EG 617,1-3+6 Kommt herbei
Votum
Gruß
„Ruft ihm zu, der uns befreit“ – Gott befreit uns von menschenverachtenden Haltungen. Wir feiern diesen Gottesdienst im Gedenken an die Opfer des National-sozialismus. Noch immer ist unfassbar, was im Namen unseres Volkes und durch zahllose Deutsche geschah. Noch immer ist erschreckend, dass so viele das Unrecht bejaht haben oder gleichgültig blieben.
Mit dem Spruch „Nie wieder ist jetzt“ wird heute gegen Antisemitismus demonstriert, gegen Hass und Gewalt.
Wir gedenken der Opfer damals und wir bitten für heute,
dass wir wach genug sind und das Richtige tun.
Beten wir Psalm 143, einen Bußpsalm:
Herr, erhöre mein Gebet,
vernimm mein Flehen um deiner Treue willen,
erhöre mich um deiner Gerechtigkeit willen,
und geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht;
denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht.
Denn der Feind verfolgt meine Seele
und schlägt mein Leben zu Boden,
er legt mich ins Finstere
wie die, die lange schon tot sind.
Und mein Geist ist in mir geängstet,
mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe.
Ich gedenke an die früheren Zeiten;
ich sinne nach über all deine Taten
und spreche von den Werken deiner Hände.
Ich breite meine Hände aus zu dir,
meine Seele dürstet nach dir wie ein dürres Land.
Herr, erhöre mich bald, mein Geist vergeht;
verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
dass ich nicht gleich werde denen, die in die Grube fahren.
Lass mich am Morgen hören deine Gnade;
denn ich hoffe auf dich.
Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll;
denn mich verlangt nach dir.
Errette mich, Herr, von meinen Feinden;
zu dir nehme ich meine Zuflucht.
Ehr sei dem Vater ..
»Nie wieder Auschwitz«, haben wir gesagt.
Wir haben es ernst gemeint.
Wir haben uns um angemessenes Erinnern bemüht.
Wir wollten besser sein als unsere Väter und Mütter.
Wir würden nicht wegsehen und schweigen.
Und jetzt?
Kyrie eleison, rufen wir. Gott, hab Erbarmen mit uns.
EG 178.12
Wir sind ratlos angesichts von so viel offenem Hass
auf jüdische Menschen in unserem Land und dem Hass, der sich auf Israel richtet.
Wir haben unterschätzt, welche Mächte und Gewalten am Werk sind, denen wir so wenig entgegensetzen können.
Kyrie eleison, rufen wir. Gott, hab Erbarmen mit uns.
EG 178.12
Gott, du weißt: wir täuschen uns über uns selbst.
Wir wollen die schmerzliche Wahrheit oft nicht sehen.
Wir nehmen Unrecht, das uns nicht selbst betrifft,
nicht ernst genug.
Hilf uns, dass wir umkehren!
Kyrie eleison, rufen wir. Gott, hab Erbarmen mit uns.
EG178.12
Die ihre Missetaten leugnen,
denen wirdʼs nicht gelingen;
die sie bekennen und umkehren,
die werden Barmherzigkeit erlangen. (Sprüche 28,13)
EG 299,1-3 Aus tiefer Not
Barmherziger Gott.
Das Licht deiner Wahrheit
weckt aus Verzweiflung,
bringt verborgene Schuld an den Tag,
führt zum Widerspruch
gegen Menschenverachtung und Terror.
Breite unter uns
deine heilsame Klarheit aus.
Durch Jesus Christus, deinen Sohn,
der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und regiert in Ewigkeit.
Amen.
Als Lesung hören wir auf Verse aus Psalm 22.
Ein Mensch klagt Gott sein schreckliches Leid.
Auch Jesus hat mit diesen Worten gebetet.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich;
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.
Zu dir schrien sie und wurden errettet,
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.
Alle, die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:
»Er klage es dem Herrn, der helfe ihm heraus
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«
Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen;
du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter.
Auf dich bin ich geworfen von Mutterleib an,
du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe;
denn es ist hier kein Helfer.
…. mein Herz ist in meinem Leibe
wie zerschmolzenes Wachs.
Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe,
und meine Zunge klebt mir am Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub.
… Aber du, Herr, sei nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu helfen!
Amen
EG 235
Wir Christinnen und Christen können uns nicht neutral verhalten, wenn Menschen ausgegrenzt, verachtet, verfolgt oder Opfer brutaler Gewalt werden. Wir müssen uns an ihre Seite stellen.
In unserer Geschichte haben wir lange geschwie-gen zum Antisemitismus, ja Christen und christliche Theologen haben wesentlich zum Hass gegen Juden beigetragen.
Wir wollen umkehren.
Wir bereuen und bekennen, was geschehen ist. Und wir wehren uns heute gegen jede Form von Antisemitismus und völkischen Nationalismus.
Der Predigttext für den Gedenktag 27. Januar
sind in diesem Jahr Abschnitte in Lukas 22.
Jesus und seine Freunde sitzen zum letzten Mal zusammen. Sie sind in Jerusalem und feiern das Passahfest. Spannung liegt in der Luft: Was kommt jetzt? Was wird Jesus tun? Was wird aus uns? Jesus sagt:
»Simon, Simon! Sieh doch: Der Satan hat sich von Gott erbeten, euch durchzusieben wie den Weizen! Aber ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört. Wenn du dann wieder zu mir zurückgekehrt bist, sollst du deine Brüder und Schwestern stärken.« Petrus entgegnete Jesus: »Herr! Ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis zu gehen – ja, sogar mit dir zu sterben!« Aber Jesus erwiderte: »Das sage ich dir, Petrus: Noch bevor heute der Hahn kräht, wirst du dreimal abstreiten, dass du mich kennst.«
Später in dieser Nacht geschieht es
Die Männer nahmen Jesus fest, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohepriesters. Petrus folgte in einiger Entfernung. In der Mitte des Hofes brannte ein Feuer, um das sich einige Leute ver-sammelt hatten. Petrus setzte sich mitten unter sie. Ein Dienstmädchen sah Petrus dort im Schein des Feuers sitzen. Sie musterte ihn aufmerksam und sagte: »Der da war auch mit ihm zusammen!« Petrus stritt das ab und sagte: »Ich kenne ihn gar nicht, Frau!« Kurz darauf sah ihn jemand anderes und sagte: »Du gehörst auch zu denen!« Aber Petrus erwiderte: »Mensch, ich doch nicht!« Etwa eine Stunde später behauptete ein anderer: »Ganz bestimmt gehört er zu denen! Er kommt doch auch aus Galiläa.« Aber Petrus stritt es wieder ab: »Mensch, ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.« Im selben Moment, während er noch redete, krähte ein Hahn. Der Herr drehte sich um und blickte Petrus an. Da erinnerte sich Petrus an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte: »Noch bevor heute der Hahn kräht, wirst du dreimal abstreiten, mich zu kennen.« Und Petrus lief hinaus und weinte bitterlich.
Simon ist zu hundert Prozent sicher, dass er immer zu Jesus halten wird. Schon wenige Stunden später streitet er ab, dass er zu Jesus gehört.
„Ich kenne ihn gar nicht.“ Fast wie von selbst kommen seine Antworten. Simon ist auf einmal ein anderer, von Angst beherrscht.
Dass er dazu fähig ist! Aber wer mag von sich behaupten, dass er unter großem Druck nicht doch seine Überzeugung über Bord wirft? Wer kann sagen: „Das würde mir nie passieren!“?
Ich hoffe, dass wir ein freies Land bleiben, dass wir nie genötigt werden die Wahrheit zu verleugnen, und dass wir nie Angst haben müssen zu sagen, was unsere Meinung ist.
Wer getraut sich heute in Russland die Wahrheit zu sagen? Und viele andere Länder setzen ihre Bürger unter immer mehr Druck. Viele Menschen sind „im Sieb des Satans“. Dies Bild benutzt Jesus. Sie werden geschüttelt und geprüft.
„Was wird aus uns?“, fragen sich die Jünger damals. Petrus weiß ja, dass Jesus in Gefahr ist.
Als Jesus dann verhaftet wird, laufen sie alle weg. Auch Petrus schleicht nur vorsichtig zum Haus des Hohepriesters. Schon beim ersten Verdacht, dass er zu Jesus gehört, leugnet er.
„Was wird aus uns?“, mussten sich Juden in Deutschland spätestens ab 1938 fragen. Ihre Nachbarn wollten nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Beim Friedhof steht der Gedenkstein für die 1940 nach Gurs verschleppten Juden. Die Mitbürger schauten weg, als das Unrecht geschah. Die Kirche hat bis auf wenige Ausnahmen geschwiegen.
Und heute fragen wieder Juden in Deutschland: Was wird aus uns in diesem Land? Müssen Juden heute in Deutschland Angst haben?
Was wird aus Israel? Die Hamas hat das Land so grausam überfallen und schießt weiter mit Raketen. Immer wieder wird Israel zum Beenden des Krieges aufgefordert, ohne zu erwähnen, dass die Hamas Israel auslöschen will und die Bevölkerung Gazas als Schutzschild benutzt. Der Krieg muss enden. Israel und Palästina, beide brauchen Sicherheit.
Die falsche Politik Israels ist kein Grund Juden anzugreifen.
Auf vielen Kirchtürmen erinnert der Hahn an Petrus. Wir haben keinen Grund selbstsicher zu verkünden: „Das wird uns nie passieren!“ Wir wollen unser Bestes versuchen und hoffen, dass wir, wenn es darauf ankommt, die Wahrheit sagen.
Wie Petrus hat die Kirche ihren Herrn verleugnet, als sie zur Verschleppung und zum Mord an Juden und vielen anderen geschwiegen hat.
In diesen Tagen hören wir von Fällen von sexualisierter Gewalt in unserer Kirche und Diakonie. Wieder hat die Kirche versagt.
Auf allen Ebenen müssen wir wachsamer sein, damit nicht wieder Unrecht geschieht. Wenn doch Menschen Gewalt erleiden, muss unsere Kirche zuerst das Leid der Betroffenen sehen.
Wie Petrus müssen wir die Wahrheit über uns ertragen.
Zum Glück haben die Evangelisten vom Versagen des Petrus erzählt und es nicht verschwiegen. Jesus betet für Simon Petrus, dass sein Glaube nicht aufhört. Jesus wartet auf Petrus, dass er umkehrt.
Als Petrus zum dritten Mal leugnet, dreht Jesus sich um und sieht ihn an. In diesem Moment erkennt Petrus, was er getan hat. Er erschrickt tief über sich selbst. Weinend läuft er davon.
Die Wahrheit schmerzt.
Jesus sieht ihn an. Ihre Blicke treffen sich.
Jesus wird geschlagen und später verurteilt
und gekreuzigt. Petrus rettet seine Haut.
Petrus weiß: Jesus hat sich umgewandt zu mir. Er hat mich angesehen. Jetzt kann ich die Wahrheit über mich ertragen. Ich kann umkehren zu den anderen und ihnen von mir und Jesus erzählen.
Jesus hat Simon Petrus nicht verurteilt
oder fallen gelassen. Jesus wendet sich uns zu.
Gottes Liebe ist größer als unser Herz.
Amen
Neue Lieder 170 Kreuz, auf das ich schaue
Gott, wir denken an die vielen, unfassbar vielen Toten, die im Nationalsozialismus ermordet worden sind.
Wir denken daran, was Verblendung, Hass, Rassismus,
Menschenverachtung angerichtet haben und auch heute anrichten, an die unvorstellbare Gewalt, die durch Deutsche und im Namen unseres Volkes geübt wurde.
Hilf uns wachsam zu sein, der Hetze und der Gewalt zu wehren und die zu schützen, die heute angegriffen werden.
Wir denken an so viele, die verletzt und untröstlich sind in Israel und Gaza. So viele Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt, die in Angst leben. Bring du Heilung und schenke allen neue Perspektiven. Stärke die, die sich einsetzen für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern und wehre denen, die immer weiter Terror und Hass fördern und kein Interesse am Leid der Menschen haben.
Wir denken an die Not der Betroffenen von sexualisierter Gewalt. Hilf uns umzukehren, wachsam zu sein gegen ungute Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse. Hilf uns, die Schwächen unserer Institution Kirche und unsere eigenen Fehler zu sehen und neu anzufangen.
Wir denken an unsere Kranken, an die, die Trauernden, an die von Sorge und Angst Geplagten. Nimm dich ihrer und unser aller an, Gott. Bewahre und behüte uns.
Vaterunser
EG 171 Bewahre uns, Gott
Segen