Predigt am 17. April 2014 von Andreas Hansen über Lk 22, 15
Gründonnerstag
Gründonnerstag 2014, Abendmahlsgottesdienst
Lk 22, 15: „Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“
So spricht Jesus in dieser Nacht, liebe Gemeinde; diesen Satz Jesu schauen wir an. „Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Jesus feiert mit seinen Jüngern Passah. Darum sind sie nach Jerusalem gekommen. Mit vielen anderen wollen sie zum Fest in der Stadt sein. Juden in aller Welt feiern bis heute jedes Jahr Passah, das Fest der Befreiung. Gott hat das Leid seines Volkes gesehen. Er hat sie befreit aus der Sklaverei in Ägypten. Sie feiern: „Gott ist da für uns. Gott sieht, wie es um uns steht. Er hört unser Gebet. Er lässt uns nicht in unserem Elend. Gott schenkt uns Hoffnung. Wir haben einen Gott, der da hilft.“ Sorgfältig wird alles vorbereitet, was zum Fest gehört, was an die Zeit der Unterdrückung erinnert und an die wunderbare Rettung. Dann wird vorgelesen und erzählt, wie es war, damals in der Nacht vor dem Aufbruch in das gelobte Land der Verheißung. Die zentrale Geschichte des Gottesvolkes wird in der Erinnerung lebendig. Es ist, als wäre man mitten unter denen, die noch die Tränen und das Leid schmecken, aber schon gepackt haben, angezogen und bereit sind für den Weg in die Freiheit. Die Sehnsucht nach Freiheit bleibt durch alle Zeit lebendig. In immer neuen Situationen hat Gott Menschen Hoffnung geschenkt. Gott befreit sein Volk. Er ist ein Gott der Freiheit. Jesus und seine Jünger sind Juden. Ihr Verhältnis zu Gott ist ganz und gar vom Glauben Israels geprägt. Das erste Abendmahl, das Mahl Jesu vor seinem Tod ist ein Passahmahl. Aber das Passah ist nicht unser Fest. Israels Geschichte lesen wir in der Bibel, aber sie ist nicht unsere Geschichte. Wir bekommen jetzt durch Jesus einen Zugang dazu. Wir feiern in jedem Abendmahl die Hoffnung auf den Gott der uns befreit, befreit von Schuld und von allem, was uns von Gott trennt, befreit zum Leben.
„Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Oft wird berichtet, wie Jesus mit Freunden und mit Fremden gegessen und gefeiert hat. Er hat Menschen in seine Gemeinschaft hinein gezogen. An einem Tisch mit ihm haben sie erlebt, wie Gott sie liebt und annimmt. Wenn Jesus von Gottes Reich sprach, hat er es oft mit einem Festmahl verglichen. Auch jetzt spricht er vom Essen und Trinken in Gottes Reich. Zu Tausenden kommen sie zum Fest in die Stadt. Feiern kann man nicht allein. Gemeinsam essen – das ist mehr als kollektive Nahrungsaufnahme. Tischgemeinschaft kann trösten, versöhnen, Freude bereiten, stärken. Natürlich erlebt jeder auch mal Streit und Ärger am Essenstisch. Dennoch: Wer bereit ist, sich mit dem anderen an einen Tisch zu setzen, ist auf einem guten Weg. Die Tischgemeinschaft zielt auf Frieden. Alle bekommen, was sie brauchen. Jeder darf genießen und sich freuen. Das Abendmahl war in der ersten Christenheit Teil einer gemeinsamen Mahlzeit. Augustin nannte Abendmahl und Taufe sichtbare Gottesworte. Im Abendmahl bekommen wir Gottes Zusage zu sehen, zu riechen, zu schmecken. Ein Stück Brot, ein Schluck Wein – wir erleben mehr als wir verstehen. Wir nehmen leibhaftig auf, was Gott uns schenkt. Gott gibt sich selbst in Jesus Christus. Er schenkt Leben und Heil.
„Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Jesus weiß, was die Stunde geschlagen hat. Bald wird er leiden, verlassen sein, sterben. Er weicht nicht aus. Er wehrt sich nicht. Gott setzt sich selbst all dem aus, was ihm widerspricht. Jesus leidet unter Unrecht und Gewalt. Selbstherrliche Machthaber bringen ihn um. Jesus feiert das Passahmahl wie in jedem Jahr. Und doch steht alles schon im Zeichen seines Kreuzes und bekommt von dort eine neue Bedeutung. Das Brot ist der Leib Jesu, der für uns gegeben wird. Der Wein ist das Blut, das zur Vergebung der Sünden vergossen ist. Jesus gibt sich für uns hin. In jedem Abendmahl erinnern wir an seinen Tod und seine Auferstehung. Wir bekommen zeichenhaft Anteil an dem, was geschah. Jesus selbst ist im Abendmahl bei uns. Jesus schenkt uns sich selbst, seine Nähe, seine Gemeinschaft, sein Leben für uns. In diesem Essen und Trinken und im Glauben, den Gott in uns weckt, ist Jesus bei uns.
„Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide.“ Jesus verlangt danach, mit seinen Freunden zu essen. Es ist ihm ein tiefes Bedürfnis. Von Herzen will er das ganz besondere Fest des Glaubens feiern, die Gemeinschaft am Tisch mit den Seinen erleben, Freude und Trost in ihrem Kreis erfahren. Dann gibt er seinen Jüngern und seiner Kirche das Heilige Abendmahl. Das gemeinsame Essen bekommt eine neue, auf ihn bezogene Bedeutung. „Das tut zu meinem Gedächtnis.“ Das Mahl Jesu gehört darum ganz zentral in unseren Gottesdienst. Jesus lädt uns ein an seinen Tisch. Ihn verlangt herzlich nach der Gemeinschaft mit uns. Er will, dass wir seine Gemeinschaft suchen und erleben. Er sagt: „Hier, in Brot und Wein, sollst du mich finden.“ Ich nehme das Brot und höre: „Christi Leib, für dich gegeben.“ Mir persönlich gibt Jesus Stärkung, Vergebung, Gewissheit, Gemein-schaft. So hat das Abendmahl den Charakter eines individuellen Erlebens. Zugleich aber stelle ich mich in den Kreis der Glaubenden, in die Gemeinschaft des Leibes Christi, an dem ich ein Glied bin. Haben wir mit Christus Gemeinschaft, dann gehören wir durch ihn auch zusammen. Ich brauche die anderen, die mir Brot und Kelch reichen und mir zusagen: „Christi Leib, für dich gegeben, Christi Blut, für dich vergossen.“ Jesus verlangt herzlich nach der Gemeinschaft mit uns. Er lädt uns ein und beschenkt uns. So wie wir sind, dürfen wir zu ihm kommen. Lasst uns schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Amen