenen sollen wir sehen. Kein Leid, keine Schuld, nicht einmal der Tod kann uns trennen von der Liebe Gottes.

Dann singt oder ruft Jesus: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken – wörtlich: ich werde euch Ruhe geben – und dann noch einmal: So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Martin Luther King schrieb: „Inmitten äußerer Unruhe empfand ich innere Ruhe. Wenn Furcht und Verzweiflung meine Mühen zunichte machen wollten, verwandelte Gott die Müdigkeit und Verzweiflung in die Spannung neuer Hoffnung.“ Innere Ruhe ist für ihn die Spannung neuer Hoffnung. Was uns unruhig macht und zur Verzweiflung treibt, ist nicht einfach weg, aber wir können freier und zuversichtlicher damit umgehen.

Ich höre Sie und mich selbst innerlich seufzen: „Das wäre schön, wenn ich im Streit nicht die Beherrschung verlieren würde, wenn ich ruhig bliebe, nicht verletzt, nicht verletzend.“ Oder: „Das wäre schön, wenn ich mit dem, was mir Angst macht, anders umgehen könnte.“ Oder: „Wenn ich nur Kraft genug hätte für das, was mich immer wieder bis an die Grenze bringt und so ermüdet.“ Wie gern hätten wir die Spannung neuer Hoffnung, Ruhe für unsere Seele! Wie weit sind wir manchmal oder oft davon entfernt!

„Kommt her zu mir!“, ruft Jesus. Er lädt uns ein. Er kennt unsere Lasten. Das ist ja schon sehr viel, wenn wir einem anvertrauen können, was uns müde macht und niederdrückt und lähmt, wenn wir das einem sagen dürfen und er versteht. Wenn wir die Last wenigstens kurz ablegen und verschnaufen können, geht es schon besser. „Kommt her zu mir! Lernt von mir!“ So viel wie Jesus, können wir wohl kaum tragen. Und doch ist seine Last leicht. Er weiß, er ist nicht allein.

Bleib bei uns, Jesus, bleib bei uns, hilf uns mit deiner Zuversicht, deinem Vertrauen, deiner Liebe, dass wir Ruhe finden für unsere Seele. Amen

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