Mt 11,2-6

Predigt am 14.12.14 von Andreas Hansen über Mt 11,2-6

3.Advent, im Gottesdienst wurde vor der Predigt ein Kind getauft

Johannes der Täufer ist ein Unruhestifter. Viele kommen zu ihm an den Jordan und in die Wüste. Sie wollen ihr Leben ändern, neu anfangen. Darum lassen sie sich taufen. Johannes nimmt auch vor „denen da oben“ kein Blatt vor den Mund. Der Herrscher von Galiläa, Herodes Antipas, lässt ihn festnehmen. Er ist zu gefährlich. Er predigt von Gericht und Messias. Immer mehr Leute verarmen. Es gärt im Volk. Sie wollen die Herrschaft der Römer nicht mehr ertragen. Ein Funke genügt und ein Aufstand bricht los. Der Unruhestifter Johannes muss weg. Aus dem Gefängnis schickt er seine Schüler zu Jesus.

Mt 11,2-6: Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.

Liebe Gemeinde

„selig ist, wer sich nicht an mir ärgert“ – was für eine seltsame Seligpreisung. Ich ärgere mich über jemanden, wenn er gefährlich überholt oder mir rücksichtslos die Vorfahrt nimmt. Ich ärgere mich über Gemeinheiten, wenn jemand andere schlecht macht, verletzend und taktlos ist. Ich ärgere mich, wenn man mich für dumm verkaufen will. Der meiste Ärger ist zum Glück schnell wieder vergessen. Was soll´s, sich damit lange aufzuhalten? Anstrengender wird es, wenn uns Menschen ärgern, mit denen wir täglich zu tun haben: Lehrer, Schüler, Kollegen, Nachbarn. Schwer zu ertragen, wenn uns die Menschen ärgern, die wir lieb haben: Freunde, die Eltern, die Kinder, der Ehepartner. Aber Jesus? Über Jesus ärgert sich doch keiner! Oder doch?

Unter seinen Zeitgenossen nehmen viele an Jesus Anstoß. Sie ärgern sich, dass er ausgerechnet zu dem stadtbekannten Betrüger Zachäus ins Haus geht oder dass er einfach zu einem Menschen sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“. Er nennt Gott seinen Vater. Was für eine Anmaßung! Sie werfen ihm vor: Jesus hält sich nicht an Gottes Gebot. Seine Familie will ihn für verrückt erklären und in seinem Heimatort Nazareth bringen sie ihn beinahe um. Dass viele Jesus am liebsten zum König machen würden, ärgert besonders die Priester. Die Römer halten ihn schließlich für so gefährlich, dass sie ihn wie einen Terroristen kreuzigen. Jesus, ein Skandal!

Johannes sitzt zwischen feuchten Gefängnismauern, zermürbt, enttäuscht. Er hat gehört, dass Jesus Kranke heilt und Zeichen tut. Er weiß, viele Menschen sind begeistert von Jesus und von seinen Worten. Aber Johannes will mehr: Gerechtigkeit und Frieden für alle. Alle sollen Gott erkennen. Johannes wartet auf die neue Zeit. Für ihn selbst wird es knapp. Er weiß: Sein Todesurteil steht so gut wie fest. Umso dringender seine Frage: „Bist du der Retter, mein Retter? Bist du es, der kommen soll oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Jesus antwortet: „Sagt Johannes, was ihr hört und seht.“ Was Gott durch seine Propheten verheißen hat, können sie erleben. Es ist wahr. „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Jesus erfüllt, was in der Schrift steht. Zeichen sind das, Zeichen der neuen Zeit. Aber es fehlt noch so viel. Jesus stürzt nicht das System. Er reißt nicht die Macht eines Königs an sich. Er wird Johannes nicht aus dem Gefängnis befreien. Den Armen verkündet er das Evangelium. Den Mühseligen und Beladenen wendet er sich zu. Ein Weg der Niedrigkeit. Bei den Sündern ist Jesus zu finden. Sein Weg führt nicht auf den Königsthron, sondern zum Kreuz. Gottes Sohn stirbt wie ein Verbrecher.

„selig ist, wer sich nicht an mir ärgert“ Wer war Jesus? So fragt ein Historiker. Aber der ärgert sich nicht. Er beschreibt, was man über Jesus von Nazareth sagen kann. Er behält den Abstand des Zuschauers. Für Johannes dagegen hängt sein Leben von der Antwort ab: Wer bist du? Bist du der, an den ich glauben kann? Wir fragen in der Adventszeit mit Johannes: Wer bist du? Kann ich dir glauben? Ich sagte euch Konfirmanden: Das ist die Frage in der Konfirmandenzeit. Wer bist du, Jesus? Wer bist du für mich? Was kann ich glauben? Wir hörten vorhin den Taufbefehl. Der auferstandene Jesus sagt: Mir ist alle Macht von Gott gegeben. Wie soll ich dich verstehen, Jesus? Und er sagt: Ich bin bei euch alle Tage. Stimmt das? Bist du bei uns?

Die Gemeinde erzählt von den Jüngern im Sturm auf dem See. Der Wind ist furchtbar. Sie werden hin und her geworfen. Wasser läuft ins Boot. Sie schreien vor Angst. Jesus ist bei ihnen, aber er schläft, als ob nichts wäre. Sie ärgern sich: Merkst du nicht, dass wir untergehen? Manchmal bläst uns der Wind hart ins Gesicht. Wenn wir mit unserer Meinung allein dastehen. Einen Shitstorm nennt man das, wenn jemand tausend empörte Mails bekommt. Oder wir geraten in den Sturm, wenn wir überfordert sind und mit unserer Arbeit nicht vorankommen. Ein Unglück, eine Krankheit wirft uns aus der Bahn. Es ist wie in einem Sturm. Wir müssen hindurch. Bist du bei mir, Jesus? Verzagt, verzweifelt, manchmal auch wütend unsere Frage.

„Sagt Johannes, was ihr seht und hört!“ Blinde sehen. Lahme gehen. Die Jünger im Boot erleben: Plötzlich legt sich der Sturm. So schnell wie er gekommen ist. Ein Wort von Jesus, und es ist still. Wir sehen beides: Menschen, die untergehen, und andere, die wunderbar bewahrt sind, Menschen, die sich enttäuscht abwenden, und andere, deren Glauben ihnen auch noch im tiefsten Leid Halt gibt. Wer bist du, Jesus? Was können wir glauben?

„Sagt, was ihr seht und hört!“ Manchmal sind wir blind, taub, gelähmt, sehen nur uns selbst, hören nur unsere Wünsche, sind gelähmt von Angst. Bei Jesus aber hören wir das Evangelium für die Leidenden und die Armen. Wir sehen Jesus gerade bei denen, die verloren sind, bei Verachteten. Jesus erträgt die Zweifel und das Versagen seiner engsten Freunde. Jesus ärgert sich nicht über die Menschen, sondern freut über jeden, der zu ihm kommt.

Seine Sorge: Das wir uns ärgern über ihn. Dabei hätte er oft Grund genug, sich über uns zu ärgern. Selig, glücklich sind wir: denn Jesus ärgert sich nicht über uns, wir sind ihm lieb und recht. Selig sind wir: denn Jesus öffnet uns Augen und Ohren.

Selig sind wir, denn der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen